Brandon Rike, seines Zeichens Sänger der Alternative Rocker DEAD POETIC, mag laut Bandbiographie nix mit dem "S-Wort" zu tun haben, nämlich "Screamo". Er sieht seine Band, die sich 2004 nach dem zweiten Album aufgelöst hatte und neu formiert werden musste, eher von Truppen wie STONE TEMPLE PILOTS, PEARL JAM, MÖTLEY CRÜE, SKID ROW oder DEFTONES (deren Chino Moreno auch an den Stücken "Crashing Down" und "Paralytic" mitschrieb) beeinflusst. Und seine Worte sind nicht etwa heiße Luft, sondern man hört diese Bands tatsächlich heraus, wenn auch nicht direkt. Mit persönlich fallen noch etwa THE JULIANA THEORY ein, die ähnlich emotional und knackig rockend vorgehen. Auch dem Grunge war man unter Anderem nicht abgeneigt, glaubt man dem glasklar und angenehm relaxt agierenden Sänger. Aber mit NIRVANA und Co. hat "Vices" zum Glück nicht allzu viel am Hut, auch wenn sich die eine oder andere Schrammelgitarre durchaus untergemogelt hat. Dass DEAD POETIC auch einen Alternative-Muffel wie mich überzeugen können, liegt aber ganz klar am sehr gelungenen Songwriting, das die meisten der Stücke des Albums zu modernen, gefühlvollen Hymnen mit Langzeitwirkung aufwertet. Darunter befinden sich zum Bleistift der sehr eingängige Opener "Cannibal Vs. Cunning", die coolen Groover "Lioness" und "Self-Destruct & Die", das flotte "Long Forgotten", das treibende "The Victim" oder der atmosphärische Soundteppich "Animals". Anspieltipps gibt es auf "Vices" also genug, was das Album für alternative Naturen zum echten Erlebnis macht und garantiert ein kleines Genre-Highlight darstellt, nachdem viele der oben genannten Bands heute kaum noch was, respektive gar nix mehr reißen. Sehr stark!
Wie es PSYOPUS geshafft haben, nach ihrem Reflections Records-Erstling bei Metalblade zu landen, ist eine interessante Frage, denn normalerweise ist das Label in Sachen Stressmucke nicht so firm. Wie auch immer, PSYOPUS sind definitiv nicht ausgewimpt oder massenkompatibler geworden, stattdessen wir auf "Our Puzzling Encounters Considered" eine wahnsinnige Noise-Nummer abgezogen, die auf so überflüssigen Ballast wie Songstrukturen, Nachvollziehbarkeit oder geistige Unversehrtheit des Hörers weitgehend verzichtet. Für einen kleinen Kreis von Bekloppten ist die Scheibe wahrscheinlich die Erfüllung aller Mathcore-Träume, während der weit größere Teil der Menschheit schreiend weglaufen wird, wenn sie mit Ausgeburten eines kranken Genies wie "Whore Meet Lair" konfrontiert werden. Wem die schon beim Debüt genannten Referenzen zu normal sind oder wer seine Mitmenschen quälen will, ist hier richtig - dem Rest sei abgeraten, das ist zu kranker Stoff.
FREYA ist die neue Band von EARTH CRISIS-Sänger Karl Buchner und zwei weiteren EARTH CRISIS-Leuten, die ja mittlerweile ihre Ur-Combo neu auflegen. Aber ist jetzt egal, hier geht es um "Lift The Curse", den zweiten Longplayer von FREYA. Und der bietet metallischen Hardcore bester Sorte, inklusive eines ungewöhnlichen "War Pigs"-Covers. Karl Buechner hat seine charakteristische Stimme seit dem FREYA-Erstling noch verbessert, auch wenn die clean gesungenen Passagen leider fast gänzlich verschwunden sind. Die Songs sind griffig, brutal und im Ohr festsetzend, was bei dem Background der Musiker niemanden überraschen sollte, ebensowenig die Nähe zum EARTH CRISIS-Groove. Einziger Wehmutstropfen ist die kurze Spielzeit von nicht mal einer halben Stunde, da wäre durchaus noch Platz für zwei, drei Kracher mehr gewesen, so bleibt es trotz neun hochklassiger Songs ein zu kurzes Vergnügen. Wer sich daran nicht stört, EARTH CRISIS-Fanboy ist oder einfach guten, brutalen Hardcore macht, sollte sich "Lift The Curse" zulegen.
Düster-Metal ist in den letzten Jahren zum reinen Kommerzprodukt verkommen! Bands wie HIM (deren erste Werke ich zugegebenermaßen immer noch mag), REAMONN oder THE 69 EYES versuchen krampfhaft, die Rotwein schlürfende Samtkleidchenfraktion mit ihren pseudo-melancholischen Disco-Sounds zu beeindrucken, während einstige Szenepioniere wie PARADISE LOST, TYPE O NEGATIVE oder TIAMAT die Szene schon lange nicht mehr bereichern können. Da kommen Bands wie INSOMNIUM, NOVEMBERS DOOM, NOUMENA oder eben SWALLOW THE SUN gerade Recht, wobei Letztere kein Glück mit ihren ersten beiden Alben hatten; "Ghosts Of Loss" und "The Morning Never Came" gingen aufgrund mangelnder Promotion fast spurlos an der Fangemeinde vorbei. Doch mit dem "legendären" dritten Album könnte sich auch hier alles zum Besseren wenden, denn erstens hat das finnische Sextett mit Spinefarm ein mächtiges Label im Nacken und zweitens mit "Hope" eine Sternstunde akustischer Düsterkunst dahergezaubert. Ganz eindeutig von OPETH, AMORPHIS, KATATONIA, MY DYING BRIDE und diversen anderen - echten - Depri-Vorreitern beeinflusst, hört man dem Album seine Authentizität mit jedem Ton an! Die neun zumeist überlangen Songs sind von Leuten geschrieben worden, die diese Musik leben. Lange, tiefe Riffs, präsentes, atmosphärisch ergänzendes Keyboardspiel und ein Mikko Kotamäki am Mikro, dessen abwechselnd abgrundtief growlende und im nächsten Moment glasklare, zerbrechliche Stimme die Authentizität der Musik und der Texte perfekt zelebriert. Die acht durchweg hervorragenden Kompositionen gehen nahtlos ineinander über, wobei besonders "The Justice Of Suffering" und der Bonustrack "These Low Lands" erwähnt werden müssen, bei denen KATATONIA-Sänger Jonas Renkse (bei Ersterem), bzw. AMORPHIS-Shouter Tomi Joutsen als Gäste zu hören sind. Kurz und gut: eine der besten Düsterplatten seit langer Zeit, die die Messlatte für alle "traurigen" Möchtegerns ganz sicher ein Stück zu hoch legt!
Sehr passend haben CHIMAIRA ihr neues Album betitelt, ist doch Ur-Drummer Andols Herrick vor den Aufnahmen wieder zur Band zurückgekehrt und hat Kevin Talley (ex-MISERY INDEX) vedrängt. Ob es nur an seiner Rückkehr liegt, dass "Resurrection" variabler und weniger brutal als der selbstbetitelte Vorgänger ausgefallen ist? Fakt ist, dass Mr. Herrick eine verdammt gute Leistung abgeliefert und in den zwei Jahren offensichtlich nichts verlernt hat. Seine Kollegen haben indessen hörbar an ihren Songwriter-Skills gearbeitet und die elf Songs sehr unterschiedlich angelegt. Mark Hunter muss seine Stimmbänder ziemlich strapazieren, hat in den brutalen Abschnitten aber immer noch Probleme, Brutalität und Variabilität in der Stimme zu verbinden- Kurz: zeitweise nervt er mit seinem immer gleichen Gekeife. Wenn er aber die cleane Variante auspackt, wird es deutlich besser und das ganze Volumen seiner Stimme kommt zum Vorschein. Der Mix aus Abrissbirnen wie "Pleasure In Pain", "End It All" und "Worthless" und eher groovigen Stücken Marke "The Flame" und "Needle" funktioniet sehr gut, einzig das viel zu lange "Six" nimmt der Scheibe im Mittelteil viel zu viel Wucht. Mit fast zhen Minuten ist der Song einfach zu lang und vor allem zu eintönig geraten, da wird die Skip-Taste sicher oft betätit werden. Der Metalknaller 2007 ist "Resurrection" für mich nicht geworden, aber eine verdammt starke Scheibe haben die wiedervereinten CHIMAIRA allemal eingespielt, mit der sie die Balance zwischen Wandel und Kontinuität halten können und sich somit für alte Fans als auch aufgeschlossene Metaller interessant machen.
NEAL MORSE lebt seinen Glauben nicht nur privat, sondern auch musikalisch - das ist bekannt. Mit seinem neuen Album "Sola Scriptura" (was soviel bedeutet wie "nur nach der Schrift") nähert er sich jetzt thematisch der Geschichte Martin Luthers und seiner Thesen an. Demzufolge dürften die Texte wieder einmal nicht jedermanns Sache sein (davon abgesehen, kann ein so komplexes Thema auch kaum ansatzweise in 76 Minuten erfasst werden); aber auch musikalisch gibt es ein deutliches Pro und ein Contra festzustellen. Noch immer versteht Morse es progressive Rockmusik solchermaßen zu verpacken, dass Frickeleien wie selbstverständlich dazu gehören und viele Passagen fast schon airplaytaugliches Hitpotential entwickeln. Andererseits fehlen zusehends die Überraschungsmomente vergangener Tage; vieles wurde ähnlich schon von NEAL MORSE selbst präsentiert, anderes unter dem Spock´ s Beard Banner. Manches erinnert an Transatlantic. Aber seine Wurzeln sollte und darf man ja auch nicht verleugnen ? vor allem wenn es so gekonnt dargeboten wird. Trotzdem - so euphorisch "Sola Scriptura" wohl auf Neulinge in Neals Welt wirken dürfte; so kritisch werden manche alte Beard-Fans die Sache angehen. Qualitativ liegt Morse mit seinem neuen Album besser als auf dem Vorgänger - mit dem 2003er-Überwerk "Testimony", aber auch mit "One" lässt sich der Output 2007 allerdings nicht ganz messen. Dass er dabei mit seine kongenialen Partner Randy George (Bass), Paul Gilbert (Gitarre) und Dream Theater Drummer-Hero Mike Portnoy auf instrumentaler Seite hochkarätiges abliefert ist selbstverständlich. Keine Frage, NEAL MORSE bietet auf ?Sola Scriptura? genau das, was man erwartet: Drei Überlange progressive Epen und eine mainstreamlastige Ballade - Pop-Retro-Prog mit haufenweise Melodien (für die andere Sterben würden). Der halbstündige Opener "The Door" (mit einiges an Neal´s typischen magischen Momenten) und das folgende "The Conflict" (beginnt ungewöhnlich heftig, nur um später in gefühlvollen Flamenco zu fallen - "The Light" lässt grüßen) entführen auf eine bombastische Achterbahnfahrt, in deren Verlauf NEAL MORSE auf immerwährenden melodischen Spuren zwischen harten Riffs, betonten Breaks, Harmoniegesang, Ohrwurmmelodien und instrumentalen Soli schwelgt. Ungewohnte Kompositionen gibt es dabei nicht - Böses wer Arges dabei denkt - aber Spaß macht´s. Nach der 5-minütigen radiotauglichen und eigentlich doch zu eingängigen Ballade "Heaven In My Heart" kommt mit "The Conclusion" (16:34) ein exzellenter Schlusstrack, welcher die NEAL MORSE Bombast-Scala wohl anführen dürfte - ein Song für die Repeat-Taste. Will meinen: Morse wie man ihn kennt - allerdings einen Tick härter und bombastischer - gewohnt gut.
Man möchte meinen, dass die Bocholter "True Metaller" (dieser Begriff ist mittlerweile der völlige Witz) WIZARD irgendwann Ende der 90er im Fahrwasser von HAMMERFALL gegründet wurden und dadurch zu Ruhm und Ehre gekommen sind. Falsch, denn beides stimmt nicht! Erstens gibt es diese Echtstahl schmiedende Truppe bereits seit 1989, und zweitens gehört man mitnichten zu den vom Erfolg verwöhnten Genre-Bands, aber eindeutig zu den national besten! Daran ändert auch der neue Release "Goochan" nix, der einmal mehr traditionelle Hymnen vom Fass von fast durchgehend höchster Qualität bietet. Ich muss gestehen, dass ich das Album sogar einen Tick stärker finde als das neue, ebenfalls nicht gerade üble GRAVE DIGGER-Werk, wobei man "Goochan" einige Male hören muss, bevor es richtig zündet. Mit dem flotten "Witch Of The Enchanted Forest" fährt man gleich eine der geilsten Mitsing-Granaten seit Langem auf, der sich mit "Pale Rider", "Children Of The Night", "Lonely In Desert Land", "Two Faces Of Balthasar" und "Return Of The Thunder Warriors" einige fette, ebenfalls erstklassige Stampfer anschließen. Mit "Sword Of Vengeance" hat man außerdem einen an die US-Metaller CAGE erinnernden Uptempo-Brecher am Start, nur leider befinden sich mit "Call To The Dragon" (gruseliger Lalala-Refrain), "Black Worms" und "Dragon´s Death" (geile Drums, aber ansonsten recht banal) auch ein paar weniger ausdrucksstarke Songs auf dem Album, die zwar auch nicht schlecht sind, aber das Niveau des großartigen Restes nicht ganz mitgehen können, was "Goochan" leider am Ende auch den "Tipp" kostet. Für waschechte "Metal-Warriors" ist die Scheibe aber dennoch ein Pflichtkauf!
Rot-Rock aus Frankreich? RATM dienen häufig als Vergleich - aber 10 RUE D´LA MADELEINE bieten noch viel mehr. Neben alternativ angehauchten, hartem Rock mit metallischen Anklängen und Faith-No-Morigen Ideen integrieren die Franzmänner Folk (aus der ganzen Welt)- und Ska-Elemente bis hin zum Punk und kreieren so eine tatsächlich sehr tighte, stimmungsvolle Mischung. Eine Mischung, die Aggressivität, Wut, aber auch Melancholie und Gefühl versprüht. Neben typischen Rock-Instrumenten verwenden "10 Rue" (so die Kurzform) auch Geigen und Klarinetten. Und, ein ganz großer Pluspunkt: Die ausschließlich französischen Texte klingen immer noch exotisch, mindestens aber authentisch. Unweigerlich bekommt der Hörer auf einen "Café au Lait" und ein "Croissant". Nach dem Frühstück geht es dann zum Bildermalen auf den "Champs Elysee", abends geht´s dann aber in einen Vorort zum Konzert im autonomen Jugendzentrum - oder gleich ans Auto abfackeln. Diese Band versteht es nicht nur prima, verschiedenste Musikstile unaufdringlich und gelungen miteinander zu verbinden und keinen Klischees aufzusitzen. Vielmehr könnten sich die Herrschaften auch zum Sprachrohr einer frustrierten wie nachdenklich-intelligenten Jugend machen. Oder die Band schlägt sich einfach nur auf die Seite der Frustrierten und gibt ihnen ein Stück Lebensmut zurück. Gutes Album - und eben nicht, wie das abschließende Stück behauptet "Jamais Le Meme".
Die Österreicher bereiten sich auf die Zeit vor, wenn kein Schnee mehr fällt und ihre Alpen zu Steinwüsten verfallen sind. Arizona kommt nach Europa, vieles erinnert an QOTSA und Co. Nur spielten die Ösis ihren Scheibe mit sehr viel Siebziger-Flair ein, Led Zeppelin sind allgegenwärtig gelegentlich grüßen sogar die Beatles und manch Song klingt gar nach Udo Lindenberg in seiner Andrea-Doria-Zeit. Sogar Artwork, Schrifttypus und Layout der Scheibe transportieren den Spirit des Vergangenen. Das mag ja alles an sich nicht schlecht sein, ist sogar recht abwechslungsreich (Western-Feeling, balladeske Songs, Psychedelic-Pop, Keyboard-Rock, Hendrix-Retro, rockiger Groove, Boogie, und vieles mehr - das trifft wahrscheinlich sogar wieder den Zeitgeist, wie Erfolge von Bands wie Wolfmother zu belegen scheinen. Indes: Mit zunehmender Spielzeit geht einem der Gesang auf die Nerven, sorgt für Ohren- und Hirnbluten. Und auch die lichten Momente der Scheibe können nicht über die Redundanz der Songs hinwegtäuschen. THE RETURN OF THE RED PONY ist ein weiterer Grund zu hoffen, dass sich die Alpen der fortschreitenden Klimaerwärmung noch länger als erwartet widersetzen.
Psychedelischer Stoner Rock trifft auf experimentell, verzerrte Bass-Sounds, verzweifelter Gesang auf doomige Melancholie, Tribal-Getrommel und Ambient-Anklänge vereinigen sich mit harten Riffs und akustischem Gezupfe. All die nervenaufreibenden Zutaten bilden letztlich einen arg bedrückenden Soundtrack zum Untergang des menschlichen Seins ? hier brennt das Feuer der ultimativen Selbstaufgabe. Die sechs Songs der 2002 gegründeten Ami-Band dauern fast eine Stunde, der Marsch in die Sackgasse des Todes wird zur unendlichen Quälerei. Jedenfalls für Otto-Relativ-Normal-Hörer. Wer mit Mastodon, Neurosis, Isis oder Cult Of Luna nicht wenigstens im Ansatz etwas anfangen kann, für den wird diese Scheibe zur unbestehbaren Nervenprobe. Wer aber offen ist für eine experimentelle Reise zum Mittelpunkt des Nervenzentrums, der wird von MINSK mit einem großartigen, aber auch schmerzenden Lauschangriff belohnt. Großes Ohrenkino ? aber nicht Popcorn, sondern Programm. Hinsetzen, Augen zu und, ganz wichtig: Zeit nehmen und ZUHÖREN. MINSK ist nämlich interessant..