Niklas Sundin ist nicht nur als Coverkünstler bekannt, sondern auch (und vor allem) als Mitglied von DARK TRANQUILLITY. Zwei Jobs reichen dem guten Mann anscheinend nicht mehr, und so hat er mit ein paar Leuten von THE PROVENANCE ein Nebenprojekt aus der Taufe gehoben. LAETHORA ist eine Hommage an den guten alten Death Metal, wie er bis Anfang der 90er gespielt wurde. Das die Scheibe eröffenende "Parasite" und das folgende "Clothing For The Dead" sind amerikanisch (MORBID ANGEL) angehauchte, brutale Attacken auf das Trommelfell des Hörers, während "Revolution At Hand" so richtig schön von alten NAPALM DEATH inspiriert ist. Sänger Jonatan klingt dabei so böse und angepisst wie ein Pitbull, dem man die Kat…das Spielzeug weggenommen hat und passt damit perfekt zu den Songs. Überraschenderweise bleiben LAETHORA nicht in dieser Spur, sondern haben mit dem fast schon KATATONIA-mäßigen "Black Void Remembrance” einen sehr vielschichtigen Song, der neben Wut und Aggression auch Verzweiflung und Depression vermittelt und damit die dunkle Seite der Scheibe passend einläutet, auch wenn das anschließende "Repulsive" wieder ein Ausflug in reine Death Metal-Gefilde ist. Aber bei aller Aggression und (technisch sauber gespielter) Brutalität hängt eine dunkle Stimmung wie eine Wolke über der ganzen Platte, was sie nur vielschichtiger macht. Am Ende bleibt das Gefühl, hier gerade zehn gelungene Songs gehört zu haben, die nur Musiker schreiben können, die mit Hingabe bei der Sache sind. Auch wenn nicht jeder Song sofort zündet, ist "March Of The Parasite" ein vorzügliches Death Metal-Album, dass mit jedem Hördurchlauf komplexer wird und mehr Details offenbart, aber für DARK TRANQUILLITY-Jünger ist ein Probehören empfehlenswert.
Mit dem 2005er Album "Bar Room Semantics” dieser Truppe aus North Carolina hatte ich wirklich meine Probleme, denn die von Art Rock, Country, Blues, Rock´n´Roll, Jazz und Singer/Songwriter-Elementen beeinflusste Musik tat sich nur allzu schwer, Zugang zu Gehör und allen daran angeschlossenen Organen zu finden. Auf "Vagabonds And Hooligans" geht es schon ein wenig einprägsamer zur Sache, aber eine Veranstaltung für Rocker oder gar Metaller ist auch diese Scheibe nicht! Ich gebe zu, dass Stücke wie der Titelsong, "Undecided", "Apparitions" oder das etwas von John Lennon beeinflusste "Get Wise" aufgrund ihres stillen, melancholischen Grooves in gewissen Stunden durchaus ihre Reize haben, doch eine allgemeine Empfehlung kann man hier kaum aussprechen. Auffällig ist auch, dass Bandgründer und Frontmann Ed Anderson dazu neigt, irgendwie (beabsichtigt?) schief zu singen, wie man im Titelstück oder dem lediglich von einem Piano begleiteten "A Long Time" (die Melodie erinnert mich stellenweise an den "Halloween"-Soundtrack von John Carpenter…) nachvollziehen kann. Einen totalen Bock hat die Band mit dem anscheinend parodistisch gemeinten "Tom Petty" geschossen, das hier zwar zu den gelungensten Stücken zählt, jedoch angesichts der Tatsache, dass Mr. Anderson niemals in seinem Leben auch nur annähernd an die geniale Rock-Legende heranreichen wird, nur noch lächerlich wirkt. Oder anders: hätte "Vagabonds And Hooligans" nur halb soviel Klasse wie "Full Moon Fever" oder "Into The Great Wide Open", wäre ich wirklich begeistert. So bleibt es trotz einer kleinen Steigerung leider wieder nur bei einer kaum zu empfehlenden Scheibe.
Mit der Band FISHBONE aus L. A. verbinde ich eine Zeit vor gut 20 Jahren, als Crossover im Entstehen war, Bands wie FAITH NO MORE, LIVING COLOUR und PRIMUS auf den Plan traten und die CHILI PEPPERS noch wild waren. FISHBONE waren immer schon die kompromisslosesten und krassesten von allen. Ihre Mischung aus Punkrock, Ska, Jazz und Funk, die in krumme Rhythmen, schräge Harmonien und skurrile Arrangements gegossen wurde, machte wirklich vor nichts halt. Dass die Band noch existiert, wusste ich gar nicht, aber laut Presse-Info hat sie vor zwei Jahren ein erfolgreiches Comeback in Europa gefeiert, das offenbar komplett an mir vorbeigegangen ist. Von der Urbesetzung sind mittlerweile nur noch die beiden Gründungsmitglieder und Bandköpfe Angelo Moore (Vocals) und John Norwood Fisher (Bass) übrig, der Rest wurde nach und nach ausgetauscht. U. a. ist jetzt der ehemalige SUICIDAL TENDENCIES-Gitarrist Rocky George mit dabei. Das neue Album erstaunt in doppelter Hinsicht. Zum einen deshalb, weil die Zeit an FISHBONE scheinbar spurlos vorbeigegangen ist und sie alles in allem immer noch so klingen wie vor 20 Jahren. Und zum anderen, weil ihr Sound, der eigentlich längst komplett überholt ist, immer noch unglaublich frisch klingt. Letzteres mag daran liegen, dass die siebenköpfige Band sämtlich aus genialen Ausnahmemusikern besteht, die nicht nur durch ihr spielerisches Können glänzen, sondern auch mit grenzenloser Energie und Spielfreude zu Werke gehen. Trotzdem ist die Scheibe ein zwiespältiges Vergnügen. Zwar macht die musikalische Anarchie durchaus Spaß, gleichzeitig ist sie aber auch ziemlich anstrengend. Immer, wenn man glaubt, ein bisschen durchatmen zu können, weil ein Beat mal grade und eine Akkordfolge mal harmonisch ist, lauert schon hinter der nächsten Ecke ein Rhythmus- oder Stil-Wechsel, eine Reihe von Disharmonien oder irgendwas anderes komplett Schräges. Alte Fans der Band werden ihre Freude daran haben, aber für mich wäre hier ein bisschen weniger mehr gewesen.
Wenn im sonnigen Italien ganz selten mal eine Band nicht der glorreichen Idee verfällt, das Keyboard zu tunen und damit den "Power Metal" in erschreckende Sphären zu befördern, dann kommt gelegentlich eine superbe Combo wie THUNDERSTORM oder eben HANDFUL OF HATE dabei heraus, wobei sich letztere ganz dem Black Metal verschrieben haben, der in diesem Land auch nicht unbedingt eine große Lobby hat. Das Trio um Bandgründer/Sänger/Gitarrist Nicola B. zockt auf seinem mittlerweile vierten Studiolangeisen seit der Gründung 1993 technisch sehr ausgefeiltes, aggressives und oft pfeilschnelles Schwarzmetall, das man stilistisch irgendwo zwischen IMMORTAL zu "Damned In Black"-Zeiten, MELECHESH und NAGLFAR (bei den langsameren Parts) einordnen kann. Man hört HANDFUL OF HATE ihre Herkunft überhaupt nicht an, und jeder, der die Band nicht kennt, würde sie spontan irgendeiner Ecke in Skandinavien zuordnen. Sehr auffällig ist auch die fette Produktion von "Gruesome Splendour", die zwar für rasenden, kalten Black Metal etwas glatt gebügelt klingt, ihren Zweck aber erfüllt und die Klasse der Band, wie auch viele Feinheiten, noch weiter hervorhebt. Ein zwar kurzes, aber dafür sehr heftiges Inferno, bei dem man etwa den geilen Opener "Livid", das teils treibende, teils ultraschnelle "Grotesque In Pleasure, Rotten In Vice" und das mit coolen Riffs versehene "Spawn Of Decadence" als Anspieltipps empfehlen kann. Am Besten genießt man diesen Hassbolzen aber am Stück und überzeugt sich selbst davon, dass HANDFUL OF HATE viele ihrer nordischen Kollegen übertreffen und nicht nur hierzulande deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient haben. Für Blackies mit musikalischen Ansprüchen ein echt heißes, bzw. kaltes Eisen!
KRUGER sind mir bisher entgangen, auch wenn das Schweizer Kollektiv mit "Redemption Through Looseness" schon ihr drittes Album fertig hat. Nach dem Genuß der neun Tracks bin ich aber soweit, mir auch die ersten beiden Scheiben der Band zuzulegen, in der Hoffnung auf ein ähnlich hohes Niveau wie bei diesen Songs. Die Schweizer haben eine hypnotische Mischung aus dreckigen Metalparts, Postcore-Brachialität und vertonter Verzweiflung zusammengestellt, die unglaublich fett aus den Boxen kommt. Sänger Reno klingt zudem wie GOREFEST-Shouter Jan Chris de Koeyer in seinen besten Tagen, womit er wie Arsch auf Eimer zum Brachial-Sound seiner Kollegen passt. Die neun Songs sind alles niederwalzende Soundwände, die bei allem Krach sehr abwechslungsreich sind und besonders das Tempo oft variieren, was die Scheibe insgesamt noch brutaler macht. Postcore-Fans werden "Redemption Through Looseness" schnell ins dunkle Herz schließen, wenn sie das nicht sowieso schon nach dem zweiten Album getan haben. Nicht ganz so genial wie CULT OF LUNA, aber nah dran und locker in UEFA-Cup-Rängen.
Bei diesem selbstbetitelten Werk der US-Formation AEON SPOKE handelt es sich nicht, wie fälschlicherweise in vielen Kritiken erwähnt, um das Albumdebüt dieser ungewöhnlichen Kapelle. Die Jungs haben nämlich bereits Ende 2004 ihren Erstling "Above The Buried Cry" auf die Menschheit losgelassen. Dieses Klassealbum sorgte damals völlig zu recht für einen wahren Aufschrei in der Szene. Niemand hatte so ein atmosphärisch dichtes mit tiefer Melancholie versehenes sowie diese ausgeklügelten Melodiemonstern - manchmal haarscharf am Kitsch vorbei sowie hart an der morbiden Zerbrechlichkeitsgrenze angelegt - von solchen Musikern erwartet. Denn die beiden Hauptprotagonisten der Band, Sean Reinert (Drums) sowie Paul Masvidal (Vocals, Guitar), waren in ihrer musikalischen Vergangenheit doch gänzlich anderweitig unterwegs - viel eher mit so einer Art progressiv geprägten Jazz und Death Metal mit Bands wie DEATH (CD "Human") und CYNIC ("Focus" - ein Klassiker anspruchsvoller Mucke) nun ist aber AEON SPOKE ist eine gänzlich andere Baustelle. Aktuell mit einem größeren Label im Rücken haben AEON SPOKE vom ihrem Debüt praktischerweise gleich mal sieben Tracks übernommen sowie drei ganz neue Songs mit dazu gepackt. Ob die alten Tracks hierfür nochmal extra neu aufgenommen wurden ist mir leider nicht bekannt, könnte aber schon sein, da die Songlängen leicht abweichen. Soll uns aber nicht weiter stören, die unterschiedlichsten Ton-"Studios" sind für die Aufnahmen verwendet worden u.a. die eigenen Wohnräume sowie sanitäre Einrichtungen von Freunden. Für den Mix des Materials wurde jedenfalls neu der dreimaligen Grammy Award-Gewinner Produzent Warren Riker (u.a. DOWN, KORN) engagiert.
Der klasse Opener "Cavalry Of Woe" mit seinen relativ aufwühlenden Gitarren ist einer dieser zusätzlichen Lieder und fügt sich nahtlos in die bestehende Songdichte des anderen Materials ein. Mit einem gewissen Indietouch versehen zelebrieren Aeon Spoke ihre oftmals zarten zerbrechlichen Klanggebilde, die sich nur auf den ersten Blick einfach anhören, aber bei näherem Betrachten viele lohnenswerte Details entfalten. Die Musik kommt stellenweise recht getragen daher, ohne dabei zu anheimelnd oder gar penetrant selbstweinerlich zu sein wie dies so Viele der typischen Bands dieser Machart aus Schweden oder von der britischen Insel tun. Mir fallen als, wenn auch nur unzulängliche, Vergleiche ganz frühe PORCUPINE TREE Werke (doch selbst dort geht es immernoch deutlich progiger zu), eine etwas "härtere" Version von TRAVIS oder auch von der manchmal fast popigen Attitüde her betrachtet COLDPLAY ein. Einfache Rhythmen, groovig wummernde Bässe, flächige Keys ohne zu stark alles zuzukleistern, schön klingende Gitarren und eine zwar unspektakulär aber eindringliche Stimme prägen dieses wunderbar gefühlvolle Album. Neben dem flotten sowie mit catchy Hooks versehenen "No Answers", ist auch das dramatische mit schönen Gitarrenwänden versehene "Sand And Foam" eine schöne Nummer geworden. Auf der anderen, etwas relaxteren Seite gehen die langsameren Sachen wie die gelungene Artrock Hymne "Pablo In The Park" oder auch das spitzenmäßige "Nothing" dem Hörer unaufdringlich in die Gehörgänge. AEON SPOKE legen einfach viel Wert auf Gefühl und Atmosphäre. Die Songs bestechen dabei durch eine gewisse Weite, die den Hörer in viele sphärische Momente entführen. Sicher manchmal übertreiben es die Jungs dann doch ein klein wenig mit diesem pathetisch-schwülstigen Bombast, so schrammt "Grace" gerade noch am Kitschschnulzenprädikat vorbei. Wie es dann (viel) besser klingen kann, zeigt wiederum das chill-out mäßige "Yelloman". Die Band beherrscht ihr Handwerkszeug perfekt, schafft mit ihrem stets präsenten Gitarrensound, vielen symphonischen und wenigen progressiven Elementen ein in sich stimmiges Gesamtbild. Mit dem beinahe mystisch-aufwühlenden "Emmanuel" haben AEON SPOKE als einer der Höhepunkte der CD ein musikalisch perfektes Klangerlebnis aus packendem Rhythmus, viel Gefühl sowie ergreifender Melodie abgeliefert. Diese Amis besitzen einfach dieses gewisse Feeling für stimmungsvollen (Alternative) Art Rock mit unaufdringlichen aber großartigen Hooks. Wer also darüber hinaus einen gewissen Hang fürs Pathetische hat und großes Gefühlkino nicht scheut, wird hier sicher glücklich werden.
Sie sind wieder da - DICE, die einzigen mir bekannten Cosmic Proger aus den Neuen Bundesländern. Pünktlich flatterte mir wieder dass alljährliche Album auf den heimischen CD "Teller", ein erneut recht gut gelungenes Album. Die Musik orientiert sich dabei wie erwartet natürlich nicht nur von der Thematik her sondern auch stilistisch am soliden Vorgänger "Within vs. Without - Next Part 1". Folgerichtig konnte auch namentlich nur die Bezeichnung "Within vs. Without - Next Part" lauten. Trotz des, für die meisten Bands sicherlich kurzfristig nur schwer zu verkraftenden, Ausstiegs eines Bandmitglieds (hier machte sich der bisherige Gitarrist Peter Viertel vom Acker - er konnte glücklicherweise durch den Gast-Gitarristen Yugenji ersetzt werden), hinterlies dieser Wechsel keine (größeren) hörbaren Veränderungen oder gar eine grundsätzliche musikalische Neuausrichtung. Die Band agiert nach wie vor tief im progressiven Fahrwasser von solchen Kultformationen wie CAMEL, ELOY (was die atmosphärischen Keyboardteppiche) oder natürlich PINK FLOYD (hierfür steht insbesondere die wunderbar gestaltete elegische Gitarrenarbeit) sowie die insgesamt sehr betont atmosphärisch gehaltene Grundstimmung. Mit der fast schon DICE-Spezifischen Bezeichnung Cosmic Prog kommt die stilistische Grundeinordnung schon ziemlich genau hin, denn mit ihren weit ausladenden Tracks entführen DICE den Hörer locker und leicht in die unendlichen Weiten der Prog Rock Stratosphäre. Es geht dabei aber nicht zu typisch spacig zu, da hier auf zu nervtötende und flirrende Piepskeys verzichtet wurde, dies Band versteht es trotz aller (positiver) Bedächtigkeit ordentlich zu grooven und mit melancholisch verträumten Klangwelten den Zuhörer in eine andere Welt zu entführen. Hier herrscht kein blinder Aktionismus DICE wollen einfach "nur" gut und harmonisch klingen. An die Stimme von Bandleader Christian Nóvé mit seinem etwas eckigen Gesang hat man sich mittlerweile auch gewöhnt, wobei mir diesmal die Instrumentalpassagen noch ausgedehnter als sonst vorkommen. Insbesondere Songs wie zehnminütigen Schlußtracks sind feine Progperlen und machen "Without vs. Within - Next Part" erneut zu einem lohnenswerten Album für alle an die 70'er Jahre angelehnten Progies im Aallgemeinen sowie Fans von neueren Formationen wie RWPL oder BLIND EGO im Speziellen.
Es steht wieder einmal ein neues Werk von KINGCROW zu Besprechung an - "Timetropia" nennt es sich diesmal und, wie könnte es auch anderst bei den glühenden QUEENSNRYCHE Verehren sein, erneut hat man sich ein passendes Konzeptwerk ausgedacht. Diesmal geht es um Dirk, der nach einem schweren Autounfall ins Koma fällt, nach 5 Jahren erst wieder erwacht und dann nicht mehr so recht zwischen Illusion und Realität zu unterscheiden vermag. Nun ja, ähnliche Geschichten gab es zwar schon mehrfach (u.a. beim letzen genialen AYREON-Album) aber diese sympathischen Italiener verpacken ihre Story mit wirklich überzeugender Musik und bewegen sich auf "Timetropia" deutlich weg vom etwas kühl-spröden 80er Jahre Progmetal hin zu deutlich "wärmen" fast schon eher Hardrock betonen Songs. Trotzdem, dass der im Text der Story vorkommende Autounfall auf dem Highway 2112 (eine Art Hommage an die Proggötter von RUSH) spielt sind KINGCROW stilistisch um Längen vom Sound der Kanadier entfern. Ist ja auch nicht schlimm, denn das Ergebnis auf diesem Album kann sich wirklich hören lassen, vor allem hat die Band einen absolut eigenen Charakter gefunden, klingt variantenreich ohne zu viele komplizierte Arrangements mit einzubauen und hat hier ganz klar dass bisher beste Werk ihres Bestehens abgeliefert. Dies haben wohl Lucretia Records ähnlich gesehen und den Jungs den längst verdienten Deal beschert. Ein schickes Digipack sorgt auch optisch für Zuspruch, die Produktion ist ebenfalls gut gemacht, vor allem der knackige Schlagzeugsound gefällt mir besonders. Sänger Mauro besitzt ein recht charismatisches Organ, überzeugt bei den gelungen Melodiebögen und auch die gelungenen und mehrfach eingestzten Chorarrangements passen. Es gibt insgesamt zwar recht viele instrumentelle Teile, trotzdem finden KINGCROW einen überzeugenden Mix aus progressiv-verschachtelten Tracks mit markanten Riffs wie bei "Turn Of Events In A Drawer'" um dann etwas überraschend etwas völlig anderes aus dem Hut zu zaubern, denn dass fast schon fröhliche "Merry-Go-Round (Chemical Ecstasy)" mit diesen Chören, Handclaps sowie Pianostakkatos klingt genretechnisch wie eine Kreuzung aus NWOBHM meets AOR. Und dann wieder solche klasse fett und treibend daherkommende Instrumentalkracher wie "Fading Out Part I" oder such "Fractured", die trotz vieler Rhythmen und Breaks stets griffig und eingängig bleiben. Dass etwas langsam versponnend beginnende "Home" mit seiner unerwartenden Wende ins sleazige ist auch so ein Beispiel der Komponierkunst der Italiener.
Auf "Timetropia" zeigen sich KINGCROW insgesamt als Band gereift, technisch stark ohne es am nötigen Gefühl für gute Melodien fehlen zu lassen, die Musik versprüht eine positive Atmosphäre - der Nachweis für höhere internationale Weihen ist bei dieser Qualität locker geschafft.
Mein Review Nummer 600 für MI, da sollte schon etwas Besonderes besprochen werden und die Scheibe "The Dark Third" ist ganz zweifellos ein solch würdiges Hammeralbum. Für mich haben die sechs Briten von PURE REASON REVOLUTION ganz klar schon jetzt einen vorderen Platz in den Jahresbestenlisten 2007 sicher. Die Formation ist von ihrer musikalischen Bandbreite erfreulicherweise deutlich in anderen Fahrwassern wie derzeit angesagte "einfach" Kapellen im Stile der ARTIC MONKEY’S oder KAISERCHIEFS unterwegs, trotzdem sind gewisse Parallelem in Punkto eingängigeren Melodien nicht ganz von der Hand zu weisen. Andererseits agiert man wiederum nicht so in massiven Härtegraden wie z.B. die Landsmänner der Prog-Metalformation THRESHOLD. Trotzdem verstehen es PURE REASON REVOLUTION zwischen all ihren hymnischen Chorussen und Wechselgesängen ein ordentliches Pfund einzupflegen, deutliche Anleihen an LED ZEPPELIN lassen sich nicht verbergen. Das lange Intro "Aeropause" steht zwar mehr oder weniger als recht (gut gemachte) ganz offensichtliche Blaupause eines typischen PINK FLOYD Klangmusters, aber im Verlauf der weiteren 65 Minuten entledigt sich die Band völlig jegwelcher fremden Federn und entwickelt ein ungeheuer intensives Klangerlebnis. Schon der ungewöhnliche Bandname, dieser ist teilweise vom Philosoph Emanuel Kant beeinflusst ("Kritik der reinen Vernunft") zeugt von einer sehr differenziert denkenden Band und der Albumtitel steht letztlich für das eine Drittel des Lebens, welches der Mensch nur mit Schlafen verbringt. "The Dark Third" beschäftigt sich als eine Art Konzeptalbum mit sämtlichen Phänomenen rund um Schlaf und Traum. Die Musik mit ihren weitläufig, progressiven Gefilden trägt diese Texte mit zahlreichen Sprengseln aus Post/Art/Spacerock, elektronischen Samples und ganz viel psychedelischen Elementen. Und dann immer wieder diese transzendenten Melodien und Hooks - einfach zum reinlegen, irgendwelche Begrenzungen sind bei PRR nicht auszumachen.
"Unsere Maxime lautet, dass es für Songs keine Regeln gibt. Sie können jede beliebige Länge und jede Instrumentierung annehmen. Meine Gedanken und Gefühle äußern sich klar und intensiv, wenn ich sie frei und ungezwungen mit Musik verbinde", erklärt der Gitarrist Jon Courtney.
Die vermeintlich zarte Stimme von Sängerin Chloe Alper entführt den Hörer immer wieder in die ausufernden Klangwelten einer Band, auch die anderen männlichen Vocals sind eher relativ unspektakulär, aber die Zusammensetzung als Ganzes macht hier den eigentlichen Reiz aus. PRR geraten dabei traumhaft sicher nie in die Gefahr ins Belanglose abzudriften, insbesondere die Mischung aus Indierockgitarren und heftigeren Rockriffs ist einfach klasse gemacht. Auch Dank der galaktisch guten Produktion von Paul Northfield (Gentle Giant, Rush, Marilyn Manson, Suicidal Tendencies und Porcupine Tree) besticht "The Dark Third" durch eine sehr intensive und vor allem dynamische Ausstrahlung mit viel Laut/Leise-Wechselspielen. Aber auch kuriose Breaks mit Ambient Trip Hop Sounds wie bei "Voices In Winter/In The Realms Of The Divine" finden hier ihre Berücksichtigung. Als zentraler Track des Albums steht das knapp zwölfminütige Epic-Masterpiece "The Bright Ambassadors Of Morning" welches beginnend mit sphärisch wummernden Keys a la Jean Michel JARRE sich mit einem chill-out Zwischenteil hin zu einem unheimlich intensiv-atmosphärischen Monsterrocktrack mit fetten Riffs verwandelt. Die wunderbaren Gesangsharmonien mit den üppig bombastischen Chorarrangements erinnern dabei teilweise an das geniale Lucassen Projekt STAR ONE. Ein atmosphärisch absolut spitzenmäßiges Album ohne Schwächen, das nie langweilig wird.
"The Dark Third" ist jetzt über InsideOut Music in einer von den bereits vorliegende US- und UK-Ausgaben abweichenden Version - mit modifiziertem Artwork und Booklet sowie einer fünf Tracks umfassenden Bonus-CD (die mir hier leider nicht vorlag) erschienen. Zwei dieser Stücke sind bislang unveröffentlicht, einer ("In Aurelia" stammt von der EP "Cautionary Tales For The Brave", zwei weitere ("The Exact Colour" und "The Twyncyn/"Trembling Willows") von der UK-Version des Albums.
Was den Durchgeknalltheits-Faktor angeht, ist man ja von japanischen Bands einiges gewohnt. Daher ist man vom dritten Release der 1992 in Osaka gegründeten BALZAC anfangs fast schon fast etwas enttäuscht. Zwar ist schon alleine die Vorstellung von vier abgedrehten Japanern, die MISFITS-mäßigem Horropunk frönen, ziemlich skurril, aber das Album selbst bietet dann doch keine besonders außergewöhnliche Kost. Das heißt nicht, dass es wirklich schlecht wäre. Die Songs machen durch die Bank Spaß, bieten durchaus einiges an Ohrwurmpotential und sind dazu noch herrlich trashig, verwaschen und mit viel Hall produziert. Aber sehr schnell klingt alles gleich, und es werden kaum echte Highlights geboten. Wirklich herausragend sind lediglich die Songs, in denen die Band mal vom üblichen Sound abweicht, wie bei "D.A.R.K", das mit einem Industrial-/Jungle-Beat brutal und fies nach vorne brettert, dem Metal-lastigen "Japanese Trash" oder dem titellosen dreizehnten Track, einer atmosphärischen Ballade, die sich gegen Ende in psychedelischen Lärm steigert. Trotzdem: Wer Horrorpunk mag, dem wird hier mit 20 Songs jede Menge mehr als solides Material geboten.