Kurz nachdem er mit seiner Zweitband BORKNAGAR das Akustik-Album "Origin" veröffentlicht hat, besinnt sich VINTERSORG wieder auf sein Hauptaugenmerk, seine eigene, gleichnamige "Band", die er zusammen mit Gitarrist Mattias Marklund betreibt. Wenn man ehrlich ist, dann hat der Schwede bislang nur einen echten Trumpf gelandet, nämlich das bekannte "Till Fjälls"-Album. Alle späteren Werke hatten zwar ihre Qualitäten, aber an den Erfolg seines Debüts konnte das Nordlicht bislang nicht anknüpfen; eine Aufgabe, die wahrscheinlich auch mit "Solens Rötter" nicht gelöst wird. Das neue Album besitzt alle VINTERSORG-typischen Merkmale, ist aber insgesamt eher sperrig und über weite Strecken sehr ruhig ausgefallen. Folkige, akustische und verträumte Passagen treffen auf nur wenige heftigere Parts, wobei die Stücke sehr progressiv gehalten sind. Die Übergänge sind fließend; echte "Hits" im Sinne eingängiger Mitgrölnummern findet man auf dem Album nicht. Am Nächsten kommen dem noch das sehr coole, dynamische "Spirar Och Gror" und die mit tollem Wechselgesang versehene Hymne "Fran Materia Till Ande". Teilweise scheint es, als habe VINTERSORG am BORKNAGAR-Projekt "Origin" Gefallen gefunden und diese "ungepluggte" Ausrichtung in seine eigene Musik eingebaut. "Solens Rötter" ist beileibe kein schwaches Album, sondern musikalisch sehr anspruchsvoll, detailreich und vielschichtig, nur dürfte die Scheibe gerade den Fans von kurzweiligen, nordischen "Saufhymnen" zu komplex sein. Wer aber im Folk/Viking Metal-Genre gerade auf der Suche nach schwerer konsumierbarem und langlebigerem Stoff ist, sollte "Solens Rötter" definitiv anchecken!
Die Herren DARKTHRONE mögen OBLITERATION - und das nicht aus lokaler Verbundenheit, sondern wegen des rohen Old School-Sounds, der bei "Perpetual Decay" aus den Boxen quillt. AUTOPSY, OBITUARY (der Gesang, oder besser: das Gekotze) und Thrash Marke alter SLAYER bilden die Fixpunkte, zwischen denen sich die Band bewegt. Dabei wird zwischen wüsten Thrash-Parts, doomigen Abschnitten ("Instrumental") und technisch anspruchsvollen Knüppelparts munter gewechselt, was dank der guten Produktion mit Schmackes aus den Boxen drückt und Garant dafür ist, dass die Chose nicht langweilig wird. Old School muss eben nicht zwingend auch spielerische Limitierung bedeuten. "Perpetucal Decay" wird alljenen gefallen, die gerne die Zeit auf Anfang der 90er zurückdrehen würden und sich an dem oben genannten Dreigestirn nicht satthören können.
Die schwedische Melodic Death Metal-Institution DARK TRANQUILLITY dürfte mittlerweile genauso umstritten sein wie die Landmänner und Szenemitbegründer IN FLAMES. Beide Bands genießen ähnlich großen Zuspruch, füllen inzwischen größere Hallen, verkaufen ordentlich und bedienen den - Achtung, Unwort! - metallischen Mainstream. Im Widerspruch dazu steht, dass der gemeine Metaller populäre Bands auf einmal nicht mehr mag, nur weil sie bekannt sind; das ist ein ebenso beklopptes wie nachweisbares Phänomen. Der große Unterschied zwischen diesen beiden Bands besteht aber im Wesentlichen darin, dass DARK TRANQUILLITY, als sie drohten, sich in der Pop-Schiene festzufahren, noch schnell einlenkten und spätestens mit dem geilen "Character" wieder zurück zu ihren Wurzeln gingen, was den Kollegen bisher leider nicht gelang. Die Basis für "Fiction" ist also wieder Death Metal schwedischer Prägung, der natürlich nicht frei von vielen melodischen, bombastischen und elektronischen Elementen ist, aber Mikael Stanne und Co. haben es hier geschafft, alle ihre Eigenschaften zu einer geilen Mischung zurechtzubiegen, bei der schlicht das Songwriting im Vordergrund steht. Es ist mir scheißegal, ob man Elektronik, Keyboard, etc. in diese Musik einbauen "darf" oder nicht; "Fiction" klingt von vorne bis hinten ausgereift, heavy, aggressiv, intelligent, verleugnet aber nicht seine Herkunft und biedert sich zu keiner Sekunde an. Alle Songs sind (mitunter sogar recht progressive) Genre-Hymnen, die spätestens nach drei, vier Durchläufen einfach ins Blut gehen, sei es der aggressive Opener "Nothing To No One", das vertrackte "Blind At Heart", das fast schon blackmetallische "Inside The Particle Storm", das majestätische "Empty Me", das von THEATRE OF TRAGEDY-Elfe Nell Sigland unterstütze "The Mundane And The Magic" oder die beiden fantastischen "Terminus (Where Death Is Most Alive)" und "Misery´s Crown". Auf dem Album findet sich keine Schwachstelle, und es zeigt, was passiert, wenn eine schon immer herausragende Band so weit gereift ist, dass sie es "wagt", Genre-Grenzen zu ignorieren und ihren eigenen Stil zu etablieren. Ein Statement und Meisterwerk!
Norwegen, nordische Blasphemie, true as black-metal-fistfuck. Schwarz-weißes Cover, Totenschädel, Schwerter, norwegische Flagge. Echt Grim. Vor allem der Gorm ist grim, zumindest keift er wie der Leibhaftige selbst. Hier stimmt eigentlich alles, was zu einer wahren, ein wenig undergroundigen, aber dennoch professionellen Black-Metal-Scheibe eben aus Norwegen gehört. Die Gitarren klingt harsch und kalt und wenig technisch, das Tempo variiert, ist aber meist hoch, genau wie das Timbre von Stimme und Sound. Das Schlagzeug kloppt von hinten, der Bass bollert für aufmerksame Ohren, die eher wenigen, gemäßigen Parts geben sich dem Midtempo hin, sind aber dem Geknüppel gnadenlos unterlegen, auch wenn gelegentliche Groove-Parts vom majestätischen Anspruch noch weit entfernt sind, tun sie wie in "Martyrenes Rike" gut und machen den Song zum Besten der Scheibe. Eigentlich sind die Voraussetzungen für eine gute Schwarzwurzel-Ernte durchaus gegeben, viele Songs haben ihre Momente. Allerdings fehlt den Skandinaven-Knaben auch nach fünf Demos noch der schwarze Finger, will sagen das Händchen für Songs, die auch wirklich hängen bleiben, das Geschick für wirklich außergewöhnliche Nummern. Als Bonus gibt es übrigens ein Demo zu oben genannten Stück. Herrlich, schön mit Schwertern, Kerzen, Corpsepaint und Co-Hallo im Schnee. Wunderbar - irgendwie ist Norwegen immer schön.
Moderne Musik machen die Guys aus Gaildorf. Am einen Ende dienen Modern-Metal-Bands wie Nickelback , am anderen Fear Factory und Pantera als Anhaltspunkte. Insgesamt ließe sich EAR-SHOT also als Modern-Thrash mit leichten Industrial-Anflügen und Hardcore-Einflüssen klassifizieren. Erfreulich: Die Scheibe ist wirklich sehr professionell aufgenommen, der Sound ist cool, die Instrumente handwerklich 1A eingespielt, die Songs solide aufgebaut. Es geht straight ab, es gibt auf de Fresse, die abschließende Ballade "I Realize" bedient auch die emotionale Schiene. Dann gibt es kommerzielle, charttaugliche Momente, vor allem Svens Stimme dürfte den wenigsten wirklich missfallen. Und selbst bei den härteren Songs wie dem Opener "Reborn" umschmeicheln ohrwurmige Refrains die offene Hörmuschel des Rezipienten. Nun stimmt an diesem Album also alles? Nein, denn trotz aller Klasse regiert nicht selten Königin Langeweile. Die Songs klingen wie bereits durchgenudelt, wie schon zig-mal gehört, es fehlen Überraschungen, "The Pain" ist irgendwie vorhersehbar. Fans angesprochener Band auf der Suche nach Frischfleisch sollten hier dennoch ruhig mal reinhören.
DISCIPLINE und BADLANDS - wer denkt da an fast schon sanfte Töne? Wohl niemand, dafür sind die beiden Bands zu sehr im Oi-Skin-Millieu verwurzelt, dessen Image sie ja durchaus ernst nehmen. Unter dem Namen SOULTAMER haben sich aus beiden Bands je ein Musiker zusammengetan, um mit zwei weiteren Muckern eine etwas andere musikalische Richtung einzuschlagen. Auf dem Cover sieht man den Kerlen ihre (musikalische) Heimat zwar noch an, aber die restliche Aufmachung des Digis (inklusive Taubenbild) lassen erahnen, dass es bei SOULTAMER zahmer zugeht. Und tatsächlich, vom melodischen Opener "Soultamer" bis zum akustischen Rausschmeißer "Demon’s Crusade" gibt das Quartett poppigen Punkrock zum Besten, der mit eingängigen Melodien und catchy Refrains schnell im Gedächtnis hängenbleibt. Besonders überraschend ist die Leistung von DISCIPLINE-Joost, der sehr gefühlvoll singt, wobei er an MISFITS light denken lässt. Das gibt den Songs den letzten Schliff, um die Platte bedenkenlos jedem ans Herz legen zu können, der mit melodischem Punkrock was anfangen kann.
Denkt man an Australien und Musik, was fällt einem da ein: Kylie (die sieht ja auch nicht gar übel aus), INXS und Midnight Oil (waren mal groß angesagt); na ja, richtig bekannte Metalacts halt eher weniger - außer natürlich Rose Tatoo und die Altvorderen von AC/DC. Aber es gibt da auch hoffnungsvolle neue Bands, auch wenn diese sich oft einem traditionellen Sound verschrieben haben. Vanishing Point ist eine, BLACK MAJESTY eine andere Band aus Down Under (Vanishing Point's Endel Rivers produzierte das Teil auch recht fett). Und die legt jetzt mit "Tomorrowland" ihren dritten Longplayer vor. Sänger John Cavaliere und seine Stammbesatzung, Pavel Konvalinka (Schlagzeug), Hanny Mohamed (Gitarre) und Stevie Janevski (Gitarre) haben bereits mit den Vorgängern "Silent Company" (2005) und "Sands Of Time" (2003) gute Arbeit geleistet und unter Fans des gepflegten Power Metals einige Fans gewonnen. Mit dem neuen Album und gebuchten europäischen Festivalauftritten soll jetzt der Durchbruch auf breiterer Linie gelingen. Dabei setzt das Quartett konsequent die Linie der Vorgänger fort. Melodischer Power Metal mit fast durchgehend hohem Tempo, eine epischen Grundausrichtung und hin und wieder mal eine leicht progressive Ausschweifung. Kennzeichnend sind auch die engagierten und mehr als solide Gitarrengefechte der beiden etwas an den alten Kiske erinnert. Keyboardtöne sind eher dezent auszumachen und sorgen so für etwas atmosphärischen Background. Besonders sticht dabei ein anfängliches Eröffnungstrio heraus. Die sich schnell in den Hirnrinden festsetzenden Songs "Into The Black" (mal etwas tiefer eingesungen und mit ruhigen, fast akustischen Zwischenparts versehen) und das schön treibende "Evil In Your Eyes" sowie der Titeltrack "Tomorrowland” der mit Tempo, Schmackes und Gesangslinie an die alten Helloween erinnert. Mit der Blackmore/Coverdale-Komposition "Soldier Of Fortune” (vom 74er Deep Purple Album "Stormbringer") hat man dann noch ein gelungenes Cover an Bord das recht eng am Original rüberkommt, verdammt gut eingesungen ist und einen sehnsüchtigen Blick in die Vergangenheit erlaubt. BLACK MAJESTY bleiben sich treu und liefern so keine Überraschung ab, stellen mit "Tomorrowland" wohl aber nicht nur ihre Fans zufrieden - die Tür für mehr in der Power Metal Gemeinde sollte damit offen stehen.
Anmerkung: der Digipack dürfte für Fans besonders interessant sein - sind darauf doch zwei Bonustracks enthalten ("Kingdoms", "Memories").
Screamo leidet, wie so ziemlich jedes einigermaßen angesagtes Genre, unter einer Plagiatsschwemme, durch die es schwer wird, den Überblick zu behalten und die wirklich guten Bands und Platten zu finden. ALESANA sind einer dieser Plagiate, die auf ihrem Album ein paar gute Songs zu bieten haben, aber auch so viel durchschnittlichen Screamo, dass sie eigentlich nicht der Rede wert sind. Die ersten paar Songs sind zudem total langweilig und gewinnen locker in der Kategorie "Nervigster aggressiver Gesang". Der klare Gesang und die hin und wieder eingesetzte Frauenstimme sind dagegen ganz cool, können aber die schlechte Leistung der anderen Stimme nicht kaschieren. Im Verlauf der Platte verschwindet zum einen der Frauengesang, um anderen steigern sich alle Sänger (insgesamt singen drei der Bandmitglieder) und die Songs selbst werden griffiger, fast schon poppig. In ihren besten Momenten erinnern ALESANA an MY CHEMICAL ROMANCE ("A Siren’s Soliloquy") und TAKING BACK SUNDAY, ohne freilich deren Klasse zu erreichen. Zu viele Songs sind entweder anstrengend chaotisch oder völlig belanglos, ohne im Ohr hängenzubleiben. Am Ende ergibt das eine durchschnittliche Platte, die sich Komplettisten oder Emos mit zuviel Geld zulegen können, wer aber auf sein Geld achten muss, sollte sich diesen Silberling schenken (lassen).
ANOTHER MESSIAH legen im Opener "These Lonely Eyes" mit einem derart knackigen Riff los, dass man sich verwundert die Ohren reibt und fragt, ob hier wirklich eine doomige Band am Werke ist. Das Break nach wenigen Momenten bringt die Erkenntnis, dass die Holländer nur selten zu schnellen Ausbrüchen neigen werden im Laufe der nächsten 45 Minuten. Der Song wird schleppender, während eine Oboe (!) die Akzente setzt und die Geschwindigkeit langsam wieder angezogen wird, bis endlich die Growls einsetzen und Death/ Doom-Flair aufkommt, wie man es von alten AMORPHIS kennt. Sänger Robbie weiß neben den growligen Parts auch mit einer sehr schönen klaren Stimme zu überzeugen, auf die er sehr oft zurückgreift, was den Songs ein erhabenes Gefühl verleiht. Die Musiker haben sich beim Schreiben der Songs hörbar Zeit gelassen, kaum einmal gibt es Längen oder langweilige Abschnitte. Stattdessen werden schnelle und langsame Abschnitte (die in der Überzahl sind) geschickt variiert und durch die immer wiederkehrende Oboe Akzente gesetzt, so dass man gar nicht merkt, wie die Zeit vergeht und die Scheibe schon am Ende ist. ANOTHER MESSIAH werden mit diesem guten Album Fans alter ANATHEMA, PARADISE LOST und AMORPHIS in Verzückung versetzen und die Erinnerungen an die frühen 90er Jahre befeuern. Jaja, damals…
DEATH BEFORE DISHONOR haben sich mit nur wenigen Releases (die aktuellste EP "Family Friends Forever" erschien 2003), aber konstantem Touring einen sehr guten Ruf in der HC-Szene erspielt. "Count Me In" ist tatsächlich das erste Album der Bostoner, die darauf dreizehnmal voll zur Sache gehen und keine Zweifel daran lassen, dass sie zu den gradlinigsten Bands des Genres gehören. Ähnlich wie bei TERROR wimmelt es auf "Count Me In" von Gang Shouts, metallischen Riffs und Singalongs, bestes Beispiel dafür ist das bei aller Heftigkeit sehr eingängige "Curl Up And Die". Auch wenn das Tempo durchgehend hoch ist und DEATH BEFORE DISHONOR im Grunde genommen immer den gleichen Stiefel durchziehen, wird das Album niemals langweilig - das zeichnet begnadete Songschreiber aus. Bei jedem der zwölf eigenen Songs genauso wie beim Cover von COCK SPARRER ("England Belongs To Me", wobei Boston für England eingesetzt wurde) brennt die Luft und man läßt sich von der ungezügelten Kraft der Band mitreißen. "Count Me In" ist eine der besten oldschooligen HC-Scheiben der letzten Monate, mit dem DEATH BEFORE DISHONOR ähnlich durchstarten werden wie TERROR mit "One With The Underdogs". Und womit? Mit Recht!