Das Intro der Illsenburger CUCUMBA POO (schon ein merkwürdiger Name) hat mich beim ersten Male zu Tode erschreckt. Wer rechnet auch mit dem Gegluckse eines Babies? Also echt. Der kleine Kerl hat im weiteren Verlauf der EP aber keinen weiteren Auftritt, der Schockfaktor beschränkt sich somit auf das Intro. Die Harzbewohner bewegen sich im modernen Screamo-Bereich, mit allem was dazu gehört. Durch die immer wieder eingestreuten ruhigen Passagen (nahe am Alternative) und die dazu im Gegensatz stehenden gut bratenden Gitarren bekommen CUCUMBA POO eine eigene Identität und verschwinden nicht im Meer der gesichtslosen Klone, was für eine Screamo-Band schon eine Leistung ist. Die fünf Songs können überzeugen, Genre-Fans können sich auf der MySpace-Seite einen ersten Eindruck der gut produzierten Songs machen und bei Gefallen die junge Combo mit ein paar Euronen für die EP unterstützen.
ALCHEMIST haben sich für den Nachfolger ihres vielgerühmten 2003er Albums ordentlich Zeit gelassen und sich währenddessen Newcomern wie MASTODON nicht verschlossen. Die Core-Welle ist an den Australiern allerdings vorbeigegangen, Moshparts finden sich auf "Tripsis" nicht. Dafür gibt es komplexe Parts und viel Gefrickel, was manches Mal aber nicht zünden will. Zu bemüht wirkt der Versuch, mit dem eigenen technischen Können zu punkten und möglichst komplexe Musik zu schreiben. TOOL oder MASTODON scheint das leichter von der Hand zu gehen, besonders die Verbindung aus eingängigen und abgedrehten Passagen. Ihre besten Momente haben ALCHEMIST, wenn sie auf Breitwand-Sound setzen und den Hörer mit einer beinahe Postcore-artigen Soundwand erschlagen zu scheinen. Sowas im dunklen Raum, vielleicht gerade einmal durch eine Lavalampe erhellt, bringt Psycho-Stimmung! Wären die immer wieder auftauchenden langatmigen und bemüht wirkenden Abschnitte nicht, wäre "Tripsis" eine groartige Platte, so bleibt sie unter ihren Möglichkeiten - aber immer interessant genug, um die im Infoschreiben angesprochenenen "lieben Anspruchsmetaller" neugierig werden zu lassen.
Der zweite Teil der Wacken-Juke-Box befasst sich mit drei Spielarten des Metalls: Death, Thrash und - ähem - Metalcore. Wie im ersten Teil kommen hier Bands mit WOA-Erfahrung zum Zuge, bekannte und nicht ganz so bekannte. Leider sind auch auf diesen beiden Scheiben ausschließlich bereits veröffentlichte Songs vertreten, Exklusivität finden Genre-Freaks nicht. Aber an die richtet sich dieses nett anzusehende Doppel-Digi auch eher nicht, eher an Leute, die mal in die genannten Schubladen gucken wollen, nachdem sie in Wacken vielleicht auf die ein oder andere persönliche Novität gestoßen. Sonst geht der Doppeldecker noch als Mucke für die Party ohne DJ durch, ein paar Hymnen sind wie unten zu lesen, sicherlich dabei. Was gar nciht geht: Da fehlt doch mit Kreator tatsächlich eine der "Großen Drei" aus Deutschland...
Um es vorweg zu nehmen: Freunde dreckigen Gitarrenrocks mit ebenfalls eher dreckigem bis etwas gequältem weiblichen Gesang können sich an SPIDER ROCKETS getrost versuchen, alle anderen seien ein wenig zur Vorsicht gemahnt. Denn wer die eingangs genannten Vorraussetzungen nicht mitbringt, dem könnten SPIDER ROCKETS unter Umständen durchaus etwas auf die Nerven gehen. Die Melodien sind nicht im klassischen Sinne schön und auch die Stimme von Sängerin Helena Cos ist, wenngleich vom Produzenten dominant in den Vordergrund gemischt, nicht zwangsläufig jedermanns Sache, sondern weist an der einen oder anderen Stelle in Zusammenspiel mit ihrem Gesangsstil ein gewisses Nervpotential auf. Dafür, dass derartige Einschätzungen jedoch Geschmackssache sind, gibt unter anderem Ex- GUNS ´N ´ROSES-Gitarrist Slash, der bereits mit SPIDER ROCKETS auftrat und der Band sein Kompliment aussprach, ein prominentes Beispiel ab. "Something More" ist mit der ruhigste und eingängigste Track der Platte, das BEATLES-Cover "Helter Skelter" hingegen dürfte eindeutig nicht jedermanns Sache sein. Der größte Teil von "Ever After" bewegt sich im Mid- bis Uptempo-Bereich, was jedoch nichts daran ändert, dass das Album über weite Strecken ein wenig unentschieden zwischen Rock-, Metal- und mitunter auch eher poppigen Elementen hin und herschwankt- eine Mischung, die ja an und für sich durchaus recht reizvoll sein könnte, in diesem Fall allerdings eher etwas ziellos und nicht wirklich stimmig wirkt.. Im Großen und Ganzen erwecken SPIDER ROCKETS den Eindruck einer Band, die es live ordentlich krachen lässt, aber zumindest auf Platte einen schon eher speziellen Geschmack bei ihren Hörern voraussetzt. Eher für Liebhaber.
Die Band aus Kaiserslautern/Ramstein hat sich dem Power Metal verschrieben und bewegt sich - grob gesagt - irgendwo zwischen Dio und Metal Church. Zwar kann weder Stimme noch Band mit den Genannten mithalten, aber für eine Eigenproduktion einer deutschen Kapelle stimmt hier so einiges, Professionalität allerorten. Abseits von dauergewellten und gebräunten Dauergrinsern in neuen Jeans und alten Cowboystiefeln musizieren die Pfälzer auf mehr als solide Weise solide Musik: Eben guten, alten Heavy Metal. Den die Jungs aber immer wieder anreichern: Blues und Rock finden ebenfalls kleine Nischen. Was der Band fehlt, ist das eigenständige Moment und der absolute Ear-Catcher. Denn irgendwie läuft die gute Maschine auf Hochtouren, aber auch auf merkwürdige Weise am Hörer vorbei. Vielleicht ist das ein persönlicher Eindruck, denn letztlich kommt "Machine" weder aufgesetzt noch obercool rüber, sondern einfach qualitativ vollkommen okay und ohne jedwede Peinlichkeit.
Es modert zum dritten Mal. Und mit "Ewiger Tod" kommt der MODER zum ersten Mal so richtig knüppeldick, die Band hat sich wirklich enorm entwickelt. Necro Nickel sing-keift zweifelsohne bös, insgesamt orientieren sich die Norddeutschen tatsächlich und gewaltig an Necrophobic, wirken dabei aber ein wenig gehetzter und mengen der Death-Black-Walze der Skandinavier ein ordentliches Maß an oldschooligen Thrash-Einflüssen bei (zum Beispiel lässt beim coolen "Kadavergarten" das Engels-Rippchen grüßen). Zudem heben sich die Jungs aus Stemmen und Umgebung durch vier Songs mit weitestgehend unpeinlichen deutschen Texten (okay "Satan will Kotze - auf Christus’ Antlitz" wirkt jetzt schon sehr - ähem - direkt), die von all dem Zerfall und Verderb auf Erden handeln, von der Masse ab. Zudem wagen sich die drei Mann an ein Instrumental - und landen dabei keineswegs in Langeweile. Und auch der Sound aus dem Harzer Studio von Torsten Sauerbrey ist alles andere als verdorben, genauso klar wie druckvoll und auf den Punkt. Das Vergnügen komplett macht das professionelle Artwork (farbiges Booklet mit Texten), sodass der Erwerb des recht kurzen Longplayers mehr als lohnenswert erscheint - ein cooles, "Unheiliges Massaker" für zu Hause, hoffentlich nicht das letzte.
Zum selben Zeitpunkt wie die ebenfalls aus Florida stammenden OBITUARY melden sich auch MALEVOLENT CREATION (die ja ursprünglich in Buffalo, New York gegründet wurden) mit einem neuen Album eindrucksvoll zurück. Ob das nun gerade Zufall ist oder nicht, darüber kann man spekulieren, am Ende ist es aber völlig wumpe, denn was zählt, ist das Ergebnis, und das stimmt hier wie da. MALEVOLENT CREATION, die immer schon einen Tick thrashiger und SLAYER-orientierter klangen als ihre Kollegen, legen mit "Doomsday X" eine Scheibe vor, die fast schon erwartungsgemäß unspektakulär wie stark ausgefallen ist und wie eh und je genauso von ihrem alten/neuen Vorgrunzer Brett Hoffmann lebt wie von den präzisen, auf den Punkt gespielten Gitarreneskapaden der Herren Jon Rubin und Phil Fasciana, die sich kaum hinter dem Vorzeige-Duo King/Hannemann verstecken müssen. Und Abrissbirnen wie "Deliver My Enemy" (live sicher eine Granate!), "Upon The Cross" oder "Unleash Hell" machen keine Gefangenen und dürften anspruchsvollen Todesmetallern wie Gerstensaft ´runterlaufen. Allerdings erreicht man nicht durchgehend das allerhöchste Niveau der bisherigen Band-Highlights "Retribution", "Eternal" und "The Will To Kill", so dass "Doomsday X" zwar nicht als Meilenstein in der Geschichte von MALEVOLENT CREATION durchgeht, aber als sehr, sehr starkes Album, das unter Seinesgleichen nicht viel Konkurrenz fürchten muss. Und welche andere Death Metal-Band kann schon von sich behaupten, seit 20 Jahren konstant sehr gute bis überragende Qualität zu veröffentlichen?!
Für melancholisch veranlagte Gemüter könnte sich demnächst der Weg in den nächsten Plattenladen ihres Vertrauens lohnen. Mit dem zugegebenermaßen etwas eigenartig betitelten "New Suburban White Trash Soul Music" liefern VEAGAZ ein schwermutgetränktes Album ab, dass sich bestens als Soundtrack für regnerische und nebelverhangene Novembertage eignet. "Deep In The Middle Of Nowhere" und "Lay Some Water Down" erinnern schon fast ein wenig an THE MISSION, die sich in aller Regel ja auch nicht gerade durch überschwängliche Fröhlichkeit auszeichnen, auch Reminiszenzen an NICK CAVE & THE BAD SEEDS drängen sich im Verlaufe des Albums gelegentlich ins Bewusstsein, so beispielsweise bei "Space Girl" und dem sehr ruhigen "Chrome Gene". Ausnahmslos alle Songs zeichnen sich durch eine ihnen innewohnende latente Düsternis aus, jedoch ohne dadurch in klassische Dark Wave- oder Gothic- Gefilde abzudriften. Der größte Teil des Albums bewegt sich tempomäßig im ruhigeren bis Midtempo- Bereich mit "Black Poison" und "Eversince" als schnellsten Stücken. "Black Coffin" ist ruhig, hochmelodiös und fast ebenso depressiv, "Nobody Knows This Is Nowhere" gleicht einer musikgewordenen Trauerszene. Wer sich aus seiner sorgsam gepflegten Melancholie lange genug losreißen kann, um "New Suburban White Trash Soul Music" in seinen Besitz zu bringen, wird daran (soweit der möglicherweise sorgsam kultivierte eigene Gemütszustand derartiges denn überhaupt zulässt) durchaus seine Freude haben.
Freunde geradlinigen und melodiösen Rocks aufgepasst- hier kommen HEARTLAND! Das jüngste Werk "Mind Your Head" ist ein Ohrenschmaus für Aficionados der oben genannten Richtung. Die Tracks sind allesamt straightforward Rocksongs, die Melodien durchweg eingängig, die Gitarrenarbeit, teils unterlegt mit Keyboards, kann sich durchaus sehen lassen und die leicht raue Stimme von Sänger Chris Ousey fügt sich wunderbar ins Gesamtwerk ein. Das Album beginnt mit "Magazine" mit etwas gemäßigter Gangart, gibt mit "Frozen Hearted" mehr Gas und mit "A Fathom I Fell" ist dafür gesorgt, dass auch eine verträumte Ballade nicht fehlt. "Last Man To Fall" groovt, "A Mountain To Climb" kommt ein wenig mehr aus der Heavy- Ecke und rockt ordentlich. Keine Beanstandungen.
Mit LAHANNYA wird die musikalische Ecke um LACUNA COIL und EVANESCENCE wieder einmal etwas voller. Auch hier regieren tendenziell eher düstere Klänge zu weiblichem Gesang, in die sich jedoch gelegentlich auch die eine oder andere Elektro-Anleihe mischt. Die beiden ersten Tracks "Beautiful Girl" und "Bleed For Me" verschaffen einen guten Eindruck vom Gesamtklang des Albums, LAHANNYAS klare Stimme schwebt in getragenen Melodiebögen über einem rockigen Background. "Narcotic" wirkt sphärisch und verträumt, "Losing Yourself" hat eine schon fast hypnotische Wirkung und bei "Doors" kommen wieder heftigere Gitarrenriffs zum Zuge. Das ruhige "Rain" wartet gemeinsam mit "Heaven" mit einer der eingängigsten Melodien des Albums auf, "Charade" hingegen ist ein deutlicher Hinweis auf LAHANNYAS Elektro-Vergangenheit und fällt verglichen mit dem Rest der Platte stilistisch aus dem Rahmen. "Roundabouts" wiederum erinnert durch das eingesetzte Klavier vom Arrangement her an EVANESCENCE. Alles in allem ist LAHANNYA ein stimmungsvolles, düster-atmosphärisches Album gelungen, dessen Melodien sich allerdings noch etwas mehr im Ohr festsetzen könnten.