Dass die Re-Releases der deutschen Schwarzmetaller NAGELFAR ausgerechnet bei Ván Records erscheinen, dürfte nicht verwundern, immerhin war Labelchef Sven Dinninghoff alias Weidmann Sveinn Von Hackelnberg von 1995-1998 Bassist dieser wegweisenden Düsterformation. Lange Zeit nicht mehr regulär erhältlich, steht nun das Debütalbum „Hünengrab Im Herbst“ wieder im Laden und weiß auch heute noch genauso zu überzeugen wie bei seiner Erstveröffentlichung im Jahr 1997. NAGELFAR gehörten zu den „intellektuellen“ Bands des Genres und setzten neben majestätischem, mitunter rasendem Black Metal auf theatralische Zwischenspiele, die von diversen Spoken Word-Parts durchzogen wurden. Diese gesprochenen, sprachlich sehr blumigen Passagen mögen aus heutiger Sicht etwas kitschig wirken, waren vor zwölf Jahren jedoch sehr originell und sorgen auch heute noch für zusätzliche Abwechselung im progressiven Schwarzmetallgewitter. Es gibt bis heute keine einzige deutsch(sprachig)e Black Metal-Band (außer den ebenfalls genialen NOCTE OBDUCTA vielleicht), die es geschafft hat, derart facettenreiche, komplexe und intelligente Düsterwände auf ein so hohes Niveau zu hieven und dabei gleichzeitig noch „true“ genug für die Basis zu klingen. Der Re-Release enthält neben den durchweg erstklassigen regulären sechs Stücken noch den ebenfalls starken Bonustrack „Fressen Der Raben“, der sich nahtlos in das Gesamtkunstwerk einfügt. Auch die fette Produktion von Andy Classen hat die Jahrtausendwende mit Bravour überstanden und krönt einen Meilenstein des Genres, den sich jeder Fan zulegen muss, sofern er ihn noch nicht im Schrank stehen hat!
Dachte erst das wäre ein Schreibfehler – kommen doch einen bei KINGDOM GONE erst mal KINGDOM COME in den Sinn. Aber die (überwiegend) Wismarer Debütanten haben mit dem althergebrachten Sound ihrer fast Namenskollegen so gar nichts am Hut. Melodischer Rock und Metal mit Einsprengsel von Akustik bis Doublebass, von clean Vocals bis (dezentem) Keifen – irgendwie bedient man sich halt fast überall um eine originelle Melange zu erreichen. KINGDOM GONE setzen dabei viel auf Pathos und epischen Klangwelten, was nicht jedermanns Sache ist – der Titeltrack „Herbstblut“ gehört dazu (von harten Vocals bis zu wunderschönen Pianopart alles da) – macht aber zusammen mit dem folgenden, gut auf den Punkt gebrachten „Der Musikus“ gut Spaß. Auf ähnlicher mit Ergriffenheit und Leidenschaft spielenden Weise geht es weiter. So lässt die mit englischen Lyrics versehene Ballade „All That You Be“ du das gleichartige gestrickte Pianointermezzo „Faith“ gar einen Tick der Erhabenheit von SAVATAGE durchscheinen. Das direkt folgende „Vom Ende der Welt“ atmet dann gezielt Mittelalter-Luft. „Halt Ein!“ erinnert an die härteren APOKALYPTISCHEN REITER, genauso wie das eher epische und mit Gothic-Keyboards versehene „Folge dir“. An letztere Referenz scheinen sich KINGDOM GONE durchaus orientiert zu haben. „Herbstblut“ ist also recht abwechslungsreich – aber oft auch auf Grund einer Mixtur unterschiedlicher Stile als in der endgültigen Ausgereiftheit mancher Kompositionen – die aber durchaus gelungen sind. So bieten KINGDOM GONE ein gutes Debüt in das der geneigte Underground- und REITER-Fan ruhig mal reinschnuppern darf, aber müssen als Band wohl noch ihre Richtung finden.
Die 2006 in Schweden gegründeten AFGRUND konnten mit ihren bisherigen Veröffentlichungen schon eine kleine Handvoll Staub im lärmenden Underground aufwirbeln, und mit ihrem zweiten Album „Vid Helvetets Grindar“ setzen Patrik Howe, Andreas Baier und Co. noch einen drauf. Das Album besticht durch rasant gespielten Death Metal, bei dem besonders in den schnellen Passagen ein kleiner Hauch Black Metal auszumachen ist. Auch eine Prise Metalcore ist in dem Soundmassaker vorhanden, und die durchweg herrlich fies sägenden Riffs passen hervorragend zum infernalischen Schreigebell von Gitarrist Andreas Baier. Auch die Breaks, die die Songs zwischen stampfenden, groovenden Midtempo-Orgien und Vollgasraserei hin- und herschalten, passen sehr gut zum kompromisslosen Stil der Band. Rein faktisch machen AFGRUND daher nichts falsch, nur schaffen sie es (noch) nicht, aus dieser wirklich guten Steilvorlage mitreißende und sich im Ohr festbeißende Songs zu kreieren. Das Material auf „Vid Helvetets Grindar“ zischt jedenfalls halt- und gesichtslos durch die Gehörgänge, was auch daran liegen dürfte, dass sich die Stücke durchweg sehr ähneln und einfach zu gleichförmig klingen. Falls die Jungs dieses Problem des noch unausgereiften Songwritings auf ihrem nächsten Streich in den Griff bekommen sollten, könnten sie sogar theoretisch ein Kandidat für einen „Tipp“ sein.
Man möchte schreien vor Verzweiflung und ihnen zurufen verdammt nochmal etwas entspannter an die Sache ranzugehen: DEMENTI sind schon Jahre dabei, "Wer Bettelt Wird Nicht Gefüttert" ist von der Produktion her Oberklasse und macht dort wenig falsch: Die Gitarren scharf, der Gesang klar, die Elektronik nicht zu aufdringlich. So muss das sein und ist es doch so selten. DEMENTI kranken an etwas anderem: Es gibt keinen Song der mich fesselt und es gibt kaum einen Song den ich nachvollziehen kann. Nicht weil sie übermäßig komplex wären, sie sind vielmehr zu durcheinander: Man windet sich um eine Melodie als wäre sie Gift, ein cooles Riff hat gegen Keyboards keine Chance, die einsetzen wenn sie schweigen sollten. Ob es der Titeltrack mit sägenden Gitarren ist, der im Chorus mit unnötigem Nachhall auf den Vocals dem Track die Kraft raubt - das nicht klingt wie ein nachvollziehbares Stilmittel sondern wie ein unnötig krampfig-kreativer Anfall. Etwas weniger deutlich ist die Kluft aus gewollt-brachialen Sounds und poetisch-technischem Anspruch bei den ruhigeren Songs: "Warten Im Regen" profitiert von den gezügelten Instrumenten und einem durchaus eingängigen Chorus. Die Tonlage der Vocals ist mir etwas zu heiser und in Verbindung mit den deutschen Texten ganz sicher gewöhnungsbedürftig, die Texte sind bemüht und sicherlich weniger plump als von NDH-Kollegen gewöhnt - sie entbehren aber nicht eines gewissen Pathos und auch oft gehörten Phrasen (Beinahe zum Kotzen beim unerträglichen "Ein Atemzug" oder sehr vorhersehbar bei "Mit Einem Engel") stören manchmal den Fluss der Songs. Für mich sind DEMENTI leider immernoch weit davon entfernt der Neuen Deutschen Härte wieder Leben einzuhauchen.
Mr. JORN Lande ist nach seiner (überraschenden?) Rückkehr zu den Überfliegern von MASTERPLAN wieder mal pressetechnisch allgegenwärtig – und die Spannung was Uli Kusch und Roland Grapow mit ihrer MK-I Besetzung reißen steigt. Folgerichtig gibt es, sozusagen vorab, eine Best of-Compilation der JORN-Solo-Scheiben, welche den Mann der neben den ersten beiden MASTERPLAN-Veröffentlichungen u.a. Bands wie THE SNAKES, MILLENIUM, VAGABOND und vor allen den unerreichten ARK und den zwei ALLEN/LANDE-Alben gesangstechnisch mit seiner unverkennbar variablen Stimme nach vorne half mustergültig präsentiert. Das unter den 16 Tracks der „Dukebox“ keine Ausfälle zu verzeichnen sind ist selbstverfreilich und vom Opener „Man Of The Dark“ über „War Of The World“ und „Blacksong“ bis zum Schlusspunkt „Duke Of Love“ zeugen die melodischen, traditionellen Hard Rock Kompositionen (ich sage nur DIO und WHITESNAKE) von Lande’s Können. Wer allerdings einige JORN-Scheibchen sein eigen nennt oder sich schon die äußerst gelungene Werkübersicht „The Gathering“ besorgt hat, kann gerne auf „Dukebox“ (trotz mäßiger Überschneidungen) verzichten. Ansonsten ist das Album für Neueinsteigern in Sachen gehobene Hard Rock Sangeskunst eine Investition wert. JORN Lande hat es halt einfach drauf.
Das Wiener Trio mit dem seltsamen Namen MILK+ legt mit seinem Debüt ein wirklich ungewöhnliches Album vor. Konventionelle Songstrukturen werden komplett über Bord geworfen, dafür bestimmen eine hohe Dynamik, ständige Geschwindigkeits- und Feeling-Wechsel den Sound. Treibende Riffs gehen über wirre Breaks in Unisono-Läufe von Bass und Gitarre über, um schließlich bei melodischen, getragenen Passagen zu landen, die in ihren besten Momenten nach RADIOHEAD oder PINK FLOYD klingen. Rock ist das gerade noch so, aber eher Art- oder Jazz-Rock. Das Ganze ist dabei durchaus spannend gemacht, und auch an den hohen musikalischen Fähigkeiten der Musiker gibt’s nichts zu rütteln. Zwei grundsätzliche Schwachpunkte hat das Album dennoch: Zum einen ist die Produktion ziemlich dünn und flach geraten. Das fällt besonders an den Stellen auf, an denen richtig gekesselt wird, diese kommen nämlich nicht besonders druckvoll, sondern eher etwas flachbrüstig rüber. Zum anderen ist der Gesang recht gewöhnungsbedürftig. Sänger und Gitarrist David Furrer hat eh schon eine ziemlich hohe und eher dünne Stimme, und dazu schraubt er sich immer wieder in ein teils schon quietschiges Falsett hoch, das kaum zu ertragen ist. Ein zusätzliches Problem ist, dass sich innerhalb der Songs dann doch vieles wiederholt. Man hat’s dann halt irgendwann gehört. Unterm Strich ist das, was MILK+ hier abliefern, ein durchaus interessantes Stück Musik, so ganz ausgereift ist ihr Sound aber noch nicht.
Seit 2007 wildert diese aus Mitgliedern von HOUR OF PENANCE, PROMAETHEUS UNBOUND und T.E.R. bestehende Band bereits durch die Szene und konnte sich auch schon als Support von Größen wie HATE ETERNAL, DYING FETUS, BEHEMOTH, SUFFOCATION und NAPALM DEATH einen Namen im Underground erspielen. Nach Auflistung all dieser Bands dürfte klar sein, welchen Stil FLESHGOD APOCALYPSE in etwa spielen: Rummsbumms-Death Grind mit Vollgasgarantie. Das Dumme daran: oben genannte Bands gehören nun mal zur Referenz im todbringenden Genre und sind technisch über jeden Zweifel erhaben. An dieses Niveau kommen die apokalyptischen Fleischgötter nicht heran, zumal „Oracles“ extrem nervig-monoton aus den Boxen dröhnt. Auch echte „Songs“ sucht man hier leider vergebens, dafür bekommt man hin und wieder mal ein Piano-Intro („Embodied Deception“) oder einen Wiener Walzer („As Tyrants Fall“) zu hören, die zwar für originelle Abwechselung im Highspeed-Soundmassaker sorgen, aber nichts daran ändern, dass „Oracles“ nur für Komplettisten des Genres taugt, die schon alles haben und wirklich jeden relativ unnötigen Krawall brauchen. Jedenfalls ist das Album alles andere als ein Pflichtkauf!
Die britischen Thrasher SEVENTH ANGEL waren bereits in den 80ern aktiv, lösten sich jedoch 1992 auf, so dass „The Dust Of Years“ jetzt nach gut 15 Jahren das Comeback der Band einläutet. Inzwischen bei den Bands MY SILENT WAKE, FIREFLY und SUKMUNKI beheimatet, haben sich Ian Arkley, Mark Broomhead, Simon Bibby und Tank wieder zusammengefunden um mit Hilfe von ein paar Gastmusikern (unter Anderem Greg Chandler von ESOTERIC, der für Background-Vocals und Keyboards zuständig ist) ihr neues Album einzuspielen, das bereits beim ersten Hördurchlauf eine songschreiberisch sehr reife Formation offenbart. Von lupenreinem Thrash Metal kann aber keine Rede sein, denn SEVENTH ANGEL zelebrieren anno 2009 eher traditionellen Doom, der lediglich ein paar vereinzelte Thrash-Parts offenbart und irgendwo zwischen erdigem BLACK SABBATH- oder SAINT VITUS-Sound und majestätischeren Genre-Klängen der Marke CANDLEMASS oder MY DYING BRIDE angesiedelt ist. Auch der finstere Gesang von Herrn Arkley in Kombination mit eingestreuten Growls und sogar weiblichen Zwischeneinlagen passt sehr gut zu Stücken wie dem ohrwürmeligen Opener „Chaos Of Dreams“, dem bombastischen „Exordium“ oder dem erstklassigen, tieftraurigen „Abelard And Heloise“. Insgesamt geht „The Dust Of Years“ daher als wirklich gutes Album durch, das sich Doomer aller Art problemlos zulegen können.
GNOSTIC sind mit drei ATHEIST-Recken (Sonny Carson (g.), Chris Baker (g.), Steve Flynn (dr.)) prominent besetzt, was die Erwartungen an das Erstlingswerk entsprechend in die Höhe schraubt. Dass dabei nur progressiver Death Metal rauskommen kann, ist eh klar – GNOSTIC machen ihre Sache dabei sehr gut und halten die Balance zwischen Zeigen der (beeindruckenden) Fähigkeiten und Hörbarkeit, wie schon der Opener beweist. Der ist zwar mit jazzigen Passagen ausgestattet, hat aber trotzdem einen rotem Faden und lässt sich gut hören, gerade wenn das Ohr an MESHUGGAH, ATHEIST oder VIRULENCE gewöhnt ist. GNOSTIC verzichten auf Hochgeschwindigkeitsabschnitte und bleiben lieber im Mid Tempo-Bereich, was ihnen gut zu Gesicht steht. Der junge Mann am Mikro erledigt seinen Job souverän und braucht sich nicht hinter den Altmeistern verstecken, zumal er mit seiner Bandbreite entscheidend dazu beiträgt, dass „Engineering The Rule“ zu einem gelungenen Stück Death Metal wird. Die ATHEIST-Herren haben daran natürlich auch entscheidenden Anteil und einige Parts in petto, bei denen Nachwuchsmusikern die Kinnlade auf den Boden klappen wird, vor allem, da sie die erkennbar spielerisch-leicht in die Songs einflechten. Einziges Manko einer ansonsten guten Scheibe ist die Produktion, die zu bassarm ausgefallen ist und dadurch das exzellente Drumming in den Hintergrund rückt.
CELESTE und ihr Label Denovali gehen mit „Misanthrope(s)“ mit der Zeit, die Scheibe gibt es als kostenpflichtige Vinyl-Ausgabe, hochwertige CD-Version und als kostenlosen Download. Wer auf fast schon nihilistischen Postcore steht, sollte sich das Angebot genauer anschauen, denn was die Franzosen in den knapp 50 Minuten lassen, geht kaum schwärzer, düsterer, fieser. CELESTE bedienen sich zwar der üblichen Postcore-Zutaten, nutzen diese aber mit einem Gespür für abgrundtief schwarze Atmosphäre, die vor Aggression nur so strotzt, das wird schon im Opener „Que Des Yeux Vides Et Séchés“ klar. Das hohe Aggressionslevel halten die Franzosen auch in den nachfolgenden Songs und schaffen dabei das Kunststück, nie langweilig zu werden, da sie ihren Sound in den selbst gesteckten Grenzen variieren und immer mit einem Ohr für den Groove zu Werke gehen. Die schwarzmetallischen Parts passen da wie die Faust aufs Auge und erhöhen die atmosphärische Dichte noch einmal. CELESTE sind kompromisslos böse und schaffen es trotzdem, den Hörer die ganze Zeit über zu fesseln, so dass „Misanthrope(s)“ allen Postcore-Jüngern und Freunden heftiger, dunkler Musik ans Herz gelegt werden kann, soll und muss.