Im Zuge des 2005 veröffentlichten Werks „Riven“ brachte mein Kollege Memme den Bandnamen der tschechischen Death Metaller noch mit der Vogelgrippe in Verbindung. Anno 2010 haben wir keine Vogelgrippe mehr, dafür aber Schweinegrippe, so dass PANDEMIA zumindest in dieser Hinsicht nach wie vor topaktuell sind. Dass sie auch musikalisch auf der Höhe sind, beweist „Feet Of Anger“ (bekloppter Albumtitel, stelle ich gerade fest…), das vierte vollständige Album des Quartetts, das PANDEMIA eindeutig in der qualitativ oberen Liga der osteuropäischen Todesblei-Szene zeigt. Dabei beherrschen die Jungs sowohl rabiate Hochgeschwindigkeitsattacken wie auch stampfendes, schweres Midtempo und eine ordentliche Kante Rotzigkeit. Nicht ganz so hochtechnisch auf den Punkt kommend wie VADER, nicht ganz so technisch perfekt-infernalisch wie BEHEMOTH, aber auch nicht ganz so dreckig in-die-Fresse wie die holländischen Kollegen ASPHYX und auch längst nicht so erhaben und nah am Orgasmus tief-riffend wie die britischen Panzerfahrer BOLT THROWER, bewegen sich PANDEMIA in einem Feld der gemeinsamen Schnittmenge all dieser recht unterschiedlichen Death Metal-Färbungen. Bei allem Können fehlt der Band aber eben genau jene Portion Eigenständigkeit, die all diese Größen zu Genre-Göttern werden ließ. Songs wie „Behind The Reason“ oder „Twisted Faith“ kommen der Premium-Liga aber schon sehr nahe und ballern nicht zuletzt aufgrund der fetten Produktion von Andy Classen massiv und voluminös aus den Boxen. Auch wenn „Feet Of Anger“ nur knapp einem „Tipp“ entgeht, bleibt die Erkenntnis, dass hier eine richtig starke Band am Werk ist, die ihr Potential aber noch nicht zu 100% auszuschöpfen weiß. Trotzdem geil!
Mein werter Kollege Knacki hat das Review der Vorgängerscheibe „Scars Incomplete“ seinerzeit mit den Worten „Mit IN SLUMBER macht man nichts falsch.“ geschlossen, denen man prinzipiell nix hinzufügen muss. Aber Butterbrot macht auch satt und ist keine Gourmetkost. So ähnlich verhält es sich mit dem Ösi-Quintett, das auch auf „Arcane Divine Subspecies“ eine ordentliche Portion melodischen Todesbleis mit einem Schuss Metalcore serviert. Wäre diese Mischung in den letzten Jahren nicht bis zum Drehzahlbegrenzer ausgereizt worden, könnte man dem Album sicher einen Tick offener gegenüberstehen, aber alles, was hier aufgefahren wird, hat man so oder ähnlich schon x mal besser, mitreißender und intensiver zu hören bekommen. Namen wie THE HAUNTED, BLEEDING THROUGH, HEAVEN SHALL BURN oder auch CALIBAN schießen einem durch die Rübe, die aber allesamt – den persönlichen Geschmack mal ausgeklammert – in einer anderen Liga zocken. IN SLUMBER gehören zu den Bands, die eigentlich wirklich nichts falsch machen, spielerisch absolut in Ordnung sind und auch mit einem fetten Sound daher kommen (Ziggy und Tue Madsen waren für den Mix und das Mastering zuständig). Aber genau dieses ganze Kalkül und diese Berechenbarkeit machen „Arcane Divine Subspecies“ zu einem gnadenlosen Nummer-sicher-Werk, das genau so viel Spannung, Eigenständigkeit und Unvorhersehbarkeit bietet wie die 387. RTL-Daily-Soap. Nach mehreren Durchläufen will sich auch kein einziger Song als echter Anspieltipp herauskristallisieren, was die Jungs fernab des akustischen Verpackungsmaterials als gnadenlose Songwriting-Luftpumpen enttarnt. Stimmt: mit IN SLUMBER macht man nix falsch, aber man kann sich auch aussagekräftigeren Truppen zuwenden… da spricht es Bände, dass sich die Combo, wie im Booklet zu sehen ist, anscheinend nicht mal Schuhe leisten kann.
PLUTONIUM ORANGE ist das Kind zweier SWALLOW THE SUN-Leute, die mit „Volume“ das erste Album (nach drei Demos und einer 7“) ihres Nebenprojektes veröffentlichen und ihrer Vorliebe für erdigen Rock freien Lauf lassen. Ganz im Stile alter Helden Marke BLACK SABBATH (und neuzeitlicher Variationen wie HELLFUELED) rocken sich die Finnen durch neun knackige Songs, die allesamt sehr poppig im positiven Sinne ausgefallen sind und mindestens zum Mitwippen mit dem Fuß animieren. Gleichzeitig wird gut Druck gemacht, um den Bogen zum Metal zu schlagen und nicht zu soft zu werden. Anfangs macht „Volume“ noch durchgehend Laune, nach mehreren Durchläufen wird aber klar, dass nicht alle Songs auf dem hohen Niveu von Opener („One Of Us“) und Rausschmeißer („Unstable/ Unreal“) sind, was die Platte für Genre-Fans interessant macht, aber zu keinem echten Kracher. Ganz ok halt.
Seit zwölf Jahren macht dieses schwarzmetallische Abrissunternehmen schon die heimische Szene unsicher, und obwohl es bis auf das feste Duo Onielar (Gitarre, vokale Artikulation) und Velnias (Gitarre) immer wieder Wechsel im Line-Up gegeben hat, haben die Dormagener seit ihrer „The Pest Called Humanity“-MCD nix anbrennen lassen. Diese Tradition wird auch auf „Saldorian Spell“ beibehalten, das nach langer, labelloser Zeit (sämtliche früheren Werke wurden in Eigenregie herausgebracht und lediglich professionell vertrieben) beim „Party.San“-Label War Anthem Records das Dunkel der Welt erblickt. Neben ENDSTILLE sind DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT die wohl kompromissloseste „bekanntere“ Band der deutschen Black Metal-Szene: rasendes Tempo, wie ein Maßanzug sitzende Breaks, purer, vertonter Hass und mit Onielar eine Dame am Mikro, der man nicht… ähm… im Dunkeln begegnen will. Dabei verkommt „Saldorian Spell“ aber niemals zur reinen „Höher-schneller-weiter“-Angelegenheit, bei der Gewalt ausschließlich Mittel zum Zweck ist, sondern subtile Melodien und sehr unterschwelliger, majestätischer Bombast (nein, nix Keyboards!) machen deutlich, dass hier sehr geschickte Songwriter am Werk sind, die genau wissen, wie sie ihr Massaker noch eindrucks- und wirkungsvoller darbieten können. Hört Euch mal probeweise Granaten wie „Kataklysmic Bretherens“ oder „Glance At The Horizon“ (Killer!) an und lasst Euch die Matte (sofern noch vorhanden…) akkurat auf horizontal fönen. Eine hervorragende Platte einer geilen Band, die in den frostigen letzten Tagen des Jahres 2009 noch ein echtes Highlight finsterer Musizierkunst abgeliefert hat!
FREEDOM HAWK sehen sich hoffentlich als eigenständig agierende Band an und nicht nur als BLACK SABBATH-Coverband, denn letzterer Eindruck könnte beim Hören der selbstbetitelten Scheibe aufkommen. Nicht nur, dass der Gesang verdammt stark an Mr. „Fuck! I’m stuck at the Weather Channel“ Osbourne erinnert, auch Riffing, Songaufbau und Produktion sind einzige Verbeugungen vor der Frühphase der Briten. Das ist ok, wenn es wie in diesem Fall mit gut gemachten Songs passiert, von denen „Freedom Hawk“ gleich sieben hat. Aber auf Dauer ist es etwas zu wenig für eine Band, sich als neuzeitliche Kopie einer Legende zu definieren. Denn warum den x-ten Aufguss hören, wenn die Songs des Originals überall verfügbar sind? Von daher ist es FREEDOM HAWK zu wünschen, dass sie ihre guten Songwriter-Qualitäten beim nächsten Album für eigenständigere Songs nutzen und aus dem Schatten der Vorbilder heraustreten.
Wirft man einen Blick auf die „Myspace“-Seite dieser Rheinland-Pfälzer Band (und liest nebenbei noch die kurze Biografie), dann ist klar, wohin der Hase läuft: Thrash, Thrash, Thrash! SLAYER, FORBIDDEN, TESTAMENT oder (alte) DESTRUCTION heißen hier die großen Idole, von denen meiner Meinung nach besonders letztere am Stärksten durchscheinen. Das liegt zum Einen an den herrlich rotzigen Riffs, die tatsächlich in ihren besten Momenten Erinnerungen an „Eternal Devastation“ oder „Infernal Overkill“ wecken und zum Anderen am Gesang von Gitarrist Armin Gerloff, dessen hohe, leicht punkige Schreie sehr „schmierig“ tönen. Auch die sehr coolen, geschickt platzierten Soli und die hin und wieder auftauchenden Hintergrund-Shouts der Marke EXODUS oder FLOTSAM & JETSAM überzeugen, lediglich in Sachen Songwriting und eben Eigenständigkeit könnten die Jungs noch ein paar Schippen nachlegen, dann wäre beim nächsten Mal locker der „Tipp“ drin. Aber auch so machen Old School-Thrasher mit Stücken wie „April, April“ oder der Bandhymne „Thrash, Thrash, Thrash“ rein gar nix falsch und dürfen sich an einem starken Newcomer erfreuen, dessen erste Mini-LP „Prepare For Impact“ für eine Eigenproduktion (auch in Sachen Sound) erstaunlich professionell ausgefallen ist und sogar ein mehrseitiges Booklet mit allen Texten und vielen kleinen Fotos bietet. Wirklich gut!
Hinter RAVENS CREED stehen keine wirklichen Newcomer, sondern mit Steve Watson (IRON MONKEY, CELEBRAL FIX), Jay Graham (SKYCLAD, RETURN TO THE SABBAT, IOMMI), Ben Ward (ORANGE GOBLIN) und Frazer Craske (SABBAT) gestandene Musiker, die sich 2006 dazu entschlossen, (zumindest textlich) britischen Serienkillern und den Schrecken des Krieges zu huldigen. Musikalisch bewegt man sich laut Info auf den Pfaden von Bands wie ENTOMBED, CELTIC FROST, HELLHAMMER, VENOM, DISCHARGE oder eben IRON MONKEY, was man durchaus bestätigen kann, auch wenn all diese Vorgaben wieder nur als ungefähre Richtungsweiser dienen. Und irgendwie erinnern mich die Jungs etwas an GOREFEST zu „Soul Survivor“/“Chaper 13“-Zeiten, was einerseits an dem leicht rock´n´rolligen Todesblei des Quartetts liegt und andererseits an der tiefen, aber weitgehend „cleanen“ Powerröhne von Ben Ward, die der von Jan-Chris de Koeyer recht nahe kommt. In Sachen Songwriting lassen die Jungs nicht viel anbrennen und rödeln zwölf Abrissbirnen in einer knappen halben Stunde runter, wobei jedoch die ganz großen, mitreißenden Hymnen leider außen vor bleiben. Zwar macht „Albion Thunder“ mächtig Laune und überzeugt mit Stampfern der Marke „Pear Of Anguish“ oder „Pox Mortis“ (für mich der stärkste Song der Scheibe), aber an die oben genannten Bands reichen RAVENS CREED noch nicht ganz heran. Trotzdem könnten hier alle Death´n´Roller eine coole Endeckung machen.
CLAWFINGER werden also auch in Ungarn geliebt. Von SUPERBUTT so sehr, dass die die ersten Minuten ihres „You And Your Revolution“-Albums als Hommage an die Skandinavier gestaltet haben – gut gemacht, aber nicht sonderlich originell. Richtig gut wird das Album der Budapester mit den mittleren Songs, wenn sie sich auf eine eigene Note besinnen und vom Rotzrock bis MOTÖRHEAD, von New Metal bis Crossover alles verwursten, was ihnen in die Finger kam und gefällt. Das Ergebnis dürfte auch dem aufgeschlossenen Hörer gefallen, sind die Songs doch dynamisch, aggressiv und mit einem Gespür für eingängige Höhepunkte geschrieben und von einer Combo eingespielt worden, die handwerklich voll auf der Höhe ist und mit Andras einen ziemlich guten Shouter in ihren Reihen hat. Zwar haben sich auch ein, zwei weniger gute Stücke auf das Album geschlichen („Mother’s Day“), aber im Großen und Ganzen macht „You And Your Revolution“ Spaß.
Spätestens seit „Borat“ weiß selbst der dümmste Dorfbauer, dass Kasachstan keine tropische Grippe ist, sondern eine Präsidialrepublik irgendwo inmitten der ehemaligen Ostzone. Aus diesem Land stammen auch ULYTAU, die auf ihrem neuesten Streich „Two Warriors“ diverse Coverversionen von mehr oder weniger bekannten Altrockern wie Vivaldi, Mozart oder Bach zocken, die hier nebst einiger traditioneller Volksstücke in ein folkloristisches Gewand gesteckt wurden. Was sich an dieser Stelle mal wieder wie ein Happen für die intellektuelle Hornbrillenelite liest, entpuppt sich schon beim ersten Hördurchgang als sehr flüssige, leicht zu verdauende Angelegenheit, denn das Sextett macht in seinem Umgang mit sowohl rockiger (Gitarre, Bass und Drums), bombastischer (Keyboard) als auch klassischer Instrumentierung (Violine und Dombra – Zupfinstrument aus Zentralasien) nicht viel falsch und schafft es, die anspruchsvollen Kompositionen sehr eingängig und für Jedermann nachvollziehbar darzubieten. Lediglich auf Gesang muss bis auf ein paar wenige Hintergrund-Chöre von Violinisten Nurgaisha Sadvakasova verzichtet werden. Wer einer sehr exotischen, aber leicht zugänglichen Mischung aus östlicher Folklore, klassischen Wurzeln und Rock nicht abgeneigt ist, sollte sich „Two Warriors“ ruhig mal als Geheimtipp notieren, denn das Album macht auf seine Weise wirklich Spaß.
Nach Toyka kommt der Kolf, Bonn galore. Der Kolf spielt bei Valborg und Island, mischt auch bei Zeitgeister mit und ist eben GRUENEWALD, solo zwar aber unterstützt von Drummer und Sänger. So merkwürdig der Bandname, so fein die Musik. Feingeistig geradezu und sehr ruhig musiziert der Christian und erinnert nicht selten und nicht nur oberflächlich an Anathema. Das schlicht betitelte zweite Album bewegt sich ganz vorsichtig zwischen Doom, Post- und Art-Rock und hat mit Metal so gut wie gar nichts zu tun. Doch da sowohl Musiker als auch Fans gemeinhein offener sind als weithin vermutet, kommt dieses transparent produzierte Album gerade recht zu besinnlichen Zeit. Zurückhaltend, ja beinahe beschwörend wabert “II“ vor sich hin, so dass einem der Opener „Geist“ mit seiner leichten Tempoerhöhung in Minute zehn schon vorkommt wir ein eruptives Element eines wilden Black-Metal-Spuks. Überhaupt Geist und Spuk: Das Album entführt den Hörer tatsächlich in einsame Sphären, die träumen lassen von Trauer und Hoffnung, voller Melancholie und Optimismus. Nur vier Songs füllen eine knappe Dreiviertelstunde gleichzeitig anspruchsvoller wie minimalistischer und vor allem nie langweiliger Musik - die keineswegs nur, aber doch sehr für dunkle Winterabende taugt. Schade, dass der Band-Name einige vielleicht abschreckt – und schade auch, dass die sparsamen Texte nicht abgedruckt sind… Aber das mindert das unglaubliche Hörvergnügen dieser sehr elegischen Reise keineswegs.