Wahnsinn, wie nah cool und grottig doch beieinander liegen können. GRIMM wären nicht die ersten die ihre Mischung aus harten Gitarren, Electro und einfachen deutschen Texten mit Karacho an die Wand fahren. Was bisweilen wie UMBRA ET IMAGO klingt (und natürlich auch mal von Schenkeln und Geschlecht singt) und manchmal ähnlich plump gereimt durch den Song stolpert wie bei ebendieses ist das Problem des Albums: Die kehlig tief gegrummelten Vocals im NDH-Mittelfeld sind bei gleichzeitiger Plattheit oft zu ausführlich (das ist nicht automatisch auch anspruchsvoll) um eine Hymne zu werden und fast immer zu banal als dass ich sie guten Gewissens bei offenem Fenster hören würde. Und hätte das Duo sich nicht die Unterstützung einer wirklich guten (weil klaren und eher untypisch-poppigen) Frauenstimme von Carina De Jesus gesichert, die - vom unnötigen Stönen abgesehen - ganz ab vom gängigen Klischee agiert, ließe sich "Kalt Wie Dein Herz" sehr leicht in die "NDH die hundertste"-Ecke abschieben. Ich war geneigt nach dem schwachen Opener "Konsumier Mich" die CD erstmal liegen zu lassen, doch die besseren Songs kommen später: Das langsame "Tanzen" das eben nicht den naheliegenden Weg harter Gitarren sucht sondern sich nach zig Anläufen auf einen Höhepunkt in einem originellen Rhythmus und harmlose Melodie flüchtet. "Liederjan" schafft trotz oberflächlich simplem Text durch viele Gesangsstimmungen eine ganze eigene Laune zu schaffen. Mit Gothic-Touch, etwas rockigen Gitarren, vielen Text-Klischees, viel Elektronik und einer vielseitigen Songauswahl (die mehr Durchhaltevermögen als die ersten paar Songs braucht) ist GRIMM eher NDH-Bereicherung als Ärgernis (und somit anders als der Anfangs erwähnte Vergleich), und doch: Etwas mehr Linie werden sie brauchen um sich einen Namen zu machen - mit ihrer Sängerin, etwas mehrschichtigeren Texten und musikalischen Wendungen wie in "Tanzen" sollte das klappen.
Die dänischen NEOTEK sind keine Arbeitstiere. Jedes Jahrzehnt gibt es ein neues Album, das zweite nach knapp 15 Bandgeschichte liegt nun vor. Und wieviel sich in der Szene verändert hat... dem eigenen Bandnamen konnte man in der damals gerade aussterbenden und härter werdenden EBM Szene durchaus gerecht werden, "Brain Over Muscle" war nett. Heute aber hat man ohnehin das Gefühl alles schonmal gehört zu haben und so tue ich mich mit NEOTEK schwerer als gehofft. Vom grottig-trashigen Coverartwork abgesehen ist "Sex, Murder & Rock'n Roll" wenig "Neo" sondern eher ein Versuch alles mal auszuprobieren - und damit in meinen Ohren recht ziellos für drei nicht mehr ganz junge Herren. In ihren Herzen schlägt noch alter EBM-Zeitgeist, keine Frage, der rote Faden fehlt indes: Nach dem bedrohlichen und textlastigen "My Shiny 44" lassen sie mit "Right Or Wrong" eine tanzbare Clubnummer folgen um dann mit "Paradise" recht ätzend-rockig zu dröhnen. Das geht mal mit Gitarrensounds, mal mit monotonen Gesangspassagen (ganz Rock'n Roll auch gerne häufiger etwas daneben und fast durchweg eher schnoddrig (aus zwei Kehlen) und meist EBM-eindimensional geshoutet), mal mit hammernden Beats und ganz am Ende gar versöhnlich melodisch (und auf deutsch: "Einsamkeit") - NEOTEKs wilde Mischung ist etwas zu durcheinander um den Kern der Band herauszuarbeiten (und sich daran zu erinnern was sie denn nun ausmacht). Ich finde NEOTEK nicht überragend, kann der kraftvollen Elektronik mit leicht dreckigem Anspruch aber durchaus etwas abgewinnen, doch genug des Redens um den heißen Brei: "Sex, Murder & Rock'n Roll" ist ein überdurchschnittliches Album mit Selbstfindungsproblem.
NEUN WELTEN passen mit „Destrunken“ perfekt in den Prophecy-Katalog und haben einen schönen Soundtrack für neblige Herbsttage und trübe post-Weihnachtswetter geschrieben. Die zehn Songs verbreiten eine Stimmung zwischen Melancholie und Träumerei, dem Zurückdenken an vergangene schöne Tage vermischt mit der leisen Hoffnung auf eine Wiederholung. Dazu bedienen sich NEUN WELTEN in den weitgehend Gesangsfreien Stücken ("Dämmerung" hat z.B. einige Passagen mit Gesang) hauptsächlich Streichern, die immer wieder von Akustikgitarre und Percussions, aber auch Akkordeon und Querflöte unterstützt werden. „Destrunken“ wirkt dabei am Besten im Ganzen, einzelne Stücke lassen sich nur schwerlich heraustrennen, da sie allein nicht die nötige Atmosphäre aufbauen können – hier ist das Ganze mehr als nur die Summe seiner Teile. Wer sich die knappe Stunde Zeit nimmt, wird mit einer atmosphärisch dichten Platte belohnt, die zart und melancholisch Assoziationen an herbstliche Waldspaziergänge, Felder im Morgentau und unter Brücken lebende Trolle hervorruft. (lh)
Mit ihrem dritten Album „Human Fragility” (bereits 2009 erschienen) hat die Bochumer Band DAWN OF DESTINY ihrem bereits starken Vorgänger „Rebellion In Heaven” noch einen drauf gesetzt. Sängerin Tanja Maul und ihre Mannen erfinden zwar mit ihrem melodisch-orchestralen Metal und den männlichen Gesangsparts (clean & growl) das Genre nicht gerade neu, aber DAWN OF DESTINY überzeugen durch Frische, Eingängigkeit und guten Ideen; musikalisch ist neben dem Gesang auch besonders die Gitarrenarbeit (Veith Offenbächer) hervorzuheben, den notwendige fetten Sound für ihre künstlerische Ausrichtung weist „Human Fragility” ebenfalls auf. So seien als Appetizer neben dem epischen Titeltrack das Doublebass-Gewitter das speedige „Silent Suffering genannt. Mit „Learning To Fly“ hat man gar einen richtigen, etwas zahmeren Radio-Hit an Bord, das für DAWN OF DESTINY eher ungewöhnliche, getragen und natürlich „ägyptisch” klingenden „Ten Plagues Of Egypt“ überzeugt auf ganzer Linie und auch das deftigere, mit Growls versehene „Dying Alone“ fängt einen gut ein. Das die Ruhrpottler dabei schon einen gewissen Bekanntheitsgrad haben, kann man auch daraus ersehen, dass sie mit Ian Parry (ELEGY, AYREON. bei „Human Fragility”) und Bernhard Weiß (AXXIS. bei „Unborn Child“) auf zwei prominente Gäste zu verweisen haben. Hätten DAWN OF DESTINY dann noch ein paar Songs weniger auf „Human Fragility“ gepackt und somit der Scheibe zu einer gewissen Kompaktheit verholfen, das Album wäre uneingeschränkt zu empfehlen. Aber auch so dürfen Fans von NIGHTWISH bis KRYPTERIA hier bedenkenlos zugreifen.
Es gibt so Musiker, bei denen die Frage aufkommt, womit die sich gerade wohl die Zeit vertreiben (oder alternative ihre Brötchen verdienen). Steve DiGiorgio ist so einer, auch wenn der nicht völlig untätig war, aber soviel Aufmerksamkeit wie mit CHARRED WALLS OF THE DAMNED hatte er nicht, sind bei dem Projekt doch auch noch Tim Owens (ex-JUDAS PRIEST, ex-ICED EARTH), Richard Christy (ex-DEATH, ex-ICED EARTH) und Jason Suecof (Produzent u.a. von TRIVIUM, THE BLACK DAHLIA MURDER und JOB FOR A COWBOY) mit dabei, was neben ordentlich Namedropping-Potential auch viel Erfahrung beinhaltet. Die vier Herren haben sich zu einer soliden Metal-Band zusammengetan, das selbstbetitelte Debüt gleich bei Metal Blade unterbringen können und auch sonst alles richtig gemacht. Tim Owens liefert eine erstklassige Leistung ab und straft alle immer noch vorhandenen Verneiner seines Potentials Lügen, Mr. Christy hat bei Howard Stern das Kit-Verprügeln nicht verlernt und die Saitenabteilung zieht auch alle Register. Soweit, so gut. Dabei ist die Scheibe aggressiver als erwartet ausgefallen, selbst Blastparts finden sich in den neun Songs und bringen „Charred Walls Of The Damned“ vom Alte-Männer-Metal-Etikett weg. Natürlich ist das Material auch technisch anspruchsvoll, alle Beteiligten haben ja einen Ruf zu verlieren – vergessen darüber aber nicht, die Songs sowohl nachvollziehbar als auch abwechslungsreich zu halten, selbst einige eher getragen-epische Stücke finden sich („In A World So Cruel“). Auch wenn so ein Projekt immer einen zweifelhaften Beigeschmack hat, bleibt in diesem Fall nur festzustellen, dass die Scheibe gut gemachten Metal bietet, der zu keiner Zeit seelenlos kalkuliert geschrieben wird. So können All-Star-Projekte gerne immer sein.
Die Kanadier SACRIFICE aus Toronto gehören zu den “vergessenen” Thrash-Bands, die früh in den 80er Jahren (in diesem Fall 1983) durchstarteten, denen jedoch eine größere Karriere nebst Ansehen verwehrt blieb. Lediglich zum viel zitierten Kultstatus hat es in der bis dato zehnjährigen Bandgeschichte (die vorläufige Auflösung erfolgte 1993) wohl gelangt, aber von dem hat man ja noch keine Butter auf dem Brot, nicht mal das Brot selber. Dass das Quartett um Gitarrist und Sänger Rob Urbinati trotzdem immer noch Spaß an der Sache hat, hört man „The Ones I Condemn“, dem fünften Album der Jungs, durchgehend an. Große Innovationen darf man natürlich nicht erwarten, auch wenn die Scheibe mit einer wirklich fetten Produktion und sogar stellenweise recht modernem Gitarrenspiel glänzt. Mit Joe Rico als zweitem Axtmann brennt die Band ein sehr gelungenes Riff-Feuerwerk ab, das von Urbinatis coolem Krächzgesang (der etwa wie eine „Melodic Death-Variante“ von DESTRUCTION´s Schmier herüberkommt) gekonnt untermauert wird. Granaten wie „Give Me Justice“, „Tetragrammaton“ oder die herrlich aggressive, rohe Live-Version des 1991er Stückes „Soldiers Of Misfortune“ (europäischer Exklusiv-Bonustrack!) machen keine Gefangenen und werden jedem Old School-Thrasher, der etwa auch die letzten, etwas zeitgemäßer produzierten EXODUS-Platten mochte, garantiert gefallen. Kein Meisterwerk, aber nach ganzen 17 Jahren ein außergewöhnlich gutes Comeback einer Truppe, die sich damit hoffentlich zumindest wieder einen kleinen Platz in der Szene erspielen kann. Stark!
ADEPT sind eine der ersten Bands, die beim jungen Panic & Action-Label unterschrieben haben (hinter dem u.a. der Burning Hearts-Mensch steckt), klignen auf ihrem „Another Year Of Disaster“-Album aber so amerikanisch, dass die Bio verwundert zweimal gelesen wird. Schweden also, soso. Die zehn Songs sind gut gemacht und bieten dem Screamo-Fan alles, was der will, erweitert um Post-Hardcore und eine gute Prise Brutalität. Das mündet in Songs wie dem Gänsehaut machenden „Let’s Celebrate, Gorgeous! (You Know Whose Party This Is)”, das ruhig und getragen anfängt, um dann zum Ende hin zu explodieren. ADEPT halten locker die Balance zwischen melodischer Eingängigkeit und fies-brutalen Parts, was „Another Year Of Disaster“ über die gute Dreiviertelstunde facettenreich und damit interessant hält. Die Schweden haben hörbar lange an den Songs getüftelt, so dass am Ende jeder Break, jedes Riff, jede Gesangsnuance perfekt sitzt und ein vollkommen in sich schlüssiges Screamo-Album ergibt, mit dem das junge Label einen echten Kracher zu Beginn veröffentlicht und 2010 ziemlich gut einläutet. Respekt!
Dieses italienische Trio (in meinem Infomaterial sind noch vier Gestalten zu sehen, obwohl auf der Homepage nur von drei Herren, nämlich Rob, Luca und Ricca, die Rede ist) scheint stolz darauf zu sein, zum Underground zu gehören, obwohl „Underground´n´Roll“, das inzwischen dritte Album der Band, gar nicht so richtig undergroundig tönen will. Es gibt recht unspektakulären, rotzigen Rock´n´Roll zu hören, der in etwa die Zielgruppe der HELLACOPTERS- oder GLUECIFER-Fans ansprechen dürfte und nicht mit schön schlüpfrigen Inhalten geizt. Es geht in durchweg soliden, aber nicht Bahn brechenden Songs wie „Satan Porno Dog“, „Cemetary Beach“, „No Scout? Yes, Party!“ oder „Dead Pride“ um die sonnigen Seiten und schönen Dinge des Lebens: Bier, Feiern, Blowjobs, Saufen, Feten, Vögeln… genau in dieser Reihenfolge. Leider mangelt es der Scheibe auch an Abwechselung, und auch nach mehreren Durchläufen will sich weder ein echter Gassenhauer zu erkennen geben noch ein größerer „Aha-Effekt“ einstellen. Als Hintergrundbeschallung für den abendlichen, geselligen Umtrunk eignet sich „Underground´n´Roll“ daher noch halbwegs, doch essentiell ist das Werk keinesfalls.
Die Hamburger MINOTAUR sind zwar längst nicht so bekannt und groß wie ihre Kollegen und Landsmänner DESTRUCTION, SODOM, KREATOR und Co., aber es gibt sie schon seit 1983, was sie so gesehen zu Mitbegründern der heimischen Thrash-Szene macht, auch wenn sie das letzte Vierteljahrhundert im Underground verbracht haben. Sie sind quasi „Original“, keine „Fälschung“ und wissen nach all den Jahren auch musikalisch zu überzeugen, auch wenn sie im direkten Vergleich nicht ganz mit dem aktuellen Schaffen ihrer oben genannten Mitstreiter konkurrieren können. „God May Show You Mercy… We Will Not“ klingt auf ungeheuer sympathische Weise ehrlich, ungekünstelt, authentisch und auf sehr positive Art naiv. Den Begriff „Weiterentwicklung“ enthält das MINOTAUR´sche Wörterbuch nicht, und während sich die Kollegen im Laufe der Jahre doch um Einiges gemausert und zwischenzeitlich mitunter sogar moderne Töne angeschlagen haben, sind die gehörnten Nordlichter irgendwo in einer Zeitschleife Mitte der 80er hängen geblieben. Eben deswegen hämmern Granaten wie der geile Opener „Armegiddo“, „Full Speed Ahead“, „Soulless“ oder die coole Aggro-Version des W.A.S.P.-Klassikers „Animal (F..k Like A Beast)“ dem Hörer ein schelmisches Grinsen in die Hackfresse und machen diese Scheibe zu einer sehr eingängigen Zeitreise. Wer etwa das (einen Tick stärkere) aktuelle BITTERNESS-Werk „Genociety“ ins schwarze Herz geschlossen hat, wird auch „God May Show You Mercy… We Will Not“ mögen. Schönes Ding!
WHILE HEAVEN WEPT aus Virginia, USA gehören nicht unbedingt zu den veröffentlichungsfreudigsten Bands der Szene und haben in ihrer gut zwanzigjährigen Karriere nebst diverser Singles und EPs gerade erst zwei vollständige Alben herausgebracht. Allerdings geht in diesem Fall eindeutig Klasse vor Masse, denn alles, was Gitarrist/Keyboarder/Sänger Tom Philips (der auch hier wieder Unglaubliches leistet) und Co. bislang auf dem Kerbholz haben, ist erstklassig; da macht auch „Vast Oceans Lachrymose“ keine Ausnahme. Epischer, monumentaler, bombastischer Doom Metal, der noch ausladender wirkt als etwa die Ergüsse von Kollegen wie CANDLEMASS, SOLITUDE AETURNUS und Co., überfällt den Hörer mit einer ungeheuren Wucht und will erst nach mehreren Hördurchläufen in seiner gesamten Breite erfasst werden. Die sechs Stücke auf dem Album sind durchweg großartig, auch wenn man sich an die fast schon Filmscore-artigen Instrumentalpassagen gegen Ende der Scheibe gewöhnen muss. Aber auch diese Klanggebirge sind dermaßen emotional gehalten, dass sie neben den „konventionellen“ Stücken wie dem formidablen Opener „The Furthest Shore“ oder dem mitreißenden „To Wander The Void“ kaum abfallen. WHILE HEAVEN WEPT haben wieder mal alles richtig gemacht und fügen ihrer kleinen, aber feinen Diskografie eine neue Perle hinzu, die neben dem neuen Werk von COUNT RAVEN das Beste markiert, das im Doom Metal momentan zusammengebraut wird. Für Genre-Fanatiker einfach unverzichtbar!