LAST BEAUTIFUL JUNE aus Thüringen berufen sich, wie so viele Bands der scheinbar endlich abebbenden Metalcore-Welle, auf die großen Vorbilder AT THE GATES, was man “Welcome To The Crisis” sofort anhört. Zwar tauchen auch NAPALM DEATH, SLAYER oder GEHENNA bei den Favoriten des Quintetts auf, doch hauptsächlich die Mischung aus rasender Härte und eingängigen Melodien spricht Bände. Mit weichgespültem Emo-Zeug haben die Jungs demnach wenig am Hut, denn die fünf Songs (plus Intro) dieses Demos ballern gnadenlos durch die Boxen, auch wenn der Sound tatsächlich nur Demo-Niveau erreicht und arg dumpf daherkommt. Frontmann Thomas geht dafür als echter Brüllwürfel durch, der alles in Grund und Boden kotzt und Vorschlaghämmer wie „Resurrected“ oder „Per Aspera Ad Astra“ ebenso fies und räudig tönen lässt wie die ebenfalls nichts anbrennen lassende Gitarrenfraktion Robby und Björn. Wer sich mal wieder Metalcore ohne Kompromisse und mit einer Prise Grind und Straßenkötercharme geben will, sollte „Welcome To The Crisis“ auf der „Myspace“-Seite der Band anchecken. Bis auf die etwas schwächliche Produktion ein echt hörenswertes Teil!
CONVULSE haben keine neue Scheibe am Start (“Reflections” ist ja auch schon eine Weile her), vielmehr wird „World Without God“ als Re-Release in die Relapse-Discography aufgenommen – erschienen ist die Scheibe ursprünglich bei Thrash Records. Erweitert um das „Resuscitation Of Evilness"-Demo“ und zwei Live-Mitschnitten kommt die Chose auf eine gute Stunde Spielzeit, in der Freunde schwedischen Death Metals das Herz aufgehen wird. Grunzender Sänger, schön tief gestimmte Gitarren, die schreddern und Blastbeats vom Drummer. So soll das sein. Verpackt in eine ebenso typische Produktion kommen die erwarteten Melodien und Riffs voll zur Geltung, ohne dass die Produktion zu sauber und damit nicht authentisch klingt. CONVULSE ist mit dieser Scheibe zwar kein Meisterwerk gelungen, aber gut ist das Ding allemal und der Beweis, dass der Einfluss Stockholms auch bis nach Finnland reichte. Für Komplettisten, Sammler und Neueinsteiger in den Swedish Death Metal-Sound gleichermaßen ist das Re-Release eine feine Sache.
Wenn man von brasilianischen Metalbands spricht, fällt immer sofort der Name SEPULTURA, dabei gibt es beispielsweise die Thrasher VULCANO schon seit 1981! Und wie zu erwarten ist, klingt das Quintett auch im neuen Millennium nicht sonderlich modern. „Old School“ heißt auch hier das Zauberwort, das dieses Album aus dem Jahr 2004 schmückt, das hier als Re-Release vorliegt. Musikalisch erinnern VULCANO nicht selten an SODOM, was zu einem großen Teil am räudigen Reibeisenorgan von Sänger Angel liegt, der seinem Fast-Namensvetter Tom Angelripper locker das Mikro reichen kann. Hinzu kommen hörenswerte, wenn auch recht unspektakuläre Songs wie „The Bells Of Death“, „From The Black Metal Book“, „Face Of Terror“ oder „Obscure Soldiers“, die auch einen gewissen, punkigen Einschlag nicht verleugnen. Zwar spielen VULCANO in Sachen Songwriting eher in der zweiten Liga, was wohl auch erklärt, warum die Band niemals so populär werden konnte wie Brasiliens Vorzeigemetaller um die (noch?) entzweiten Cavalera-Brüder, doch hört man dem Haufen an, dass er Spaß an der Sache hat und die alte Schule in vollen Zügen lebt. Leider kommt diese Wiederveröffentlichung ohne jegliche Bonustracks oder andere Aufwertungen daher, lediglich eine Widmung an den 2001 an Herzversagen verstorbenen Gitarristen Soto Junior prangt auf der Rückseite der Scheibe. So ist „Tales From The Black Book“ am Ende eher eine Angelegenheit für Thrash-Allessammler als für die breite Masse.
„Evolution In One Take: For Grindfreaks Only Vol. 2“ ist die einem Take eingeprügelte Version des letzten BRUTAL TRUTH-Albums „Evolution Through Revolution”, die Herren stehen ja auf so was. Besagtes Album wusste zu gefallen und markierte die Rückkehr einer der wichtigsten Grindbands ever. Die Live-Version des neuen Albums hat einen Song weniger („Semi-Automatic Carnation") und ansonsten nix Neues, lohnt sich für Besitzer der regulären Version eher weniger. Wer die noch nicht sein Eigen nennt, kann auch hier zuschlagen, gerade wenn er ein Sammlerherz hat: „Evolution In One Take: For Grindfreaks Only Vol. 2“ ist auf 2.000 Exemplare limitiert. Neueinsteiger in den BRUTAL TRUTH-Sound sind aber mit den Frühwerken eh besser bedient und können diese Veröffentlichung ruhig ignorieren.
Evolution In One Take: For Grindfreaks Only Vol. 2
Neben dem ebenfalls sehr guten Album „Hell Symphony“ erscheint auch „The Book“, das 1999er Werk der tschechischen Obskur-Bläckies, als Re-Release, der mit ein paar Bonustracks aufgewertet wurde. „The Book“ ist hörbar von den späteren BATHORY beeinflusst; „Blood Fire Death“ oder „Hammerheart“ sind auf diesem epischen Scheibchen nahezu allgegenwärtig. Klang die Band auf früheren Alben noch deutlich schwarzmetallischer, so liegt der Schwerpunkt hier auf getragenen Hymnen vom Schlage „The Book“, „The Curse – Durron“ oder dem zweiteiligen „Corabeu“, die sehr großes Ohrwurmpotential offenbaren, aber nicht weniger kauzig und eigenwillig daherkommen als die Stücke etwa von „Hell Symphony“. Auch die oftmals eingesetzten Mitsingchöre verfehlen ihre Wirkung nicht und machen „The Book“ zu einer Scheibe, die sich Black Metaller der alten Schule mit Vorliege für schräge Klänge ohne Probleme ins Regal stellen können. Als Bonüsse bekommt man anstatt rarer Live-Aufnahmen dieses Mal vier Songs von „The Book“, die in alten Demoversionen aus dem Jahr 1997 vorliegen. ROOT waren stets eine Band, die man entweder richtig gut oder richtig scheiße findet, und auch wenn das Songwriting über weite Strecken arg gewöhnungsbedürftig daherkommt, macht diese Band aufgrund ihrer authentischen Frische und ihrem ungekünstelten Umgang mit ihren Vorbildern einfach Spaß - vorausgesetzt man läuft als Genre-Fan nicht mit pseudobösen Scheuklappen durch die Welt…
CLOSE YOUR EYES überraschen auf ihrem Victory Records-Debüt „We Will Overcome” ganz kräftig: in Zeiten, in denen auf dem Label scheinbar nur noch Beatdown- oder Emopop-Bands zu finden sind, besinnen sich CLOSE YOUR EYES auf melodischen Hardcore mit politischen Texten. Ganz im Sinne von RISE AGAINST und IGNITE sind CLOSE YOUR EYES hart genug, um die Hardcore Kids für sich einzunehmen und gleichzeitig nicht so heftig, dass die (Pop)Punk-Fraktion verängstigt wegläuft. In den elf Songs beweisen die Jungs, dass sie ein Händchen für große Melodien haben und diese locker mit Moshparts verbinden können, geschickt platzierten Breaks sei Dank. Dazu kommt ein fast durchweg vorhandene Mitsingqualität der Songs, die so Live eine Meute im Handumdrehen für sich einnehmen dürften. Die kritischen Texte lassen CLOSE YOUR EYES endgültig das Herz gewinnen, denn in ihnen wird klar, dass die Musiker mit offenen Augen durch die Welt gehen und mehr als nur Merch verkaufen wollen. „We Will Overcome“ ist engagiert, ehrlich und erfrischend. Haltet die Augen offen und kauft die Scheibe!
SMOKE BLOW hatten nicht nur Kollegin Lattwesen mit „Colossus“ überrascht, so freundlich und fast schon poppig klangen die Kieler bislang nicht. Anfang 2010 schon den Nachfolger rauzubringen, nach also nicht mal zwei Jahren, ist ebenfalls überraschend und bricht mit der bisherigen SMOKE BLOW-Tradition – ist „The Record“ also ein Schnellschuss, die gnadenlos weitergeführte „Colossus“-Linie?
Mitnichten.
SMOKE BLOW sind Punks, waren Punks und werden immer Punks bleiben, das machen sie mit dieser Scheibe wieder klar. Rotzig, dreckig, böse, schön in die Fresse sind die zwölf Songs. Dabei wird natürlich mit dem typischen SMOKE BLOW-Charme vorgegangen und drauf geachtet, dass jeder Track auch im Ohr hängen bleibt – „Broken Bonds Of Friendship“ macht das gleich zu Beginn klar, da können selbst gnadenlos heftige Nummern Marke „I Have Lived In The Monster“ nicht anders. Kurzum, hier passt einfach alles. Das unvergleichliche Wechselspiel zwischen Letten und MC Strassenköter ist das nur das i-Tüpfelchen, ohne das SMOKE BLOW nicht so grandios wären. Die Leistung ihrer Kollegen soll aber nicht geschmälert werden, im Gegenteil: die Riffs sitzen, die Rhythmusfraktion tritt Arsch und treibt die Songs immer wieder an („Necrophobia“). „The Record“ ist eine ehrliche SMOKE BLOW-Platte, die nach dem (gelungenen) „Colossus“-Experiment die Wurzeln der Band aufzeigt und durchweg geil ist. Live wird das sicher noch eine Spur besser funktionieren, also put on your dancing shoes!
Gerade erst im November letzten Jahres waren MOTORPSYCHO mit ihrem im August erschienenen Album „Child Of The Future“ auf Tour, und jetzt legen sie schon mit „Heavy Metal Fruit“ nach. Im Interview hat Gitarrist Snah das neue Werk bereits als das beste MOTORPSYCHO-Album überhaupt angekündigt, und gerade auch, weil „Child Of The Future“ stellenweise etwas kraftlos wirkte und nicht komplett überzeugen konnte, kann man umso gespannter auf die neue Scheibe der Norweger sein. Und Snah könnte durchaus Recht haben: Nach dem ersten Durchhören ist man zwar erst einmal etwas erschlagen und auch ein bisschen ratlos, gleichzeitig aber auch völlig euphorisch. Es gibt ausgedehnte Jams zu hören, wie man sie sonst vor allem von den Live-Shows kennt, dazu schwer rockende Riffs und fantastische Melodien, aber auch ungewohnte Elemente in Form von progressiven bis krautrockigen Instrumental-Parts. Bei jedem weiteren Hören öffnen sich die Songs mehr, und es erschließen sich einem Strukturen und Details. Und dann ist man irgendwann voll drin – und hebt ab, in die unendlichen MOTORPSYCHO-Weiten. Highlight ist sicherlich der letzte Song des Albums, das vierteilige und über 20 Minuten lange „Gullibles’s Travails“: Die Reise beginnt bei einem hypnotischen Riff, setzt sich über einem ruhigen, fließenden Part fort, der einem klassischen Prog-Rock-Song im Stile KING CRIMSONs entlehnt sein könnte, läuft dann weiter durch ein schräges, treibendes Gitarren-Solo und endet in einem fast schon pompösen Schlusspart, bei dem noch einmal in den schönsten Harmonien geschwelgt wird. Hier wird die Vielfalt und Intensität des gesamten Albums noch einmal komprimiert vorgeführt. Ob MOTORPSYCHO mit „Heavy Metal Fruit“ ihr bislang bestes Album abgeliefert haben, wird sich wohl erst in den nächsten Jahren zeigen. Sicher ist aber jetzt schon, dass es eines ihrer ganz großen Alben ist, das durchaus an Meisterwerke wie „Trust Us“ oder „Angels And Daemons At Play“ anknüpft.
Die tschechischen ROOT gehören seit 1987 zu den Vertretern der Ursuppe der schwarzen Wurzeln. In Anlehnung an die alten Meister der Zunft (unter Anderem MERCYFUL FATE, VENOM, POSSESSED, BATHORY, CELTIC FROST/HELLHAMMER, SABBAT, etc.) zelebriert die Band um ihre Gründer Jiří "Big Boss" Valter (Vocals) und Petr "Blackie" Ho¨ek (Gitarre) einen reichlich obskuren, teils schon wirren, aber auch ungemein abwechselungsreichen Mix aus traditionellem Stoff der NWOBHM-Schule und der seinerzeit aufkeimenden härteren Gangart (inklusive Growls), die später die so genannte „Zweite Generation“ des Black Metal einleiten sollte. Hierbei handelt es sich aber keineswegs um ein neues Album der Jungs, sondern um den durch mehrere Live-Songs („Lucifer“, „Leviathan“ und „Song For Satan“ aus den Jahren 1999, 2000 und 2002) aufgepeppten Re-Release des ursprünglich 1991 veröffentlichten Werks „Hell Symphony“. Dass ROOT innerhalb der Black Metal-Szene keine sehr große Beachtung gefunden haben, kann ich mir aus heutiger Sicht nur daraus erklären, dass sie in früheren Jahren einfach nicht ernst genommen, beziehungsweise später von der mitunter reichlich ignoranten und auf „true“ getrimmten Szene übergangen wurden. „Hell Symphony“ ist ein Album, das aufgrund seiner fast schon experimentellen Frische jeden Old School-Schwarzheimer mit Blick für originelle Urgesteine begeistern dürfte, auch wenn andere Bands vielleicht die größeren Hymnen geschrieben haben. Es empfiehlt sich, wie auch bei anderen ROOT-Werken, das Album am Stück zu genießen, da der kauzige Stil (nicht nur musikalisch; die ersten neun Stücke des Albums tragen allesamt jeweils andere Namen für den Deibel) seine Wirkung auf diese Weise am Besten entfalten kann. Ein echtes Kultobjekt!
"Screamworks: Love In Theory And Practice": was zunächst an einen etwas exzentrischen Selbsthilferatgeber gemahnt, entpuppt sich stattdessen als Titel des neuen HIM-Albums. Also schnell eine Kerze angezündet und auf geht´s in die Dunkelheit. Oder doch nicht? So düster klingt das gar nicht, was einem da aus den Boxen entgegenschallt. Nicht, dass bei dem finnischen Quintett nun plötzlich der rheinische Frohsinn ausgebrochen wäre, aber verglichen mit dem Vorgänger "Venus Doom", der auf ebenso dunklen wie eher metallischen Pfaden wandelte, flutet durch "Screamworks" deutlich mehr Tageslicht. Da weht sogar an der einen oder anderen Stelle etwas durch, dass man als Selbstironie interpretieren könnte: so weist beispielsweise der Opener "In Venere Veritas", der mit einem an gregorianische Chorgesänge erinnernden Zwischenteil versehen ist, die wundervolle Zeile "There´s a method to my sadness" auf, die man durchaus auch auf die Urheber beziehen könnte. Die auf "Venus Doom" vorherrschenden Doom-Anleihen fehlen auf "Screamworks" völlig, stattdessen wird mit unterschiedlichsten Anklängen experimentiert: Da findet sich Balladeskes neben Einflüssen aus punkigen Gefilden, mal überwiegen die Gitarren, mal die hochaufgefahrenen Keyboardwände. Und zu guter Letzt überraschen die infernalischen Majestäten bei "The Foreboding Sense Of Impending Happiness" mit etwas gänzlich Unerwartetem, nämlich einem atmosphärischen Ambient- Song. Derart ausgeprägte Abweichungen vom gewohnten Sound erfordern Mut, der ihnen an dieser Stelle eindeutig attestiert sei, und dürften gerade in Fankreisen für einiges an Aufsehen sorgen. "Screamworks" macht deutlich, dass hier eine Band keine Lust hat, sich festlegen zu lassen, sondern lieber die eigenen Grenzen auslotet. Die Valo´schen Melodien bleiben dabei wie gehabt über jeden Zweifel erhaben und krallen sich gnadenlos im Ohr fest; die diesmal ziemlich prominenten Keyboards geben beispielsweise dem poppigen "Scared To Death" erhöhtes Radiopotential. Mit "Disarm Me (With Your Loneliness)" haben die Herrschaften eine wunderschöne Ballade am Start, die für den Einsatz von Feuerzeugen geradezu prädestiniert ist und definitiv eins der Highlights des Albums darstellt. "Acoustic Funeral (For Love In Limbo)" ist ein klassischer HIM-Song, "Katherine Wheel" und "In The Arms Of Rain" dagegen wirken ein wenig hübsch-harmlos. Letzterem bietet das sich anschließende "Ode To Solitude" auf großartige Weise Paroli: schräg, ungewöhnlich, gut. Der musikalische Tanz auf dem Vulkan verbreitet eine derart herrlich trotzige Stimmung im Angesicht der Widrigkeiten des Lebens, das man gar nicht kann als ausgelassen den Untergang zu zelebrieren und auf diesen anzustoßen. "Here´s to the pain, the light of the on-coming train": ein Dichter verneigt sich augenzwinkernd vor seiner Muse. Na dann Prost, auf dass sie ihm noch lange erhalten bleiben möge.