DRAG THE RIVER aus Colorado bestehen im Kern aus ALL-Sänger Chad Price und Jon Snodgrass, Sänger und Gitarrist von ARMCHAIR MARTIAN. Die beiden gründeten die Band 1996, veröffentlichten jede Menge Alben und spielten schon unzählige Konzerte. Trotzdem dürften sie – zumindest in Europa – kaum jemandem bekannt sein. Das soll sich jetzt mit „Primer“ ändern, einem Best-Of-Album, das Songs aus den Jahren 1996 bis 2009 enthält. DRAG THE RIVER lassen es in ihrer Musik ruhig angehen. Ein gewisser Punk-Spirit spielt zwar mit, die Musik selbst wird aber bestimmt durch Alternative Country und Folk, seltener auch durch klassischen Rock. Der raue Gesang sowie diverse Ecken und Kanten sorgen aber dafür, dass es nie zu schön oder zu glatt wird, auch wenn die Musik stellenweise nur haarscharf am Kitsch vorbei schrammelt. Das ist auch alles schön anzuhören, über die gesamte Länger wünscht man sich aber, es würde öfter mal abgehen. Und irgendwann wird es auch etwas viel mit dem Akustik-Geklampfe und der Slide-Gitarre, und man ist froh über jedes Rock-Riff. Interessant ist, dass sich der Sound der Band über die Jahre überhaupt nicht verändert hat. Ob die Songs älteren oder jüngeren Datums sind, kann man beim Hören wirklich nicht sagen. Wahrscheinlich sollte man sich mal ein Konzert der Jungs anschauen, denn ich kann mir gut vorstellen, dass die Musik live deutlich mitreiβender wirkt. Wer die akustischen Sachen der SUPERSUCKERS oder auch den Singer/Songwriter-Punkrock von GASLIGHT ANTHEM mag, sollte hier auf jeden Fall mal reinhören.
SWORN AMONGST hoben sich mit ihrem Erstlingswerk erfrischen von ihren trendreitenden Labelkollegen ab, ws sich auch mit “Severance” fortsetzt. Immer noch keine Beatdown-Parts, keine Brees, keine riesigen Plugs und schlechten Frisuren, stattdessen ehrlicher, solider Thrash Metal. Der ist in diesem Fall sogar noch mehr an den alten Helden des Genres ausgerichtet und lässt die (schon auf dem Debüt nur minimal vorhandenen) Experimente mit der Lupe suchen – „Severance“ ist Thrash pur. Die zehn Songs bewegen sich auf durchweg hohem Niveau und bilden eine geschlossene Einheit, was die Scheibe zu einem soliden Schlag in die Fresse macht und den großen Kritikpunkt des Vorgängeralbums ausmerzt. Da auch die Produktion genauso in Ordnung geht wie die handwerkliche Leistung der Musiker, gibt es für Thrash-Freunde keinen Grund, an „Severance“ vorbeizugehen.
THE AUDITION sind eine feste Größe im Victory Records-Stall geworden, mit „Great Danger“ wollen sie das untermauern. Dürfte ihnen gelingen, zumindest wird die Fangemeinde mit einem Album bedient, dass ohne große Experimente auskommt und stattdessen vor rockigen Popsongs strotzt. Das ist zum größten Teil dem Gesang geschuldet, der ziemlich soft klingt und wenig Mut zum Ausreizen der eigenen Grenzen mitbringt, was zwar die Mitsingfaktor erhöht (woran natürlich auch die recht simpel aufgebauten Songs ihren Anteil haben), aber viele Songs auf „Great Danger“ zu ähnlich klingen lässt. Da können sich die Gitarren noch so abmühen und mal Punkrock, mal Mid Tempo-Pop vorlegen, mit dem immer gleichen Gesang drüber verschwimmt das zu einem durchgehend Brei. Der ist aber typisch THE AUDITION, tut niemandem weh und ist für die Zielgruppe gerade hart und punkrockig genug, um sich von den Popidolen ihrer Altersgenossen abzugrenzen.
AGRYPNIE sind das Projekt von Ex-NOCTE OBDUCTA-Sänger Torsten – an dem jetzt auch der Ex-Nocte Patrick sowie Musiker von Rising Hate und Cheeno/Autumnblaze mitwirken). AGRPYNIE überzeugte schon mit den Vorgängern „F51.4“ und "Exit" Das Merkwürdigste ist damit auch schon genannt: die "Albennummerierung". Auch auf „16[485]“ gelingt es die verschiedensten Stilrichtungen miteinander zu verweben - und damit eine erstklassige Scheibe zu produzieren. Da sind die ureigenen basischen Black-Metal-Elemente, da ist düstere Avantgarde im Katatonia-Kleid oder sogar death-metallische Anklänge der Duftmarke Disbelief. Herausgekommen sind echte Hits (im positivsten Sinne) wie „Kadavergehorsam“ oder „915.2“ und jede Menge gute Songs, ein Album ohne jeden Durchhänger. Die deutschen Texte vermeiden glücklicherweise den übertriebenen Philiosophen-Pathos vieler germanischer Black-Metal-Eleven – und erinnern in Duktus und Wortwahl durchaus an Totenmond („Verfall“).. Auch der Sound dieser vielschichtigen Angelegenheit (die das Label nicht ganz unpassend „Post Black Metall“ nennt) passt sich der großen Klasse der Musik ohne Probleme anm, ebenso wie die Gastmusiker Alboin von Geist (singt beim Titelstück mit) oder der Komponist der abschließenden Ambient-Stückes "Figur 109-1" Markus Grassow überzeugen. Das hier ist moderne Düster-Musik mit jeder Menge Anspruch und Professionalität – und obendrauf mit viel Herz und Seele. Super, volle Punktzahl für 16[485].
SANKT OTEN scheinen sich auf den ersten Blick zu widersprechen: Album- wie Songtitel nehmen sich nicht ganz ernst, während die Musik dunkel und atmosphärisch ist. Aber da die Herren mittlerweile ohne Gesang agieren, mithin also keine beknackten Texte die sich aufbauende Stimmung zerstören können, löst sich der Widerspruch schnell auf. Die Klangkünstler verstehen es auf „Morgen wieder lustig“ in schleppendem Tempo eine dunkle Atmosphäre aufzubauen, die sowohl durch das Gitarrenspiel als auch den gekonnten Einsatz von Synthies erzeugt wird. SANKT OTTEN geben den Songs Zeit zur Entfaltung und haben sie gleichzeitig miteinander verwoben, so dass „Morgen wieder lustig“ möglichst am Stück gehört werden sollte, andernfalls geht viel flöten. Und das wäre bei diesem Kleinod deutscher Musik schade, denn was SANKT OTTEN erschaffen, ist nicht alltäglich und dürfte Doom- wie Elektro-Fans gleichermaßen ansprechen, solange letztere Gruppe mit vertonter Schwärze was anfangen kann.
COCOON sind die erste deutsche Band, die es auf Rising Records geschafft hat. „This Is Freedom“ ist das Debütalbum, dem einige EPs vorausgingen. Die zwölf Songs bieten eine wilde Mischung aus Screamo, Metal und Alternative, pendeln also zwischen hart und soft, zwischen Klargesang und Growls. Bei der Produktion ist deutlich zu hören, dass das Album in Eigenregie aufgenommen wurde, der Rising Records-Standard ist da höher, insbesondere beim Drum-Sound. Sei’s drun, die Songs machen Spaß, auch wenn nicht jeder das Gelbe vom Ei ist und gerade die klar gesungenen Parts ausbaufähig sind. Die flotteren Sachen wie „35/14“ wissen aber zu gefallen und gehen gut ins Ohr, auch wenn COCOON zum Ende hin die Ideen ausgingen. Macht aber nix, für ein Debütalbum ist „This Is Freedom“ ok, zumal es sich vom Einheits-Beatdown-Kram des Labels wohltuend abhebt.
BRIAN HOWE ist so einer dieser coolen Sänger mit einem höchst eigenen Klangcharisma. Er wurde mit seinem Einstieg bei BAD COMPANY ("Can't Get Enough", "Feel Like Makin' Love") ab 1985 einem breiteren Publikum bekannt Damals als Ersatz für den stimmgewaltigen Paul Rodgers (der ja zuletzt noch bei der QUEEN Reunion dabei war aber mittlerweile wieder draußen ist) eingesteigen, konnte er aus meiner Sicht etwas unverständlich, viele Fans von Bad Company nie so recht überzeugen. Egal an der toll immer etwas heißer wirkenden stimme des britischen Multiinstrumentalisten lag es eher nicht, dass die Band nie mehr so megaerfolgreich wurde, wie Ende der 70er Anfang der 80er Jahre. BC wurden einfach zunehmend softer und weniger bluesrocklastig. 1995 stieg er dann wieder aus um fortan Solo unterwegs zu sein.
2003 wurde dann Howes erstes Soloalbum (stammte ursprünglich aus 1997 "Tangled In Blue") unter dem neuen Namen "Touch" in Europa wiederveröffentlicht. Dann war lange Funkstille und jetzt haben Frontiers Records diesen sympatischen Künstler wieder ausgegraben und die neue Scheibe „Circus Bar" kann sich durchaus hören lassen. Inhaltlich bestens passend zum Comback wird mit dem peppigen „I'm Back" eröffnet. Handwerklich solide wird hier über 14 Tracks fast ganz ohne Füller ein schöner Mix aus Melodic rock Party Hardrock und ein wenig AOR geboten. Der Sound ist aber nie zu glattpoliert, die Gitarrenlicks sind stimmig und betonen stets den rockigen Charakter. Insbesondere bei den schnelleren Sachen wie "There's This Girl" (hat was von einem typischen RICK SPRIGFIELD Song) oder der absolute Kracher, dass leicht AC/DC riffige „If You Want Trouble“ (geht schon fast in die CHICKENFOOT Richtung), überzeugen aber davon hätte es ruhig etwas mehr sein können. Das ebenfalls schmissige „My Town" mit wummernden Hammonds sowie tollem Solo und rührigem Fußballtext bietet etwas von einem coolen Partyrocksong, den BRIAN ADAMS so seit Jahren nicht mehr hinbekommen hat. Balladen und Halbballaden gibt es reichlich (ein paar weniger hätten es auch getan) aber vornehmlich meist nicht die angestaubte Sorte aber natürlich typisch manchmal etwas zu cheesy wie u.a. "Surrounded" oder auch „Flyin“. Die Songwriting ist natürlich alles andere als modern oder gar innovativ aber ungemein erdig und handwerklich solide und vor allem authentisch gemacht. Dann hat der gute, warum auch immer, noch zwei Nummern aus dem Bad Company Fundus recycelt und zwar einen Hit von 1992 "How 'Bout That", jetzt etwas aufgemotzter mit betonteren verzerrten Gitarrenvibes. Und aus "Holy Water" wurde ein grundsätzlich anderen Song gemacht mit viel Klavier, sehr reduziert mit Akustiklampfe ist daraus eine wirklich tolle Gänsehautballade geworden. Der letzte einminütige Liveschnippsel im Gospel Style „Little George Street“ hätte man sich aber schenken können.
Trotzt der erwähnten manchmal zu betonten ruhigen Momente ist „Circus Bar" ein solides Rockalbum geworden mit gutem Songmaterial, einem klasse Sänger und einer absolut frischen Produktion.
GIANT sind wieder da, Melodic Rock mit Tendenz zum AOR vom Feinsten erwartet man da eigentlich zwangsläufig, denn das damalige überragende Debüt „Last Of The Runaways“ (1989) war schon echt klasse und auch dass etwas hardrocklastigere „Time To Burn“ (1992) räumte zumindest in den USA ebenfalls mit Platin (wo auch sonst) kräftig ab. In Europa haben die Herren unverständlicherweise Weise leider nie zum großen Durchbruch geschafft (da war in den 90er eher Grunge angesagt) und dann war auch ziemlich schnell Schluß mit der Band. Man war dann lieber als begehrte Studiomusiker sowie im Produzentenstuhl mehr im Hintergrund im Einsatz.
Dann gab es noch 2001 ein kurzes Zwischenspiel fast im Original Line-up mit der Pladde "GIANT III“ aber dieses Album war zum Großteil für die Füße und lies nur noch erahnen, was für eine gute Band dass mal gewesen war. Neun Jahre sind jetzt wieder vergangen und GIANT starten mit „Promise Land“ nochmal ein Comeback quasi der dritte Frühling und der hat es in sich. Diesmal sind zwar lediglich David Huff (Drums) und Bassist Mike Brignardello von der Gründungsbesatzung dabei. Ich konnte mir insbesondere ohne die klasse Stimme von Dann Huff kaum vorstellen, dass diese Scheibe funzt. Aber hier hat man wahrlich gleichwertigen "Ersatz" gefunden den kein Geringerer als Terry Brock (ex-STRANGEWAYS) den Gesangspart übernommen, die Gitarre bedient der versierte John Roth (WINGER). Und der Junge ist wahrlich ein Guter man nehm nur den Hammertrack und sehr flotte „Two Worlds“ mit einem von mehreren klasse Solis. Die Scheibe beginnt mit einer Coverversion eines eigenen Songs „Believer Redux“ kommt in anderer Aufmachung nicht ganz an das Original ran. Satte 13 Tracks hat man auf das Album genommen die Mischung paßt insgesamt, hier ein wenig Classic Rock, dann wieder ein paar popigere US-radiomäßigere Sachen und natürlich auch Balladen, mindestens drei an der Zahl aber nie zu schmalzig-triefend. Die Produktion ist stimmig, das Mastering stammt von Grammy-Gewinner Joe Palmaccio und der hat wirklich für einen fetten Sound gesorgt, die Tasten sind nicht zu vordergründig, die Gitarren kommen locker flockig daher. „Never Surrender“ ist dann so typischer AOR-Song im JIM PETERIK (ex-SURVIVOR) Style oder auch der . Mir gefallen die schnelleren oder auch groovigeren Sachen aber deutlich besser, Songs wie „Never Surrender“ oder auch „Prisoner Of Love“ mit schönen Hammonds sind starke Sachen. Noch etwas direkter gerockt wird bei „Plenty Of Love“ oder auch dem Stampfer „Double Trouble“ typsicher 80er Jahre (Hard)rock auch durchaus partykompatibel. „Our Love“ ist die beste der Schleicher hier und bei dem eher mittelmäßigen „Save Me“ ist Dann Huff als Gast-Gitarrist und Co-Songwriter doch noch beteiligt.
Endlich mal wieder ein Comeback, dass Sinn und vor allem Spaß macht gute Laune verströmt ohne zu muffig nach 80er Jahr Genre-Recycling klingt. Vielleicht zwei, drei zu mittelmäßige Songs weniger, hätte man da lieber noch ein paar schnellere Kracher eingebaut und es hätte sogar für einen Tipp gereicht so ist „Promise Land“ halt nur gut geworden.
Das größte Plus der Schweizer Formation CHAPTER II dürfte neben ihren massentauglichen Songs die Sängerin Natalie Chandra sein. Ihr kraftvolles Organ, ihre Art des Singens und ihre angenehme mittlere Tonlage veredeln „Angelface“ und heben es im Vergleich zu manch einer anderen Veröffentlichung im Rockbereich doch etwas hervor – irgendwie zwischen ANOUK und ANASTACIA klingt die Tessinerin. CHAPTER II, das sind aber auch vor allem Gitarrist James Ender und Schlagzeuger Fredy Wiederkehr welche bei ihren Songs immer wieder klassischen Metal durchschimmern lassen („Soho“, „Scream“), ohne dabei richtig heavy zu werden. Wo dies songdienlich geschieht passt es auch voll zum angestrebten Sound der Band. Allerdings hätte dem eine oder andere Song durchaus etwas mehr Wumms gut zu Gesicht gestanden – die Riffs der ersten Sekunden und die Kompositionen hätten dies her gegeben. Unabhängig davon klingt „Angelface“ abwechslungsreich und detailverliebt wie z.B. der Crossover-mäßige Opener „Sulphur Anima“, der treibende und ins Ohr gehen Song „S.d.u.“, der mit Folk gewürzte Hit-Aspirant „Seventh Hour“, der flotte Hard Rocker „Stop Looking Away“ (mit Dudelsack und seinem GOTTHARD-Hammond-Part) und dem ausladenderen, fast schon epischen „Sekhmet’s Summoning“ (wieder mit Dudelsack). CHAPTER II feat. Natalie Chandra haben mit „Angelface“ ein interessantes, etwas auf Radio getrimmtes Album abgeliefert welches nicht nur in der Schweizer Rockgemeinde Freunde finden sollte.
Seit der Veröffentlichung des brillanten 2005er Demos und der anschließenden professionellen Aufbereitung dieser Scheibe unter dem Titel „Vermächtnis“ sind annähernd fünf Jahre vergangen, in denen sich im Lager der Band Einiges getan hat: aufgrund von Besetzungswechseln wurde der Name D.A.M.N. (die Buchstaben stehen für die Initialen der Gründungsmitglieder) in DIARY ABOUT MY NIGHTMARES geändert, und auch eine Plattenfirma nebst potentem Produzententeam (an den Reglern saß Jakob Batten von ILLDISPOSED) konnte an Land gezogen werden. Das bisherige Erzeugnis all dieser Maßnahmen nennt sich „Forbidden Anger“ und stellt ebenfalls einen kleinen Bruch mit der Vergangenheit dar, was mich auch gleich zu meinem persönlichen Hauptkritikpunkt bringt: die Band hat ihre bisweilen doomigen und in bester BOLT THROWER-Manier stampfenden Einschübe (die ältere Stücke wie „Illusion Des Lebens“ oder „Tränen Der Einsamkeit“ zu echten Killern gemacht haben) fast komplett über Bord geworfen und dafür einen gehörigen Schuss Metalcore ins Boot geholt. Zwar dominiert weiterhin eine gehörige, leicht progressive Death Metal-Schlagseite, und Toni kotzt sich wieder hochklassig die Seele aus der Verschalung, aber ein gewisses Um-die-Ecke-Schielen in Richtung Mainstream ist nicht von der Hand zu weisen. Auf der anderen Seite dürften allen Mütze- und Hose-auf-halb-acht tragenden Kiddies die Ergüsse des Quintetts nach wie vor zu kompromisslos sein. „Lost In Lines“, „Close To The Border“, „Deathinfection“, „Hate“, der Titelsong oder „Across The Street“ machen absolut keine Gefangenen und leben von saustarken Grooves, dem scheinbar immer besser werdenden Zusammenspiel der Band und dem durchweg gelungenen, anspruchsvollen Songwriting, das „Forbidden Anger“ nicht leicht konsumierbar macht, sondern Zeit erfordert, diese Scheibe richtig geil zu finden. Das tut man dann auch!