SMOKE BLOW hatten nicht nur Kollegin Lattwesen mit „Colossus“ überrascht, so freundlich und fast schon poppig klangen die Kieler bislang nicht. Anfang 2010 schon den Nachfolger rauzubringen, nach also nicht mal zwei Jahren, ist ebenfalls überraschend und bricht mit der bisherigen SMOKE BLOW-Tradition – ist „The Record“ also ein Schnellschuss, die gnadenlos weitergeführte „Colossus“-Linie?
Mitnichten.
SMOKE BLOW sind Punks, waren Punks und werden immer Punks bleiben, das machen sie mit dieser Scheibe wieder klar. Rotzig, dreckig, böse, schön in die Fresse sind die zwölf Songs. Dabei wird natürlich mit dem typischen SMOKE BLOW-Charme vorgegangen und drauf geachtet, dass jeder Track auch im Ohr hängen bleibt – „Broken Bonds Of Friendship“ macht das gleich zu Beginn klar, da können selbst gnadenlos heftige Nummern Marke „I Have Lived In The Monster“ nicht anders. Kurzum, hier passt einfach alles. Das unvergleichliche Wechselspiel zwischen Letten und MC Strassenköter ist das nur das i-Tüpfelchen, ohne das SMOKE BLOW nicht so grandios wären. Die Leistung ihrer Kollegen soll aber nicht geschmälert werden, im Gegenteil: die Riffs sitzen, die Rhythmusfraktion tritt Arsch und treibt die Songs immer wieder an („Necrophobia“). „The Record“ ist eine ehrliche SMOKE BLOW-Platte, die nach dem (gelungenen) „Colossus“-Experiment die Wurzeln der Band aufzeigt und durchweg geil ist. Live wird das sicher noch eine Spur besser funktionieren, also put on your dancing shoes!
Gerade erst im November letzten Jahres waren MOTORPSYCHO mit ihrem im August erschienenen Album „Child Of The Future“ auf Tour, und jetzt legen sie schon mit „Heavy Metal Fruit“ nach. Im Interview hat Gitarrist Snah das neue Werk bereits als das beste MOTORPSYCHO-Album überhaupt angekündigt, und gerade auch, weil „Child Of The Future“ stellenweise etwas kraftlos wirkte und nicht komplett überzeugen konnte, kann man umso gespannter auf die neue Scheibe der Norweger sein. Und Snah könnte durchaus Recht haben: Nach dem ersten Durchhören ist man zwar erst einmal etwas erschlagen und auch ein bisschen ratlos, gleichzeitig aber auch völlig euphorisch. Es gibt ausgedehnte Jams zu hören, wie man sie sonst vor allem von den Live-Shows kennt, dazu schwer rockende Riffs und fantastische Melodien, aber auch ungewohnte Elemente in Form von progressiven bis krautrockigen Instrumental-Parts. Bei jedem weiteren Hören öffnen sich die Songs mehr, und es erschließen sich einem Strukturen und Details. Und dann ist man irgendwann voll drin – und hebt ab, in die unendlichen MOTORPSYCHO-Weiten. Highlight ist sicherlich der letzte Song des Albums, das vierteilige und über 20 Minuten lange „Gullibles’s Travails“: Die Reise beginnt bei einem hypnotischen Riff, setzt sich über einem ruhigen, fließenden Part fort, der einem klassischen Prog-Rock-Song im Stile KING CRIMSONs entlehnt sein könnte, läuft dann weiter durch ein schräges, treibendes Gitarren-Solo und endet in einem fast schon pompösen Schlusspart, bei dem noch einmal in den schönsten Harmonien geschwelgt wird. Hier wird die Vielfalt und Intensität des gesamten Albums noch einmal komprimiert vorgeführt. Ob MOTORPSYCHO mit „Heavy Metal Fruit“ ihr bislang bestes Album abgeliefert haben, wird sich wohl erst in den nächsten Jahren zeigen. Sicher ist aber jetzt schon, dass es eines ihrer ganz großen Alben ist, das durchaus an Meisterwerke wie „Trust Us“ oder „Angels And Daemons At Play“ anknüpft.
Die tschechischen ROOT gehören seit 1987 zu den Vertretern der Ursuppe der schwarzen Wurzeln. In Anlehnung an die alten Meister der Zunft (unter Anderem MERCYFUL FATE, VENOM, POSSESSED, BATHORY, CELTIC FROST/HELLHAMMER, SABBAT, etc.) zelebriert die Band um ihre Gründer Jiří "Big Boss" Valter (Vocals) und Petr "Blackie" Ho¨ek (Gitarre) einen reichlich obskuren, teils schon wirren, aber auch ungemein abwechselungsreichen Mix aus traditionellem Stoff der NWOBHM-Schule und der seinerzeit aufkeimenden härteren Gangart (inklusive Growls), die später die so genannte „Zweite Generation“ des Black Metal einleiten sollte. Hierbei handelt es sich aber keineswegs um ein neues Album der Jungs, sondern um den durch mehrere Live-Songs („Lucifer“, „Leviathan“ und „Song For Satan“ aus den Jahren 1999, 2000 und 2002) aufgepeppten Re-Release des ursprünglich 1991 veröffentlichten Werks „Hell Symphony“. Dass ROOT innerhalb der Black Metal-Szene keine sehr große Beachtung gefunden haben, kann ich mir aus heutiger Sicht nur daraus erklären, dass sie in früheren Jahren einfach nicht ernst genommen, beziehungsweise später von der mitunter reichlich ignoranten und auf „true“ getrimmten Szene übergangen wurden. „Hell Symphony“ ist ein Album, das aufgrund seiner fast schon experimentellen Frische jeden Old School-Schwarzheimer mit Blick für originelle Urgesteine begeistern dürfte, auch wenn andere Bands vielleicht die größeren Hymnen geschrieben haben. Es empfiehlt sich, wie auch bei anderen ROOT-Werken, das Album am Stück zu genießen, da der kauzige Stil (nicht nur musikalisch; die ersten neun Stücke des Albums tragen allesamt jeweils andere Namen für den Deibel) seine Wirkung auf diese Weise am Besten entfalten kann. Ein echtes Kultobjekt!
"Screamworks: Love In Theory And Practice": was zunächst an einen etwas exzentrischen Selbsthilferatgeber gemahnt, entpuppt sich stattdessen als Titel des neuen HIM-Albums. Also schnell eine Kerze angezündet und auf geht´s in die Dunkelheit. Oder doch nicht? So düster klingt das gar nicht, was einem da aus den Boxen entgegenschallt. Nicht, dass bei dem finnischen Quintett nun plötzlich der rheinische Frohsinn ausgebrochen wäre, aber verglichen mit dem Vorgänger "Venus Doom", der auf ebenso dunklen wie eher metallischen Pfaden wandelte, flutet durch "Screamworks" deutlich mehr Tageslicht. Da weht sogar an der einen oder anderen Stelle etwas durch, dass man als Selbstironie interpretieren könnte: so weist beispielsweise der Opener "In Venere Veritas", der mit einem an gregorianische Chorgesänge erinnernden Zwischenteil versehen ist, die wundervolle Zeile "There´s a method to my sadness" auf, die man durchaus auch auf die Urheber beziehen könnte. Die auf "Venus Doom" vorherrschenden Doom-Anleihen fehlen auf "Screamworks" völlig, stattdessen wird mit unterschiedlichsten Anklängen experimentiert: Da findet sich Balladeskes neben Einflüssen aus punkigen Gefilden, mal überwiegen die Gitarren, mal die hochaufgefahrenen Keyboardwände. Und zu guter Letzt überraschen die infernalischen Majestäten bei "The Foreboding Sense Of Impending Happiness" mit etwas gänzlich Unerwartetem, nämlich einem atmosphärischen Ambient- Song. Derart ausgeprägte Abweichungen vom gewohnten Sound erfordern Mut, der ihnen an dieser Stelle eindeutig attestiert sei, und dürften gerade in Fankreisen für einiges an Aufsehen sorgen. "Screamworks" macht deutlich, dass hier eine Band keine Lust hat, sich festlegen zu lassen, sondern lieber die eigenen Grenzen auslotet. Die Valo´schen Melodien bleiben dabei wie gehabt über jeden Zweifel erhaben und krallen sich gnadenlos im Ohr fest; die diesmal ziemlich prominenten Keyboards geben beispielsweise dem poppigen "Scared To Death" erhöhtes Radiopotential. Mit "Disarm Me (With Your Loneliness)" haben die Herrschaften eine wunderschöne Ballade am Start, die für den Einsatz von Feuerzeugen geradezu prädestiniert ist und definitiv eins der Highlights des Albums darstellt. "Acoustic Funeral (For Love In Limbo)" ist ein klassischer HIM-Song, "Katherine Wheel" und "In The Arms Of Rain" dagegen wirken ein wenig hübsch-harmlos. Letzterem bietet das sich anschließende "Ode To Solitude" auf großartige Weise Paroli: schräg, ungewöhnlich, gut. Der musikalische Tanz auf dem Vulkan verbreitet eine derart herrlich trotzige Stimmung im Angesicht der Widrigkeiten des Lebens, das man gar nicht kann als ausgelassen den Untergang zu zelebrieren und auf diesen anzustoßen. "Here´s to the pain, the light of the on-coming train": ein Dichter verneigt sich augenzwinkernd vor seiner Muse. Na dann Prost, auf dass sie ihm noch lange erhalten bleiben möge.
JAMIE’S ELSEWHERE machen mit „They Said A Storm Was Coming” da weiter, wo sie mit „Guidebook For Sinners Turned Saints“ aufgehört haben: bei poppigem Emo/ Screamo, der niemandem wehtut und eine breite Zielgruppe abdeckt. Große Veränderungen gibt es nicht, was schade ist, da ein wenig mehr Abwechslung, ein wenig mehr Mut, ein wenig mehr Aufgeschlossenheit für neue Ideen verhindert hätte, dass der neue Longplayer genauso klingt wie der Vorgänger. Veränderung des eigenen Sounds ist ein zweischneidiges Schwert, aber wenn das Veränderungsfreie Ergebnis so beliebig klingend ausgefallen ist wie im Falle von „They Said A Storm Was Coming“ sollte über das Risiko nachgedacht werden. Denn das Album klingt viel zu glatt und zu berechenbar, was zur Folge hat, dass kein Song hängen bleibt und einer wie der andere klingt. Was auf „Guidebook For Sinners Turned Saints“ noch ok war (ja einige Songs wie „The Politics Of Knife Fighting“waren richtig gut) langweilt auf dem neuem Album ob seiner Beliebigkeit und Austauschbarkeit nur noch. Bei den Teeniemädels und ihren männlichen Begleitern werden JAMIE’S ELSEWHERE damit vielleicht Erfolg haben – wenn es das ist, was sie wollen, können sie ruhig so weitermachen… Ein Sturm ist das neue Album sicher nicht.
Die Christen-Deather um Bandgründer und Bassist/Sänger Steve Rowe gehören wohl zu den wenigen Todesblei-Bands, die auch von konservativen Kirchgängern abgefeiert werden. Außerhalb dieser Bibel lesenden Breitengrade konnte die Band bisher jedoch außer ein paar frühen Achtungserfolgen wenig vorweisen, was daran liegen könnte, dass die eher nicht ganz so religiöse Death Metal-Szene genug stärkere Bands im Repertoire hat… aber genug der antiklerikalen Herumunkerei! Das australische Trio gehört zwar nach über einem Dutzend Studiowerke noch immer nicht zur Genre-Speerspitze, aber auch noch lange nicht zum alten Eisen. Nach dem wirklich gelungenen und inzwischen über drei Jahre alten „Erasing The Goblin“ legt man mit „The Evil Addiction Destroying Machine“ einen ebenbürtigen Nachfolger vor, dessen ultratrashiges Cover-Artwork zuerst einmal abschreckt, dann aber nach kurzer Zeit die Qualitäten des Albums offenbart: die Jungs haben ihren Groove immer noch drauf und holzen sich stumpf, aber durchdacht und mit gutem Gefühl für eingängiges, mitunter sogar ohrwurmtaugliches Songwriting durch das eröffnende Titelstück, „A Sense Of Eternity“, die flotten „Elastisized Outrage“ und „I´m Not Confused“ oder den Stampfer „Alexander The Metalworker“. In ihren besten Momenten erinnern MORTIFICATION sogar an spätere GOREFEST (etwa zu „Soul Survivor“-Zeiten), was vor Allem an Steve Rowe´s Mischung aus traditionellen Growls und kehligem Gesang liegen dürfte. Lediglich bei der Produktion muss man Abstriche (ja ja, über Abstriche sprechen gläubige Christen nicht gerne…) machen; hier hätte es ruhig etwas fetter und voluminöser sein können, denn speziell die Drums tönen ein wenig nach Verpackungskartonage. Insgesamt aber ist „The Evil Addiction Destroying Machine“ einmal mehr kein überragendes, aber überzeugendes Album einer Band, die wohl ewig im Schatten stehen wird, von dort aus aber einen guten Job macht.
AIRLINES OF TERROR haben einen der beknacktesten Bandnamen ever, keine Frage. Aber da sich in den Songtiteln (Kostproben: „Polizei Zombie“ und „Spaghetti Western Death“) die sinnfreie Namensgebung fortsetzt, darf hier von Vorsatz ausgegangen werden. Die Italiener um NOVEMBRE-Demian (naja, ex-NOVEMBRE) haben auf „Bloodline Express“ alles verwurstet, was ihnen Spaß macht, von Polka- und schlechtem Viking Metal-ähnlichen Mitgröhlpassagen bis hin zu fröhlichen Melodien in der Gitarrenarbeit. So macht die Scheibe beim ersten Durchhören auch noch Spaß und lässt manches Grinsen erscheinen, aber schon beim zweiten Mal nutzt sich der Spaßfaktor ein wenig ab, mit jedem Durchlauf dann noch mehr. Was MACABRE oder MUNICIPAL WASTE locker gelingt, die Langzeitmotivation hoch zu halten, haben AIRLINES OF TERROR nicht geschafft, so dass die Scheibe schnell wieder in der Ecke verschwinden wird. Auch wenn handwerklich und von der Produktion her alles in Ordnung geht, kann „Bloodline Express“ nicht wirklich überzeugen, dafür nutzen sich die Songs zu schnell ab.
Mit dem selbstbetitelten Debüt der schwedischen Band MAKAJODAMA haben wir mal wieder eine jene Platten progressiver Spielrichtung welche sich jeglicher Einordnung und Schubladesierung entziehen – und die auch nach mehreren Durchläufen immer wieder Neues offenbart. Gitarrist Mathias Danielssons und seine Mitstreiter mischen mit reichliche verschiedenen Instrumenten (neben den üblichen Rockstandards u.a. noch mehr oder minder ausgefallenes wie Sitar, Cello, Violine, Blasinstrumente und reichlich Percussions) klassischen Artrock mit Psychedelic, Postrock und skandinavischen Folk. Die selbstdefinierte Findung zwischen GODSPEED YOU! BLACK EMPORER und frühen KING CRIMSON sei den Proggies mal als Anhaltspunkt gegeben. Das fehlen von Vocals, gesetzte Breaks und selbst im ruhigen noch schwer Erfassbares sowie eine leicht melancholisch dunkle Atmosphäre prägen „Makajodama“ zusätzlich. Anspieltipps kann man selbstredend hier keine geben. Aber wer mal unbedingt einen Song zum reinschnuppern braucht dürfte mit dem 10-minütigen Opener „Reodor Felgen Blues“ gut bedient sein – nach schweren Start entwickelt sich der Song zu einer jamigen, nur oberflächlich verworrenen Achterbahnfahrt mit reichliche Details. Für Progger sind MAKAJODAMA durchaus mal ein antesten wert.
EXHIBIT A wollen viel, scheitern am eigenen Anspruch. Klingt nach einem Klischee-Fazit, ist aber leider so. Die junge Band will irgendwo zwischen TOOL, MESHUGGAH und modernem US-Metal einzuordnen sein, kriegt aber keinen Teilbereich auch nur annähernd gut hin. Der Gesang wirkt in seinem stetigen Wechsel zwischen aggressivem Shouting und klarem Gesang nur noch albern und zu bemüht („Pools Of Broken Glass“), die Gitarrenarbeit ist viel zu limitiert und das Schlagzeug setzt nur selten Akzente, leidet aber durchgehend unter einem nervigen Sound. Beim Songwriting zeigen sich EXHIBIT A durchaus kreativ, verfallen aber zu oft in bekannte Muster, die von den Vorbildern zur Genüge genutzt wurden. So ist „Portrait In Rhyme“ eine halbgare Platte, die einige gute Ideen hat, aber im Endeffekt zu bemüht ist und der die Kracher fehlen.
Wer mit poppiger Musik nichts anfangen kann, braucht ab hier nicht mehr weiter zu lesen, denn TUBELORD bieten genau das: sehr poppige Musik, die gerade noch genug rockige Einflüsse hat, um ein Erscheinen auf dieser Seite zu rechtfertigen. Die Briten haben aber auch gar nicht den Anspruch, heftige Musik zu machen, was bei Berufung auf AT THE DRIVE-IN, DEATH CAB FOR CUTIES und Phil Collins sehr widersprüchlich wäre. Stattdessen setzen die Herren auf viel Melodie, sanfte Zwischentöne und einen leise auftretenden Sänger, der den zehn ruhigen Songs die nötige Melancholie und Zerbrechlichkeit liefert. Nötig wozu? Um die durchaus vorhandene schwermütige Seite zu betonen, die TUBELORD innewohnt und sie von Plastik-Pop-Bands abhebt. Hier steckt Herzblut in den Songs, hier haben die Songs noch Seele. Genau das macht „Our First American Friends“ so aus der Belanglosigkeit herausstechend und zu einer guten Alternative zu den etablierten Bands für die ruhigen Momente im Leben.