25 Jahre HELLOWEEN, 25 Jahre Kürbisragout, aber auch 25 Jahre fast durchgehend hohes Melodic Metal-Niveau, das ein ganzes Genre mitgeprägt hat! Anstatt den Fans aber sinnlose Albernheiten wie remasterte Boxsets, Schlüsselanhänger mit Kürbiskopf, Blödel-DVDs oder Erektionshilfen (mit „Master Of The Rings“-Gravur…) zu kredenzen, haben Michael Weikath und seine Genossen die „Waffen niedergelegt“ und ein Album aufgenommen, das mit Metal und sogar Hardrock nix mehr am Hut hat und sicher nicht unkontrovers aufgenommen werden wird. Der Fünfer hat ein knappes Dutzend seiner alten und neueren Hits neu aufgenommen und gemäß dem „Unarmed“-Konzept sämtliche harten Instrumente über Bord gekickt. Alle Songs präsentieren sich meist entweder poppig, jazzig, locker beschwingt oder einfach nur ruhig-treibend. „Dr. Stein“ etwa fährt Blechbläser auf, „Future World“ könnte jeden Jazzclub zum Mitklatschen bewegen, das toll umgesetzte „Keeper“-Trilogie-Medley (bestehend aus „Halloween“, „Keeper Of The Seven Keys“ und „The King For A 1000 Years“) droht vor orchestralem Bombast zu bersten, „Eagle Fly Free“ ist zur Pianoballade mutiert, und die Hymnenhaftigkeit von „I Want Out“ wird von einem Kinderchor dezent untermalt. Lustig finde ich die Tatsache, dass die Band ihre meiner Ansicht nach drei schwächsten Alben „Pink Bubbles Go Ape“, „Chameleon“ und „Rabbit Don´t Come Easy“ komplett außen vor gelassen hat – entweder scheine ich da mit meiner Einschätzung nicht ganz falsch zu liegen, oder die Songs dieser Werke haben vom Aufbau her nicht ins Konzept gepasst. Aber egal: „Unarmed“ ist eine sehr coole Idee, die musikalisch hervorragend umgesetzt wurde und locker den „Tipp“ verdienen würde. Aber ich fürchte, dass selbst einige beinharte Fans der Band erschrocken zurückzucken und sich fragen werden, was zum Geier HELLOWEEN hier verbrochen haben. Ein starkes Album, das richtig Spaß macht, wenn man die Scheuklappen einen Moment beiseite legen kann…
TYRAEL haben sich dem Sound der 90er verschrieben, als DECAMERON und Konsorten die Mischung aus Death und Black Metal perfektioniert hatten, was der Band schon mal einen Sympathiepunkt einbringt. Allerdings sollte „Der Wald ist mein Zuhause“ (erinnert sich noch jemand an BERGTHRON?) nicht direkt mit den Vorbildern verglichen werden, da das Album dann gnadenlos verlieren würde. Auch wenn die Aufmachung noch sehr undergrounding ist, haben TYRAEL beim Sound ein deutlich höheres Leve, was ja die Hauptsache ist. Leider scheitern die Jungspunde an der Umsetzung der eigenen Ideen: zu berechenbar ist der Songaufbau, zu oft werden bekannte Strickmuster von anderen Bands zitiert, zu oft sind die handwerklichen Fähigkeiten nicht ausreichend, um die eigenen Ideen adäquat umsetzen zu können, was insbesondere bei den Gitarren überdeutlich ist. Dafür macht der Sänger gerade in den Black Metal-Passagen eine gute Figur („Gedankenfluß“) und der Drummer immer wieder gut Druck. Am Ende reicht das aber nicht, um „Der Wald ist mein Zuhause“ mehr als nur ganz nett zu finden.
“Treason” ist ungefähr zwanzig Sekunden lang gut: solange ballern WITH CHAOS IN HER WAKE gnadenlos alles weg, was sich ihnen im Opener des Albums in den Weg stellt. Dann kommen Break, Beatdownpart, Langeweile. Naja, vielleicht ein Ausrutscher? Lange Minuten später ist klar, dass das keiner war. WIT CHAOS IN HER WAKE sind handwerklich fit, haben aber so gar kein Gespür für Songwriting und verlegen sich daher konsequent auf das Kopieren vermeintlich guter Parts, was in unglaublich langweiligen und zusammengestückelten Songs resultiert. Das ist alles nichts. Finger weg!
REDCRAVING haben sich für ihre „Lethargic, Way Too Late”-Scheibe ein merkwürdig unpassendes Intro ausgesucht: ein Ausschnitt aus einem Gospelsong, an dem sich dann recht plump der erste eigene Song anschließt. Besagter Song entpuppt sich als sperrige Postcore-Nummer, die mit Screamo und Metal aufgepeppt wurde und bei aller chaotischen Sperrigkeit auch eingängig und fast schon tanzbar ist. Das Konzept zieht sich durch die weiteren Songs der Platte, wobei REDCRAVING öfter das Problem haben, dass sie zu viele Ideen (und die möglichst abgefahren zu sein haben) in einen Song quetschen wollen. Manchmal funktioniert das, wie das abschließende „The Gorge“ beweist, manchmal ist das nur nervig und too beaucoup („The Delayed“). Insgesamt macht das kurze Album eine gute Figur und dürfte für UNDEROATH- wie Postcore-Fans gleichermaßen interessant sein, da es den Spagat zwischen abgefahren-heftig und eingängig-fast-schon-poppig schafft.
LAST BEAUTIFUL JUNE aus Thüringen berufen sich, wie so viele Bands der scheinbar endlich abebbenden Metalcore-Welle, auf die großen Vorbilder AT THE GATES, was man “Welcome To The Crisis” sofort anhört. Zwar tauchen auch NAPALM DEATH, SLAYER oder GEHENNA bei den Favoriten des Quintetts auf, doch hauptsächlich die Mischung aus rasender Härte und eingängigen Melodien spricht Bände. Mit weichgespültem Emo-Zeug haben die Jungs demnach wenig am Hut, denn die fünf Songs (plus Intro) dieses Demos ballern gnadenlos durch die Boxen, auch wenn der Sound tatsächlich nur Demo-Niveau erreicht und arg dumpf daherkommt. Frontmann Thomas geht dafür als echter Brüllwürfel durch, der alles in Grund und Boden kotzt und Vorschlaghämmer wie „Resurrected“ oder „Per Aspera Ad Astra“ ebenso fies und räudig tönen lässt wie die ebenfalls nichts anbrennen lassende Gitarrenfraktion Robby und Björn. Wer sich mal wieder Metalcore ohne Kompromisse und mit einer Prise Grind und Straßenkötercharme geben will, sollte „Welcome To The Crisis“ auf der „Myspace“-Seite der Band anchecken. Bis auf die etwas schwächliche Produktion ein echt hörenswertes Teil!
CONVULSE haben keine neue Scheibe am Start (“Reflections” ist ja auch schon eine Weile her), vielmehr wird „World Without God“ als Re-Release in die Relapse-Discography aufgenommen – erschienen ist die Scheibe ursprünglich bei Thrash Records. Erweitert um das „Resuscitation Of Evilness"-Demo“ und zwei Live-Mitschnitten kommt die Chose auf eine gute Stunde Spielzeit, in der Freunde schwedischen Death Metals das Herz aufgehen wird. Grunzender Sänger, schön tief gestimmte Gitarren, die schreddern und Blastbeats vom Drummer. So soll das sein. Verpackt in eine ebenso typische Produktion kommen die erwarteten Melodien und Riffs voll zur Geltung, ohne dass die Produktion zu sauber und damit nicht authentisch klingt. CONVULSE ist mit dieser Scheibe zwar kein Meisterwerk gelungen, aber gut ist das Ding allemal und der Beweis, dass der Einfluss Stockholms auch bis nach Finnland reichte. Für Komplettisten, Sammler und Neueinsteiger in den Swedish Death Metal-Sound gleichermaßen ist das Re-Release eine feine Sache.
Wenn man von brasilianischen Metalbands spricht, fällt immer sofort der Name SEPULTURA, dabei gibt es beispielsweise die Thrasher VULCANO schon seit 1981! Und wie zu erwarten ist, klingt das Quintett auch im neuen Millennium nicht sonderlich modern. „Old School“ heißt auch hier das Zauberwort, das dieses Album aus dem Jahr 2004 schmückt, das hier als Re-Release vorliegt. Musikalisch erinnern VULCANO nicht selten an SODOM, was zu einem großen Teil am räudigen Reibeisenorgan von Sänger Angel liegt, der seinem Fast-Namensvetter Tom Angelripper locker das Mikro reichen kann. Hinzu kommen hörenswerte, wenn auch recht unspektakuläre Songs wie „The Bells Of Death“, „From The Black Metal Book“, „Face Of Terror“ oder „Obscure Soldiers“, die auch einen gewissen, punkigen Einschlag nicht verleugnen. Zwar spielen VULCANO in Sachen Songwriting eher in der zweiten Liga, was wohl auch erklärt, warum die Band niemals so populär werden konnte wie Brasiliens Vorzeigemetaller um die (noch?) entzweiten Cavalera-Brüder, doch hört man dem Haufen an, dass er Spaß an der Sache hat und die alte Schule in vollen Zügen lebt. Leider kommt diese Wiederveröffentlichung ohne jegliche Bonustracks oder andere Aufwertungen daher, lediglich eine Widmung an den 2001 an Herzversagen verstorbenen Gitarristen Soto Junior prangt auf der Rückseite der Scheibe. So ist „Tales From The Black Book“ am Ende eher eine Angelegenheit für Thrash-Allessammler als für die breite Masse.
„Evolution In One Take: For Grindfreaks Only Vol. 2“ ist die einem Take eingeprügelte Version des letzten BRUTAL TRUTH-Albums „Evolution Through Revolution”, die Herren stehen ja auf so was. Besagtes Album wusste zu gefallen und markierte die Rückkehr einer der wichtigsten Grindbands ever. Die Live-Version des neuen Albums hat einen Song weniger („Semi-Automatic Carnation") und ansonsten nix Neues, lohnt sich für Besitzer der regulären Version eher weniger. Wer die noch nicht sein Eigen nennt, kann auch hier zuschlagen, gerade wenn er ein Sammlerherz hat: „Evolution In One Take: For Grindfreaks Only Vol. 2“ ist auf 2.000 Exemplare limitiert. Neueinsteiger in den BRUTAL TRUTH-Sound sind aber mit den Frühwerken eh besser bedient und können diese Veröffentlichung ruhig ignorieren.
Evolution In One Take: For Grindfreaks Only Vol. 2
Neben dem ebenfalls sehr guten Album „Hell Symphony“ erscheint auch „The Book“, das 1999er Werk der tschechischen Obskur-Bläckies, als Re-Release, der mit ein paar Bonustracks aufgewertet wurde. „The Book“ ist hörbar von den späteren BATHORY beeinflusst; „Blood Fire Death“ oder „Hammerheart“ sind auf diesem epischen Scheibchen nahezu allgegenwärtig. Klang die Band auf früheren Alben noch deutlich schwarzmetallischer, so liegt der Schwerpunkt hier auf getragenen Hymnen vom Schlage „The Book“, „The Curse – Durron“ oder dem zweiteiligen „Corabeu“, die sehr großes Ohrwurmpotential offenbaren, aber nicht weniger kauzig und eigenwillig daherkommen als die Stücke etwa von „Hell Symphony“. Auch die oftmals eingesetzten Mitsingchöre verfehlen ihre Wirkung nicht und machen „The Book“ zu einer Scheibe, die sich Black Metaller der alten Schule mit Vorliege für schräge Klänge ohne Probleme ins Regal stellen können. Als Bonüsse bekommt man anstatt rarer Live-Aufnahmen dieses Mal vier Songs von „The Book“, die in alten Demoversionen aus dem Jahr 1997 vorliegen. ROOT waren stets eine Band, die man entweder richtig gut oder richtig scheiße findet, und auch wenn das Songwriting über weite Strecken arg gewöhnungsbedürftig daherkommt, macht diese Band aufgrund ihrer authentischen Frische und ihrem ungekünstelten Umgang mit ihren Vorbildern einfach Spaß - vorausgesetzt man läuft als Genre-Fan nicht mit pseudobösen Scheuklappen durch die Welt…
CLOSE YOUR EYES überraschen auf ihrem Victory Records-Debüt „We Will Overcome” ganz kräftig: in Zeiten, in denen auf dem Label scheinbar nur noch Beatdown- oder Emopop-Bands zu finden sind, besinnen sich CLOSE YOUR EYES auf melodischen Hardcore mit politischen Texten. Ganz im Sinne von RISE AGAINST und IGNITE sind CLOSE YOUR EYES hart genug, um die Hardcore Kids für sich einzunehmen und gleichzeitig nicht so heftig, dass die (Pop)Punk-Fraktion verängstigt wegläuft. In den elf Songs beweisen die Jungs, dass sie ein Händchen für große Melodien haben und diese locker mit Moshparts verbinden können, geschickt platzierten Breaks sei Dank. Dazu kommt ein fast durchweg vorhandene Mitsingqualität der Songs, die so Live eine Meute im Handumdrehen für sich einnehmen dürften. Die kritischen Texte lassen CLOSE YOUR EYES endgültig das Herz gewinnen, denn in ihnen wird klar, dass die Musiker mit offenen Augen durch die Welt gehen und mehr als nur Merch verkaufen wollen. „We Will Overcome“ ist engagiert, ehrlich und erfrischend. Haltet die Augen offen und kauft die Scheibe!