Die polnische Proginvasion geht unaufhörlich weiter - die nächste östliche Formation, diesmal aus Lublin, nennt sich ACUTE MIND und stellt ins hier ihr gleichnamiges Debüt mit einem sehr schönen Coverartwork zur musikalischen Begutachtung zur Verfügung. Neben den auf breiter Eben aufstrebenden RIVERSIDE hatten in den letzten Jahren etliche kleinere Acts schon positiv auf sich aufmerksam gemacht als da wären AFTER, BELIEVE, QUIDAM, INDUKTI, SATELLITE und die zuletzt bei MI auch besprochene aktuelle, sehr ordentliche Scheibe von QUBE. Wobei letztere deutlich härter agieren als ACUTE MIND, denn dieser Sechser mit Keyboarderin steht eher für einen gediegenen, aber durchaus frisch daherkommenden Mix aus Neoprog und Progmetal. Bei sämtlichen Songs wurde trotzt vieler Breaks, Instrumentalparts und sehr vielseitigen Arrangements stets auf eingehende Melodielinien und soundliche Vielschichtigkeit geachtet; Frickeleien aus purem Selbstzweck sind hier völlig außen vor.
Gleich der Opener "Grief And Pain" bietet modernen Progmetal, etwas düster mit teilweise etwas verzerrten Gesang, der Hook kommt stilistisch eher warm und positiv rüber und erinnert mich (nicht nur an dieser Stelle) sehr positiv an ältere THRESHOLD-Sachen. Auch das hinten raus treibende „Garden“ überzeugt neben schönen wechselnden atmosphärischen Parts mit harmonischen Gesangspart und schönen, fließend-singende Gitarrenlicks, die mit mit etwas vertrackteren Rhythmen wechseln, um dann auch wieder heavy Riffs aufzufahren. Die Tastenarbeit gilt es ebenfalls etwas herauszuheben, die Lady hat schon was drauf, sie streut immer wieder gekonnt neue Soundelemente und Klänge ein, ohne dass ein zu weicher und überpräsenter Keyboardtouch entsteht. Dass man mit dem balladesken "Misery" in Polen ein gewisses Radio-Airplay geschafft hat, wundert mich nicht: mit diesem eher hardrockigen Refrain
à la BONFIRE spricht man sicher die breite Masse an.
ACUTE MIND gibt es schon seit 2006, jetzt also die erste Scheibe - hier ist handwerklich nur wenig zu kritisieren, alles wirkt sehr kompakt, die Produktion ist solide, man ist gut aufeinander eingespielt. Nur der Sänger könnte an der ein oder anderen Stelle noch eine Spur mehr Variabilität vertragen und noch etwas mehr Ausdruck in sein Vibrato legen. Sachen wie „Sweet Smell Of Success" besitzen zwischendurch eine gewisse Sprödigkeit ähnlich, wie bei den Amis von ENCHANT, aber dann holen nach etwas verschleppteren Stellen die dynamisch öffnenden Parts mit sehr passenden Melodiebögen den Hörer wieder zurück, dann kommt alles sehr druckvoll aus den Boxen. So ähnlich läuft es auch bei „Bad Incitements“ - hier gehen mit klasse Basslinien unterlegte eher balladeske, etwas zerfahrene Parts zu Beginn in klasse abgehende nach vorne (hard)rockende Passagen ineinander über, sehr gut gemacht. RUSH als Inspirationsquelle könnte man sich durchaus bei „Bonds Of Fear" vorstellen, sehr atmosphärisch startend, herrscht hier eine typische leicht melancholische Stimmung, um dann mit sehr ekstatisch-elegischen Gitarrenparts sehr hymnisch zu Enden, dass bringen nicht viele Kapellen so stimmig hin.
Als zentrales Stück und absolutes Schmankerl für alle Progfans würde ich das fast siebenminütige Instrumental „Faces" bezeichnen. Hier haben ACUTE MIND tatsächlich so eine Art Meisterstück hinbekommen, nach einem elektromystischen Intro steigert sich dieser Song mit seinen packenden Rhythmen die immer wieder mit Tasten- und Gitarrensolos sowie packenden Duellen aufgelockert werden zu einem tollen Gesamtwerk. Sehr gelungen auch die geschmackvoll-perligen Keyboardparts, die zielsicheren laut-leise Dynamiken, dass sich langsam hochsteigernde Ganze bis zum furiosen Schluss, eine Stimme vermisst man da tatsächlich nicht. Der Hinweise auf dem Beipackzettel, dass Fans von PENDRAGON, RPWL, IQ, RIVERSIDE oder auch SATELLITE hier besonders aufmerksam sein sollten, ist zwar nicht schlecht, aber letztlich etwas zu kurz gesprungen. Alle Progmetalfans die mehr auf die melodienbewusste Schiene abfahren und auf recht abwechslungsreiches Songwriting Wert legen, sind bei ACUTE MIND an der richtigen Adresse. Kein Überalbum, aber ein gutes. Und zukünftig dürfte bei dieser Band noch mehr zu erwarten sein, die Musiker müssen sich nur noch mehr (zu)trauen.
Acute Mind
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
8
Länge:
41:16 ()
Label:
Vertrieb:
Das bundesweit bekannte hessische Spassmacher-Duo BADESALZ gehört zu meinen erklärten Favoriten seit über 20 Jahren. Die beiden Jungs haben auch in Zeiten der totalen Comedyüberflutung ihren vorderen Platz behauptet. Was dies mit dieser schrecklich giftgrünen Scheibe mit dem Bandundwort GIFTDWARF (Achtung: Wortspiel) zu tun hat? Ganz einfach, einer der beiden Hauptprotagonisten von Badesalz, der Frankfurter Sänger Gerd Knebel, hat jetzt zusammen mit Olaf Mill (Trompete, Mandoline und Harfe) sowie den beiden Gitarristen Uwe Lulis und Gerd Lücking (ex-GRAVE DIGGER sowie ex-REBELLION) diese fast unaussprechliche Formation ins Leben gerufen.
Bereits in den 80er Jahren waren die beiden hessischen Originale mit FLATSCH! oder als GROBE JUNGGESELLEN musikalisch und dabei auch recht „lustisch“ unterwegs. Und jetzt soll also der Metalfraktion eine weitere Spaßkapelle schmackhaft gemacht werden. Daher darf man wohl das gräusliche grüne Cover mit den eindringlichen Augen nicht ganz so ernst nehmen. Schön, sehen wir diese Jungs als eine inhaltlich sicher höherwertige Alternative zu J.B.O. (fand ich größtenteils immer ganz witzig von den Texten her, die Musik war immer professionell, egal ob Cover- oder eigene Songs) und KNORKATOR (mit deren komischen Songs, mal von den oft gräuslichen Texten abgesehen, konnte ich nie was mit anfangen) und da muß man qausi GIFTDWARF heißen.
Dass hier Dargebotene muß also eher von der humorigen Seite aus betrachten, na hoffentlich taugt dann die Musik wenigstens was. Und da fängt das Ungemach leider schon an, denn auch nach zig Durchläufen findet sich kaum eine überzeugende Nummer, die sich musikalisch selbst trägt oder gar hängen bleibt. Glaskopf Knebel hat hier zwar schon einige ganz "witzische" Titel wie z.B. „Metal Bürohengst“ geschrieben, leider sind die alle auf (D)English gesungen und so kommt die Ironie meist erst nach x-maligem Zuhören durch, wenn überhaupt – also herzhaft Lachen ist hier eher weniger. Wer hier also auf eine längere musikalische Umsetzung des klasse-kultigen BADESALZ-Headbängers Hessi James gehofft hat, wird hier komplett enttäuscht. Rein vom Songwriting her scheint man es tatsächlich ernst zu meinem. Nur diese oftmals dumpfen Billigriffs ohne jeden Wiedererkennungsfaktor, und dann noch dieser der grottige Garagensound, lassen wahrlich nur wenig Freude aufkommen. Von solchen Leuten muß man doch etwas mehr erwarten, als diese lieblose Resteverwertung aus dem Fundus. Gerd Knebel gibt mit seinem ganz ordentlichen und etwas exentrischen hellen „Stimmsche“ gar keine so üble Figur ab, hätte er nur mehr Melodien oder irgendetwas mitreißendes zu singen. Aber da sieht es oft mau aus. Der Comedyfaktor hält sich in engen Grenzen, wenn ich erst im mit nicht vorliegenden Textheft etwas mehr herauslesen muß, um einigermaßen zu schmunzlen, ist dies schlicht daneben. Da hilft auch aller Aufwand mit einer englischen Texterin besondere Wortspiele in englisch-deutschem Kauderwelschmischmasch mit teilweiser schwarzer bis fieser Ausprägung einzubauen, nur wenig.
Kleine Soundexperimente wie beispielsweise der Einsatz von Harfe, Trompete oder einer Mandoline sind zwar ganz o.k. und zeugen von guten Ideen aber wirklich Spaß macht das Quintett eher selten. Gute thematische Einfälle sind u.a. Sachen wie „Ipott“, „Ebay“ und dann vor allem „Fritz“ wobei das gelungene Video deutlich besser rüber kommt, als der Song pur. Und so ist es mit vielen Tracks. Wie auch „Holiday“ oder „My Place“. Der selbstsprechende Track "My Mother Looks Like Lemmy'“ ist wirklich gelungen und gehört noch zu den besseren Sachen, der Gesang klingt sogar besser wie bei beim Original MOTÖRHEAD. Die Pavarotti-Nummer ist leider etwas daneben, „I saw It On The News" ist gefällig mit Bläsereinsatz kommt noch ganz gut rüber. Der Hoppelmetal bei "Amtssprache" ist eher weniger prickelnd, der Text dafür ganz o.k und ich geb’ zu bei "Metal Bürohengst" habe ich auch mal lachen müssen.
Insgesamt überzeugt mich aber hier weder der angeblich große Spassanteil, denn witzig ist definitiv anderst und die zahlreichen Mittelmaß-und Füllersongs zwischen Räudig Rock und Düster Metal ("Two Moons") werden wohl auch nicht so viele hinter dem Ofen vorlocken. Aber die Geschmäcker sind zum Glück verschieden und wer auf aber Rumpelmetal der zuvor genannten Kapellen abfährt, dürfte diesen neuen "Gifty" Heinz Schenk für Schwarzkutten sicher auch gut finden – darauf eine tiefen Schluck Äppelwoi aus dem „Bembel“.
Giftdwarf
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
13
Länge:
47:32 ()
Label:
Vertrieb:
Seiten