LENTO ist eine jener italienischen Bands, die klarstellen, dass jenseits des Brenners mehr als nur schlechter Power Metal gespielt wird. Auf „Icon“ zelebrieren die ohne Sänger agierenden Herren einen verstörenden Postcore-Stil, sich von OMEGA MASSIF wie MESHUGGHA beeinflusst zeigt. Langsame, schwere Parts wechseln sich ab mit Blast-Attacken, die gnadenlos alles aus dem Weg räumen. LENTO verstehen es dabei, beide Seiten ihres Sounds gleichberechtigt miteinander agieren zu lassen; zu keiner Zeit wirkt der Übergang von langsamen zu schnellem Part disharmonisch oder aufgesetzt, was für das Songwriting spricht, genau wie Tatsache, dass „Icon“ trotz aller stilistischen Limitierung und gewollter Monotonie nicht ermüdet. LENTO reißen quasi immer wieder gerade erst aufgebaute Soundwände ein, womit sie dich von anderen Postcore-Bands unterscheiden, das macht „Icon“ zu einer stimmungsvollen, verstörenden Platte. Also ein Muss für Denovali Records-Fans.
Nachdem die Herren in der finnischen Heimat bereits mächtig abgeräumt haben (neben unzähligen Auftritten auf großen Festivals kann die Band den finnischen Grammy Award als bestes Rock Album des Jahres 2006 ihr eigen nennen), machen sich die VON HERTZEN BROTHERS nun daran, auch im teutonischen Einflussgebiet Fuß zu fassen. Den musikalischen Output der drei Brüder und ihrer Mitstreiter auch nur ansatzweise zufriedenstellend in Worte zu fassen ist nicht einfach, werden hier doch die verschiedensten Einflüsse bunt gemischt. Da finden sich ziemlich abgefahrene Kompositionen en Masse, was daneben als wohl markantestes Markenzeichen hervortritt, ist der harmonische, mehrstimmige Gesang. Was ebenfalls positiv auffällt ist die Abwesenheit endlos in die Länge gezogener Instrumentalsoli. Zu Werke gegangen wird mal ganz ruhig und spherisch, wie bei „Down By The Sea“, mal orientalisch angehaucht wie bei „Angel´s Eyes“, dann wieder überwiegen unüberhörbar Folkeinflüsse , wie mein hübschen, flott und gutgelaunt daherkommenden „Always Been Right“. Der Anfang von „I Believe“ wiederum könnte auch ohne weiteres von QUEEN stammen, „Gloria“ dagegen ruft stellenweise Erinnerungen an MUSE wach. Was das Quintett da anstellt ist durchweg recht komplex und erschließt sich nicht unbedingt immer gleich aufs erste Hören, wer sich aber die Mühe macht, „Stars Aligned“ mit Ruhe und Muße anzuhören, wird feststellen, welch begnadete Musiker hier am Werk sind.
PROTEST THE HERO sind verrückt, anders sind ihre bisherigen musikalischen Ergebnisse nicht zu erklären. Dabei aber eher megalomanisch als alles andere, immerhin haben die Jungs schon zugegeben, dass ihre ersten Songs ihre damaligen Fähigkeiten überstiegen, sie aber so lange übten und spielten, bis sie die Sachen drauf hatten. „Scurrilouos“ ist ihr neuer Streich, der sich im ersten Moment ähnlich verworren anhört wie der Vorgänger, aber nach und nach zeigt, dass Eingängigkeit eine wichtigere Rolle beim Schreiben der Song gespielt hat („Moonlight“). PROTEST THE HERO verstehen es natürlich immer noch, progressives Gefrickel mit SYSTEM OF A DOWN-mäßigen Verrücktheiten zu mischen und auch Mathcore und Poppigkeit nicht zu kurz kommen zu lassen. Klingt, wie bei so vielen ähnlich gelagerten Bands, wirr, funktioniert aber bestens (anders als bei vielen anderen). Das liegt bei „Scurrilous“ auch mit daran, dass Shouter Rody diesmal für die Texte verantwortlich war, die Gesangslinien also noch besser auf seinen Stil abstimmen konnte und auch öfter cleane, getragene Parts singt, die einen Kontrast zum Gefrickel seiner Bandkollegen setzen („Dunsel“). Das alles führt dazu, dass „Scurrilous“ ein verdammt cooles Album geworden ist, mit dem sich PROTEST THE HERO zwar näher an den Mainstream wagen, aber gleichzeitig noch viel zu verrückt klingen, um von dem akzeptiert zu werden. Wer auf komplexe Musik mit einem leicht genial-verrückten Touch abfährt, ist hier genau richtig, ebenso aufgeschlossene Fans von SYSTEM OF A DOWN. „Scurrilous“ fesselt jeden, der sich darauf einlassen kann, für sehr lange Zeit. Und genau das muss komplexe Musik schaffen, oder nicht?
Mit THE BAND APART haben sich Noizgate Records einen Haufen Spanier an Bord geholt, deren Musik stilistisch perfekt zum Label passt. Eben brutaler Metalcore, mit professioneller Produktion und handwerklich sehr fitten Musiker, aus denen gerade die Gitarristen hervorstechen. Dafür sind Bandname, Artwork und Albumtitel leicht irritierend, aber im Grunde ja auch nur schmückendes Beiwerk. Wichtig ist auf’m Platz. Und da haben THE BAND APART Schwierigkeiten, das Mittelfeld zu verlassen. Zwar ist die ganze Chose solide gespielt, genau wie das Songwriting solide ist, es fehlen gleichzeitig aber wirklich zündende Ideen und ein Gespür für richtig krachende Songs. Alles, was THE BAND APART auf „Creepy Stories For Party Night Glories” bieten, sind solide Songs, die sich Metalcore-affine Menschen gut anhören können, die aber auch vergessen sind, sobald die Scheibe am Ende angelangt ist. Solide eben, ohne wirkliche Glanzlichter.
DEAD FLESH FASHION haben mit “Thorns” ihr zweites Album fertig, das nach der Split mit WAR FROM A HARLOTS MOUTH geschrieben wurde. Wie gehabt wird schwerer Postcore serviert, der unbarmherzig und wuchtig aus den Boxen kommt, ganz wie es sein soll – die Herren verstehen es, eine Soundwand aufzubauen. Im Vergleich zum „Anchors“-Album wird schnell deutlich, dass „Thorns“ nachvollziehbarer geworden ist, das Songwriting ist ausgefeilter und kommt besser auf den Punkt. Handwerklich machen DEAD FLESH FASHION von jeher alles richtig, das ändert sich mit „Thorns“ nicht: massive Gitarrenwände, eine sehr effektive Rhythmusfraktion und ein versierter Shouter arbeiten gut zusammen, ohne das sich ein Bandteil in den Vordergrund drängen will. So songdienlich wie das Songwriting sind auch die Egos der Musiker. Sehr schön. Die neun Songs wissen durchgehend zu gefallen, vorausgesetzt ein Faible für brachialen Postcore ist. Wer das hat, wird mit einer guten Scheibe bedient, die in manchen Momentan an OMEGA MASSIF oder CULT OF LUNA („Womb Of The Widow“), ohne ein bloßer Abklatsch zu sein. Gutes Teil.
Wer hier auf Doom der Marke Candlemass – traurig verträglich – hofft, der wird bitter enttäuscht. MURKRATte „VKS Cattleprod“ alias Mandy Andresen hat nicht nur die passende Stimme zu diesem beklemmenden Werk, sondern mit Ausnahme von den Drums (Neil Dyer) auch alle Instrumente eingetrauert. Nach einem vierminütigen Intro mit viel Klavierschwangerschaft folgen knappe 70 Minuten, die an einen Trauer-Gottesdienst ohne Gott erinnern. Unendlich zähe und gleichzeitig unsagbar minimalistische Klänge schaffen ein Werk, das einem jegliche gute Laune nimmt, einen in bitterer Melancholie schwelgen lässt – übermannt von beklemmenden Gefühlen. Dazu jammert, juchzt, flüstert und kreischt das australische Multitalent von ihrer imaginären Kanzel, dass es einem ganz übel wird. Das psychotische Gedengel und sakrale Gesinge der Dame mutiert in der Gesamtheit zu einem wirklich fiesen Werk, das einem so viel Angst einflößt wie Auftritte des Klu-Klux-Klans und der Kirche zusammen – gegen Leben, Ehrlichkeit und Optimismus, für Apokalypse, Ausbeutung und Hass. Kein Wunder, dass Greg Chandler seine Finger im Spiel hatte – einen derartig ausgewachsen-gestörten Doom-Brocken gab es wohl zuletzt von Esoteric.
Bei AZAHEL`s FORTRESS handelt es sich um das Ein-Mann-Projekt des Österreichers Azahel, der etwa auch bei den Black Metallern SANGUIS an der Gitarre zu hören ist. Und als Einzelkämpfer macht sich der Multiinstrumentalist gar nicht schlecht, denn „The Chaos Kingdom“, das bereits zweite Album dieses Projektes, kommt als recht gelungene Mischung aus Black Metal der alten Schule inklusive dem rock´n´rolligen Schmutz jüngerer SATYRICON und einer kleinen Prise melodischem Death Metal daher. Zwar werden hier keine Originalitätspreise gewonnen, aber Stücke wie “Mankind Misery“, das mit coolen Chören versehene „The Pagan Sun“, „Days Of Tyrants“ oder „Nachterwachen“ wirken durch ihre passenden Breaks durchaus abwechselungsreich und dürften Freunden von rotzigerem, aber keinesfalls unterirdisch produziertem Dunkelmetall zusagen, auch wenn „The Chaos Kingdom“ nicht gerade aus der Masse der Veröffentlichungen heraus sticht. Unauffällig, aber hörenswert!
Echt schön, mal wieder etwas von dem sympathischen Haufen aus Virginia zu hören, immerhin hat das letzte Werk der Band, "Netherworlds", auch schon vier Jahre auf dem Buckel. Auf jenem Album war trotz ein paar irreführender Infos noch nicht der aktuelle Sänger Johnny Aune zu hören, sondern der unglücklicherweise im letzten Jahr nach einem Motorradunfall verstorbene Tony Taylor. Das neue Album nennt sich "Make It Dark" und klingt eigentlich alles andere als "dunkel", denn TWISTED TOWER DIRE haben noch nie so viele aufhellende, beinahe schon fröhliche Melodien aufgefahren. Damit haben die Jungs um Gitarrist Scott Waldrop einen weiteren Schritt in Richtung europäischer Klänge vollzogen, nachdem schon die letzten Platten (allen voran das sehr geile, von Piet Sielck produzierte "Crest Of The Martyrs") stilistisch nicht mehr völlig dem typischen US Metal zuzuordnen waren. Songs wie "Snow Leopard" oder der seinem Titel überhaupt keine Ehre machende Titelsong (aber Ohrwurm!) sind beste Beispiele dafür, dass man von - ich traue mich kaum, dieses Wort zu benutzen - "Happy Metal" nicht mehr allzu weit entfernt ist und genau das auffährt, was zumindest ich bei einer Band wie HELLOWEEN immer (ganz vorsichtig formuliert) skeptisch beäugt habe. Den Gipfel dessen erreicht man allerdings mit "Torture Torture", dem wohl besch... Stück der gesamten Bandgeschichte. Mit "White Shadow" hat man aber auch einen echten Knaller auf dem Album platziert, der die alten Stärken des Quintetts gekonnt ausspielt und zusammen mit dem überlangen Abschluss "Beyond The Gate" die Highlights von "Make It Dark" markiert. Insgesamt keine wirklich schlechte Scheibe, aber ich persönlich habe, vor allem nach der recht langen Pause, deutlich mehr erwartet.
An einer Band wie WINTERSTORM werden sich wieder mal die Geister scheiden. Den Einen zuviel Sympho und Bombast, zuviel RHAPSODY OF FIRE, FALCONER und ENSIFERUM, den Anderen eine gute Alternative zu seinen Faves. WINTERSTORM entstanden 2008 aus Teilen der ehemaligen CIRCLE OF GRIEF und sollte Power, Speed und Epic mit Folk und Viking Sound verknüpfen – was zwar für reichlich Abwechslung sorgt, aber doch auch etwas zur Überfrachtung einzelner Parts führt. Das melodisch treibende und gut nach vorne gehende „The Final Rise“, das im Midtempo gehaltene, epische „A Wizard’s War“ und das im Titel alles vorwegnehmende „Winterhumppa“ (jo, KORPIKLAANI lassen grüßen) sind dabei die herausragende Stücke, deren Niveau leider nicht alle 10 Hymnen halten. Technisch haben es die Jungs drauf, keine Frage. Aber das man an den einen oder anderen Kompositionen noch etwas feilen könnte darf man anmerken, mehr Power täte dabei gut. Dies gilt auch für den Gesang, der doch etwas mehr Aggressivität vertragen könnte. Das im Eigenvertrieb bereits seit Mitte letzen Jahres veröffentlichte Album „A Coming Storm“ gibt es jetzt also auch labeltechnisch und trotz leichtem Abzug in der B-Note dürfen die Fans genannter Acts bei WINTERSTORM durchaus mal ein Ohr riskieren.
Die Band hat einen Super-Namen. Die Band hat tolle Musiker. Und die Band hatte auch schon gute Alben. Na ja, sie waren immer schon überladen, beinahe bombastisch aber stets sehr fordernd. Dennoch bohrten sie stets das dicke Brett des technischen Death Metals mit kalten industriellen Klängen und künstlichen Keys. Mitunter münden die Skandinavier jetzt sogar in operettenhafte Sphären, wie bei „Summoning Majestic War", das zunächst klingt wie die Akte-X-Titelmelodie von Kraftwerk gecovert und mit Metal-Elementen angereichert. Dazu grunzt Kamerad Sandström fein, tief und voller Inbrunst. Es könnte also alles so schön sein im Hause des Hasses, passenderweise mit einer neuen Apokalypse, das vorletzte Stück „The Serpent Crowning Ritual“ groovt streckenweise sogar wie Sau Dass das Alsbum aber insgesamt weder groovt noch richtig geil ist, liegt mal wieder an den Frauen: Ruby Roque kommt aus Portugal – und redet, also singt zu viel. Denn mit ihrer durchaus brauchbaren, keineswegs schiefen Stimme überlagert sie alles, macht mit ihrer dominanten jegliche Atmos zur ihrer und damit zunichte. Für mich ganz persönlich wird das gesamte Album durch die Tante nahezu unhörbar. Wahrscheinlich empfinden das wohl die wenigsten Hörer genauso so extrem. Schade drum ist’s trotzdem.
Bleeding The New Apocalypse (Cum Victriciis In Manibus Armis)