Als musikalischer Vorkoster darf man nicht verschneckelt sein, bin ich eigentlich auch nicht. Doch mit DIRTY PASSION wird mir junges Gemüse vorgesetzt welches zu früh geerntet und lieblos erwärmt wurde. Das kann einen schon mal auf die Verdauung gehen.
Die Schweden gründeten sich 2006 und mit „Different Tomorrow“ legen sie nun ihr Debüt vor. Die vier Musiker spielen 80er Hardrock aus einer Schnittmenge von SKID ROW, FIREHOUSE und vor allem EUROPE, da die Stimme von Emil Ekbladh doch sehr an Joey Tempest erinnert. Die Gitarrenarbeit von Christopher Olsson ist klasse, einige Solos habe schon Format und können gefallen.
So, das wäre das Positive an dem "musikalischen Mahl".
Negativ sind die unausgegorenen Songs, die mich zu keiner Minute packen können. Alles schon tausendmal gehört, nichts was hervorsticht oder gar einen Wiedererkennungswert besitzt. Das Schlagzeugspiel ist fantasielos und eindimensional. Und die Produktion ist roh, viel zu roh für die melodiöse Struktur der Songs und wirkt irgendwie unfertig. Vor allem die Stimme hätte mehr Aufmerksamkeit und Bearbeitung gebrauchen können; so erklingt sie teilweise schwächlich und unpräzise. Sicher man kann aus Messing kein Gold machen, aber schön glänzend hätte es doch gleich besser ausgesehen. Mir scheint hier wird zu schnell etwas auf den Markt geworfen ohne die nötige Liebe zum "Produkt" und zur Qualität der Band; welche vorhanden ist, zumindest partiell.
FROWSER sind vier Briten, die nach einigen EPs soeben ihr erstes Album veröffentlich haben. Der Sound auf „The Silver Shell Club“ klingt allerdings überhaupt nicht britisch, sondern vielmehr sehr amerikanisch. Die häufige Kombination von Staccato-Riffs und melodischen Refrains lässt sie einen im Nu Metal/Nu Rock beeinflussten Alternative Rock verorten, wobei sie in ihren besten Momenten ein wenig nach den DEFTONES und mal auch nach den FOO FIGHTERS klingen. Die durchaus charismatisch zu nennende Stimme von Sänger/Gitarrist Jamie Woller verhilft den Songs zu einem gewissen Wiedererkennungswert, die Songs selbst sind aber eher unspektakulär. Es geht zwar alles gut ins Ohr, aber so großartig, dass viel hängen bleiben würde, sind die Melodien dann doch wieder nicht. Dazu kommt noch, dass das Album mit 7 Songs und einer Laufzeit von unter 30 Minuten auch etwas mager geraten ist. Zur Rechtfertigung der Band sei aber hinzugefügt, dass sie selbst es auf ihrer Webseite auch nur als Mini-Album bezeichnet. Unterm Strich bietet die Scheibe sicherlich handwerklich gut gemachten, straighten Rock, aber irgendwie hat man das alles schon mal irgendwo gehört.
PRIMORDIAL-Sänger Alan Nemtheanga nennt "Redemption At The Puritan´s Hand" das "Death"-Album der Band, da es seiner Meinung nach sehr "bodenständige" Themen wie Vergänglichkeit, Tod, aber auch Fortpflanzung und Gott thematisiert, was man unter Fans natürlich diskutieren, aber auch gerne so stehen lassen kann. Im Erzählen von (düsteren) Geschichten ist der Mann einfach eine Klasse für sich und degradiert seine brillanten Mitspieler einmal mehr zum puren Orchester für eine akustische Bühnenshow mit Gänsehautfaktor Zwölf. Stilistisch inzwischen völlig freigeschwommen von jeglichen Viking- oder Pagan-Klischees (die die Band aber immer nur rudimentär bedient hat), fährt "Redemption At The Puritan´s Hand" acht Hymnen auf, die allein schon aufgrund ihrer epischen, aber niemals schwülstigen Breite eine lange Halbwertzeit garantieren und in Sachen mitreißender Atmosphäre kaum zu toppen sind. PRIMORDIAL machen genau das Gegenteil von allen auf reine Spieltechnik fixierten Frickelbands, denn sie stellen, ähnlich wie BATHORY zu Glanzzeiten, die reinen Songs und die Stimmung in den Vordergrund und ergeben sich völlig den Kompositionen, die mit "No Grave Deep Enough", "Bloodied Yet Unbowed" (eines der bisher stärksten Stücke der Jungs überhaupt!) oder dem Titelsong wieder einmal durchweg erstklassig ausgefallen sind und alles auffahren, was man an dem Quintett mit den komplizierten Namen schätzt. Am Ende von "Lain With The Wolf" heißt es treffend: "I was running with the wolf, and it was his eyes that I saw staring back". Genau dieses Gefühl überkommt einen beim Hören des Albums, im besten Fall am Stück genossen. Ich verneige mich!
Bei MAJEURE handelt es sich um ein Projekt des ZOMBI-Drummers, der sich hier von allen Instrumenten verabschiedet hat und nur auf Synthie-Klänge setzt, um einen Soundtrack-artigen Klang entstehen lässt. Dieser Soundtrack würde sich gut bei SciFi-Filmen machen, wobei da eher „Blade Runner“ als „Star Wars“ passen würde. Bedrückend und atmosphärisch dicht sind die Beiträge des Herren auf der Split mit SANKT OTTEN ausgefallen, gerade das mehr als acht Minuten dauernde „The Traveller“ ist ganz großes Soundtrack-Kino. SANKT OTTEN nahmen für ihren Teil der Split die gewohnten Instrumente in die Hand, was einen Gegensatz zum MAJEURE-Part darstellt, was aber nicht für die Grundstimmung der Beiträge gilt, denn die ist ebenso beklemmend-düster („Mit offenen Augen“). Bei den Songtiteln blitzt der Humor der Kerle auf („Ich beantrage die Unsterblichkeit“), was bei der Musik so nicht zu vermuten wäre. Wie schon ihr letztes Album ist SANKT OTTEN auch mit den Songs der Split eine atmosphärisch dichte, emotionale Reise in das Unterbewusstsein des Hörers gelungen. Zum Abschluss gibt es unter dem Namen MAJEURE OTTEN noch eine Zusammenarbeit aller Musiker, die scih zu einer sehr an die 80er erinnernde Synthie-Band zusammengetan haben, somit eher in Richtung des MAJEURE-Beitrags gehen. Klasse Split zwei sehr interessanter Bands, die unterschiedliche Musik machen, aber das Gespür für Atmosphäre teilen.
TOTAL FUCKING DESTRUCTION werden nicht müde, immer neue Grindcore-Gewitter auf die Menschheit loszulassen. „Hater“ ist ihr neuester Streich betitelt, was den Humor der vorherigen Albumtitel vermissen lässt, aber dafür vier Songs mehr bietet und auf insgesamt 27 kommt. Die knacken zusammen immer noch nicht die 30-Minuten-Marke, was bei der Combo aber auch nicht anders zu erwarten war. Die Songs sind entsprechend kurz und knackig, immer schön in Höchstgeschwindigkeit und mit vielen kleinen Songwriting-Spielereien versehen, die „Hater“ kurzweilig machen, das Grindcore-Gewitter langweilt so nie. Besonders die immer wieder eingestreuten Mid Tempo-Parts, in denen TOTAL FUCKING DESTRUCTION fast schon zahm klingen, lockern die Platte auf, bevor es mit der nächsten Blast-Attacke weitergeht. Ein feines Grindcore-Scheibchen, das sich vom stumpfen Geballer der meisten Kollegen dank variablem Songwriting und viel Routine der Beteiligten wohltuend abhebt. Galt schon für die Vorgängeralben, gilt auch für „Hater“.
HELL formierten sich 1982 im englischen Nottingham aus Mitgliedern von RACE AGAINST TIME und PARALEX und brachten es damals zu einigen Demos und gerade einer EP („Save Us From Those Who Would Save Us“). Als sich Sänger und Gitarrist Dave Halliday 1987 das Leben nahm war dann auch recht schnell Schluss mit der Band. Der bekennende HELL-Fan und heutige Produzentenlegende Andy Sneap (später ja bei den kultigen SABBAT noch recht aktiv) erlernte von Dave Halliday das Gitarrenspiel (u.a. produzierte er das letzte ACCEPT-Album, sowie manche Kracher von ARCH ENEMY, EXODUS, NEVERMORE, KREATOR, KILLSWITCH ENGAGE und was weis ich noch). In 2008 entschied man sich es mit HELL nochmals zu probieren. Und nun steht also Ewigkeiten später unter dem Titel „Human Remains“ das HELL Debüt zur Veröffentlichung an. Schlussendlich produzierte natürlich Andy Sneap das Teil superfett (und trotz aller Bemühungen immer noch einen Tick zu modern) und übernahm die Gitarrenparts für seinen Mentor Dave. Ansonsten gibt es das Original Line-Up mit Schlagzeuger Tim Bowler, Bassist Tony Speakman sowie Gitarrist und Keyboarder Kevin Bower (wobei die Keys eher eine untergeordnete Rolle spielen). Die große Überraschung ist aber Sänger David Bower. Wie es sich für eine sogenannte Kulttruppe des NWOBHM gehört, bringt die Stimme des für den verstorbenen Dave Halliday eingesprungenen Bruder des Gitarristen genügend Extravaganz mit – ein eigenständiger Bastard aus King Diamond (obwohl die Fistelstimme deutlich weniger ausgeprägt ist) und James Rivera – eindringlich, emotional und sicher nicht jedermann Geschmack. Auch musikalisch geht es in diese Richtung - irgendwo zwischen den alten MERCYFUL FATE, dem Metal und Hard Rock der ursprünglichen NWOBHM, den 70er PRIEST und etwas HELSTAR ordnen sich HELL mit ihren Kompositionen ein. Haufenweise traditionelles Riffing und Gitarrenleads inklusive. Wobei HELL ihr eigene Verschrobenheit beibehalten und damit zu keinerlei Klon verkommen. Das druckvolle „On Earth As It Is In Hell” geht voll auf die Fresse, „Save Us From Those Who Would Save” steht dem kaum nach. Hymnisch schnelles wie „Let Battle Commence“, Überlanges wie das mit viel düsterer Atmosphäre (Choräle, Kirchenglocken, usw.) spielende, leicht doomige „Blasphemy And The Master” (was für ultrageile Gitarrenläufe) oder das zehnminütige „No Martyr’s Cage“ sind Retro, haben Langzeitwirkung und ziehen dementsprechend ohne Gnade über die Ohrwindungen gen Gehirn. HELL haben mit „Human Remains“ eine typische „love it or hate it“-Platte auf die Bangergemeinde losgelassen – ein Urteil muss man sich nach intensiven Reinhören schon selber bilden. Mein Fazit aber: auch wenn nicht alles neu ist - HELL 2011 haben neben einem geilen Cover auch noch eine richtig tolle Scheibe am Start.
WE ARE THE OCEAN haben mit „Cutting Our Teeth” streckenweise gute Songs aufgefahren, um ebenso oft belanglosen Kram abzuliefern, so dass die von der Inselpresse hochgelobte Combo ein sehr durchwachsenes Screamo-Album vorweisen konnte. Für „Go Now And Live“ haben sich die Briten die Kritik zu Herzen genommen und stark am Songwriting gefeilt, was sich mächtig ausgezahlt hat und in einem Album ohne Ausfälle kulminiert. Shouter Dan singt viel öfter als beim Vorgänger, seine aggressive Stimme setzt er nur selten, wodurch „Go Now And Live“ schon alleine poppiger klingt. Dazu kommt das besagter Feinschliff im Songwriting, dank dessen WE ARE THE OCEAN zehn sehr eingängig-knackige Songs vorweisen können, die locker ins Ohr gehen und sich da festsetzen. Klar ist das sehr berechnend (aber welche Band aus dem Genre ist das nicht?) und mit viel Pop-Einschlag, aber wenn das Ergebnis so viel Spaß macht wie in diesem Fall ist das total wumpe. WE ARE THE OCEAN haben eine gut produzierte Gute-Laune-Platte geschrieben, die sich ihrer Poppigkeit nicht schämt und den Spagat zwischen Szenezugehörigkeit und Pop schafft. Feine Platte, die sich sowohl Fans THURSDAY, RISE AGAINST und EVERGREEN TERRACE gleichermaßen ins Regal stellen können, ohne dass sie da negativ auffällt.
Deutsch-Punk scheint wieder ein großes Thema zu sein, zumindest landen wieder vermehrt CDs aus diesem Bereich bei mir auf dem Schreibtisch. So geschehen auch mit dem neuen und vierten Album von FAHNENFLUCHT aus Rheinberg bei Duisburg. Auf „Schwarzmaler“ präsentiert der Fünfer eine dreckige Mischung aus Old-School und modernem, fetten Sound, wobei auch ein leichter Hardcore-Einfluss zum Tragen kommt. Die Songs sind geprägt durch die rotzigen Vocals von Sänger Thomas und besitzen dabei auch immer noch das nötige Quäntchen Melodie, um Ohrwürmer entstehen zu lassen. Dazu gibt es kämpferische, aber intelligente Texte zu hören, die Missstände in Politik und Gesellschaft anprangern, ohne peinlich zu sein, bemüht zu wirken oder in Klischees zu verfallen. Somit kann man „Schwarzmaler“ nur als ein rundum gelungenes Album bezeichnen, das jede Menge Wut und Energie rüberbringt, dabei aber auch musikalisch gut und abwechslungsreich gemacht ist. So sollte moderner Deutsch-Punk immer klingen.
Das TAROT-Debüt „Spell Of Iron“ kommt jetzt nach 25 Jahre, erweitert um den sinnigen Zusatz „MMXI“ erneut in die Läden. Neu eingespielt und soundtechnisch auf heute getrimmt ist das Album als Hommage an die Anfangstage der Band (die gemeinhin als erste finnische Heavy Metal Band gilt) gedacht und dürfte auf Grund der Popularität in ihrer finnischen Heimat vor allem dort freudig aufgenommen worden sein. Außerhalb Finnlands fristen TAROT trotz starker Veröffentlichungen (z.B. „Crows Fly Black“ aus 2006) eher ein Schattendasein; Ausnahme – Bassist Marco Hietala dürfte als eine der tragenden Säulen von NIGHTWISH bekannt sein. Ob die neu arrangierten und zum Teil dem heutigen, etwas keyboardlastigeren TAROT-Sound angepassten Kompositionen dies groß ändern werden, darf man aber durchaus bezweifeln. Nicht dass die Songs auf „Spell The Iron MMXI“ qualitativ schlecht wären (mir gefallen sie sogar richtig gut), aber den Quell der Mid-80er können (und sollen) sie nicht abschütteln. Und was trotz Power und toller Gesangsleistung etwas fehlt ist die Authentizität. Unabhängig davon machen Tracks wie die damalige Single „Wings Of Darkness“, der treibende Titeltrack „Spell Of Iron“, das fett daherkommende „Pharao“ oder das hymnische „Love's Not Made For My Kind“ schon Laune – der ultraharten Produktion sei dank. Mit „De Mortui Nil Nisi Bene“ gibt es gar noch eine äußerst ungewöhnliche, semi-akustische Nummer mit reichliche finnischer Folklore. Über Sinn und Unsinn solcher Veröffentlichungen lässt sich trefflich streiten (von „Denen fällt nichts Neues ein!“ bis „Wow!“) – erspare ich uns hier aber. TAROT haben in den letzten Jahren Boden gut gemacht und wer mit den letzten Alben der Band was anfangen konnte, der macht mit „Spell The Iron MMXI“ auch nichts falsch. Das man allerdings solch ein Teil ohne irgendwelche Boni (außer dem Überarbeiten Cover) rauslässt, hinterlässt schon kopfschütteln.
A STORM OF LIGHT wurden von Kollege Otto in der NEUROSIS-Ecke verortet, womit er komplett richtig liegt, ist doch Bandkopf Josh Graham der Mann hinter dem NEUROSIS-Artwork. „As The Valley Of Death Becomes Us, Our Silver Memories Fade” ist das neueste Album seiner eigenen Band – und entpuppt sich als ziemlich fieser, düsterer Wutbrocken, NEUROSIS nicht ganz unähnlich. Groovemonster sind alle Songs, die so den Hörer einlullen und in ihren Bann ziehen, um ihm dann unter tonnenschweren Riffs zu begraben und von der Atmosphäre erdrücken zu lassen. Josh Grahams tolle Stimme darf da nicht unerwähnt bleiben, ist sie doch ein markantes Stilmittel von A STORM OF LIGHT, mit der von Verzweiflung über Entsetzen bis zu dezent optimistischen Stimmungen alles zum Ausdruck gebracht werden kann („Silver“). Die Postcore-Variante, die A STORM OF LIGHT erschaffen haben, haben sie mit diesem Album auf eine neue Stufe gebracht und sich damit etwas von den NEUROSIS-Vergleichen freigemacht, finden sich doch in der Gitarrenarbeit und beim Songaufbau einige Unterschiede. Dank einer illustren Gästeschar (u.a. SOUNDGARDEN-Gitarrist Kim Thayil bei „Missing“ und „Black Wolves“) wird „As The Valley Of Death Becomes Us, Our Silver Memories Fade” noch faszinierender und fesselnder, so dass Freunde gepflegt düsterer Musik die Scheibe nur ans Herz gelegt werden kann.
As The Valley Of Death Becomes Us, Our Silver Memories Fade