Diese Besprechung kommt zugegebenermaßen eine ganze Weile zu spät. Erschienen ist „Battlesuits“ nämlich schon Mitte August. Aus unerfindlichen Gründen ist die Scheibe erst jetzt unter einem Stapel abgelegter CDs wieder aufgetaucht. Dafür erst mal sorry an Band und Label! Wobei das in diesem Fall immerhin dieselben Personen sind – die Hamburger AVERAGE ENGINES haben nämlich Anfang 2011 ein eigenes Label namens „Brutkasten“ gegründet und auf diesem „Battlesuits“ veröffentlicht, das nach der EP mit dem schönen Titel „If Dalí Broke My Arm It Would Sound Likes This“ ihr Debütalbum ist. Auf diesem präsentieren sie leicht noisigen Indie-Rock, der oft gerade nach vorne geht, manchmal aber auch etwas verschachtelt und fast schon proggig daherkommt, dabei aber auch immer wieder mit tollen Melodien aufwartet. So werden in den Songs straight rockende Riffs in ungewöhnliche Strukturen eingebaut, mit atmosphärischen Parts kombiniert und immer wieder auch durch ein gewisses Maß an Schrägheit angereichert. Einziger Kritikpunkt ist dabei die Produktion: Der Gesang steht nämlich etwas zu stark im Vordergrund, wohingegen die Gitarren zwar ordentlich verzerrt aber zu leise sind und dadurch etwas verhalten wirken. Das umgekehrte Verhältnis hätte den AVERAGE ENGINES besser gestanden. Trotzdem liefern die Hamburger hier ein tolles und reifes Debüt ab, das ordentlich rockt, gleichzeitig aber über eine Dichte und Komplexität verfügt, die es von vorne bis hinten spannend machen.
BUBONIX haben sich nach ihrem fantastischem „Caspacian“-Album aufgelöst, woraufhin vier der Beteiligten mit CONMOTO flugs eine neue Band aus der Taufe hoben, um da weiterzumachen, wo sie mit BUBONIX aufgehört haben. Sarah de Castro ist als alleinige Sängerin übrig geblieben, was „Cut Cut Cut“ natürlich prägt, ihre rotzige Stimme passt ja perfekt zum wilden, aggressiven CONMOTO-Material und drängt sich nie in den Vordergrund. Bei jedem Song wird deutlich, dass hier erfahrene Leute am Werke waren, die wissen, wie ein guter Song zu klingen hat, was sowohl in den wütenden Nummern Marke „Borders And Flight“ wie auch den melodischen („Van Streefkerk“) deutlich wird. „Cut Cut Cut“ rockt von Anfang bis Ende und ist dabei sehr abwechslungsreich – der Bogen wird von Hardcore über Punkrock bis zu Noise und Indierock geschlagen. Geiler Einstand, geile Fortführung des BUBONIX-Erbes!
Die hinter BIRDS OF PASSAGE steckende Neuseeländering Alicia Merz hat schon mit ihrem Debütalbum ihr Händchen für verstörend-fesselnde Musik bewiesen. Mit „Winter Lady“ führt sie ihr Schaffen auf dem gleichen Level fort; auch in den diesmal sieben Songs kreiert sie mit fast flüsterndem Sprechgesang und sehr sparsam eingesetzten Klangeffekten eine ganz eigene Atmosphäre, die gleichermaßen wunderschön-verzaubernd wie auch verstörend sein kann. Es kann anstrengend sein, der flüsternden Frauenstimme und den Effekten im Hintergrund zu lauschen, aber als Soundtrack für einen kalten Winterabend ist „Winter Lady“ ganz vorzüglich geeignet, kann doch der Prä-Weihnachtswahnsinn und überhaupt der ganze Alltag leicht vergessen werden, wenn sich die außerweltliche Atmosphäre ausbreiten kann. Es liegt der Vergleich mit elfengleich klingenden Sängerinnen auf der Hand, aber das würde der Intensität von BIRDS OF PASSAGE nicht gerecht werden. Vielleicht eine Mischung aus Sirene, Elfe und BJÖRK. Auf jeden Fall unglaublich fesselnd.
Es lässt sich ja immer vortrefflich über den Nachwuchs einer Szene lästern, wenn das biblische Alter von 30 überschritten wurde und trotzdem noch ein Interesse für die jeweilige Szene immer noch da ist. Egal, ob in einer der Metal-Spielarten, beim Hardcore oder im HipHop, die Jugend von heute und was sie alles falsch macht geht nie auf eine Kuhhaut. Im Hardcore machen Bands wie LA DISPUTE, DEFEATER und TOUCHE AMORE von sich reden; über die lässt sich als alter Sack gut lästern. PIANOS BECOME THE TEETH werden da schnell in die gleiche Ecke gestellt, was immerhin angesichts der Qualität ihrer Musik stimmt, der Band sonst aber Unrecht tut. Was sie auf ihrem Debüt und jetzt auf „The Lack Long After“ abliefert, ist Screamo (anders als z.B. DEFEATER), punktum. „The Lack Long After“ fängt dabei bärenstark an, „I’ll be Damned“ ist ganz großes Gefühlskino und mit packendem Aufbau, selten wurde ein Album so gut eingeleitet. Die verbesserte Produktion fällt ebenso schnell auf, genau wie die im Vergleich zum Debüt düsterere, melancholischere Atmosphäre. Kyles Gesang ist dafür der beste Beleg, wenn er sich roh, intensiv durch die Songs schreit, ist der Hörer eingenommen von den Emotionen und der Hingabe. PIANOS BECOME THE TEETH haben es geschafft, ein sehr gutes Album einzuspielen, das sie als Musiker und Songschreiber gereift zeigt. Wer ein Faible für emotionale Musik hat, wird mit dieser emotionalen, aber nie positiv gestimmten, Platte bestens bedient. Zum Abschluss des Jahres nochmal ein ganz starkes Album! Auch wenn das natürlich alles schon mal da war, ENVY und so. Aber lasst die alten Männer ruhig meckern, die brauchen das…
Nach fast neunjähriger Pause werden die Schweden von COASTLAND RIDE mit ihrem neuen Machwerk „On Top Of The World“ vorstellig. Herausgekommen ist einschmeichelnder Pop-Rock, der in seiner ausgeprägten Unaufdringlichkeit zum Teil jedoch schon etwas arg weichgespült und glattpoliert wirkt, zumal von Gitarren praktisch das ganze Album über herzlich wenig zu hören ist. Insofern wäre denn eigentlich eine Zuordnung ins Pop-Genre auch deutlich passender. Soviel zur Kritik, wenden wir uns den positiven Aspekten zu: das Trio legt durchweg großen Wert auf hübsche Melodien und einen warmen Gesamtklang, für den die Stimme von Sänger Markus Nordenbergs bestens eignet ist. Wenn man also auf der Suche nach etwas Easy Listening-Tauglichem ist, das das Zeug zur unaufgeregten Hintergrunduntermalung hat und trotzdem nett klingt, dürfte man mit „On Top Of The World“ goldrichtig liegen.
Geil, DO OR DIE gibt es noch! Die Belgier haben auch schon mehr als zehn Jahre auf dem Buckel und sind gerade in der Mitte des letzten Jahrzehnts Dauergast auf europäischen Bühnen (insbesondere dem Pressure Fest) gewesen. Allen Änderungen bei Line-Up und Label zum Trotz haben sich die Typen nicht vom Bollo-Metalcore verabschiedet, „The Downfall Of The Human Race“ macht da weiter, wo DO OR DIE mit ihrem letzten Album aufgehört haben. Zwei mächtig angepisste Shouter, die zu schön metallischen Gitarren brüllen. So muss das sein. Natürlich sind die Möglichleiten für Variablität hier begrenzt, aber wer erwartet das bei dieser Band? Die Belgier liefern 13 brachiale Metalcore-Songs ab, mit denen sie ihre Fans und Bollos glücklich machen und für fliegende Menschen und Kung Fu-Action im Pit sorgen werden. Mehr wollen weder sie noch ihre Fans, also alles gut im Hause DO OR DIE Ende 2011.
Schöne Grüße aus Berlin von den Spaßgrindern namens 100 000 TONNEN KRUPPSTAHL. Die beiden Herren, die schon äußerst positiv auf dem JAKA Tribut Album aufgefallen waren, legen mit „Kill Your Kids And Die“ ihr, nur auf Vinyl erscheinendes, Erstlingswerk vor. Das Duo aus der Hauptstadt liefert uns eine halbstündig weilende Granate aus punkig, grindig und crustigen Liedern, die ne ordentliche Dröhnung Rums hat und eine Menge Spaß in den Backen dazu. Songs wie „Widernatürlicher Unmensch“, angelehnt an den TON STEINE SCHERBEN-Klassiker „Meine Name Ist Mensch“ oder auch „Lebenserhaltungskotzen“ machen klar wo einen die Platte hinführen wird. Erschienen auf dem sympathischen Berliner Label Raddatz Records. Macht Spaß und tritt Arsch!
Ne nicht DIE AMIGOS wollen wir hier besprechen sondern die TRASH AMIGOS, die sich ursprünglich noch TRES AMIGOS nannten… Mit ihrem alten Namen hätten die vier lustigen Pedros (so die Pseudonyme der Band) es wahrscheinlich sogar noch zu Hansi Hinterseer geschafft… Naja. Schnell wird klar, dass das Ganze hier ein Spaßprojekt ist. Und was macht mehr Spaß als schönen oldschooligen Thrash Metal zu zocken? Eben: nix! Deswegen holen die TRASH AMIGOS auch die ganzen alten Thrash Riffs wieder ausm Keller und bauen sie sich so wie sie es für richtig halten wieder zusammen. SLAYER, SEPULTURA, EXODUS werden auf „Hijos De La Chingada“ bis zum Erbrechen gehuldigt. Vor Allem aber der deutliche SLAYEReske Sprachgesang fällt auf, weiß aber auch zu überzeugen. Mit ihren Mexikaneroutfits möchten die Herren wohl wenigstens ein bisschen innovativ sein… Auf einer Mallorca Metal-Party bestimmt ein echter Hingucker. Ansonsten prügeln die TRASH AMIGOS ordentliche zehn Songs auf eine Platte und Freunde des genannten Genres dürften hier doch auf alle Fälle fündig werden, um alte Erinnerungen an die ersten, aber natürlich umso grandioseren Alben von genannten Bands, wieder im Schädel aufleben zu lassen. „Hijos De La Chingada“ was wohl soviel wie „Hurensöhne“ bedeutet, ist ne nette Platte geworden.
Im Gegensatz zu ihren Labelkollegen von PALACE können die Schweizer Power-Metaller von GONOREAS auf eine deutlich bessere Produktion verweisen, was schon rein vom Anhören her dieses sehr druckvolle Album „Apocalypse“ viel angenehmer macht. Das Cover kann hingegen leider keinen großen Blumentopf gewinnen, der seltsame hässliche Alien in der Bildmitte macht das Artwork ziemlich kaputt, das restliche Booklet dagegen ist sehr gelungen, da hätte es viel bessere Motive für vorne gegeben.
Zurück zur Musik - die Eidgenossen beweisen erneut, dass es neben GOTTHARD & Co. auch viele etwas härtere Bands gibt, die musikalisch etwas auf dem Kasten haben. Technisch solide wird betont melodischer Doublebass Power Metal mit viel hymnenhaften Charme und fast ohn ejede Verschnaufpause geboten. GONOREAS wurden bereits 1994 gegründet, die beiden Vorgängeralben stammen alle aus diesem Jahrtausend. Auch diverse Line-up-Wechsel sowie die zwischenzeitliche Auflösung haben die Truppe (seit 2001 wieder im Rennen) nicht viel anhaben können und zusammen mit Originalsänger Gilberto Meléndez Gitarristen Damir Eskic und Larissa Ernst sowie Pat Rafaniello (Bass) und Stefan Hösli (Drums) wurde ein weitere Anlauf gestartet und diese Apocalypse eingespielt. Die Band will’s diesmal richtig wissen, gibt alles (dies hört man deutlich heraus), bestens produziert in den Little Creek Studios V.O. Pulver (u.a. DESTRUCTION, PRO-PAIN) ist hier vom Sound her tatsächlich internationales Niveau geboten.
Nach einem überflüssigen Gesäuselintro knallt der fette Eröffner „Devil’s Eyes“ aus den Boxen, ja der Drummer läßt auch bei den nachfolgenden Tracks nicht locker, is manchmal etwas viel, da wird (zu) oft der Galopp-Rhythmus ausgepackt, noch ein bisschen mehr an packenderen Melodiebögen feilen hätte nicht geschadet. Der Sänger kann was und hat schon ein recht variables Organ mit dem richtigen Punch und Feeling, wenn’s nötig ist. Dann „Facing The Enemy“ bricht endlich etwas aus dem gängigen Schema aus und zeigt die Band kann mehr als nur brettern sondern auch mal Breaks einstreuen und dabei auch schön variabler klingen. Als Albumhöhepunkt für mich ist ganz klar „Chasing The Dragon“ zu nennen, hier überzeugen GONOREAS auf der ganzen Linie, klasse Riffs, furiose Solis, schöne Hook, sehr energetisch rübergebracht – ein stimmiges Gesamtpaket. Das namentlich und textlich zwar recht plakative „Bang Your Head“ is garnicht so platt, wie man vermuten könnte, da gibt ein paar andere "nur" durchschnittliche Nummern, die dieses Album ein klein wenig runterziehen aber das Fazit lautet grundsätzlich positiv, darauf kann man aufbauen, der nächste Schritt muß mit der nächsdten Platte kommen. Zwar trifft hier nicht die beliebte Werbeantwort auf die Frage: „Wer hat’s erfunden?“ zu aber diese Schweizer wissen wie man soliden sowie mitreißenden Power Metal macht ohne zu nerven (wie häufig so viele Kapellen des Genres).
Man kann sich sicher über eine Szene-Ikone und Frontsau wie Niklas „Quakfrosch“ Kvarforth streiten, aber der Inhaber eines Endorsement-Deals mit Wilkinson bringt mit seiner Hauptband nahezu immer Erstligaware an den Start. Ebenso streitbar wie Herr Quakfrosch selber ist auch der Stil von SHINING, der auf „VII: Född Förlorare“ weiter ausgebaut wird und mit klassischem Schwarzmetall nur noch rudimentär zu tun hat. Auch wenn vielerorts noch der Begriff „Suicidal Black Metal“ im Zusammenhang mit der Band die Runde macht, bekommt man hier in erster Linie wieder mal ein schwarzes Potpourri serviert, das sich vor Allem durch erstklassig durchdachtes Songwriting auszeichnet und neben heftigen Eruptionen ebenso viele ruhigere Parts (etwa Akustikgitarre und Piano) nebst passender Breaks auffährt, was dem Album in Summe eine ungeheure Vielschichtigkeit beschert, die durch die Gastbeiträge von Chris Amott (ARCH ENEMY), Erik Danielsson (WATAIN) und dem schwedischen Star Håkan Hemlin (von der Folk/Pop/Rock-Formation NORDMAN) noch zusätzlich gewinnt. Songs wie „Förtvivlan Min Arvedel“ oder das hymnische, die Heroinsucht von Håkan Hemlin thematisierende, superbe “Tillsammans Vi Är Allt” genießt man vorzugsweise am Stück, da „VII: Född Förlorare“ als schlüssiges Gesamtkonzept am Besten funktioniert und SHINING einmal mehr als völlig eigenständige Band etabliert, die zumindest in musikalischer Hinsicht schon lange keine Image-Kur mit Rasierklingen mehr nötig hat. Klasse Scheibe!