Der Haufen aus New Jersey vermischt auf seinem Debütalbum typische 70er-Sounds mit modernen Klängen der 90er; die selbst genannten Einflüsse des Quartetts reichen von PINK FLOYD, LED ZEPPELIN und DEEP PURPLE über GRAND FUNK RAILROAD und CREAM bis hin zu KYUSS, SOUNDGARDEN und MONSTER MAGNET, so dass dieser musikalische Eintopf zwischen sehr vielen Stühlen sitzt. Dabei machen INFERNAL OVERDRIVE den gleichen Fehler wie (die noch mal deutlich stärkeren) MASTODON, nämlich Schrammelgedöns und neuzeitlich tiefer gestimmte Gitarren in ein reichlich dröges, weitgehend langweiliges Klangkorsett zu stecken. Oder anders: die Energie der Pionierzeit des Rock mit Alben wie „I“-„IV“, „In Rock“ oder auch „On Time“ fangen INFERNAL OVERDRIVE ebenfalls zu keiner Sekunde ein, dafür eher den lahmarschigen Breitwand-Groove der Grunge/Alternative-Ära. Songs wie „I-95“, „Cage“ oder „Rip It Out“ sind dabei richtige Schlafbeschleuniger; „The Edge“, „Duel“ oder das interessante, überlange „Motor“ immerhin noch hörenswerte, teilweise recht flotte Erzeugnisse. Obwohl die Herren Schleicher, Schleicher und Co. eingängiges Songwriting beherrschen und hörbar deutlich mehr aus sich herausholen könnten, ist „Last Rays Of The Dying Sun“ ein müder und wenig spannender Versuch, Alt und Neu unter einen Hut zu bekommen.
Das kann doch nicht wahr sein. Sechs Jahre nach dem fulminanten „Invisible Walls“ Album steht Deutschlands beste Melodic Power Metal-Band wieder ohne Deal da. Sind denn alle A&Rs da draussen taub? Sei es drum. Zum Glück lassen sich DESTINATION'S CALLING davon nicht entmutigen, sondern legen mit „End Of Time“ ein höchst eigenständiges und sehr erwachsenes Melodic Metal-Meisterwerk vor. Stellt euch eine Mischung aus skandinavischem Edelpowermetal der Marke TAD MOROSE mit QUEENSRYCHE in ihrer Empire-Phase vor, dann habt ihr eine ungefähre Vorstellung davon, was hier abgeht. Vollkommen klischeefrei reiht sich ein epischer Breitwandrefrain an den Nächsten. Egal ob ruhig oder mächtig stampfend: DESTINATION'S CALLING verstehen ihr Handwerk wie kaum eine zweite deutsche Combo. Die äußerst angenehmen Vocals von Christian Gräter verleihen der Band noch mehr Wiedererkennungswert, als sie ohnehin schon haben. Die sehr filigranen Gitarrenleads treiben einem immer wieder Freudentränen in die Augen. Dass es solche Musik noch gibt. DESTINATION'S CALLING sind eingängig ohne stumpf zu sein und gleichzeitig komplex ohne anstrengend zu sein. Großes Kino. Dass das Ganze dann auch noch extrem fett und transparent aus den Boxen schallt und in ein ansprechendes Äußeres gehüllt ist, ist dann nur noch das Tüpfelchen auf dem I. Wie schon der Vorgänger ein Pflichtwerk für anspruchsvolle Metaller.
BLACK SYMPHONIC kommen aus der Metaldiaspora Südtirol. Außer SKANNERS und GRAVEWORM fällt mir im Moment keine weitere Band aus Südtirol ein (FREIWILD zähle ich absichtlich nicht dazu). BLACK SYMPHONIC gibt es erst seit 2010 und sie haben sich einer sehr modernen Variante des Melodic Metals verschrieben. Das heißt meist im Midtempo agiernde Songs mit deutlicher IN FLAMES Schlagseite. Die Keyboardsounds hingegen dürften von ihren Landsleuten GRAVEWORM inspiriert sein. In Sachen Rhythmik und Melodien haben sich BLACK SYMPHONIC genau angehört, was im Moment bei der U-20 Generation angesagt ist. Interessant ist, dass BLACK SYMPHONIC ausschließlich mit Klargesang agieren. Selbiger ist leider recht bemüht und noch nicht wirklich sicher. Für ein erstes Lebenszeichen einer noch sehr jungen Band ist „Breaking The Surface“ zwar O.K., für höhere Weihen müssen BLACK SYMPHONIC aber noch eine Weile an ihrem Sound feilen.
CRASHING CREW sorgen für die unterschiedlichsten Gefühlsregungen bei mir. Erst kann ich mir auf Grund der sehr förmlichen Anrede im Info ein Grinsen nicht verkneifen, dann beim Blick auf das Bandfoto und auf 5 in AS I LAY DYING und METALLICA Shirts gewandete Teenager überkommt mich der kalte Schauer und ein spontanes „Warum ich-Stoßgebet“ entfleucht meinen zittrigen Lippen. Doch so schlimm wird es gar nicht, ganz im Gegenteil. CRASHING CREW klingen angenehm oldschool und versprühen auf den ersten drei Tracks ihrer Eigenpressung rauhes Teutonenmetal-Feeling. Das könnte auch von alten Demos diverser GAMA Bands sein. Ich kann mir nicht helfen, aber gerade auf Grund des rotzigen Organs von Fronter Maggi fühle ich mich immer wieder an S.A.D.O. erinnert. Den Balladenversuch „Hangover“ klammern wir mal lieber aus und erfreuen uns am Schlußtrack „Showdown“, der dann auch wieder amtlich losrumpelt. Nach dem ersten Eindruck sehr unerwartet, aber auch sehr cool. Achja, die sehr literarischen Texte passen natürlich auch wie der Arsch auf den Eimer: „Posers fuck you, we're the Crashing Crew, don't ask me who, cause we're crashing through“. Großes Kino.
Mastermind Leif hat das line-Up von DEW-SCENTED (zwangsweise) ändern müssen, nach und nach sind bis auf ihn alle am Vorgänger „Invocation“ beteiligten Musiker ersetzt worden. Immerhin hat sich am Produktionsort nichts geändert, Leif & Co. haben sich erneut bei Jörg Uken (GOD DETHRONED, OBSCENITY, DESPONDENCY) eingeschlossen, der dann auch „Icarus“ mit der gewohnt durchschlagskräftigen Produktion versehen hat. Neben der Produktion ist Leifs Stimme die andere Konstante geblieben, mit der wie erwartet in den neuen Songs Akzente setzen kann und DEW-SCENTED wie gewohnt seinen Stempel aufdrückt. Beim Songwriting schwankt das Ergebnis allerdings in der Qualität, zumal die neuen Mitglieder kaum neue Ideen in den DEW-SCENTED-Sound gebracht haben. Gut, das ist die ewige Diskussion über Weiterentwicklung, Veränderung und dem Festhalten an Bewährtem, aber bei einem so massiven Austausch an Personal wäre es wenig überraschend, wenn das Ergebnis anders klingen würde als der Vorgänger. Das ist aber bei „Icarus“ nicht der Fall, es ist die logische Fortsetzung von „Invocation“ und bietet die für DEW-SCENTED typische Melange aus Death und Thrash, messerscharfen Riffs und einem unbändigen Zug nach vorne. aus “A Final Procession“ und “Perpetuated“ zum Ende des Albums sind dafür die besten Beispiele, mit denen DEW-SCENTED ihr Album fulminant beenden. Vorher gibt es eher klassische Stücke zu hören, die qualitativ in Ordnung sind, aber über guten Bandstandard nicht hinauskommen (“Sworn To Obey“ und “Thrown To The Lions“). Besser sind da schon das unglaubliche wütende „The Fall Of Man“ oder das von Dan Swanö (EDGE OF SANITY, BLOODBATH) als Gastsänger veredelte „Reawakening“. Am Ende bleibt ein guter Eindruck vom ersten Album der neuformierten DEW-SCENTED, denn auch wenn nicht alle Songs überzeugen können, ist „Icarus“ doch ein gut knallender Death/ Thrash-Album geworden, mit dem die Band Live sicher überzeugen kann.
HERODIAS überraschen mit dem Release von „Dance Of The Seven Veils“ nur gut einem Jahr nach Bandgründung – und dann noch mehr mit der Tatsache, dass die Scheibe kein Schnellschuss ist. Der Fünf-Tracker entpuppt sich als gut gemachte Funeral Doom-Scheibe, auf der HERODIAS es verstehen, eine dichte Atmosphäre aufzubauen und diese mit dem Gesang von Kristina Rocco zu verbinden. Auch wenn die Dame durchweg hoch singt und Erinnerungen an NIGHTWISH aufkommen lässt, ist das Ergebnis eine gelungne Symbiose der an und für sich gegensätzlichen Komponenten – auf der einen Seite der kraftvolle Klargesang, auf der anderen Seite die extrem tief gestimmten Gitarren und der generell basslastige Sound (SUNNO))) lassen grüßen). Das Ergebnis ist wie gesagt eine runde Sache – „Dance Of The Seven Veils“ bewegt sich durchgehend auf hohem Niveau, Doomster können sich die Scheibe bedenkenlos zu Gemüte führen.
DRAGONY aus Wien liefern mit „Legends“ eine herrlich naive und mittlerweile schon wieder anachronistisch klingende Melodic Metal-Scheibe ab, welche ganz im Fahrwasser früher EDGUY, "Keeper"-HELLOWEEN und diverser Italo-Vertreter à la DOMINE, HEIMDALL oder DRAKKAR durch einschlägige Fantasywelten schippert. An jeder Ecke lauern Drachen, Krieger, Zwerge und Jungfrauen. Naja, das Eine bedingt ja auch das Andere: Wenn sämtliche Krieger sich als Drachenkammerjäger erweisen müssen und beim nächsten Schloßball nur noch die Zwerge versuchen die anwesenden Jungfrauen 'rumzukriegen, so ist es kein Wunder, dass sich selbige mit einem „Nicht mit mir“ auf den Lippen in die kalten Burggemächer zurückziehen und es dort vorziehen weiter am Quilt der Vorfahren zu klöppeln, als an ihrer Jungfräulichkeit etwas zu ändern.
So zumindest stelle ich mir das vor. Um wieder auf DRAGONY zu kommen, die machen ihre Sache eigentlich ganz gut und können mit einer professioneller Aufmachung und einem für eine Eigenpressung ganz respektablen Sound aufwarten. Außerdem haben sie es geschafft so einige hymnische Melodien abzuliefern. „Legends“ wird den Lauf der Welt nicht weiter verändern, aber für ne Stunde Auszeit von der realen Welt ist es allemal gut. Womit wir wieder bei den Drachen, Kriegern usw. wären.
UPDATE 24.07.2012: Mittlerweile kann man diese "Auszeit von der realen Welt" auch offiziell über Limb Records beziehen. Wenn auch ohne den Bonustrack "Sparta". Glückwunsch, Jungs.
Mann kann von TAAKE und ihrem einzigen festen Mitglied Horst halten, was man will: Mitte der 90er aufgetaucht und sich ins von Bands wie DARKTHRONE, MAYHEM und BURZUM gemachte Nest gelegt, die strunzdumme „Ich-wollte-nur-ein-Bissel-provozieren“-Aktion in Essen inklusive der gar nicht so dummen „Wir-laden-den-Horst-dann-mal-wieder-aus“-Aktion diverser Festivalveranstalter sowie das (spätestens dann als Nebenwirkung folgende) Generieren vieler Fans aus dem moralischen und geistigen Prekariat. Das „Dumme“ ist nur, dass TAAKE bis heute immerhin musikalisch überzeugen können und sich auch von ekligen NSBM-Anhaftungen befreien konnten. Ansonsten wäre auch eine Zusammenarbeit mit einigen der größten Künstler der norwegischen Schwarzheimer-Szene gar nicht möglich gewesen, wie sie auf „Noregs Vaapen“ eindrucksvoll umgesetzt worden ist. Das fünfte Studioalbum des kontroversen Herrn gehört nämlich zum Besten, was TAAKE bis heute abgeliefert haben; auf den insgesamt sieben Songs geben sich unter Anderem Nocturno Culto (DARKTHRONE), Attila Csihar (MAYHEM), Demonaz (IMMORTAL) und Skagg (GAAHLSKAGG, DEATHCULT) die Klinke in die Hand, und außerdem ist auf „Noregs Vaapen“ das komplette Line-Up der Band (wenn auch nie gleichzeitig) zu hören, so dass die Scheibe ein nahezu echtes Bandalbum geworden ist, das mit durchweg sehr geilen und musikalisch und songschreiberisch durchdachten Stücken punkten kann. Pfiffige Details wie das Mellotron gegen Ende des Openers „Fra Vadested Til Vaandesmed“ oder das herrliche Banjo-Solo in „Myr“ sind da nur Eckpunkte eines Albums, das sich den „Tipp“ redlich verdient hat. Norwegen-Scheiß in seiner originelleren Form!
SLIPKNOT sind seit ihrer Gründung 1995 eine Konstante im Musikzirkus geworden, die als Millionenseller haufenweise Nummer 1-Platzierungen in den Charts und Gold- und Platinverkäufe eingefahren haben. Mit dem Tod von Bassist Paul Gray 2012 endete dieser erfolgreiche Abschnitt der Band aus Iowa aber abrupt – wie es nach den Sommer-Shows weitergeht, wissen wohl nur die verbliebenen Chaoten. Und vielleicht nicht mal die. Grund genug, eine Retroperspektive zu veröffentlichen, die die Paul Gray-Ära abdeckt. Uns liegt die einfache Version vor, es gibt aber noch das Luxuspaket mit einer weiteren CD, auf der eine Live-Show vom Download Festival 2009 zu hören ist, und einer DVD voller Filme und Clips.
Die Tracklist der Best-Of ist chronologisch und hat natürlich alle Hits, die SLIPKNOT in ihrer Karriere geschrieben haben, seien es „Wait And Bleed“, „Duality“ oder „People = Shit“. Unveröffentlichtes Material findet sich konsequenterweise nicht, was „Antennas To Hell“ für den durchschnittlichen SLIPKNOT-Fan uninteressant machen dürfte; wer sich aber bisher nicht mit dem Schaffen der Band befasst hat oder mal wissen will, warum sich die Tochter dieses Logo hat tätowieren lassen, der kann hier zugreifen. Gleichzeitig ist es eine würdige Hommage an einen verstorbenen Musiker, ohne den das SLIPKNOT-Kollektiv nie wieder so sein wird wie früher. Daher bleibt es spannend zu erfahren, wie es mit der Band weitergeht und wer den Bassposten übernehmen wird.
Seit 2005 existieren HORRIZON aus Bad Kreuznach. Mit „Time For Revenge“ liegt nun der erste Longplayer vor, welcher sehr professionellen melodischen Death Metal bietet. Auch vor ein paar Schlenkern ins Viking Metal Genre schrecken HORRIZON nicht zurück. So lassen sich sowohl Einflüsse ganz früher IN FLAMES, DARK TRANQUILLITY oder auch ABLAZE MY SORROW ausmachen, aber auch die epischen BATHORY oder AMON AMARTH haben ihre Spuren im Sound von HORRIZON hinterlassen. Für ein Erstlingswerk überrascht die Qualität des Gesamtpakets. Sowohl Cover als auch Booklet und Sound würden jedem Majorprodukt zur Ehre gereichen. Aber nicht nur die Verpackung stimmt: auch die Songs und ihre Umsetzung können was. Natürlich erfinden HORRIZON den Metal nicht neu, jedoch glänzen sie mit feinen Gitarrenharmonien und eigenständigen sowie selbstsicheren Growls. Der seltene Einsatz von Blastbeats gibt den Songs mehr Raum sich zu entfalten, und da wo geblastet wird, da passt es dann auch. Gelegentliche Keyboardeinsprengsel sorgen für weitere Farbtupfer - ohne das Material zu verwässern. „Time For Revenge“ ist ein starkes Stück melodischer Death Metal, das Genrefreunde auf jeden Fall anchecken sollten. Am Besten geht das mit dem nach vorne marschierenden „The World Demise“ und dem hymnischen Hassbatzen „Far Beyond The Horrizon“.