So kann man sich nur freuen, wenn man etwas wiedergefunden hat, was man lange vermisst hatte: "Turncoat", der zweite Song auf "Armageddon Mon Amour", zaubert mit seiner himmelsstrebenden Leadgitarre jedem Hörer zwingend ein Lächeln aufs Gesicht. Der Schlagzeuger drischt abwechselnd komplex-groovendes und noch viel zwingenderes Gebollere aus seinen Kesseln. Und dazu röhrt eine unverwechselbare Stimme in tiefstem Rachen religionsverachtende Texte. "The Beast Of Man" ist zurück, Johann Liiva hat nach dem unschönen Abgang bei ARCH ENEMY mit HEARSE im zweiten Anlauf endlich eine kongeniale neue Band gefunden, "Turncoat" ist der kompositorische "Evil Twin" von ARCH ENEMYs "Silverwing". Erbsenzähler rechnen jetzt den dreieinhalbten Anlauf vor, denn seit dem 2000er "Burning Bridges" ist diese Liebeserklärung ans Weltende schon der dritte volle Tonträger für Liiva, dazwischen lagen ein Album mit den zu kurzlebigen NONEXIST, eine EP und "Dominion Reptilian" mit HEARSE. "Dominion Reptilian" war nach meinem Geschmack noch zu umpf und stumpf zwischen draufhauen und Rock-Versuchen. Bei "Armageddon Mon Amour" ergänzen sich Schlagzeuger Max Thornell, Multi-Instrumentalist Matthias Ljung und Johann Liiva nun kongenial. Endlich. Erst vor dem Hintergrund filigraner Gitarrenleads kommt das "Brüllvolumen" von Johanns Stimme - wenn man das so nennen kann - so recht zur Geltung. HEARSE sind als Trio unterwegs, und so hat sich anscheinend jeder mal die Gitarre umgeschnallt, hier ein paar Bassspuren dazu getan, dort noch ein Riff - das Resultat ist fett. HEARSE machen nach einigen Umwegen da weiter, wo ARCH ENEMY zum Milleniumswechsel aufgehört haben, "The Crops Of Waste" und "In Love And War" verursachen Gänsehaut. Wir reden hier nicht von Diebstahl oder Kopie, aber hier sind im wesentlichen die Tradmarks versammelt, die ARCH ENEMY über die vergangenen Jahre abgestreift haben. So einfach sind die drei von HEARSE außerdem nicht mit einem Label zu bestickern, der Opener "Mountain Of The Solar Eclipse" fährt mit Vollgas auf dem Motorrad-Sozius von MOTÖRHEAD, "Tools" spielt mit Distortion und Depri-Stimmung. Kim Wildes "Cambodia" verliert die typische Achtziger-Beliebigkeit an Schweden-Gebolze alter Schule. Auf "Play Without Rules" wird noch einmal rumgebolzt, "Determination" ist unspektakulär im Midtempo und der Titelsong bereitet der Platte ein doomigen Ende. Aber das sagte der Name ja schon.
Ein Bandname, den man kaum aussprechen kann und ein Albumcover, das schlichtes Weiß mit ein paar Tropfen Blut präsentiert: was mag sich dahinter verbergen? TAOMENIZOO sind fünf Franzosen, die einen wilden Mix aus Industrial, Groove Metal und Nu Rock spielen, den man kaum richtig kategorisieren kann. Jedenfalls werfen die Stücke allesamt, auch nach mehrmaligem Hören, viele Fragezeichen auf. Hier und dort, wie etwa beim Song "Thorns", werden PRO - PAIN - artige Riffs mit etwas SLAYER vermischt, nur um dann bei "Victims" die typischen Shouts mit relaxten Parts zu vermischen und gegen Ende der Platte mechanische MINISTRY - Wiederholorgien zu starten. Dabei stehen die stets simplen, eingängigen, aber auf die gesamte Spielzeit auch sehr langweiligen Riffs im Vordergrund, die den wechselhaften, mal harten, mal melodischen Gesang untermalen. Die psychedelische Keule bleibt auch nicht außen vor und gelegentliche Ausflüge ins KORN - oder COAL CHAMBER - Repertoire werden dem Hörer nicht erspart. Oder kurz: man werfe einfach alles, was die "neurockige" Küche zu bieten hat, in einen Kochtopf, rühre 47 Minuten lang um und fertig ist diese Platte. Hier wäre weniger vermutlich viel mehr gewesen.
Beim Dortmunder Label People Like You liegt man eigentlich nie wirklich verkehrt: Genau wie bei Hellcat oder Epitaph erscheinen hier fast ausschließlich Platten, auf deren Qualität man sich verlassen kann. So auch bei der Compilation "Hi-Balls Are Rolling!" von ADAM WEST. Die aus Washington D.C. stammende Band (benannt nach dem Schauspieler Adam West, der in den 60ern den Batman in der gleichnamigen Serie spielte) ist gewissermaßen ein Phänomen, denn sie spielt einen Stil, den man sonst eher von skandinavischen Rockbands wie GLUECIFER und den HELLACOPTERS kennt: eine Mischung aus 60s und 70s Garagen-Punk und klassischem Rock, beeinflusst von Bands wie AD/CD, BLACK SABBATH, MOTÖRHEAD oder den MISFITS. Dass nach fünf Studio-Alben eine Compilation erscheint, obwohl es bereits vor zwei Jahren eine gab, macht im Falle ADAM WEST durchaus Sinn. Seit 1993 hat die Band nämlich an die 25 Singles, eine EP und über 20 Sampler-Beiträge veröffentlicht, die nicht auf den regulären Alben zu finden und dazu noch bei verschiedenen Labels erschienen sind, so dass den Fans hier jede Menge Raritäten geboten werden, u. a. auch Cover-Versionen wie AC/DS´s "Sin City" und "Psychotherapy" von den RAMONES. Die Platte ist dann auch wirklich die volle Breitseite: Energiegeladener Punk ´n Roll mit durchgetretenem Gaspedal. Schnörkellos und gradlinig und rocken die Jungs dermaßen dreckig ab, dass man einfach nicht ruhig sitzenbleiben kann. Ihren nordeuropäischen Kollegen stehen ADAM WEST dabei in keiner Weise nach...
Düster geht die Welt zu Grunde, wir alle haben es geahnt. STEREOMOTION legt sich thematisch auch gleich darauf fest, wie es sich für den Düsterelektroniker von heute eben so gehört. Hinter diesem Projekt steckt ein Mann, in der Musik steckt in erster Linie recht minimalistische Elektronik. Ganz weit weg vom poppigen Weiberelectro, mindestens genauso weit weg vom deutschen Industrial und doch von beidem ein bisschen. Die Melodien ändern sich langsam, sie stecken immer hinter den Beats zurück. Und ebendiese verlieren dann auch über die Distanz dieser Veröffentlichung etwas ihren Reiz. Hart und prägnant, aber mit wenig Abwechslung pumpen sie zu technoid und monoton. Die Melodien sind zweckdienlich und atmosphärisch aber auch wenig eingängig und eher verträumt als clubtauglich. Der männliche Gesang mit vergleichsweise softer Distortion nimmt den brachialen Beats etwas die Power und so ist die Musik auf eine kaum in Worte zu fassende Art spannungsgeladen und eintönig zugleich. Schwierige Sache und irgendwas fehlt hier noch ohne genau zu können was.
40 Minuten müssen wir beim Hören der Scheibe zum Glück nicht warten, der Einschlag erfolgt bereits nach wenigen Sekunden - einzig ein kurzes gesprochenes Intro muss man über sich ergehen lassen, bevor JUDGEMENT DAY losbrettern. Der jüngste Tag scheint dabei ein lokal begrenztes Phänomen zu sein, denn obwohl der Backatalog der Niederländer eine beachtliche Größe aufweist, sind sie mir bis zu dieser Scheibe noch nie zu Ohren gekommen. Die Erfahrung macht sich aber bezahlt und bemerkbar. Die Songs kommen gut auf den Punkt, knallen brutal aus den Boxen und die Mucker sind allesamt fit. Gerade die Saitenfraktion flitzt mit rasend schnellen Fingern übers Brett, kann aber auch mal einfach nur hammermäßig grooven ("Damnation For All"). Richtig deutlich wird die Klasse der Band beim Instrumental "20 Minutes To Impact", bei dem jeder mal die musikalischen Muckies spielen lassen darf. JUDGEMENT DAY bieten auf der Scheibe nicht viel Neues, variieren aber altbekannte Death Metal-Zutaten sehr geschickt und sind in der Veröffentlichungsflut sicher eine der herausragenden Bands. Wem die neue Deicide zu lasch, lahm oder schlicht zu kurz war, der dürfte bei JUDGEMENT DAY fündig werden. Genau wie alle, die einfach ein gepflegtes Stück brutalen amerikanischen Death Metal wollen.
DRITTE WAHL sind in meinem Plattenregal schon lange die erste oder zweite Wahl (DIE ÄRZTE klammern wir hier mal aus, die spielen in einer andere Liga), wenn es um Deutschpunk geht. Zumindest die End-Neunziger-Alben "Strahlen" und "Nimm 3" sind unübertroffen, was direkte, politische und vor allem unpeinliche deutsche Songs angeht. Text und Message schienen den Rostockern in der Vergangenheit immer sehr wichtig zu sein - und so überraschen Gunnar, Krel und Busch´n zu ihrem verspäteten 15. Jubiläum mit dem englischen Album "Tooth For Tooth". Die Songs auf diesem Album werden jedem DRITTE WAHL-Fan seltsam bekannt vorkommen... Richtig, DRITTE WAHL legen ihre alten Gassenhauer der Muttersprache des Punk in den Mund. Das wirkt angenehm räudig und bringt diese kurzweilige Musikrichtung zurück zu ihren Wurzeln, streckenweise hört sich der Krempel tatsächlich an wie London Camden Mitte der Siebziger. Hätte ja auch schiefgehen können, es gibt genug Beispiele, wo das Experiment ziemlich verkrampft als "Deutschpunk auf Englisch" wirkt. Mit "Greif ein", "Militär", "Hash", "Auge um Auge" und dem unvermeidlichen "So wie ihr seid" sind fünf Songs dabei, die ursprünglich auf der "Nimm 3" vertreten waren, von "Halt mich fest" wurden der Titelsong, "Brot und Spiele" und "Dummheit kann man nicht verbieten" übersetzt, Strahlen steuert "Irgendwann" bei und von der uralten "Auge um Auge" gibt´s "Mach die Augen auf". Mit "Progress" wurde der erste neue Song seit langem gleich in Englisch geschrieben. Eine schöne Cover-Version (auf deutsch!) der VIBRATORS macht die Scheibe rund. DRITTE WAHL veröffentlichen dieses Album wieder selbst und sparen dabei weder Kosten noch Mühen - die CD erscheint als Digipack und wird auf Midpreis an den Handel weitergegeben, das Vinyl gibt es als Album.
Beim ersten Werk des Schweizer Projekts "Metamorphosis" um Multinstrumentalist (aber in der Hauptsache Keyboarder & Sänger) Jean-Pierre Schenk von 2002 war das Cover noch ganz in einer Art grünlicher Collage gehalten, diesmal wurde als Kontrast ein kräftiges Orange ausgewählt - sollte dies eventuell auch ein Symbol für eine neue musikalische Ausrichtung sein? Nun, bereits nach den ersten längeren Höreindrücken von "Nobody Cares" muß dies mit ganz wenigen Einschränkungen verneint werden, denn nachwievor dominieren als Grundstruktur episch breite, ja fast man ist fast geneigt zu sagen mystische Keyboardklangwelten, die immer wieder, mal etwas gezügelter dann wieder mitreisender, von Gitarrensounds mit stark "floydiger" Betonung durchzogen werden. Die Drums dürften diesmal nicht jedermanns Sache sein, denn der gute Schenk bevorzugt hier einen Computer statt von ihm selbst eingespielte Naturdrums! Nun wem’s gefällt, für mich eher ein zweischneidiges Schwert aber größtenteils klingt es gar nicht mal so negativ clean bzw. maschinell wie bei anderen Produktionen. Einen echten Bassisten gibt auch nicht mehr zuhören ersetzt durch einen Synthie-Bass außerdem sind die beiden ehemalig reinen Gastmusiker David Grillon (Gitarre) & Milena Zaharieva (Flöte) nun als feste Mitglieder bei Metamorphosis integriert. Die CD klingt auf jeden Fall kompakter als der Vorgänger, stellenweise sind die Riffs diesmal auch etwas rockiger geraten (u.a. bei "Full Moon´s Rising Tonight"), die Tasteninstrumente bieten ebenfalls mehr neoprogartige Parts - einzig der Gesang des "Chefs" ist mir manchmal etwas arg dünne und ausdrucksschwach geraten. Metamorphosis haben sich daher insgesamt etwas mehr in eine eigene Richtung entwickelt ohne Reminisszenzen an die schier übermächtigen Vorbilder PINK FLOYD oder GENESIS bzw. der stark ELOY geprägte Opener "Looking For Somewhere" komplett über Bord zu schmeißen. Man kann zu dieser Musik jedenfalls wunderbar abtauchen und sich in die Weiten der Songs verlieren - wer also auf Retrosounds sowie die genannten Bands abfährt, wird hier wohl bestens bedient.
Es ist doch wirklich erstaunlich, welch interessante Kapellen das kleine Land mit den Fjorden immer wieder heraus bringt. Die Norweger sollen ja bekanntlich den Black Metal groß gemacht– wenn nicht sogar erfunden - haben. Ist ja letztlich auch egal. Neuerdings haben sie eine wirklich interessante Extreme-Metal-Bewegung am Start, die sich zum Teil aus den Überresten gelangweilter Schwarz-Wurzel-Anpflanzer zusammensetzt. Beispiele wären Zyklon, Red Harvest, Khold, Myrkskog, um nur einige zu nennen. MINDGRINDER-Vorarbeiter Cosmocrator hat ja sogar mal bei Zyklon gesessiont und zeichnet(e) auch für die abgefahrenen und mehr oder weniger ruhenden Source Of Tide verantwortlich. All diese genannten Einflüsse finden sich in gewissem Maße in seinem neuen Projekt wieder. Black und Death Metal mischt sich zu dem extremen Metal, den die Beteiligten gernegroß Avantgarde nennen.: Die Scheibe bewegt sich technisch, songschreiberisch und auch in Sachen Sound sicherlich auf hochgradig professionellem Niveau. Allerdings dauert es eine Weile, bis man die Seele der Scheibe entdeckt. Doch dann packt dich "MindTech" packt nicht und macht Angst. Ddie Double-Bass-Attacken hauen einem die Beine weg "Cosmo" , grunzelt unterirdisch, böööööse. MINDGRINDER befinden sich sicherlich auf dem Weg in die Spitzengruppe, wenn das Projekt mit Hingabe weitergeführt wird.
INSISION widersetzen sich dem Melodic Death-Trend aus Schweden und sollten spätestens seit der "Beneath The Folds Of Flesh” als Garant für brutalen amerikanischen Death Metal bekannt sein. Lange hat’s gedauert, bis Carl und seine Mannen den Nachfolger fertig haben, aber jetzt ist es endlich so weit. Zusammen mit VISCERAL BLEEDING und THRONEAON bilden INSISION sowas wie New Wave Of Swedish Death Metal haha. "Revealed And Worshipped” knallt dicke produziert aus den Boxen, war ja auch niemand geringeres als Mieszko (Nasum) mit seinem Soundlab dafür verantwortlich. Stärker noch als beim Vorgänger fällt beim aktuellen Album die Nähe zu Morbid Angel auf, besonders im Gitarrenbereich ("In The Gallows") und der ähnlich klingenden Produktion. Sänger Carl versucht aber nicht, als Steve Tucker-Klon durchzugehen, sondern spielt seinen eigenen Stiefel und gehört mit seinen heiseren Growls zu den besseren Shoutern. Hin und wieder traut er sich auch mal an Brodequin-mäßige Gurgelattacken ("No Belief"), aber das ist zum Glück nicht die Regel. Drummer Thomas hat kurz nach den Aufnahmen die Band verlassen, was angesichts seiner coolen Leistung echt traurig ist. INSISION variieren das Tempo in den Songs, haben eingängige Grooveparts neben Blastattacken und immer die nötige Brutalität, die man als US-angehauchte Band braucht. Kurzum: eine saugute Death Metal-Scheibe!
HERMAN ist fett und deswegen heißt sein Album "Fett". Er ist fett weil er über 200kg wiegt, nicht weil etwa seine Musik in irgendeiner Form auch nur ansatzweise dieses Adjektiv verdient hätte. Genaugenommen ist mir in den letzten Monaten selten etwas schlechteres und belangloseres unterkommen als "Fett". Ich sitze kopfschüttelt über hochgradig banal gereimten, deutschen Texten, mit Themen die man als Teenie vielleicht spannend findet. Über lustlose Dominaspielchen, über Hasch und über Natursekt. Das Problem daran ist nur: Es rockt nicht, es groovt nicht, es ist nicht lustig, es ist nicht originell... und es ist nicht fett! NDH für Arme und Rock für Alte, Pop für Dumme und Schlager für Wochenendgoten. MEGAHERZ, DIE ÄRZTE, die ONKELZ... alle hatten wohl kleine Einflüsse hier, mit dem Unterschied dass HERMAN keiner braucht. "Legt Mich in Ketten" oder "Alfred" sind dermaßen schlechte Tracks die in keiner Hinsicht überzeugen, "Nur In Der Hölle" ist grade so ertragbarer, ansatzweise hörbarer Rock, das Video auf der CD setzt dem platten Niveau die Krone auf. Jedem das Seine, aber diese CD ist überflüssig. Und selbst wer sonst Arschbomben sammelt, kann getrost die Finger hiervon lassen, das ist nicht mal Trash.