Ska-Punk, Brass-Punk! Kopie von FEINE SAHNE FISCHFILET, Klingen wie DIE TOTEN HOSEN (das gewitzte „Drei Vor Fünf Vor Zwölf“) mit Bläsern! Sie singen gegen Rechts, gegen Nazis, Juden- und Türkenhass, gegen Alltags-Sexismus, gegen alles Mögliche! 100 KILO HERZ nennen Herrn Wiebusch und kriegen Besuch von Planlos-Pino („Scheren Fressen“), Texte sind unpeinlich, manchmal gar überraschend. Und Rodi kann natürlich nicht wirklich singen, genauso wenig wie Monchi oder Campino. Die Musik ist erwartbar, und Kritiker dürften es sogar kalkuliert nennen. Oder Punks werfen den Leipzigern Mainstream und metallisierte Gelegenheits-Punk-Hörer chronische Verpoppung vor. Nämlich. Kann „man“ alles sagen. Muss man aber nicht. Denn an „Stadt Land Flucht“ muss der Hörer unbedingt mit dem Herzen rangehen und eventuell vorhandene Klischees über Bord werfen. In Hamburg ist auch nicht jeder Schanzengänger ein Hipster, und das trifft so ähnlich auch auf die sächsische Messestadt zu. Und wer nun sagt, derartige Bands atmen nur heiße Luft aus, anstatt etwas zu ändern, dem rufe ich zu: Fickt euch! Jedes, wirklich jedes Bundesland muss mindestens eine Band mit diesem Verve haben, egal, ob Mainstream oder nicht. Dann schunkeln vielleicht nicht nur Rock-Im-Park-Wochenendrockpunk-Metaller zu poppigem Punk und machen sich Gedanken.... Und abseits der löblichen Polit-Punk-Message haben 100 KILO HERZ etwas, was FSF und zumindest früher auch die Hosen ausmacht(e): Richtig coole, simple Melodie, die Nickelbrillen-Feuilletonisten sicherlich als primitiv herabwürdigen, weil diese nicht erkennen, wie viele andere Herzen diese Hymnen wärmen. Flott ist das zudem meistens auch, und echte Peinlichkeiten (wie viele neue Hosen-Horror-Songs) bleiben einem auch erspart. Alles wirkt irgendwie liebenswert. Sie singen gegen so Vieles und klingen dabei ungeheuer positiv und machen irre gute Laune. Da fällt mir ein, ich muss mal wieder nach Connewitz und endlich mal zu Roter Stern!
Herzlichen Glückwunsch zum neuen Album „3D“, welches die konsequente Fortführung des Erfolgsalbums „Halt Mich Fest“ bedeutet. Wie empfindet Ihr die ersten Reaktionen auf Euren neuen Output?
Vielen Dank! Die Platte kommt bei den meisten Fans und Rezensionen sehr gut an. Darüber freuen wir uns natürlich. Aber klar, es gibt auch kritische Stimmen, das bleibt nicht aus. Aber insgesamt sind die Reaktionen sehr positiv.
Warum hat es geschlagene drei Jahre gedauert, bis wir in den Genuss von „3D“ kommen durften, und was steckt überhaupt hinter dem Albumtitel „3D“?
Wir brauchen halt immer etwas um uns aus dem Schreibtief nach einem Album-Release wieder raus zu kämpfen. Album-Depression! Letztlich finde ich aber einen Abstand von zwei bis drei Jahren eigentlich auch cool. Man darf nicht zu viel machen, sonst sind es sie Leute vielleicht auch irgendwann mal über. „3D“ kam uns so in den Sinn und eigentlich, wenn man DRITTE WAHL heißt, dann hätte man in den 32 Jahren auch schon mal früher auf die Idee kommen können, ein Album so zu nennen. Liegt ja an sich auf der Hand! Unser Grafiker und unser Lichtdesigner für die Live-Konzerte waren mit dem Thema auch ganz zufrieden. Da kann man gut mit arbeiten. Letztlich haben wir nun sogar einen gleichnamigen Song auf der Platte, also alles in Allem eine runde Sache.
Jetzt müssen wir leider zu einem Thema kommen, welches in diesem Interview angesprochen werden muss. Als Punkrock-Band seid Ihr nicht nur für gute Platten bekannt, die Mehrzahl der Fans wird Euch aber wegen Euren starken Live-Auftritten lieben. Dieser Faktor fällt ja Corona-geschuldet erst einmal aus. Wie geht Ihr mit der Situation um? Ein neues Album ohne Tour muss für DRITTE WAHL doch irgendwie eine traurige Episode der Bandgeschichte sein?
Tja, es ist bitter und hart, aber es liegt nicht in unserer Hand. Wir haben länger überlegt, ob wir die Platte jetzt rausbringen, aber wer weiß, wann es weitergeht?! Nachher warten wir ein bis zwei Jahre und bringen dann ein altes Album raus, das wir selbst nicht mehr hören können?! Noch sind die Songs frisch, und wir wollten einfach, dass sie jetzt gehört werden und nicht erst in einer unbestimmten Zukunft. Mit einer Tour wäre es aber natürlich schöner!
Durch die fehlende Tour werden Euch als Vollzeitpunks auch Einnahmen wegbrechen. Ist dies bei einer Band Eurer Größenordnung schon existenzgefährdend?
Bei uns als Band geht es noch. Unsere Fans sind wirklich super solidarisch, und sie haben uns unseren Internet-Shop nahezu leer gekauft. Das wird natürlich mit der Zeit verständlicherweise auch weniger, aber uns geht es ganz gut. Ich denke mehr an unsere Crew und die Clubs und ihre Crews. Für die sind das jetzt ganz harte Zeiten. Wir drücken allen die Daumen, dass sie diese Situation, in die sie ja unverschuldet hineingeraten sind, wohlbehalten überstehen. Vielleicht hilft ja die Politik doch noch etwas aus, obwohl meine Hoffnung da gering ist. Kultur kann halt nicht fliegen oder fahren!
Ihr arbeitet immer noch gerne im Do-It-Yourself-Verfahren, was bedeutet, dass „3D“ auf dem bandeigenen Label erscheint. Ist dies in der heutigen Corona/Spotify/MP3- Welt die einzige Möglichkeit, noch echtes Geld mit einer Veröffentlichung zu machen?
Naja, draufzahlen werden wir bei der Produktion von „3D“ hoffentlich nicht, und es wird auch etwas hängen bleiben, wenn es so läuft wie gewünscht, aber eigentlich schiebt man heute mit einer Platte immer auch die Tour an. Wir hoffen natürlich, dass die Leute trotzdem kommen, wenn es wieder weitergeht und nicht denken, „jetzt kommen DRITTE WAHL mit einem alten Album um die Ecke“!
Euer Album kategorisiert Ihr mit „Unterhaltung mit Haltung“, und somit finden sich wieder viele politische Songs auf „3D“. Als Beispiel möchte ich „Brennt Alles Nieder“ nennen, bei dem man schon eine gewisse Wut in Euch bemerken kann. Nach 32 Jahren DRITTE WAHL seid Ihr noch immer nicht müde, die Finger in Wunden zu stecken. Wird man nicht langsam altersmüde und stumpft ab, oder ist dies Euch eine Herzenssache?
Tja, die Altersmilde scheint noch etwas auf sich warten zu lassen. Wir sind aufmerksame Menschen und verfolgen das Geschehen in Deutschland und der Welt recht genau. Und wir können einige Geschehnisse aus der Vergangenheit nicht einfach so vergessen. Bei „Brennt Alles Nieder“ geht es zum Beispiel um die Geschichte in Rostock Lichtenhagen 1992. Das ist fast 30 Jahre her, aber man hat heute das Gefühl, es könnte jeden Tag etwas Ähnliches oder sogar Schlimmeres passieren. Wenn man sieht, dass heute Rechtsradikale gezielt oder wahllos Menschen ermorden, bekommt man einfach eine Mega-Wut, auch auf die Politik, die jahrelang nur nach links geschaut hat und noch heute immer vor den Gefahren von Rechts- UND Linksextremen warnt. Es ist einfach nicht die Zeit um das stillschweigend hinzunehmen.
Politisch ward und seid Ihr textlich als auch mit Aussagen immer politisch gewesen und habt Flagge gezeigt. Viele von Euch (oder alle?) haben Familie und Kinder. Gebt Ihr Eure Haltung auch an die nachfolgende Generation weiter, und wie steht diese zu dem Job ihrer Väter?
Ja klar, wir reden zuhause viel über Politik, und die Kids haben schon sehr vernünftige Ansichten. Das ist uns ziemlich wichtig, denn Veränderung fängt erst mal bei jedem selber an.
Euch war als Künstler immer wichtig, Eure Freiheit zu behalten und euer Ding durchzuziehen. Gab es in Eurer Karriere auch Momente, wo mit Geldscheinen gewedelt wurde um Euch für den Mainstream salonfähig zu machen?
Nein. Es gab mal hier und da Angebote für Plattenverträge, aber ohne dass man an unseren Songs oder unserem Stil rumpfuschen wollte. Bei einer Offerte gab es damals allerdings eine Klausel, dass wir in den nächsten drei Jahren jährlich ein neues Album liefern sollten. Zeitdruck kommt für uns aber nicht in Frage, und überhaupt finden wir das ganz cool, autark zu sein.
Ihr habt schon immer ein wenig mit dem Metal kokettiert. Ich z.B. bin vor einer halben Ewigkeit mit DRITTE WAHL durch einen Rock Hard-Sampler-Beitrag auf Euch aufmerksam geworden. Mit „Fabelhafte Vorrausetzungen“ wird wieder der Dampfhammer rausgeholt. Zielt Ihr hier bewusst auf die Zielgruppe der Metaller ab, oder liegt Euch der Metal einfach im Blut?
Nein, das ist kein Kalkül. Das ist einfach passiert. Wir hatten die Idee, und weil wir alle mehr oder weniger mit Metal aufgewachsen sind, waren wir auch offen für etwas ruppigere Klänge. Wir versuchen zu vermeiden, „gewollte Musik“ zu machen.
Interessant ist bei diesem Song auch der textliche Hintergrund. Hier schießt Ihr besonders politisch auf alles und jeden. Könnt Ihr mir hier mehr Hintergrundinformationen geben?
Na, es geht um die aktuelle Zeit, in der so merkwürdige und gefährliche Leute an den längsten Hebeln der Macht sitzen. Dass solche Menschen wie Trump oder Bolsonaro in demokratischen Ländern gewählt werden könnten, hätten wir eigentlich gar nicht für möglich gehalten. Mit diesen Gestalten wird die große Weltpolitik völlig unberechenbar, und wir sehen darin eine große Gefahr für den Frieden auf der Erde.
32 Jahre DRITTE WAHL. Wie wird es für Euch weitergehen? „3D“ zeigt noch den gleichen Hunger wie zu Gründungszeiten, aber wie lange könnt Ihr den Laden noch am Laufen halten, und wie sieht das Leben nach DRITTE WAHL aus? Gibt es hier schon einen Plan B?
Wir haben ja vor zwei Jahren zu unserem 30. Geburtstag „Bergfest“ gefeiert und uns damit auf insgesamt 60 Jahre DRITTE WAHL festgelegt. Wir machen also bis 2048 weiter und haben danach noch Zeit, eine Familie zu gründen oder eine Solokarriere zu starten. Die nächsten 28 Jahre sind also verplant und es gibt keinen Plan B.
Die Charts sind Euch nicht fremd. Euer letztes Album konnte die Top 15 erreichen, und somit bestimmt auch neue Fans an Bord holen? Wie wichtig war Euch nach der jahrelangen Arbeit und dem ständigen Touren ein solcher Erfolg?
Ach, es ist eigentlich nicht soooo wichtig, aber es schmeichelt schon. Natürlich haben wir darauf geschaut, wo wir landen, und selbstverständlich haben wir uns über Platz Sechs der deutschen Albumcharts gefreut. Alles Andere wäre gelogen, aber es verändert für uns nicht die Welt oder die Art und Weise, wie wir an die Musik heran gehen.
Wenn die Welt wieder eine bessere und somit Corona-freie Bühne wäre, mit welcher Band würdet Ihr gerne auf Tour gehen, und welchem Musiker würdet Ihr gerne mal die Hand schütteln?
BAD RELIGION wäre ein Traum! NOFX auch, aber es gibt so viele tolle Bands, mit denen wir liebend gern mal die Bühne teilen würden! Es ist schwer, da einzelne Formationen hervor zu heben. Wir haben ja noch etwas Zeit und können das alles in Ruhe angehen. Wir sind immer noch gespannt, was die Zukunft bringen wird.
Wir danken für das Interview, wünschen Euch viel Erfolg mit „3D“ und freuen uns auf noch viele gemeinsame Jahre!
Vielen Dank für´s Interesse und auch Euch alles Beste für die Zukunft!
Wer nach 32 Jahren noch nicht müde ist und bei jedem Album frischen Wind in die deutsche Musikszene bringt und dabei seinen Bekanntheitsgrad immer weiter steigern konnte, der hat irgendwie alles richtig gemacht. Die Rostocker sind nach all den Jahren da angekommen, wo sie hingehören. An der Spitze der deutschsprachigen Punkrock-Bewegung! Und mit dem Album „3D“ werden sie diese Stellung mit Leichtigkeit halten und weiter ausbauen. Ich prognostiziere hiermit einen hohen Chart-Einstieg. Trotz allem Erfolg sind sich die Jungs immer treu geblieben. Intelligente Texte und musikalische Größe geben sich hier ein Stelldichein und vereinigen sich zu einem Gesamtkunstwerk.
Die Texte sind eine gesunde Mischung aus Humor, Politik, gesellschaftlicher Kritik und vertonter Wut. Besonders Letzteres kommt bei „Brennt Alles Nieder“ sehr deutlich zur Aussprache und zeigt, dass die vier Musiker auch in 2020 keine Lust haben, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Einen gelungenen Beginn beschert der Opener „Ikarus“, der durch tolle Gitarrenarbeit, eine eindringliche Gitarrenmelodie und einen genialen Refrain überzeugen kann. Dass die Stimme von Gunnar Schröder bei allen Liedern ein beständiger Genuss ist, das sollte mittlerweile eigentlich jeder mitbekommen haben. Ein musikalischer Hinhörer findet sich mit dem ungewöhnlichen „Fabelhafte Vorraussetzungen“, welches ziemlich eindeutig in die Metal-Richtung abdriftet. Geht gut ins Ohr, aber ist auch keine große Überraschung, da DRITTE WAHL niemals einen Hehl aus der Tatsache gemacht haben, auch den metallischen Tönen nicht abgeneigt zu sein.
Natürlich gibt es auch die obligatorischen, kurzen Punkrocksongs, die auch auf „3D“ nicht fehlen dürften. Songs wie „Ohne Mich“ oder „Zusammen“ werden jeden Pogo-Pit in Wallung bringen und können nur durch ruhige Intermezzi wie „Elektro Merten“ unterbrochen werden. Besonders bei diesem Lied sollte man ganz nachdenklich dem Gesang und dem Text lauschen. Schön, dass dieses Thema mal angesprochen wird, aber ich will nicht spoilern… Hört es Euch selber an und macht Euch Eure Gedanken.
Und anhören solltet Ihr „3D“ in jedem Fall. Eine richtig gute, intelligente und einfach tolle Punkrock-Scheibe, die man gehört haben sollte. Sind Euch die ONKELZ zu grenzwertig? Die HOSEN zu brav? FREI.WILD sowieso indiskutabel? Tja, dann geht einfach kein Weg an DRITTE WAHL vorbei. Tolles Album einer tollen Band!
Gabba Gabba Hey! RAMONES meets MISFITS meets Horror-Punk ist hier die Pogorichtung und wird die hungrige Meute nicht enttäuschen. Die Schweden reformierten sich aus der ad-acta gelegten Horrorpunkband THE DEAD NEXT DOOR und bleiben als LEFT HAND BLACK dem alten Gruselimage zu 100% treu. Also, Springerstiefel geschnürt, Karohemd angezogen, Glatze oder Irokesen in Stellung gebracht, und das Tanzbein kann wüst geschwungen werden. Auf 13 Liedern wird den Untoten, den Rachsüchtigen, diversen Zombieritualen, schlechten Horrorfilmen, Virenerkrankungen und anderen unschönen Dingen gehuldigt und gefrönt, dass es eine wahre Freude ist.
Die Songs werden melodisch und straight zelebriert und souverän von der markanten Stimme des Sängers sicher durch das Album getragen, die jeden Refrain zu einem eigenen Meisterstück macht. "Jaws", "Deep Rising“ und "Walking Dead" sind wahre Horrorperlen, die einfach nur gruseligen Spaß machen und die Szene entsprechend aufmischen werden. Da die Songs nicht gleichförmig aufgebaut sind und immer einen Freiraum für treibende Melodien lassen, kommt beim Hören der Scheibe so schnell keine Langeweile auf, zumal die Songlänge nur bei "Your Vice Is A Locked Room" die Drei-Minuten-Grenze überspringt.
Es gibt also keine Zeit zum Verschnaufen, und man kann sich in vollen Zügen und doch relaxt den vertonten Perversitäten von LEFT HAND BLACK hingeben. Ist natürlich alles nur Spaß und erinnert an einen C-Movie-Horrorfilm, der zufälligerweise einen kurzweiligen und einfach genialen Soundtrack genossen hat. Die Band darf und muss einfach solche Texte mit einer großen Spielfreude paaren und wird definitiv nicht nur Zombies, sondern auch geneigte Käuferschichten anlocken.
Live kann ich mir die Band sehr gut in kleinen, verrauchten Clubs vorstellen, aber blicken wir mal in die Zukunft: Solche Musik gehört eigentlich auf die ganz großen Bühnen dieser Welt. VOLBEAT haben dies vorgemacht, und ich wüsste keinen Grund, warum dies nicht auch bei LEFT HAND BLACK klappen sollte, zumal man mit Wolverine Records ein kleines, aber besonders feines Label im Rücken hat, das für einen extrem guten Geschmack im Bereich Rock`n`Roll birgt und sich bei so einer Veröffentlichung bestimmt alle Beine ausreißt (ganz im Sinne der Band…) um den Göteborgern den verdienten Erfolg zukommen zu lassen.
Von mir eine klare Empfehlung für alle Horrorpunks und die, die es mal werden wollen. Die Scheibe macht einfach Spaß und bitte mehr davon, sonst holt Euch "The Army Of Darkness" und befreit "The Devil In Miss Jones". Be careful!
Weniger als 2 ½ Jahre nach der Veröffentlichung des Longplayers „WIR LEBEN LAUT“ und kaum ein Jahr nach dem dazugehörigen Live-Album bringen UNANTASTBAR mit „FÜR IMMER WIR“ die nächste Scheibe auf den Markt. Dreizehn Brandneue Tracks, die so ziemlich nahtlos dort anschließen, wo sie zuletzt eigentlich nie aufgehört haben.
Bereits die ersten 4 Sekunden vom Opener „ICH WILL NICHT“ sind schon der Knaller und weisen die Richtung für die kommenden Songs –gute Punkrock-Laune auf Knopfdruck. „DER LETZTE MACHT DAS LICHT AUS“ gibt mir ein bisschen Matrosen- und „FÜR IMMER JUNG“ Lagerfeuer-Feeling. Drei abwechslungsreiche Songs, die sich durch den typischen UNANTASTBAR-Mitsing-Refrain auszeichnen. Die erste, etwas langsamere Nummer kommt mit „ICH WARTE AUF DICH“ und danach wird bei „BEAUTIFUL DAY“ ein klitzekleines bisschen dem Alkoholkonsum gefrönt, aber natürlich immer verantwortungsbewusst („Wir laufen nicht, wir fahren, Schlüssel oder Bier.“). Textlich bleibt die Band beim altbewährten Rezept: die Lyrics handeln hauptsächlich davon, das eigene Ding zu machen und sich nicht unterkriegen zu lassen und, passend zum roten Faden der Singalong-Refains, Freundschaft und das Wir-Gefühl sind wichtige Zutaten bei den Südtirolern. Der immer größer werdende Erfolg gibt ihnen Recht, aber für meinen Geschmack dürfte es bei den Texten doch etwas mehr Abwechslung geben. Lediglich gleich beim ersten Song, in dem es um einen Überfall geht („Zehn gegen einen, stolze Krieger für ein Land“), kann man eine gewisse linksgerichtete Haltung erahnen, ansonsten, denke ich, bleibt die Band bewusst unpolitisch, vermutlich um einen Teil der Fans nicht zu verprellen...
Wieder einmal kann man als UNANTASTBAR-Fan hier überhaupt nichts falsch machen und auch Nicht-Kenner, die auf gut produzierten Punkrock mit deutschen Texten stehen, sind durch uns zum Reinhören animiert. Die Gruppe hat binnen relativ kurzer Zeit wieder ein richtig starkes Ding geschrieben und aufgenommen, welches sowohl mit Kopfhörern als auch live bestimmt bestens funktioniert. Zu erwerben gibt es den Release auch dieses Mal wieder in den unterschiedlichsten Formen und Bundles. Direkt im Online-Shop als schwarzes Vinyl mit T-Shirt, als Box-Set mit einigem Schnick-Schnack wie z. B. Trinkflasche, Anhänger, Patch und – mal was Neues und wie ich finde, eine coole Idee – einem Freibier-Chip für das „WIR LEBEN LAUT FESTIVAL“, und als gelbe Vinyl beim Versandhandel mit dem großen A.
Die selbsternannten Black-Metal-Ultras springen kopfüber zurück in die Ursuppe des Punk und Wave und covern fünf Berühmtheiten: “Borstal Breakout” von Sham 69, “Real Wild Child” von Iggy Pop, “We’re Coming Back “We’re Coming Back" von Cock Sparrer, “Get Off My Back” von The Casualties, “Mongoloid”, von Devo und “Who Will Save Rock And Roll?” von The Dictators. Manches – wie der Opener – bleibt nah am Original, das Iggy-Pop-Stück schmieren Sie ganz schwarz und dreckig ein. Was den gelungensten Song beschert. Insgesamt macht die EP der Italiener aus der Nudel- und Schinken-Hochburg Parma so viel Bock wie der Blick des Nudel-Nerds ins Centro Commerciale Eurosia – ob der megavielen angebotenen Pasta-Sorten. Wenn denn seine Vorliebe für punkige Klänge genauso ausgeprägt ist, wie für die dortigen Teigwaren. Ansonsten dient das Scheibchen vielleicht immer noch für eine gut gelaunte Autofahrt zum Konzert mit reichlich Büchsenbier. Und wer auf die Toten Hosen und deren Vorliebe für britische Tanzmusik steht, der ist mit „Still Scum“ von WHISKEY RITUAL ebenso gut bedient. Denn nicht nur bei “We’re Coming Back” kann ein jeder amtlich mitgrölen, ohne den Text zu kennen.
Finnen? Spinnen? Naja, Auf jeden Fall macht die viele Dunkelheit nicht nur blass, sondern auch mies gelaunt, auch wenn irgendwelche Untersuchungen ständig davon schwadronieren, dass die Skandinavier zu den zufriedensten Menschen der Welt zählen. Diese CD ("Die Dekadenz des Geistes und der Welt") beweist glasklar und vor allem empirisch absolut unbelegbar: Stimmt nicht!?! Sonst würde die Songs ja nicht heißen wie „Allein zu Hause im Chaos“ („Yksin Kotona Sekaisin“), „Karma mit Rachegelüsten“ („Karma Kosta“) oder „Graues Licht (Harmaa Valo“). Und vor allem gehen KOURISTUS ("Kostenlos"???) musikalisch alles andere als frohen Mutes zu Werke. Und es geht auch keineswegs um finnische Skilangläufer wie , denn das ist der „schlimmste Feind“ („Pahin Vihollinen“). Es gibt 15 Songs auffe Omme, außer „Kuolevainen Rääkyy“ („Tödliche Überreste“) keiner länger als 1:50 Minuten – das unterstreicht die Richtung der Finnen: Grindcore (aber kein Fun-Porn), Hardcore (aber nix Hatebreed) und Punk (jedoch kein Slime). Alles zusammen lässt vor allem an Discharge in einer kaputteren Version denken. Heiser-hektisches Geschrei trifft schrammelig-schnelle Gitarren, dazu trocken-sparsames Drumming – all das ergibt eine schlecht gelaunte, aggressive Muschpoke, die trotz aller Negativität irgendwie gute Laune macht. Paradox, oder? Wer diese CD haben will, sollte sich beeilen, denn es gibt nur 300 Stück der seit 2013 Krawall machenden Bande aus Tampere. Informationen im Netz gibt’s reichlich: kouristus.bandcamp.com, https://visceralcircuitryrecs.bandcamp.com, https://nihilistic-webzine-distro.fr, https://nihilistic-webzine-distro.fr/Webshop.
Ritterlicheit, Wärme? Galant ist hier nix, außer dem EP-Titel „Human Gallantry“ vielleicht. In Verbindung mit dem am Seil hängendern Pferd bleibt einem aber die vermeintliche Schönheit im Halse stecken. So angepisst wie der Sänger rumschreit, wie wütend der Rest auf seine Instrumente holzt und sich echt auskotzt, das ist schon aller Discharges (von „Fuckening“ bis „Fleshwound Mosaic“), Totenmönde („Scum Nation BRD 23“) oder gar Slimes („Wir marschieren“) Ehren wert. Die ersten beiden dieser genannten Vorzeigekapellen aus Punk und Crust geben ROYAL SCUM unter anderem als Enflüsse an – und das hört auch der CSU-Metalpunk konsumierende Mainstreamer, so dass er sich vermutlich ob dieses linksgrün versifften Schmonzes anderen Alternativen zuwendet. ROYAL SCUM ist weniger eine echte Band und bezeichnet sich deswegen als Hamburger Crustpunk-Kollektiv, als königlichen Abschaum. Dass die Kings mächtig sauer sind, ist der Musik deutlich anzuhören, aber das löst bei den Scummern selbst eine ungeheure Spielfreude aus. Dass ein Großteil in einem anderen Musikerleben Doom macht, ist quasi unvereinbar mit diesem flotten Krach. Die abschäumige Liste sieht so aus: Steffen – Gesang (CRYPTIC BROOD, REPULSIVE FEAST), Phil – Gitarre (OPHIS, FVNERAL FVKK), Simon – Bass (FVNERAL FVKK, VOIDHAVEN), Ole – Schlagzeug (OPHIS, GOREZONE, SUFFERAGE). Umso mehr Spaß macht das kurze Fünf-Song-Vergnügen – man möge der Band die Daumen drücken, damit ein Label die Sorgen der Jungs teilt. Denn sie brauchen ein Ventil, sonst passiert bestimmt ein Malheur.
Seit 15 Jahren musizieren die DRUNKEN SWALLOWS in Sachen Punk Rock der gefälligen Art – ein paar Schwalben machen also keinen Sommer, aber immerhin beständiges Wetter. Sozusagen. Dass die Nordlichter mit GbR-Sitz in Timmendorf aus Oldenburg/Holstein vor den Toren Fehmarns stammen, verwirrt und lässt eher auf Surfer- oder Lounge-Musik für die Menschen bei Gosch oder Santiano für die Segler schließen. Aber die 13 Titel auf „Im Namen des Wahnsinns“ bewegen sich gekonnt in der Tradition von Hosen, Kärbholz, Feine Sahne Fischfilet und all den anderen Deutsch-Rock-Punks. Die Schleswig-Holsteiner beziehen sich zwar im gelungenen Song „Chaostage“ auf die norddeutsche Punk-Ursuppe, wirken aber irgendwie zu geputzt für Dosenbier, Einkaufswagen-Surfen, Fußgängerzone-Asselalarm, Dead Kennedys und Black Flag sowie die stinkinge Enge im JUZ Korn. Die sehr clean produzierte CD mit dem noch sauberen Gesang von Gitarrist Frank Hoffmann bringt alles, was sie soll und will: eingängige Riffs, klebrige Mitsing-Parts, melodische Songs inklusive Halbballaden, okaye Texte mit Gesellschaftskritik über alle möglichen Missstände, jugendliche Wut und Träume, aber auch über Party-Porno und Sauf-Sansibar. Es gibt nicht viel zu kritisieren an diesem sehr professionellen Album und die Zielgruppe wird förmlich ausrasten vor Glück, wird sich die Klamotten vom Leib reißen und nackig ums Reihenhaus laufen. Nur schockieren wird dieses Album niemanden mehr, dieser „Punk“ ist Mainstream – und das ist auch gut so. Aber es fehlt eben die nötige Portion Dreck. Das ist so wie mit den Kindern von Hubschraubereltern, die ihre Lütten nicht mehr in Sandkiste spielen lassen, weil das zu schmutzig ist. Es fehlt also die Eskalation, obwohl die Band diese in „Küstenjungs“ beschwört.
Die südtiroler Band UNANTASTBAR legt mit dem neuen Album „Wir leben laut“ inzwischen schon ihren zehnten Longplayer vor. Die Band ist erst seit kurzem beim Rock-Label Spinning Goblin Productions gesignt, das zu Napal Records (Powerwolf, Accept, Cradle of Filth, Kissin' Dynamite, Schandmaul, Oomph!, usw. usf.) gehört.
Mit UNANTASTBAR bin ich bisher musikalisch überhaupt gar nicht in Berührung gekommen und kann mir deshalb keine Vergleiche zu früheren Releases erlauben. Der Opener „Die Hand die ich mir reichte“ startet gleich mit Vollgas und zeigt, wohin die Reise geht. Hier gibt es richtig fetten Punkrock auf die Ohren, der ab und an mal an stärkere Tote Hosen erinnert, außerdem US-College-Punk („Goodbye“, „Flieg weg von mir“) und auch eine Prise Oi-Ska („Du bist nicht echt“). Die Geschwindigkeit wird nur selten gedrosselt, praktisch jeder Song ist ein Ohrwurm und lädt spätestens beim Refrain zum Mitsingen ein.
Textlich behandeln UNANTASTBAR so ziemlich alles, was das Leben ausmacht. Der Haupt-Tenor ist, dass man auch, wenn man als Underdog startet („Hier bin ich“), sich nicht unterkriegen lassen darf und auch selbst aus dem Sumpf ziehen kann. Des Weiteren geht es in den Lyrics natürlich auch um Liebe, Freundschaft, Zusammenhalt und darum, eine gute Zeit zu haben. Es findet also jeder einen Song, der zu „seinem/ihrem“ werden kann. Mit ganz viel Straßenattitüde und einem eigenen „Fan-Song“ („Ich will euch alle wiedersehen“) könnte das hier die neue Lieblings-Scheibe der treuen Fangemeinde werden.
Ich stand dem Album anfangs etwas skeptisch gegenüber, da die Band auch der Deutschrock-Szene zugeordnet wird, aber ich muss ehrlich zugeben, dass es mir mit jedem Mal Hören besser gefällt und ich nun so langsam auch Fan werde. Es gibt hier eigentlich keinen Ausfall, die Scheibe ist fett produziert und macht richtig Spaß. Die „Ohhhh-ohhhh“-Chöre in so gut wie jedem Refrain bringen das Konzert-Feeling nach Hause.
Das Album erscheint am 30. Dezember 2022 auf normaler CD (13 anstelle 15 Songs), sonnengelbem und orangenem Doppel-Vinyl, orangener Kassette, Earbook und in einer Deluxe Holzbox mit CD, Sonnenbrille, vier Schnapsbechern, Ohrstöpseln, Sturmfeuerzeug, Flaschenöffner (also einer kleinen Festival-Ausrüstung), drei Aufklebern und signierter Autogrammkarte. Da bleibt garantiert kein Fan-Auge trocken. Insgesamt vergebe ich „Wir leben laut“ 4,5 von 5 Nieten-Westen (also die höchste meiner Review-Bewertungen dieses Jahr), den halben Punkt Abzug auch nur wegen der, für meinen Geschmack, etwas monotonen Melodien in den Strophen. Eine uneingeschränkte Kaufempfehlung an alle Supporter; alle UNANTASTBAR-Neulinge und Punkrocker sollten hier auch unbedingt mal reinhören.