Zum Vierzigsten von „Thick As A Brick” gibt es nun eine überragend aufgemachte „40th Anniversary Edition“ jenes Albums, dass man durchaus als das Werk betrachten darf, das für den Urknall progressiver Musik und thematischer Konzeptalben mit verantwortlich zeichnet. Wobei die Meinungen der eingefleischten JETHRO TULL Fans hier durchaus unterschiedlich sind. Denn die Songidee von „Thick As A Brick“ wurde (wie in 1972 nicht unüblich) episch breit ausgewalzt, durch die progressive Mangel gedreht und als 1-Track-Konzeptalbum veröffentlicht. Da damals ja noch Tape und Vinyl das Mittel der Wahl war, gibt es einen Part 1 und Part 2 des Werkes – eines pro Seite.
Die Geschichte über den imaginären kindlichen Dichter Gerald Bostock, dessen (ausgedachte) lyrischen Anwandlungen die Grundlage des Albums bilden, wird in einer Mixtur aus Folk, Rock, Blues, Klassik, Jazz und natürlich der Querflöte dargeboten. Der facettenreiche Gesang von Anderson – von theatralisch modern über englisch Folk bis mittelalterliche Minne – setzt einen zusätzlichen unverwechselbaren Akzent. Das es dabei trotz wiederkehrender Eingängikeit keinen Refrain gibt, und die verschiedenen Stile doch sehr kreativ vermischt werden läßt das Werk nicht für jedweden Hörer zugänglich erscheinen und bedingt Muse und Toleranz. Durchweg unkommerziell und das gewollte Gegenteil eines Album wie „Aqualung“ oder „Living In The Past“ ist „Thick As A Brick“ für Neueinsteiger in Sachen JETHRO TULL sicherlich nicht erste Wahl. Denn wer von den oft kompakten, eingängigen und mit Folk angereicherten Rock-Hits des Ian Anderson auf dieses Werk schließt, liegt nicht richtig.
Ansonsten ist das 70er Prog-Kult in überragender Sammleraufmachung – das CD-/DVD-Teil kommt in Buchform mit einem alle Wünsche erfüllenden 104-seitigen Super-Booklet als Hardcover daher. Der Inhalt: die komplette 1972 mit der LP ausgelieferte Zeitung, einen Artikel des Rock Journalisten Dom Lawson, seltene Fotos von 1972/1973 und von der Tour 2012, eine Ian Anderson Interview über beide „Thick As A Brick”-Alben, Aufzeichnungen verschiedener Protagonisten zu den Aufnahmen, Infos zur damaligen World-Tour und eine Übersetzung in deutscher Sprache der beiden Alben. Wobei man sich durchaus Fragen darf, warum es bei solch einer aufwändigen Aufmachung nicht zu ein paar Bonus-/Demos-/Liveaufnahmen gereicht hat. Die Originalaufnahme in unterschiedlichster Klangversion auf DVD sind ein Schmankerl und für Soundfetischischten sicher reizvoll (neue Stereo- und 5.1-Mixe von Steven Wilson) - zusätzliches Material ist aber leider Fehlanzeige, was Abzug in der B-Note gibt und so dem Teil den Tipp kostet. Fans des „Thick As A Brick“ Konzeptes müssen hier allerdings zugreifen.
Ja, die Kritiker lieben THE GATHERING, sie scheinen einen festen Platz in den Herzen der schreibenden Zunft zu haben. Haben sie auch meinen Lebensmuskel besetzt? Da gibt es ein klares und entschiedenes jein!!!
Natürlich kommt auch meine Musiksammlung nicht ohne die anspruchsvollen und atmosphärischen Werke der Niederländer aus, aber zur heißen und innigen Liebe hat es nie gereicht. Vielleicht gelingt ihnen das ja jetzt mit ihrem neusten Werk?
Scheibe zwei nach dem Weggang Anneke van Giersbergen stimmt uns auf die kommende, sich bereits ankündigende Jahreszeit ein. Das ansprechende, in Herbst - Tönen gestaltete Cover vermittelt schon mal diese Stimmung. So ist es keine Überraschung, dass der Albumeinstieg verhalten, melancholisch beginnt. Rhythmisch auf Keyboardklängen gebettet fließt "Paper Waves" leicht poppig aus den Boxen. Erstaunt nehme ich zu Beginn bei "Meltdown" eine flüsternde Männerstimme war, nur um kurz danach von Silje Wegeland´s Sirene "eingefangen" zu werden. Hier kommen als Farbklecks gar Trompeten zum Einsatz, welche dem Song ungemein gut stehen. Diese zwei Nummern gefallen und kommen trotz komplexer Strukturen zügig auf den Punkt. Leider bleibt es nicht so kompakt. "Paralyzed" erreicht irgendwie gar nicht seinen Kern, sondern schleicht wie ein Intro unfertig vor sich hin.
Die 10 Minuten Nummer "Heroes For Ghosts" schwebt zu bedächtig, höhepunktarm an mich heran. Sicher finden sich in dem kontrastierten Song immer wieder Momente die gefallen, nur gelingt es THE GATHERING nicht meine Spannung und Aufmerksamkeit auf Dauer zu binden. Kurz gesagt - es kommt manchmal gar Langweile auf. Die schöne Ballade auf CD-Platz Nr.6 kann mich wieder gewinnen. Doch reichen zwei, drei Songs die zünden nicht aus, um das Album als Ganzes gelungen zu sehen. Einige der acht Nummern bleiben irgendwie Fremde. Auch wenn man durchaus Sympathien entwickelt – es bleibt eine letzte Distanz. Respekt, Anerkennung und verhaltener Applaus; aber Liebe meinerseits wird es auch bei "Disclosure" nicht.
JUST LIKE VINYL ist die „neue“ Band von Ex-FALL OF TROY-Sänger und -Gitarrist Thomas Erak. Das selbstbetitelte Debüt erschien 2010, jetzt ist mit „Black Mass“ der zweite Streich gefolgt. So heftig und vetrackt wie bei Eraks Ex-Band geht es hier allerdings nicht zu. Balladen gibt es zwar nicht zu hören, aber das ein oder andere gerade Hard Rock-Riff kommt durchaus zum Tragen. Trotzdem ist der Post-Hardcore-Einfluss auch immer wieder deutlich zu erkennen, vor allem im brachialen „Sucks To Be You“, und an jeder Ecke lauern kurze progressive Passagen. Überhaupt gefallen sich JUST LIKE VINYL darin, immer wieder kleine musikalischen Spielereien, überraschende Wendungen und anderes wildes Zeug einzubauen, was ihnen einen sehr eigenständigen Sound verleiht. Auf jeden Fall ein interessantes und intensives Album, das JUST LIKE VINYL hier abgeliefert haben, und ballern tut es auch immer mal wieder gut. Was aber fehlt, sind ein echter roter Faden und herausragendes Songmaterial. So hat man am Ende einfach eine Reihe spannender Riffs und Breaks, aber mehr bleibt langfristig leider nicht hängen.
MARILLION ist mehr als die ex-Band von FISH. Auch wenn sie mit ihm die größten und bis ins Heute hinein strahlenden Erfolge hatte. Waren die Engländer einst ein Stern am Prog-Rock-Firmament, so sind sie 2012 eher ein kantiger, bedrohlich in Flammen stehender Asteroid.
"Gaza" - ein inhaltsschwerer Brocken fliegt uns als erster ins Gehör und macht mit seinen 17:30 Minuten Spielzeit schon mal klar: kommerzielles Kalkül spielt keine Rolle bei "Sounds That Can´t Be Made". Leicht orientalisch eingestimmt schleicht, mal schwebt, doch meist walzt "Gaza" sich durch Raum und Zeit. Beeindruckend, selbstbewusst und anspruchsvoll - schwer verdaulich werden die 17 Minuten gefüllt. Der folgende Titeltrack hält den "Bedrohungs-Level" und kommt stampfend daher. Bei "Pour My Love" wird in sanfteren Tönen gemalt, und der Hörer darf kurz aufatmen - um im nächsten, fast dramatischen "Power" erneut gepuscht zu werden. Hier verdient die ausdrucksstarke, an Bono erinnernde Gesangsdarbietung von Steve Hogarth ein besonderes Lob.
Durch die gesamte Scheibe zieht sich eine enorm starke "Keyboardarbeit" - feinsinnige Melodien werden durch die Songs gezogen, um im nächsten Moment ein- und aufgerissen zu werden. "Sounds That Can´t Be Made" ist irgendwie düster, ernst, mal wunderschön, detailliert und mal verwirrend ums Eck gedacht. Die Scheibe wird nicht jeden begeistern können - gleichwohl meine ich, Qualität kann ihr "Freund" und "Feind" nicht absprechen.
Ich habe schon lange keinen Tipp mehr vergeben. Aber wenn so ein nettes Hardrock-Scheibchen wie SLASH`s aktuelles Werk ein Tipp sein kann - dann ist MARILLIONS neuester Streich erst recht einer.
Manchmal ist es einfach unglaublich, was man als glücklicher Rezensent aus dem Briefkasten fischen darf. Einen wahren Glücksmoment bescheren einem die Texaner ETHEREAL ARCHITECT. War schon das Vorgängerwerk „Dissension“ ein Hammeralbum, so setzen ETHEREAL ARCHITECT mit „Monolith“ noch einen drauf. Auch wenn ETHEREAL ARCHITECT unglaublich eigenständig sind, so kann man ihre Musik grob als Verbindung der Power von Bands wie ICED EARTH oder HELSTAR mit der Verspieltheit und Virtuosität diverser 90er US Prog Metal Acts wie MERCURY RISING, PSYCO DRAMA oder RADAKKA beschreiben. Allein die schwebenden Melodien des Openers „Kalinago“ in Verbindung mit knallharten Doublebassattacken jagen einem einen wohligen Schauer nach dem anderen den Rücken herunter. Die vier jungen Herren sind absolute Ausnahmekünstler, welche es aber immer schaffen ihre Musikalität dem jeweiligen Song unterzuordnen. Trotz einer hohen Melodiedichte wird es nie kitschig, und ETHEREAL ARCHITECT erweisen sich immer wieder als überaus geschmacksicher, wenn es darum geht träumerische Melodiebögen mit harten Riffs zu verbinden. Trotz vieler Rhythmuswechsel und hart / soft Dynamics wirken die Songs zu jeder Zeit schlüssig durcharrangiert und niemals zerfahren. Jedes Break sitzt da wo es hingehört. Hier wurde nichts dem Zufall überlassen. Zerbrechliche Prog Rock Tracks, wie das den Geist von SPOCK'S BEARD atmende „Obscura“ stehen dabei gleichberechtigt neben fast schon thrashigen Nackenbrechern à la „Bardo Becoming“. ETHEREAL ARCHITECT haben mit „Monolith“ ein anspruchsvolles Progressive Metal Werk erschaffen, welches nahezu alle Facetten harter Musik abdeckt und mit Sicherheit den Test of Time bestehen wird. Mit ETHEREAL ARCHITECT steht eine der beeindruckendsten Formationen der letzen Jahre am Start. Was SHADOW GALLERY für den Underground der 90er Jahre waren, sind ETHEREAL ARCHITECT heute.
Die schweizerInnen GATES OF OBLIVION machen es einem nicht gerade einfach. Auf ihrem zweiten Werk „Mirrored Reflections“ gibt es sowohl Licht als auch Schatten. GATES OF OBLIVION verbinden progressive Songstrukturen und anspruchsvolle Instrumentalarbeit mit Einflüssen aus dem Gothic Bereich. Mitunter klingen sie wie eine komplexere Variante von EDENBRIDGE. Die Stücke sind sehr detailverliebt und bieten auch nach mehrmaligem Hören immer neue Feinheiten, welche die Sache interessant und spannend halten. Was zugunsten des Anspruchs an hoher Musizierkunst etwas auf der Strecke bleibt sind die ganz großen Hooks, welche einem auch nach Tagen nicht aus dem Ohr wollen. Hier ist noch Luft nach oben. Ideen wie die Hammondorgel in „Miracle Bird“ sind dagegen richtig cool. Das größte Problem sehe ich persönlich im Gesang von Frontfrau Aline Bühler, welche über eine sehr hohe und fragile Stimme verfügt. Während sie in den sehr ruhigen Moment äußerst wohl tönt, so kommt sie in den aggressiveren Parts schnell an ihre Grenzen und wenn sie versucht die Rockröhre auszupacken wird es schrill und man hört, dass das überhaupt nicht ihr Ding ist. Die Eigenpressung tönt recht professionell und man ist definitiv auf dem richtigen Weg, in Sachen Gesang sollte man aber noch einmal in Klausur gehen.
Wer den Namen Ihsahn immer noch mit EMPEROR in Verbindung bringt, liegt in historischer Hinsicht goldrichtig, aber rein musikalisch verbindet Vegard Sverre Tveitan, wie Ihsahn mit bürgerlichem Namen heißt, seit einigen Jahren fast nichts mehr mit dem, was ihn einst über die Black Metal-Szene hinaus bekannt machte. Im Lauf seiner letzten drei Solo-Alben „The Adversary“, „angL“ und „After“ sind die schwarzmetallischen Wurzeln zugunsten komplexer Avantgarde-Klänge nahezu vollständig gewichen. Und so kommt auch „Eremita“ in Sachen Herangehensweise eher dem Werk von ähnlich begabten Kollegen wie DEVIN TOWNSEND, STEVEN WILSON oder MIKAEL AKERFELDT nahe, was das Ausleben der künstlerischen Freiheiten betrifft. Startet das Album mit dem sperrigen „Arrival“ noch etwas schwerfällig, kann bereits „The Paranoid“ mit einem hocheingängigen Refrain punkten, bevor weitere Knaller wie das bombastisch-progrockige „The Eagle And The Snake“, das treibende „Something Out There“ (die Blastspeed-Parts lassen tatsächlich Erinnerungen an alte Zeiten aufkommen!), das Saxophon-lastige „The Grave“ (auch im Stücke „Catharsis“ wird geblasen) oder das abschließende, vertrackte „Departure“ (mit Damengesang gegen Ende) den Hörer richtig fordern. „Eremita“ schafft den schwierigen Spagat, einerseits höchst anspruchsvoll zu klingen, andererseits nicht durch unnötige Überladung ins Nirwana abzudriften, was erneut für die hohe Songwriting-Kunst des einstigen Black Metal-Pioniers spricht. Und auch ohne die ganz großen Übersongs ist das Album richtig gut.
Wo nimmt der Mann nur all die Ideen her? Gerade erst letztes Jahr hat Neal Morse das Doppelalbum „Testimony 2“ sowie auch das dazugehörige Live-Album veröffentlicht, da steht er auch schon mit einem komplett neuen Longplayer in den Startlöchern. Dabei hatte er gar noch gar keine fertigen Songs, sondern es traf sich einfach, dass Mike Portnoy und Randy George Ende Januar ein bisschen Zeit hatten, und zusammen ging man ins Studio und ließ der kreativen Energie freien Lauf. Das Ergebnis dürfte so manchem Prog-Fan die Freudentränen in die Augen treiben. Die Melodien, Riffs, Sounds – alles verweist auf klassischen Progressive Rock, nicht nur auf SPOCK'S BEARD, sondern auch auf deren Vorbilder, vor allem auf KING CRIMSON. Dichter als noch zuletzt auf „Testimony 2“ werden rhythmisch vertrackte Parts, instrumentale Jam-Parts und wunderbare Melodiebögen ineinander verwoben, und nicht nur der mehrstimmige Gesang in „Thoughts Part 5“ dürfte als eindeutiges SPOCK'S BEARD-Zitat verstanden werden. Gleichzeitig klingt alles so frisch und locker, wirken die Musiker wie gelöst und scheinen sich von allem bislang Produzierten freispielen zu wollen. „Momentum“ lebt dabei auch von seinen Gegensätzen. In „Weathering Sky“ etwa wird auch mal hart und bluesig gerockt, wohingegen die traumhafte Ballade „Smoke and Mirrors“ zu einem Großteil von einer akustischen Gitarre getragen wird. Lediglich das pathetische und musikalisch eher uninteressante „Freak“ fällt etwas ab, außerdem kommt im Text doch ein bisschen zu oft „Jesus“ vor. Dafür entschädigt aber „World Without End“, das mit sechs Teilen und 33:38 Minuten die komplette zweite Hälfte des Albums einnimmt. Hier werden noch einmal die besten Zutaten in einen Topf geworfen, und daraus entsteht ein so energiegeladenes wie gefühlvolles und ebenso ein so düsteres wie positives Monster-Stück mit Höhen und Tiefen, Wendungen und Bögen, das einen von Anfang bis Ende im Bann hält. Man könnte Neal Morse den Vorwurf machen, dass er auf „Momentum“ wieder einmal typische Song-Elemente neu miteinander vermischt hat. Aber das macht er so meisterhaft und auf eine derart aufregende Art und Weise, dass man sich einfach nicht satt hören kann. „Momentum“ dürfte damit wohl das stärkste seiner Alben sein, die seit seinem Ausstieg bei SPOCK'S BEARD entstanden sind.
Die Briten THE PIRATE SHIP QUINTET machen auf „Rope For No-Hopers“ bereits in den ersten Minuten deutlich, dass sie sich zwar im Postrock heimisch fühlen, aber sich ihre eigene Nische gesucht haben. Der bei vielen Kollegen prägnante Wechsel in den Stimmungen findet sich in den fünf überlangen Songs der Briten ebenso wenig wie eine Fokussierung auf die Gitarrenarbeit. Stattdessen wird die Gitarre gleichberechtigt in den Gesamtsound eingebaut, was beispielsweise dem Cello den nötigen Raum gibt, um die traurige, trübe Atmosphäre des Albums aufzubauen; gleiches gilt für den dezent eingesetzten Gesang, der durch seinen Schwerpunkt auf heisere Schreie diese Atmosphäre nur verstärkt. Mit dem Opener „You’re Next“ wird klar, dass THE PIRATE SHIP QUINTET viel Zeit in das Austüfteln ihrer Songstrukturen investiert haben, so langsam wie sich der Song aufbaut, um dann bei ungefähr der Hälfte der Spielzeit zu einer Eruption zu kommen, die dann in den Folgeminuten nachschwingt. Die anderen vier Nummern des Albums können das hohe Niveau bei Songwriting, Atmosphäre und virtuosem Spiel halten. Hier war eine Band am Werk, de gemeinsam ein zwischen Melancholie und Depression schwingendes Album erschaffen hat, ohne den Fehler zu begehen, die im Postrock so häufigen positiven Vibes oder kleinen Sonnenstrahlen in die Songs zu schicken. „Rope For No-Hoper“ bleibt so durchgängig der perfekte Herbstsoundtrack. Schlicht und schön.
Eigentlich wollten COLLAPSE UNDER THE EMPIRE in diesem Jahr den zweiten Teil von „Shoulders & Giants“ nachlegen, verschoben dann aber den Release von “Sacrifice & Isolation”auf 2013, da die ursprünglich als zwischendurch-mal-eben-eingeschobene EP „Fragments Of A Prayer“ wuchs und wuchs, schlussendlich zu einem kompletten Album. Es gibt Schlimmeres. In der Tat ist „Fragments Of A Prayer“ ein wunderschönes Album geworden, mit dem die Hamburger erneut unter Beweis stellen, wie vielschichtig Postrock sein kann. Anders als viele Kollegen geben sie der Gitarre keine dominante Rolle im Sound, sondern stellen sie gleichberechtigt neben viele Instrumente und Effekte, wodurch das Ergebnis sehr episch klingt und immer wieder an sphärische Soundtracks erinnert („The Beyond“). Dabei verstehen es die Musiker, die Songs fesselnd zu halten und dem Hörer Potential für Kopfkino zu bieten, ohne dass „Fragments Of A Prayer“ eine Grundstimmung oder Grundbilder mitliefert – wer sich auf dieses Album einlässt, ist mit seiner ganzen Phantasie gefordert, wird den Einsatz aber nicht bereuen, da die zehn Songs schlicht wunderschöne Musik bieten. Für Liebhaber instrumentaler Musik ebenso ein Muss wie für Denovali Records-Alleskäufer und Postrockenthusiasten. Und nebenbei ein schönes Beispiel dafür, wie die eigene Kreativität Pläne über den Haufen schmeißt.