Was soll man sagen? QUEENSRŸCHE werden wohl immer an ihrem Meisterstück „Operation Mindcrime“ gemessen werden und natürlich kann der aktuelle Output „Digital Noise Alliance“ diese Großtat auch nicht in den Schatten stellen- - hat wohl auch kein Fan erwartet. QUEENSRŸCHE liefern zwar ordentlich ab und ex-CRIMSON GLORY-Frontman Todd La Torre hält die Band gesangstechnisch auf Spur, aber es will einfach keine Gänsehaut entstehen und die ganz großen Momente fehlen.
Dabei beginnt das Album mit „In Extremis“ äußerst vielversprechend und der Song beinhaltet alle geliebten Trademarks der „alten“ QUEENSRŸCHE. Der Song ist äußerst progressiv, aber bleibt trotzdem eingängig. Die Gitarrenläufe klingen unverkennbar nach QUEENSRŸCHE und somit kann der Hörer den ersten Song als gelungen betrachten. Progressiver Metal wird auch in den Songs „Chapters“, „Lost Sorrow“ oder „Sicdeth“ angeboten, aber leider bleibt oft nichts hängen. Es fehlt eindeutig der Erkennungswert und ein packender Refrain. Handwerklich ist alles natürlich in der Oberklasse angesiedelt, aber leider haben QUEENSRŸCHE verlernt echte Songs zu schreiben, die den Hörer umhauen und sich als Ohrwurm manifestieren. „Behind The Walls“ kann da wieder ein wenig versöhnen, da eine klare Linie erkennbar ist und auch der Refrain einen bleibenden Eindruck hinterlassen kann. Bei der Ballade „Forest“ werden sich die Geister scheiden. Natürlich ist „Forest“ kein zweites „Silent Lucidity“, aber das war bestimmt auch nicht der Anspruch der Band. „Forest“ ist eine melancholische Ballade, die unter die Haut geht, aber bei der man auch mitdenken muss. Mir gefällt der Ansatz, eine Ballade nicht zu „catchy“ zu gestalten und dem Hörer abzuverlangen, ein paar Durchläufe zu riskieren, um die wahre Größe des Songs zu erkennen. Jetzt wird es leider ein wenig düster: Coverversion? „Rebell Yell? Was war denn da los? Nicht nur, dass Todd in einer ungewöhnlich tiefen Stimmlage singt, nein, dem Song wurde jegliche Power genommen. Gefällt mir persönlich überhaupt nicht. Da das Album aber eine Spieldauer von über einer Stunde vorweisen kann, ist der Bonussong definitiv zu verschmerzen.
Alles in allem ist „Digital Noise Alliance“ ein ordentliches Album geworden, aber für eine Band mit dem Namen QUEENSRŸCHE leider zu schwach. Es ist wirklich die Frage, ob die Band sich mit einer Umbenennung nicht eher einen Gefallen getan hätte. Jetzt ist es zu spät und die Schatten der Vergangenheit werden über jedem Output der Band größer. „Operation Mindcrime“ war damals eine Sternstunde und diese Sternstunde wird der aktuellen Band zum Verhängnis…
Noise Records bzw. BMG veröffentlichen am 09.09.2022 die Neuauflagen von CONCEPTIONs ersten vier Alben als CD und Vinyl-Version. "Flow" war chronologisch gesehen das letzte Album der vier; danach brach die Band auseinander, und Sänger Roy Khan wechselte zu KAMELOT.
Die 90er waren keine leichte Zeit für Metal, und auch CONCEPTION gerieten vom Zeitgeist getrieben unter Druck. Vielleicht war das der Grund, warum die Band mehr elektronischen Sound auf "Flow" anbietet. Gleichwohl finde ich, dass dieser nicht als "Verrat", sondern durchaus als Bereicherung wahrzunehmen ist. "Flow" bleibt ein Hard Rock- bzw. Metal-Album mit gewohnt progressivem Einschlag.
"Gethsemane" markiert stimmungsvoll, rhythmisch groovend und nach heutigem Stand noch immer modern den Beginn des Werkes. Roy Khan kredenzt uns eine starke Gesangsmelodie und muss bei seiner Performance keine Vergleiche mit Geoff Tate fürchten. Das großartige "A Virtual Love Story" punktet mit einer kühlen, düsteren, fast schon synthetischen Ästhetik, wirkt dabei aber ungemein intensiv und intim. Im Kontrast dazu steht der beschwingt tänzelnde Titelsong, der darüber hinaus noch eine starke Melodie in sich trägt. Atmosphärisch und leidenschaftlich wird es bei der Halbballade "Cry" (die zusätzlich als Demo-Version vertreten ist), ehe bei "Reach Out" wieder künstlich anmutende Sounds den Song prägen. Abschließend muss noch die gefühlvolle, spärlich instrumentierte Ballade "Hold On" Erwähnung finden, die Roy Khan mit zartem, flehenden Gesang veredelt. "Flow" ist in dem Alben-Quartett vielleicht das umstrittenste Werk, nicht zuletzt wegen seiner oft kühlen und modernen Ausrichtung. Ich für meinen Teil empfinde den Longplayer als ungemein ambitioniert, inspiriert und für die damalige Zeit klanglich fast avantgardistisch.
CONCEPTION haben sich über die vier Alben verändert und entwickelt, blieben aber immer klar erkennbar und nachvollziehbar. Ohne Frage hätten die Norweger höhere Beachtung und Erfolg verdient. Vielleicht gelingt ihnen das ja noch in naher Zukunft. Denn seit 2020 ist die Band wieder vereint und hat mit "State of Deception" ein starkes Comeback abgeliefert - was sicher, so hoffe ich, nur der Auftakt zu weiteren neuen Taten war.
Noise Records veröffentlichen am 09.09.2022 Neuauflagen von CONCEPTIONs ersten vier Alben. Ihr drittes Werk "In Your Multitude" erschien ursprünglich 1995. Das originale Vinyl erzielt mittlerweile absurde Preise und insbesondere die Fans der großen Scheiben dürfte freuen, dass nun eine Gatefold-Doppel-LP in gelbem Vinyl am Start ist. Eine neue CD-Variante wird selbstverständlich auch erhältlich sein.
Musikalisch war "In Your Multitude" eine spürbare Veränderung zum brillanten Vorgänger "Parallel Minds". Regierten bei diesem noch ziemlich eingängige und oft flotte Songs, kommt "In Your Multitude" von der Grundstimmung sehr viel düsterer daher. Das tut der Qualität der Musik zwar keinen Abbruch, das Album erfordert aber möglicherweise den ein oder anderen Durchlauf mehr, um richtig zu zünden. Wer sich darauf einlässt, wird jedoch reich belohnt. Mit dem Opener "Under A Mourning Star" starten CONCEPTION mit einem echten Juwel in das Album. Zu Beginn schroffe, stark rhythmisierte Riffs, eine atmosphärische Strophe mit toll eingesetzter Hammond-Orgel werden garniert von einem hervorragenden Refrain. Das folgende "Missionary Man" wird getragen von der stoisch groovenden Rhythmusgruppe, während sich Tore Østby und Roy Khan auf dieser Grundlage austoben. Wunderbar! Etwas härter, doch genauso gut, geht es bei "Retrospect" zu, bevor sich mit "Guilt" ein arg zäher Brocken anschließt. Dem Song fehlt es leider an melodischer Spannung. Dafür entschädigt die Ballade "Sanctuary" mit dem Focus auf dem einzigarten, einfühlsamen Gesang von Roy Khan. Ein traumhaftes Stück und die Einleitung zu dem Übersong des Albums und dem vielleicht besten Stück in CONCEPTIONs Bandgeschichte: "A Million Gods" reißt den Progressive-Pegel deutlich nach oben. Fantastische Gitarrenarbeit, brillanter Songaufbau, ein hochmelodischer Refrain, clever und gar nicht altmodisch eingesetzte Hammond-Orgel. Und dann erst der geniale instrumentale Mittelteil (das ist auch wieder die Flamenco-Gitarre im Spiel)....wenn ihr diesen Song zum ersten Mal abspielt, versammelt eure Familie am Feuer, haltet euch an den Händen und lauscht andächtig den wunderbaren Klängen! Mit diesem Song hat sich die Band ein Denkmal gesetzt.
Danach lässt "In Your Multitude" allerdings nicht locker. "Some Wounds" serviert den besten Refrain des Albums und der abschließende Titeltrack baut noch einmal die volle Atmosphäre auf, die dieses Werk auszeichnet. Die drei Bonustracks wirken danach etwas wie Fremdkörper und es wird deutlich warum das darunter enthaltene "Gravity" nur Bonussong der ursprünglichen Japan-Version war. Ein guter Song, der allerdings von seiner Ausstrahlung nicht zum Rest passt.
Zu seiner Erstveröffentlichung hatte "In Your Multitude" mit seiner düster-melancholischen Ausrichtung einen schweren Stand bei vielen Fans, insbesondere nach einem solch sensationellen Album wie "Parallel Minds". Mit 27 Jahren Abstand ist "In Your Multitude" allerdings gewachsen und ein eigenständiges Meisterwerk, das in jede Sammlung gehört, die sich progressivem Metal widmet. Nun gehet hin und kaufet!
Mit INFIDUS betritt eine noch frische Band das Parkett, die es bisher auf zwei Singles („The Tragedy“ und „Locomotive“, beide von vorliegendem Debütalbum) gebracht hat. Ursprünglich als Quartett in Oslo gegründet, stieß alsbald Sänger Mikael Willy Wilhelmsson aus Schweden zur Band, so dass die Truppe, die ihre Einflüsse etwa bei MASTODON, METALLICA oder auch KILLSWITCH ENGAGE sieht, das Projekt „Endless Greed“ in Angriff nehmen konnte. Und das Werk liefert demnach auch keine puren Old School-Klänge, sondern eher modernen (Progressive-) Metal, dem sowohl etwas Stoner/Southern Rock als auch eine Prise „Schwarzes Album“ (siehe Einflüsse) beigemengt wurde. Mit gar nicht mal allzu viel Fantasie kann man auch etwas FATES WARNING der späteren Ray-Alder-Phase heraushören. Zwischen alle Stühle setzen sich die - bereits durch diverse Tätigkeiten in zahlreichen anderen Bands erfahrenen - Herren damit jedoch nicht, sondern schreiben nachvollziehbare, wenn auch nicht gänzlich eingängige Songs, die etwas Einarbeitungszeit benötigen. Zu den zugänglicheren Kandidaten auf „Endless Greed“ gehören zum Beispiel das oben erwähnte „Locomotive“ sowie die melodischen „Mind Rape“ und „Beyond The Plimsoll Mark“, die sich sehr gut als Anspieltipps eignen und, ebenso wie die anderen Songs, sowohl von den schweren Riffs der Herren Øyvind Hetland und Kenneth Andresen (die beide zusätzlichen Gesang beisteuern) als auch vom kraftvoll-gemäßigten Gesang Wilhelmssons leben. Auch wenn „Endless Greed“ am Ende kein Überflieger geworden ist, so zeigt es doch ein sehr hohes Potential einer Mannschaft, der ich mit noch packenderen Songs, über die gesamte Spielzeit hinweg, fraglos ein „Tipp“-Album zutrauen würde.
Die Neunziger. Die Metal-Welt lag in Trümmern. Statt enger Jeans und weißer Hi-Tops regierten Holzfällerhemden und Bergmannsschuhe. In diesen düsteren Zeiten zog eine Truppe von unerschrockenen Norwegern aus, um die Flamme der metallischen Gerechtigkeit hinaus in die Welt zu tragen. Noise Records waren mutig genug, CONCEPTION unter Vertrag zu nehmen und den Kreuzzug des wahren Glaubens zu unterstützen.
Im November 1993 erschien "Parallel Minds" und passte musikalisch so gar nicht in die damalige Welt. Melodischer, leicht progressiver Metal mit unerhört gutem Gesang von Roy Khan (der später mit KAMELOT zu größerer Bekanntheit kam) und dem fantastischen Gitarrenspiel von Tore Østby wurde mit diesem Album erstmals einer breiteren Masse zu Gehör gebracht. Das eigentliche Debüt "The Last Sunset" wurde zwar von der Band selbst bereits vorher veröffentlicht - mehr oder weniger ein Demo - offiziell von Noise allerdings erst nach "Parallel Minds" auf den Markt gebracht. Nachdem sämtliche Alben von CONCEPTION jahrelang nicht verfügbar waren, und die Originale teuer bezahlt werden mussten, kommen alle vier Frühwerke nun endlich neu als CD und Vinyl auf den Markt.
Nach dem Testballon "The Last Sunset" merkte man der Band an, dass sie viel dazu gelernt hatte, und sie präsentierte sich nun musikalisch deutlich ausgereifter und kompakter. "Parallel Minds" stellt das zugänglichste Werk CONCEPTIONs dar und strotzt nur so vor anspruchsvollen, aber gleichzeitig sehr eingängigen Kompositionen. Vom straighten Opener "Water Confines" über den Mini-Hit "Roll The Fire" mit seiner prägnanten Gitarrenmelodie, tolle Balladen wie "And I Close My Eyes" bis zu kräftig riffendem Material wie "Wolf´s Lair", ist alles am Start, was das Herz des Prog Metal-Fans begehrt. Gekrönt wird das Ganze vom abschließenden Neunminüter "Soliloquy" mit seiner dramatischen Melodieführung und exzellenter Gitarrenarbeit.
Die Scheibe ist wahnsinnig gut gealtert - sie steht aktuellen Releases ähnlicher Bands in keiner Weise nach. Wer also CONCEPTION noch nicht kennt, der ziehe nun los und vollende den metallischen Kreuzzug mit dem Kauf dieses zeitlosen Kleinods. Das Vinyl kommt als Doppel-LP in schönem Orange. Die drei Bonussongs (Demo- bzw. Live-Versionen) sind auch auf der kleinen, silbernen Version enthalten. Würden wir hier Punkte vergeben, dieses Album wäre eine ganz glatte Zehn von zehn.
Wer in den 90ern Heavy Metal oder Hard Rock machte, hatte einen schweren Stand. Grunge war das dominierende Genre in der gesamten westlichen Welt. Große etablierte Bands kamen ins Straucheln oder biederten sich diesem neuen Stil an, und die neuen, jungen Combos taten sich schwer, erst einmal einen Fuß in die Tür zu bekommen. Just zu Beginn dieser Epoche veröffentlichten CONCEPTION ihr Debüt “The Last Sunset“. So ist es nicht verwunderlich, dass der eine oder andere die Norweger noch nicht auf dem Schirm hat.
Im Zuge der Neuveröffentlichungen ihrer ersten vier Scheiben erscheint “The Last Sunset“ nun in remasterter Form mit drei Demotracks auf blauem Vinyl.
In unserer ersten Ankündigung vom 22.07.2022 wurde die Veröffentlichung als Übergangsalbum bezeichnet. Das lag natürlich u. a. daran, dass das Werk fast komplett fertig war, als Roy Sætre Khantatat alias Roy Khan (vermutlich vielen als Sänger von KAMELOT bekannt) den Job am Mikro übernahm und sämtliche Songs, bis auf den Titeltrack, vom Ausnahmegitarristen Tore Østby komponiert wurden. Folglich spielt hier die Gitarre mehr oder weniger die erste Geige. Die einzelnen Songs beinhalten lange, teils ausufernde Gitarrenparts, die mitunter klassisch angehaucht sind, wie man sie vom Saitenhexer Yngwie Malmsteen kennt; das Besondere sind indes die Flamenco-Einlagen. Das erste Mal tauchen sie bei “War Of Hate“ auf und ziehen sich dann wie ein roter Faden durch die ganze LP. Meist werden sie auf der akustischen Gitarre traditionell dargeboten. Bei “Among The Gods“ (mein persönliches Highlight) wurde sogar das typische Klatschen hinzugefügt, man entdeckt das Thema aber zuweilen auch im elektrischen Gitarrenspiel, wodurch “Fairy´s Dance“ eine orientalische Färbung bekommt. Im Vergleich zu den Folgealben, war damals Roys Gesang deutlich klarer und getragener angelegt. Das einzige von ihm mitgeschriebene Stück “The Last Sunset“ trägt progressive Züge, der Rest ist weniger verkopft und könnte man in der Schublade “Power Metal“ finden. Der Sound selbst ist transparent, und alle Instrumente kommen zur Geltung. Die Keyboards waren jedoch bei weitem noch nicht so prägnant wie in den folgenden Jahren.
Die Demos auf der D-Seite sind allesamt bisher unveröffentlicht (nicht irgendwelche anderen Versionen), die im Übrigen in puncto Sound den anderen Tracks in nichts nachstehen. Warum diese bisher noch nicht das Licht der Welt erblickt haben, ist mir ein Rätsel. “Bound To Suffer“ wurde bereits am 19.08.2022 als Appetizer veröffentlicht, und “By Dawn´s Early Night“ ist ein großartiges Instrumentalstück mit Gitarrengefuddel vom Allerfeinsten. Überirdisch was der gute Tore da raushaut - die Kirsche auf der Torte.
Die LPs selbst sind sehr gut verarbeitet, haben aber leichte Laufgeräusche, die wohl der Farbe geschuldet sind. Mit einer Länge von ca. 66 Minuten ist die Ausführung als Doppel-LP außerdem gerechtfertigt. Einziges Manko ist die Rückseite des Gatefold-Covers. Dort sind die vier Musiker abgebildet, aber leider so unscharf, als sei hier das CD-Booklet als Grundlage verwendet worden.
Ray Alder (FATES WARNING) hat diesen Monat gleich zwei Veröffentlichungen im Angebot. Einmal das mit Mark Zonder eingespielte und simpel "A-Z" genannte Werk und das Debüt der neu geformten Super-Group FIGURE OF SPEECHLESS, die u. a. aus Größen wie Derek Sherinian (Keybord/Produzent), Ron "Bumblefoot" Thal (Gitarre) und Brian Tichy (Drums) besteht. Der dazu eher unbekannte Musiker Glen McMaster (Gitarre) ist aber der eigentliche Initiator und Haupt-Songwriter des Projekts.
Das Album "Tunnel At The End Of The Light" hat eine bewölkte und finstere Atmosphäre, die gerade Derek Sherinian mit seinem gespenstisch klingenden Keybordspiel zusätzlich dunkel einhüllt. Der starke Opener "Day And Night" stampft stoisch aus dem Startblock; Ray Alder veredelt mit tragischem Unterton die über sieben Minuten lange Nummer, die einen interessanten Mittelteil mitbringt und das Tempo am Ende verschärft. "Carve A Smile" beginnt melancholisch, fast zart, wird aber im weiteren Verlauf dann doch härter und dynamischer - hier gefällt der lebendige Instrumentalteil. Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Gesangslinien partiell eine gewisse Eintönigkeit vermitteln. Gerade im Kontrast zu den oft agilen Instrumentalparts. "Escape Hatch" kann hier als Beispiel dienen; musikalisch brennt die Nummer von Anfang bis Ende, Ray Alders gesangliche Performance, bzw. seine Gesangsmelodie wirkt hier abschwächend und bremsend. Das bestätigt sich bei "Midnight Desert Rendezvous" und wird nach einem kurzen Zwischenhoch (Titelsong, "The Cast-Out") leider zur Regel. Auf den Papier ist gerade Ray Alder prädestiniert für die eingangs erwähnte dunkle Aura, die dem Album anhaftet. Aber entweder passt der Sänger nicht ins musikalische Konzept oder eben die Songs nicht zum Sänger.
Wenn man bedenkt, welch großartige Künstler bei FIGURE OF SPEECHLESS beteiligt sind, bleibe ich doch etwas enttäuscht zurück. Instrumental hat das Album einiges zu bieten - gerade Sherinian agiert hier songdienlich und inspiriert wie lange nicht. Schade, hier wäre sicher mehr drin gewesen.
"Moving Pictures" von RUSH ist so eine Art "heiliger Gral" der progressiven Rockmusik. Wer mit einem gesunden Musikverstand ausgerüstet ist und das am 07. Februar 1981 erschienene Werk einmal in Gänze durchgehört hat, weiß, von was ich hier schreibe. Das achte Album der Band um die drei kanadischen Ausnahmemusiker (Bassist, Keyboarder und Sänger Geddy Lee, Drummer Neil Peart sowie Gitarrist Alex Lifeson) taucht nicht umsonst immer auf den vorderen Plätzen der einschlägigen Alben-Ranglisten auf. RUSH bieten eine perfekte Symbiose aus Eingängigkeit und progressivem Anspruch; selten wurden instrumentale Finessen so songdienlich und trotzdem offensichtlich dargebracht. Einzelne Parts und ganze Melodien wollen zeitlebens nicht aus dem Kopf und zwingen einen fast schon zur Repeat-Funktion. Und das nach 40 Jahren – denn "Moving Pictures" gehört zu jenen Alben, die nicht altern, für die das Wort "zeitlos" erfunden wurde. Und natürlich sind es vor allem "Tom Sawyer" und das instrumentale "YYZ", das auch der "Normalo-Rockfan" kennt, und das bei vielen Rockstations zum Standard-Repertoire gehört. Aber ein jedweder Kenner weiß: alle sieben Songs sind Volltreffer.
Das Album wurde 2015 remastert und erscheint jetzt erstmals auf CD – der Klang der Scheibe war schon immer gut – und darf nun durchaus als atemberaubend bezeichnet werden. Neben dem gelungenen 24-seitigen Booklet mit unveröffentlichten Fotos, Symes neuem Artwork und neuen Illustrationen sowie den kompletten Linernotes sind es vor allem die beiden Bonus-CDs, die Freude machen. Das bislang unveröffentlichte und ebenfalls ganz neu abgemischte Live-Bonusmaterial ist einfach phänomenal. Es wurde von Terry Brown, dem angestammten Produzenten der Band, von den analogen Original-Livetapes übertragen. Die bislang unveröffentlichten Live-Aufnahmen basieren auf einem ungekürzten Konzertmitschnitt aus Toronto, wo RUSH am 25. März 1981 in den Maple Leaf Gardens auftraten (hier passend zum Songtitel bezeichnet als "Live In YYZ 1981"). Dabei geben RUSH bis auf einen Song das ganze "Moving Pictures"-Album zum Besten und eine Auswahl von Highlights aus den vorangegangenen Alben. Was die drei Künstler hier auf der Bühne abliefern, ist ein echtes Highlight und ein MUSS für jeden Fan der Trios. Echt ganz großes Kino.
CD 1 - Moving Pictures / Originalalbum:
01. Tom Sawyer
02. Red Barchetta
03. YYZ
04. Limelight
05. The Camera Eye
06. Witch Hunt
07. Vital Signs
CD 2 - Live In YYZ 1981 / bislang unveröffentlicht:
01. 2112 – Overture
02. 2112 – The Temples Of Syrinx
03. Freewill
04. Limelight
05. Cygnus X-1 Book II: Hemispheres – Prelude
06. Beneath, Between & Behind
07. The Camera Eye
08. YYZ
09. Broon’s Bane
10. The Trees
11. Xanadu
CD 3 - Live In YYZ 1981 / bislang unveröffentlicht:
01. The Spirit Of Radio
02. Red Barchetta
03. Closer To The Heart
04. Tom Sawyer
05. Vital Signs
06. Natural Science
07. Working Man / Cygnus X-1 Book II: Hemispheres – Armageddon: The Battle Of Heart And Mind / By-Tor & The Snow Dog / In The End / In The Mood / 2112 – Grand Finale
Aus Andorra erreicht uns dieser Tage ein echtes Highlight. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, von dieser Band schon irgendwann mal ein Lebenszeichen entdeckt zu haben, und dies ist scheinbar ein großer Fehler gewesen. Nach ein wenig Recherchearbeit, soll wohl schon der Vorgänger „Aathma“ ein großartiges Werk des progressiven Death Metals gewesen sein, dessen Verköstigung ich zeitnah definitiv nachholen werde.
Derzeit bin ich aber mit „Metanoia“ völlig beschäftigt, und dies wird auch noch eine lange Zeit so bleiben. Es gibt auf dem Album sehr viel zu entdecken, und man kommt teilweise nicht mehr aus dem Staunen heraus. PERSEFONE spielen nicht nur progressiven Death Metal, sondern kochen ihr ganz eigenes Süppchen. Man stelle sich eine Freundschaft aus DREAM THEATER, LEPROUS, CYNIC und PESTILENCE vor, die nochmals durch den Einsatz einer Vielzahl von elektronischen Sounds verstärkt wird. Klingt wirr? Ist es auch! Wirr, aber genial!
Der Titeltrack, welchen ich unbefangen genießen konnte, weist noch nicht auf eine Verbindung zum Death Metal hin. Der Gesang von Marc Martins erschallt glockenklar und wird nur durch elektronische Elemente untermalt. „Metanoia“ stimmt in jedem Fall perfekt auf das zweite Stück „Katabasis“ ein, welches gleich an CYNIC erinnert. Die Gitarren sind nicht von dieser Welt, der Drummer kennt keinen durchgängigen Rhythmus, und bevor die Sache zu wild wird, erklingt wieder der eindrucksvolle Klargesang. Danach wird es ruppiger und überaus technisch. Hobbymusiker werden hier mit den Ohren schlackern, und Freunde des gepflegten Growls kommen nun auch auf ihre Kosten. Was ein Durcheinander – was für eine Freude! PERSEFONE sind selbstbewusst und sich ihrer musikalischen Stärken bewusst, und dies beweist die Band mit dem Instrumental „Leap Of Faith“. Der Gesang wird hier nicht eine Sekunde vermisst, da musikalisch einfach zu viel passiert, und die Spannung fortwährend auf einem sehr hohen Niveau gehalten wird. Gleiches gilt für „Consciousness Pt. 3“, welches eine Länge von über elf Minuten vorweisen kann. Die Auskopplung „Merkabah“ vereint alle Stärken der Band, und besonders im Gesangsbereich passiert einfach unheimlich viel. Man könnte jetzt böswillig sein und der Band vorwerfen, dass kein Stil wirklich fokussiert wird, und man auf zu vielen Baustellen arbeitet, aber leider (oder zum Glück) ist auf jeder Baustelle die Arbeit zu 100 % perfekt. Dies könnte der einzige Kritikpunkt an „Metanoia“ sein – es wirkt fast zu perfekt. Musikalisch gibt es eh die Höchstnote, aber auch das Cover-Artwork und die Produktion lassen keine Wünsche offen.
Fazit: Absolute Höchstnote, die Historie der Band werde ich aufarbeiten und beste Grüße nach Andorra – ein Land, welches derzeit hell auf der Landkarte des Metals erstrahlt!
ART AGAINST AGONY will keine herkömmliche Band sein. Das Kollektiv aus Stuttgart will mehrdeutig, ambivalent sein und so befinden sich auch musikferne Künstler in seinen Reihen. Bekanntermaßen, ohne dass wir die Protagonisten kennen, denn ART AGAINST AGONY zeigen sich nur mit Masken.
Meine Review zu dem neuen Werk "Reincarnation Suite" wird sich in ihrer Kernaussage, in meinem Hauptkritikpunkt kaum von dem zum Vorgängeralbum "Shiva Appredation Society" unterscheiden. Das drückt zumindest Kontinuität, wenig kommerzielles Kalkül und eine gewisse Unerschütterlichkeit oder mehr noch, die feste Überzeugung an und in ihr Konzept aus. Musikalisch begeistern, den Hörer einfangen und binden scheint nicht das primäre Ziel der Band zu sein. ART AGAINST AGONY fordern, ohne Frage, mit musikalischem Können, aber nicht leicht folgbar. Die rein instrumentalen Songs zeigen sich zuweilen verstörend, jazzig und progressiv, bestenfalls post modern rockend. Findet der Zuhörer einen ihn ansprechenden Moment, was durchaus möglich ist ("Differentiate", "Elaborate"), so kann er sicher sein, dass dieser ihm schon bald entrissen wird. Das ist zugegeben spannend, unterhält auch ein stückweit, aber - und hier bin ich wie angekündigt wieder bei meinem Punkt - eine für den Hörer nachvollziehbare Songstruktur ist nicht oder kaum vorhanden.
Musikfans, die gerne auf neuen Pfaden wandeln, anspruchsvollen Progrock, Artrock und Jazz zu ihren Vorlieben zählen, werden aber sicher bei dem Stuttgarter Kollektiv auf ihre Kosten kommen
Uns liegt das Album passend zum Artwork in einer sehr schönen grau marmorierten Vinylversion vor. Die Pressqualität ist hervorragend, die Platte wird mit einem unbedruckten, gefütterten Inner-Sleeve auf der Bandcamp-Seite von ART AGAINST AGONY angeboten: https://artagainstagony.bandcamp.com/.