Ich muss gestehen, dass ich von den FRANTIC FLINTSTONES bislang noch rein gar nichts gehört hatte. Dabei haben sie sich bereits 1986 gegründet, unzählige Alben veröffentlicht – in einigen Jahren gleich zwei oder sogar drei – und gehören somit zweifellos zu den Urgesteinen des Psychobilly. Nachdem ich mir dann das neue Album zu Gemüte geführt hatte, war eins klar: Auch die alten Scheiben müssen her! Denn eine dermaßen originelle Variante dieser Stilrichtung habe ich wirklich noch nie gehört. Die Basis der Musik ist allerdings eindeutig Psychobilly, mal treibend und punkig, mal swingig und groovig, und mit einem ordentlichen Schuss Country und Hillbilly versetzt. So sind über minimalistischen Drums ein klackender Kontrabass und die obligatorische Gretsch-Gitarre zu hören. Dazu gesellen sich dann aber immer wieder für diesen Stil eigentlich unübliche Instrumente wie Violine, Banjo oder ein Bar-Piano. Auch der Gesang variiert extrem: Bandleader Chuck Harvey deckt die gesamte Palette zwischen P. Paul Fenech und Brian Setzer ab, dreht stellenweise aber auch völlig ab und klingt wie ein echter Psychopath. Als wäre das nicht schon genug, gibt es auch noch gleich eine ganze Reihe wirklich abgefahrener Covers zu hören. So wird aus Hank Williams „Cheatin’ Heart“ 50s Rock n’ Roll, „Mambo Sun“ von T-REX mit Banjo und Fidel intoniert und bei Roy Orbisons „Cast Iron Arm“ mit Bar-Piano geswingt, um im Chorus ordentlich aufs Gaspedal zu treten. Gegen Ende des Albums gibt es dann noch die wohl abgefahrenste „My Way“-Version ever zu hören, bevor es dann mit der ziemlich schräg interpretierten „Flintstones“-Titelmelodie aufhört. Dieser Scheibe gelingt es, die musikalischen Grenzen des Psychobilly zu sprengen und gleichzeitig absolut authentisch zu klingen, so dass sie sowohl Fans des Genres als auch anderer Musikrichtungen ansprechen wird. Ein Riesenspaß und ein wirklich wilder Sound, der wahrscheinlich live noch zusätzliche Energie freisetzt.
Eine Girl-Band aus Brasilien? Da muss man zunächst einmal unweigerlich an irgendwelche Samba-Hupfdohlen denken. Damit haben die drei Mädels von AS DIABATZ aber zum Glück rein gar nichts am Hut. Vielmehr frönen sie dem Psychobilly, und zwar in einer derart klassischen Weise, dass man sich gut 20 Jahre in die Anfangstage dieser Musik zurückversetzt fühlt. Über minimalistischen Drums liegen ein entspannt klackernder Kontrabass und eine kaum verzerrte Gitarre mit einem Surf-Sound in feinster Tarantino-Manier. Dazu kommt der Gesang von Baby Rebbel so oberlässig wie auch mit genau dem richtigen Quentchen Dreck in der Stimme rüber. Mit gerade mal 24 Minuten Spielzeit ist die Scheibe zwar etwas kurz geraten, zumal vier der Songs bereits auf der EP „Witches Stomp“ veröffentlicht und lediglich neu eingespielt wurden. Aber dafür ist hier wirklich nichts zu viel, es gibt keine Durchhänger, und das ist mir allemal lieber, als wenn irgendwann Langeweile aufkommt. Musikalisch erfinden AS DIABATZ sicherlich das Rad nicht neu, aber es macht einfach ohne Ende Spass, dem Old-School-Sound der drei Ladies zu lauschen.
Dass gut Ding Weile haben will, ist nicht nur hinlänglich bekannt, sondern könnte auch das Motto der drei Franzosen von den ASTRO ZOMBIES sein. Seit ihrer Gründung 1996 haben sie es nämlich gerade einmal zu ihrem vierten Studioalbum geschafft. Dieses ist allerdings ein wirklich gutes Ding geworden! Besteht ein guter Teil der Songs aus Abgehnummern zwischen Psychobilly, Punkrock und Rock ´n Roll, haben die Jungs noch einiges mehr zu bieten. So wird bei „Reality Junky“ dreckig geswingt, bei „Hey Gyp“ neben einer dreckigen Blues-Harp auch CREEPSHOW-Sängerin Sarah Blackwood gefeatured, gibt es mit „Psycho Bitch Party“ ein Surf-Instrumental und mit „Fiddling And Picking“ eine durchgeknallte Uptempo-Country-Nummer zu hören und kommen im durch spanische Volksmusik beeinflussten „Margarita“ stellenweise wahnwitzige Streicher-Arrangements zum Einsatz. Auch das „Bang Bang“-Cover kann man – wenn es auch die aus „Kill Bill“ bekannte Version von Nancy Sinatra nicht erreicht – als wirklich gelungen bezeichnen. Dazu ist alles etwas rumpelig gespielt und produziert, was den passagenweise recht wilden Sound-Mix aber nur authentischer macht. „Convince Or Confuse“ rockt und rollt und rotzt von vorne bis hinten und macht einfach gute Laune. Das eingangs zitierte Sprichwort bewahrheitet sich im Falle der ASTRO ZOMBIES also durchaus.
Die großartigen Cowboys aus Kopenhagen reiten wieder in den Sonnenuntergang – bisweilen noch melancholischer als gewohnt, zumindest, wenn die Western-Ballade „Nightstalker“ als Maßstab gelten darf. Aber eigentlich klingt „Monster Philosophy“ viel zu vielschichtig, um dem zehnten D.A.D.-Werk nur ein einziges Trademark zu verpassen. Nehmen wir trotzdem mal alles das, was die Scheibe insgesamt ausmacht: Sie groovt ungeheuerlich, hat so griffige Hooklines, dass einem vor Freude die Tränen kommen, die die traurige Grundstimmung D.A.D. sowieso bald auslösen dürften. Dann gelingt es den Musikern aus Dänemark, gleichermaßen entspannt und cool als auch aggressiv und wütend daherzukommen. Und dann gibt’s da noch die fröhliche Ausrichtung, die dem Dänen an sich ja sowieso in allen Lebenslagen nachgesagt wird – das abschließende „House of Fun“ ist da wörtlich zu nehmen. Das Vergnügen ist jedenfalls für die kompletten fast 55 Minuten ganz auf des Hörers Seite, versprochen, zumal sich D.A.D. in allen Facetten des Rock beweisen - vom Schmusesong bis zum rockigen Kettensägenmassaker. Besser waren DAD lediglich 1989 und 1991. Ich reite jetzt auch los…
Im heimischen Norwegen haben die Jungs von HEROES & ZEROS seit Erscheinen ihres Debütalbums im Mai 2007 bereits ordentlich abgesahnt, katapultierten sich in die Charts und heimsten Nominierungen für die norwegischen Grammy Awards 2007 ein. Jetzt erscheint das Album "Strange Constellations" auch bei uns und man muss zugeben: die Jungs klingen ziemlich international und so, als hätten sie das Zeug, es weit zu bringen. Da klingt britischer Independent- Sound an und mitunter fühlt man sich tatsächlich an U2 erinnert, nicht zuletzt aufgrund des Gesangs von Sänger Hans Jørgen Undelstvedt, so beispielsweise bei "Into The Light" und dem Titelsong "A Strange Constellation". Der größte Teil des Albums bewegt sich im Mid- bis Uptempo-Bereich, Ausnahmen hiervon bilden das ruhigere, leidend klingende "The Foolproof" und die recht depressiv anmutende Ballade "Do This Right", mit der das Album schließt. HEROES & ZEROS sollte man sich merken, denn nach Norwegen wird die Band vermutlich auch vor dem Rest der Welt nicht halt machen.
2006 in London gegründet, setzen sich die LOYALTIES aus ehemaligen Mitgliedern von den YO-YOS, den BLACK HALOS und DEADLINE zusammen. Nach zwei EPs und einer Split-Single ist „So Much For Soho“ das erste volle Album des Vierers. Und was dieser hier bietet, geht direkt von Anfang an bestens ins Ohr. Hauptsächlich ist der Sound durch Punkrock der alten Schule im Stile der RAMONES und der CLASH geprägt, aber genauso sind auch Einflüsse von SOCIAL DISTORTION und den SUPERSUCKERS herauszuhören. Dabei geht es fast durchgehend sehr melodisch zu, ist der Sound gleichzeitig aber immer schön dreckig, und geht es tempomäßig nie zu sehr ab, dafür aber immer straight und gerade nach vorne. Daneben gibt es immer wieder Ohrwurm-Hooks und hymnische Refrains zu hören und sind die Songs musikalisch so vielseitig, dass einem nie langweilig wird. Einziger kleiner Kritikpunkt sind vielleicht die Lead-Vocals von Tom Spencer: Man wünscht sich stellenweise einfach etwas mehr Stimme. Auf der anderen Seite klingt sein gekrächzter Gesang aber zugegebenermaßen auch herrlich verbraucht und authentisch. Unterm Strich haben die LOYALTIES ein schönes Debüt abgeliefert, das mit tollen Songs und einer dreckigen Produktion voll überzeugt.
Mit „Motherfuckers Be Trippin'” erschien 2003 das letzte Studio-Album der SUPERSUCKERS. Seitdem gab es lediglich zwei EPs und diverse Live-Alben, was den Eindruck enstehen ließ, dass es den Mannen um Eddie Spaghetti an neuen Song-Ideen mangelte. Dieser Verdacht wird dadurch erhärtet, dass sich auf dem neuen Album „Get It Together!“ zwei Songs der „Paid“-EP von 2006 befinden, die neu eingespielt wurden. Ist der selbsternannten „Greatest Rock ´n Roll Band in the World” das Feuer ausgegangen? Beim ersten Durchhören des neuen Albums könnte man diesen Eindruck tatsächlich gewinnen. Wer nach der langen Pause mit einem Kick-Ass-Hammer á la „The Evil Powers Of Rock ´n Roll“ gerechnet hat, dürfte enttäuscht werden. Mit Songs wie “I’m A Fucking Genius” und “I Like It All, Man” gibt es zwar einige typische Kracher zu hören, aber die befinden sich klar in der Minderheit. Der Großteil besteht aus eher gemäßigtem, melodischem und stellenweise sogar leicht poppigem Country-Rock. Offenbar haben die Solo-Alben von Eddie Spaghetti ihre Spuren hinterlassen – oder die Jungs lassen es nach 20 Jahren im Geschäft einfach etwas ruhiger angehen. Trotzdem, wenn man sich auf den Sound einlässt, macht das Album großen Spaß. Immerhin sind die SUPERSUCKERS immer noch die SUPERSUCKERS, und so cool und rotzig spielt eben kaum jemand seinen Stiefel runter, egal, in welchem Tempo.Und wer die Jungs in letzter Zeit mal live gesehen hat, konnte sich davon überzeugen, dass sie immer noch jede Menge Feuer unterm Allerwertesten haben. Hoffen wir also, dass auf der kommenden Tour auch diverse alte Rock ´n Roll-Granaten auf der Setlist stehen, dann kann nichts schief gehen.
Um die Frage, wer bei UNITED NATIONS außer THURSDAY-Sänger Geoff Rickley aktiv ist, wurde im Vorfeld viel Wind gemacht. So recht klargeworden ist das nicht, aber Bandnamen wie CONVERGE, MADE OUT OF BABIES und GLASSJAW wurden in den Raum geschmissen, womit für Credibility gesorgt sein sollte. Was die Herren unter dem Banner UNITED NATIONS abliefern, ist stressiger Screamo, der nichts mit beinahe-Emocore zu tun hat, sondern sich dem Screamo aus der Mathcore-/ Chaoscore-Ecke nähert. Hektische, chaotische Momente sind die Norm, unterlegt mit passend fiesem Geschrei – und gleichzeitig von herrlichen Melodien unterstützt, die für sich alleine eine völlig softe Scheibe ergeben würden. Hätte, könnte, würde gibt es hier aber nicht, dafür die nächste fast schon grindige Attacke, die „United Nations“ so prägen. Es spricht für die Erfahrung und das Können der Beteiligten, dass die knappe halbe Stunde nie langweilig oder extremst nervig wird und sich die Musik bei aller abgefahrenen Brutalität als hörbar entpuppt.
Miljenko „Mike“ Matijevic, Sänger und Boss von STEELHEART galt schon bei Veröffentlichung des selbstbetitelten Debüts vor fast 20 Jahren als eine der besten Stimmen des Rock (mit Ähnlichkeiten zu einem gewissen Robert Plant). Das nach Album Nummer 2 durch einen Unfall bei einem Liveauftritt das jähe Ende der Erfolgsstory folgte und danach viele Wirrungen und Schicksalsschläge auf Matijevic einprasselten dürfte dem geneigten Fan bekannt sein. Mit eigenem Label, kürzlich erschienenen DVD und dem vorliegenden neuen Album „Good 2B Alive“ setzt STEELHEART nun wieder eine äußerst intensiv und emotional vorgetragenes Ausrufezeichen in die Rocklandschaft – Mr. Jovi darf da ruhig mal reinhören. Der druckvoll produzierte Sound ist absolut bandtypisch; kompositorisch ist Matijevic aber erwachsener geworden. Melancholie gab es zwar auch schon früher, aber mittlerweile ist sie eine tragende Säule der Songs. Wer allerdings bei den alten STEELHEART ausschließlich nur auf die ganz balladesken Töne aus war, wird hier sicher überrascht sein. STEELHEART bleiben sich zwar treu und agieren meist im harten Riff-orientierten Mid-Tempo, aber die totale Ballade gibt es auf dem neuen Album nicht. Dafür sind es auf „Good 2B Alive“ mit dem airplaytauglichen Hit „Buried Unkind“, dem zwischen Groove, Riff und Orchester pendelnden „Twisted Future“, der sich steigernden Powerballade „I Breathe“, dem mit Saxophone veredelte „Underground“ und dem unter die Haut gehenden „You Showed Me How 2 LV“ die Reihe kraftvoller Power-Schmachtfetzen die Bock auf mehr machen. Und mit dem Opener „Samurai“ hat „Good 2B Alive“ auch einen gelungen harten Einstieg zu bieten. „Good 2B Alive“ ist eines jener Alben, welches mit der Zeit wächst und Miljenko Matijevic und STEELHEART sollte damit die hochverdiente Beachtung (nicht nur in Asien) endlich wieder entgegengebracht werden.
In Stuttgart sind AN EARLY CASCADE beheimatet, die mit „Your Hammer To My Enemy“ ihr mittlerweile vierten Tonträger vorlegen. Der zeigt die Schwaben als fitte Musiker, die mit viel Leidenschaft bei der Sache sind und sich Songtechnisch ungern Zügel anlegen lassen, was manchesmal nach hinten losgeht und in dezent chaotischem Songaufbau resultiert. Der typische Screamo-Gesang (inklusive cleaner Parts) passt dazu wie die berühmte Faust aufs Auge und verleiht den Songs gut Druck. Ideen haben AN EARLY CASCADE zuhauf, nur leider gelingt es ihnen nicht, die in knackige Songs zu konvertieren, die beim Hörer hängenbleiben, das kann die Konkurrenz wie FIRE IN THE ATTIC besser. Genug Potenzial steckt in AN EARLY CASCADE aber auf jeden Fall, so dass mit etwas Disziplin beim Songaufbau der nächste Silberling ein Knaller werden könnte. Bis dahin bleibt ein guter Eindruck zurück und „Your Hammer To My Enemy“ wird in den Stapel guter, aber nicht herausragender Screamo-Scheiben einsortiert.