„Age Of Reason“ ist das zweite Album der Engländer STRANGEWAYS nach ihrer erneuten Kollaboration mit dem Amerikaner Terry Brock, welcher in den 80ern bereits Teil der Truppe war und in den letzten 10 Jahren zwei formidable Soloalben unters Melodic-Volk gebracht hat. Die 2010er Scheibe „PerfectWorld“ klang an einigen Stellen erschreckend schräg und so gar nicht nach den Ohrenschmeichlern früherer Tage. Nur die ruhigen Songs wussten zu überzeugen. „Age Of Reason“ nun geht weiter zurück in die eigene Vergangenheit STRANGEWAYS und liefert wieder vermehrt feine AOR Kost. Allerdings tönt das Album über weite Strecken sehr entspannt und ruhig, vergleichbar mit den ruhigen Outputs von DARE. Richtig rocken tun STRANGEWAYS eigentlich nur bei „Frozen“, was dann aber auch eher stört, als das es Begeisterungsstürme hervorruft. Der Rest ist wunderbar gespielte und von Brock gewohnt kongenial intonierte Melodickost, welche sich perfekt dazu eignet, sich mit der Liebsten vor dem offenen Kamin auf nem Bärenfell zu wälzen.
Die Globalisierung macht auch vor der Metalwelt nicht halt. Anders ist es mir nicht zu erklären, dass die Amis THEOCRACY so verdammt europäisch klingen. Das Einzige, was auf ihre Herkunft hindeutet sind die mitunter an spätere SAVATAGE erinnernden Gesangsarrangements, sonst ist die Ausrichtung eindeutig europäisch, um nicht zu sagen skandinavisch. Also Combos wie STRATOVARIUS, ältere SONATA ARCTICA, AXENSTAR oder CELESTY dürften den Herren aus Athen (offensichtlich gibt es auch noch eins in den Staaten) keine Unbekannten sein. Folgerichtig wurde das Ganze soundtechnisch dann auch in den Finnvox Studios von Mikka Jussila klangtechnisch veredelt. Auf „As The Worlds Bleeds“ finden sich kraftvolle, bombastische Kompositionen, die sich durch starke Riffs und epische Keyboardmelodien auszeichnen. Aber so richtig aufhorchen lassen die oben genannten Gesangs- und Chormelodien. Ein ums andere Mal klingt das wirklich nach SAVATAGE auf Speed, denn THEOCRACY geben mitunter auch richtig Gas. Highspeed Kracher wie „30 Pieces Of Silver“ machen richtig Spaß und wecken Erinnerungen an eine Zeit wo STRATOVARIUS mit „Visions“ ihren kreativen Zenith hatten. Auch wenn ich jetzt wieder das Kritikerphrasenhandbuch bemühen muss: THEOCRACY erfinden das Rad nicht neu, haben aber eine sehr professionelle und schlüssige Melodic Speed Platte vorgelegt, die sich hinter der Eurokonkurrenz keinesfalls zu verstecken braucht. MANILLA ROAD Fans haben eh schon längst aufgehört zu lesen, Fans neueren Power Metals hingegen sollten ein oder zwei Öhrchen riskieren.
Nicht ganz neu, aber immer noch die einzige CD – und vor allem so vehement, dass diese Scheibe unbedingt reviewt werden muss. VLADIMIR HARKONNEN (oder kurz: „Die Vladis“) sind keine Russen, keine Finnen, keine Zaren, keine Skispringer: Nein, sie sind ebenfalls nicht der böse Baron aus Dune, auch wenn die Kapelle sich nach letzterem benannt hat. Die Vladis sind der Zusammenschluss der Bands Bonehouse und 2d Engine – und sie kommen aus dem in letzter Zeit sportlich so erfolgreichen Kiel. Und was noch? Super! Der Erstling gibt eine Mischung aus Hardcore, Punk und Metal (Reihenfolge ohne Wertung!). Die Schleswig-Holsteiner sind total riffgeile Typen mit einem charismatischen Grunz-Brüller und sau-coolen Chören: Die perfekte Mischung aus Bad Religion, Entombed und Discharge, also der Mix aus seligem Mitsingen, exzessivem Rübe-Schütteln und totaler Ausrastorgie. Dabei agieren die Jungs angenehm klischeefrei, nahbar und sympathisch. Irgendwas zu meckern? Nö, außer vielleicht, dass der Titel „Silence, As Long As A Thought, While The Executioners Are Reloading“ zu lang ist. Fakt ist und bleibt aber: Die Jungs haben mächtig Dampf in der Hose – vom Schlagzeuger Eric bis hin zu Philipp in der Front, Mann, geht das nach vorn, Mann ist das ist ne geile Band...
Silence, As Long As A Thought, While The Executioners Are Reloading
Hui, das ist jetzt ´ne harte Nummer: Die LOKALMATADORE haben es sich als neuesten Streich nicht nehmen lassen, alle ihre „Schalke-Lieder“ auf einem Album zu vereinen. Enthalten sind alle Songs der Mülheimer zum Thema Schalke oder Fußball allgemein, wie sie z. B. auf dem Mini-Album „Dat Is Schalke 04“ oder auf dem „Wir Sind Schalker“-Album zu finden sind, die beide vergriffen sind. Das alte Material wurde neu gemastert sowie durch drei neue Songs ergänzt. Schön und gut, aber wer soll dieses Album kaufen? Wirklich darüber freuen wird sich wohl nur die Schnittmenge aus LOKALMATADORE- und Schalke-Fans. Ob es davon viele gibt, kann ich nur schwer abschätzen. Eine weitere Zielgruppe sind sicher auch die Hardcore-Fans aus beiden Lagern, die wirklich alles von ihrer Band bzw. ihrem Verein haben müssen. Für alle anderen ist die Scheibe auf Dauer vermutlich schwer zu ertragen. Wenn „Wir Sind Schalker“ zur Melodie von „I Am Sailing“ oder „Gott erschuf den S04“ zur Melodie von „God Gave Rock ´n´ Roll To Me“ zum Besten gegeben wird, mag man anfangs noch schmunzeln, aber irgendwann wird es einfach zu viel der Fußball-Fan-Gesänge. Wie gesagt – ´ne echt harte Nummer.
Seit 2005 sind die Hessen THE SUICIDE KINGS am Start. „Menticide“ nennt sich ihr drittes Album, und auf diesem hauen sie dem Hörer eine knappe halbe Stunde dreckigen Streepunk mit Metal-Einschlag um die Ohren. Filigran ist nicht, sondern die Jungs gehen durchgehend ohne Umschweife direkt in die Vollen. Der Sound hat ordentlich Wumms und kommt schön rau rüber, wobei mir persönlich die Drums zu clean klingen, was sich besonders im etwas penetranten Bass-Drum-Geklacker manifestiert. Der rau gebrüllte Gesang ist auf Dauer allerdings etwas gleichförmig, und am englischen „th“ muss Sänger Rüdiger auch noch üben. Außerdem mangelt es auch an Songs, an denen man wirklich hängen bleibt. Trotzdem: Die Energie der Jungs stimmt, und ihre rotzige Attitüde macht Spaß.
Kennt noch jemand die EMILS? Genau, die, von denen man immer mal wieder gehört hat, sie seien die Nachfolgeband einer gewissen Deutschpunk-Legende, weil sie ja wie SLIME rückwärts gelesen heißen. Tatsächlich ist der Bandname auch so entstanden, aber eher durch Zufall, und mehr haben die beiden Bands auch nicht miteinander zu tun, außer, dass sie beide aus Hamburg kommen, Punkrock spielen und deutsche Texte haben. Die EMILS traten aber erst Ende der 80er auf den Plan, als die erste Punkwelle schon wieder abgeflaut war und hoben sich von anderen deutschen Punk-Bands dadurch ab, dass auch Elemente aus amerikanischem Hardcore und Metal in die Musik einflossen. Die Band existierte bis 1998 und veröffentlichte mit Alben wie „Fight Together For…“, „Es Geht Uns Gut“ oder „Wer Frisst Wen“ einige Scheiben, die in der Punk-Szene mächtig Staub aufwirbelten. Teenage Rebel hat jetzt das seit Jahren vergriffene Debütalbum „Fight Together For…“ neu aufgelegt. Der rotzige Hochgeschwindigkeits-Punk ist auch heute noch gut zu hören, und auch die kämpferischen Texte haben weder ihre Wirkung noch ihre Relevanz verloren. Die Songs wurden geremastered, wodurch der Sound heutigen Hörgewohnheiten entspricht, ohne dass er jedoch seine Ecken und Kanten, seinen Dreck und seine rohe Energie verloren hätte. Als Bonus gibt es noch die fünf Tracks des ersten Demos (damals noch auf Kassette erschienen!) dazu. Abgerundet wird das Paket durch ein 28-seitiges Booklet mit Songtexten, Band-History, Fotos und anderem Material. Alte Fans, die das Teil noch nicht ihr Eigen nennt, sollten hier unbedingt zugreifen, aber gerade auch jüngere Punkrock-Anhänger sollten sich diesen Genre-Klassiker mal zu Gemüte führen.
Die Band VOGELFREI aus dem sächsischen Torgau besteht vor allem aus Gitarrist/Sänger Ricky Alex, der mit wechselnder Begleit-Besetzung seit 1992 musikalisch aktiv ist. Sieben Jahre nach dem letzten Album ist jetzt „Der Dämmerung Entgegen“ erschienen, das Alex zusammen mit einem guten Kumpel an den Drums eingespielt hat. Darauf geht es ziemlich dreckig zu, gleichzeitig aber auch – der Titel deutet es an – sehr melodisch und fast schon romantisch. Kitschig ist das trotzdem nicht, dazu klingen die Gitarren zu punkig, die Drums zu roh und der Gesang zu rau. In seinen besten Momenten klingt das Duo mit seinen wehmütigen Melodien gar ein wenig nach SOCIAL DISTORTION. Zeilen wie „Ich bin nur ein Niemand / zwischen Wiege und Grab“ kommen schon ziemlich melodramatisch und etwas selbstmitleidig daher. Aber seien wir ehrlich: Würde Mike Ness so etwas auf Englisch singen, würden wir alle eine Träne verdrücken. Allerdings ist Ricky Alex nicht Mike Ness, und wenn er in „Wir Flogen aus“ singt „Ich lernte schon Gitarre spielen / Noch bevor das erste Mädchen kam“ und später „Im Plattenbau wuchsen wir auf / Früh gingen wir von zu Hause fort“, klingt das eher nach einem armen Campino. Das Lagerfeuer-Mundharmonika-Zwischenspiel gibt einem dann noch den Rest. Auf Dauer wird es dann auch einfach zu viel der Underdog-Poesie. Die Melodien und Tempi scheinen immer gleich und austauschbar zu sein, und man wünscht sich, dass die beiden Jungs mal den Arsch hochkriegen und richtig losbrettern würden. Man hat nämlich das Gefühl, sie könnten, wenn sie wollten. Wollen sie aber nicht, und so hat man irgendwann genug von der Seelenpein. Fürs nächste Album bitte mehr Punkrock.
FROWSER sind vier Briten, die nach einigen EPs soeben ihr erstes Album veröffentlich haben. Der Sound auf „The Silver Shell Club“ klingt allerdings überhaupt nicht britisch, sondern vielmehr sehr amerikanisch. Die häufige Kombination von Staccato-Riffs und melodischen Refrains lässt sie einen im Nu Metal/Nu Rock beeinflussten Alternative Rock verorten, wobei sie in ihren besten Momenten ein wenig nach den DEFTONES und mal auch nach den FOO FIGHTERS klingen. Die durchaus charismatisch zu nennende Stimme von Sänger/Gitarrist Jamie Woller verhilft den Songs zu einem gewissen Wiedererkennungswert, die Songs selbst sind aber eher unspektakulär. Es geht zwar alles gut ins Ohr, aber so großartig, dass viel hängen bleiben würde, sind die Melodien dann doch wieder nicht. Dazu kommt noch, dass das Album mit 7 Songs und einer Laufzeit von unter 30 Minuten auch etwas mager geraten ist. Zur Rechtfertigung der Band sei aber hinzugefügt, dass sie selbst es auf ihrer Webseite auch nur als Mini-Album bezeichnet. Unterm Strich bietet die Scheibe sicherlich handwerklich gut gemachten, straighten Rock, aber irgendwie hat man das alles schon mal irgendwo gehört.
So ist das eben: Da wirst Du als Kind in die englische Industrie-Revolutionszetrum Birmingham geboren. Naja, meilenweit nix anderes als rauchende Schlote, urbane Schuhkarton-Unterbringung – und eben Metal-Verarbeitung. Von der Wiege des britischen Metals entwickelten die Brummies eine Musikszene, die es in sich hat(te). Sabbath, Lizzy, Priest… Der aktuellste Höhepunkt (zumindest aus Sicht des geneigten Death-Metallers stammt aus der zerbombten Nachbarschaft:: Bolt Thrower. Womit wir endlich beim Thema wären: FORLORN wurde sicherlich in die Butze gesperrt und durften nur im reichhaltigen Fundus der Midland-Walze stöbern. Was zur Folge hat, dass „The Rotting“ einen ähnlichen Groove zeigt und in Songs wie „Crimson Star“ ähnlich langsam Panzer fährt wie die Fahrlehrer mit dem günstigen Merch. Allerdings müssen die FORLORN-Jungs auch mal ausgebüxt sein aus ihrer Wohnkaserne. Denn ab und an schimmert ganz leichter Metalcore-Einschlag durch, was wohl vor allem an der Stimme von James Shaw liegt, der gelegentlich doch ein wenig zu sehr zum Bellen neigt. Und doch beißt dieser Hund. Wie die gesamte Scheibe, die anfangs klingt, als verlöre sie mit der Zeit ihre Zähne. Letztlich aber entfaltet „The Rotting“ eine verblüffende Langzeitwirkung. Und ist damit nicht nur viel besser als Homies wie Duran Duran – sondern eine willkommene Abwechslung, um die Wartezeit auf die nächste (?) Bolt Thrower zu verkürzen.
An einer Band wie WINTERSTORM werden sich wieder mal die Geister scheiden. Den Einen zuviel Sympho und Bombast, zuviel RHAPSODY OF FIRE, FALCONER und ENSIFERUM, den Anderen eine gute Alternative zu seinen Faves. WINTERSTORM entstanden 2008 aus Teilen der ehemaligen CIRCLE OF GRIEF und sollte Power, Speed und Epic mit Folk und Viking Sound verknüpfen – was zwar für reichlich Abwechslung sorgt, aber doch auch etwas zur Überfrachtung einzelner Parts führt. Das melodisch treibende und gut nach vorne gehende „The Final Rise“, das im Midtempo gehaltene, epische „A Wizard’s War“ und das im Titel alles vorwegnehmende „Winterhumppa“ (jo, KORPIKLAANI lassen grüßen) sind dabei die herausragende Stücke, deren Niveau leider nicht alle 10 Hymnen halten. Technisch haben es die Jungs drauf, keine Frage. Aber das man an den einen oder anderen Kompositionen noch etwas feilen könnte darf man anmerken, mehr Power täte dabei gut. Dies gilt auch für den Gesang, der doch etwas mehr Aggressivität vertragen könnte. Das im Eigenvertrieb bereits seit Mitte letzen Jahres veröffentlichte Album „A Coming Storm“ gibt es jetzt also auch labeltechnisch und trotz leichtem Abzug in der B-Note dürfen die Fans genannter Acts bei WINTERSTORM durchaus mal ein Ohr riskieren.