MESSENGER waren mir bis dato gar kein Begriff. Und das geht sicher nicht nur mir so. Die Londoner Band um die Herren Khaled Lowe und Barnaby Maddick kommen ihren Ursprüngen nach aus dem härteren Sektor – lassen aber auf ihrem zwischen Folk, Post Rock und Psychedelic Prog schwebenden Album „Illusory Blues” eher ihre Vorliebe für die BEATLES, ULVER, KING CRIMSON und PINK FLOYD durchscheinen. Dazu Violine, Flöte, Akustikgitarre, mehrstimmige Passagen, einschmeichelnder Gesang – klingt ein bißchen verkopft, braucht eventuell auch mehr wie einen Durchlauf – ist es aber nicht. Denn MESSENGER schaffen es immer auf den Punkt zu kommen und dabei trotzdem zum Teil ausufernd musikalisch Stimmungen zu transportieren. Unentschlossenen hier einen Song zu nennen verbietet sich an sich – aber wer in „The Return“ und „Somniloquist“ reinlauscht, kriegt einen Eindruck, was sich MESSENGER unter Atmosphäre vorstellen. Und damit ergibt sich als Quintessenz eine Kaufempfehlung für jene die es anspruchsvoll ruhig mit einem Touch Pop mögen.
„The Fiction Maze“ ist das vierte Werk der Schweden um Hansi Kürsch Sound-alike Jens Carlsson. Dass selbiger die beiden SAVAGE CIRCUS Alben gesanglich veredelte wundert da kein bisschen. Auch musikalisch sollten PERSUADER BLIND GUARDIAN-Jüngern gut reinlaufen. Insbesondere wenn man eher die straighten Speed / Thrashigen Songs der Krefelder zu würdigen weiß. Bei PERSUADER gibt es keine Breitwandorchester, dafür fette Metalhymnen vom Fass. PERSUADER bewegen sich mit traumwandlerischer Sicherheit zwischen stampfenden Melo-Hymnen („Heathen“) , knallharten Thrashern („InSect“) und allem was dazwischen liegt. Die zeitgemäße Produktion tut ihr übriges um „The Fiction Maze“ zu einem gelungenen Werk zu machen. Besonders die mächtigen Refrains sind es, die PERSUADER aus der Masse herausstechen lassen. Aber das war auch schon eine Stärke auf den Vorgängerscheiben. Verlieren werden PERSUADER mit „The Fiction Maze“ mit Sicherheit keinen ihrer Fans, ich kann mir sogar gut vorstellen, dass noch einige dazukommen werden. So klingt zeitgemäßer Power/Speed.
Nach über zwei Dekaden Geschichte, in denen das Line-Up on SHAMELESS einer langen Reihe von Musikerwechseln unterworfen war, lädt die Band nun mit „Beautiful Desaster“ gutgelaunt zu einer Zeitreise in die 80er ein. Die Referenzen reichen von ALICE COOPER über MICHAEL MONROE bis zu MÖTLEY CRÜE und einer Prise BON JOVI, und SHAMELESS verstehen dabei ihr Handwerk. Egal ob bei mit viel Popappeal versehenen Songs wie „You´re Not Cinderella“, „Forever Ends Today“, dem vergleichsweise heftigen “Train To Hell”, dem rotzigen „Greed Is God“, bei dem MICHAEL MONROE freundlich grüßen lässt, oder bei gelungenen (Halb-)Balladen wie „You´re Not Coming Home“ und „Eighteen“ – die Songs sind allesamt eingängig und sie machen Spaß. Fazit: Wer den Glam- und Sleaze-Rock der 80er mag, wird SHAMLESS lieben.
Zwei Jahre hat der ehemalige HELLACOPTERS-Gitarrist an seinem schlicht und einfach „Solo“ betitelten Solo-Album gearbeitet. Ihm zur Seite stand dabei Produzent Björn Olsson, der auch schon für THE SOUNDTRACK OF OUR LIVES und UNION CARBIDE PRODUCTIONS hinter den Reglern stand. Was schon beim Betrachten der Songtitel auffällt: Dahlqvist singt komplett auf Schwedisch. Dass das für unsere Ohren ziemlich merkwürdig klingen kann, hat schon das letzte MANDO DIAO-Album gezeigt. Dahlqvist wagt es trotzdem, und ja, auch bei ihm klingt das gewöhnungsbedürftig. Überraschend ruhig geht es auch los, im Opener sind nur eine akustische Gitarre, etwas schräge Keyboardsounds im Hintergrund und natürlich seine Stimme zu hören. Mit Schweinerock hat das hier gar nichts zu tun, soviel steht fest, vielmehr bietet Dahlqvist ruhige Singer-/Songwriter-Musik, sanft gesungen und gezupft. Wenn man sich an die schwedischen Songtexte gewöhnt hat, klingt das auch wirklich ziemlich schön. Song zwei klingt sehr ähnlich, inklusive der komischen Hintergrund-Sounds, die noch öfter auf dem Album auftauchen werden. Erst beim folgenden „Redo Nån Gång“ wird doch mal ein bisschen gerockt, das aber auch irgendwie verhalten und weniger dringlich als man das von Dahlqvists Ex-Band kennt. Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich auch der Rest der Scheibe. „Sneseglaren“ und „Ta Det Kallt“ könnten auch fast schon aus der Spätphase der HELLACOPTERS stammen, wohingegen es zum Schluss hin wieder extrem ruhig und zum Teil auch etwas sphärisch und meditativ wird. Ob dieses Album außerhalb Schwedens – und auch dort – ein echter Erfolg wird, ist wohl fraglich, denn dazu klingt vieles, nicht nur der fremden Sprache wegen, zu ungewöhnlich. Mutig ist diese Scheibe aber allemal, gerade hinsichtlich Dahlqvists musikalischer Vergangenheit. Und man spürt, dass ihm dieses Album ein dringendes Bedürfnis war, und auch, dass es genauso und nicht anders klingen soll. Eine Herzensangelegenheit also und dadurch sehr sympathisch, gerade auch, weil Dahlqvist hier nicht auf Nummer sicher gegangen ist, sondern sein ganz eigenes Ding durchgezogen hat.
Schlicht und selbsterklärend „LP2“ hat die Band RESTORATIONS aus Philadelphie ihr – klar! – zweites Album genannt. So bescheiden müsste sie gar nicht sein, denn die Scheibe stellt ein sehr eigenständiges Stück Musik dar. Die Melodien erinnern oft an GASLIGHT ANTHEM, der raue Gesang an HOT WATER MUSIC und an den weniger rauen Stellen auch an Eddie Vedder, und ja, die verhallten Gitarrenlinien mit ihren sehnsuchtsvollen Melodien klingen – wie im Promotext angekündigt – tatsächlich ein bisschen nach den schottischen Indie-Rockern GLASVEGAS. Die immer wieder eingebauten instrumentalen Zwischenparts mit den verwaschenen Gitarren im Hintergrund lassen sich wiederum im Post-Rock verorten, und in Songs wie „Kind Of Comfort“ oder „Quit“ klingen sogar etwas PEARL JAM zu „Ten“-Zeiten an. Alles zusammen ergibt eine ziemlich einzigartige, intensive und sehr musikalische Mischung aus roher Punk-Attitüde, druckvollen Drums und schönen Harmonien. Die Songs sind dabei spannend und äußerst dynamisch aufgebaut, oft entwickeln sich aus melancholischen und nachdenklichen Stimmungen raue Ausbrüche. An wen richtet sich diese Musik? An erwachsen gewordene Punkrocker? An Indie-Rock-Fans, denen ihre Lieblingsbands zu glatt oder zu berechnend geworden sind? Wahrscheinlich an die Schnittmenge aus beiden Lagern. Wer sich aber darauf einlassen kann, der findet hier ein vielschichtiges und trotzdem nie anstrengendes oder angestrengtes Album einer Ausnahmeband vor, die sich nicht um Genregrenzen schert und ihren ganz eigenen Sound gefunden hat.
Man soll ja nicht nach Äußerlichkeiten gehen, aber wenn man sich die Presse-Bilder der vier Jungs aus UK anschaut und ihre Bärte und Brillen sieht, erwartet man bei ihnen noch am ehesten intellektuellen Indie-Rock. Stattdessen bläst einen auf ihrem zweiten Album eine energiegeladene Mischung aus Garage Rock und Punk entgegen. Man stelle sich einen typischen DANKO JONES-Song vor, der von einer modernen Hardcore-Band gecovert wird, dann hat man in etwa den Sound von FIGHTS AND FIRES. Die oft dem Classic Rock entlehnten Riffs werden von den ballernden Drums und dem dreckigen Bass unerbittlich nach vorne getrieben, und darüber brüllt sich Sänger Philip Cox mit einer Intensität die Seele aus dem Leib, mit der er auch bei TOUCHÉ AMORÉ eine gute Figur machen würde. Schnörkellos und tight kommen die Songs immer direkt zum Punkt und lassen einen kaum zu Atem kommen. Etwas gleich klingt das auf Dauer schon alles. Aber darüber schaut man gerne hinweg, sondern freut sich vielmehr über den heftigen Energieausbruch und den hohen Druck, mit dem die Band einem ihren Sound um die Ohren haut.
Die Deutschpunk-Band ARTLESS aus dem Ruhrgebiet existierte nur sehr kurz, nämlich von 1979 bis 1981. Dabei brachte sie es immerhin auf zwei Veröffentlichungen, nämlich ein Demo (auf Kassette) namens „Tanzparty Deutschland“ und die 7-Inch „Mein Bruder is’en Popper“. 1990 hat Teenage Rebel das Demo wieder ausgegraben und auf Vinyl veröffentlicht, 2007 erschien es dann auch auf CD. Daraufhin haben sich zwei der Originalmitglieder mit vier weiteren Musikern zusammengetan, um ARTLESS wieder aufleben zu lassen. Jetzt ist das erste „richtige“ Album erschienen, und dieses klingt wie Old-School-Deutschpunk in Reinform: schnell, simpel, dreckig und authentisch, wobei auch noch einige Mitgröl-Refrains abfallen. Die Texte reichen von sozial- und politikkritisch bis witzig, mal wird es sogar im wahrsten Sinne des Wortes poetisch, denn der Text von „Erleuchtung“ ist ein Gedicht von Heinrich Heine. Die Songs, die sich eher auf der lustig gemeinten Seite befinden, wie „Baby nimm mich mit zu dir“, „Max Mustermann“ und „Schamhaar Sarah“, kommen allerdings etwas albern daher und wirken eher jugendlich-naiv und wollen nicht so recht zum fortgeschrittenen Alter der (Original)-Bandmitglieder passen. Ob dieses Comeback irgendjemand gebraucht hat, sei dahingestellt, sicher ist aber, dass die alten Haudegen hier ein Album abgeliefert haben, dass gleichzeitig nach alter Schule wie auch erstaunlich frisch klingt.
Michael Vescera wird auf seine alten Tage noch einmal richtig aktiv. Nur wenige Monate nach dem coolen zweiten ANIMETAL USA Album mit Gitarrenwizard Chris Impellitteri kommt er schon mit einem neuen Werk seiner ersten Liebe OBSESSION aus dem Kreuz. Schon das 2006er Comebackwerk „Carnival Of Lies“ war nicht von schlechten Eltern und „The Order Of Chaos“ knüpft genau an selbigem Album an. Das heißt: kraftvoller und virtuos gespielter klassischer Heavy Metal, welcher mal stampfend und mal etwas flotter durch die Botanik kracht. Neben der gelungenen Gitarrenarbeit ist es einmal mehr Mike Vesceras Stimme, welche dem ganzen die Krone aufsetzt. Vescera gehört in eine Liga mit Jeff Scott Soto, Johnny Gioeli oder auch Mats Leven. Nicht umsonst ist er auf diversen MALMSTEEN oder auch LOUDNESS Alben zu hören. Egal ob schnelle Fetzer wie der Opener „Order Of Chaos“ und „Cold Day In Hell“ oder mystische Stampfer wie „License To Kill“, das Album rockt. Mein persönliches Highlight ist jedoch das überaus melodische „Wages Of Sin“. OBSESSION klingen nicht nach Rentnerband, sondern erfreuen den 80er-affinen Metalhead mit 10 knackigen Heavy Metal Tracks, welche die Messlatte für die Konkurrenz recht hoch hängen. Um es kurz zu machen: Freunde von MALMSTEEN, JUDAS PRIEST, DRIVER oder auch LEATHERWOLF und FIFTH ANGEL können hier bedenkenlos zugreifen.
Mmh, irgendwie kenne ich das, irgendwo habe ich das schon mal gehört, wo nur...? Genau das geht mir eigentlich die ganze Zeit durch den Kopf, während ich das neue und dritte Album des Vierers NOTHINGTON aus San Francisco höre. Irgendwann komme ich drauf: Der Sound klingt wie eine Mischung aus HOT WATER MUSIC und THE GASLIGHT ANTHEM. Dabei sind sie eingängiger als die ersteren und rauer als die letzteren, ohne dass man den Gedanken an diese beiden Bands beim Hören jedoch loswird. (Und an THE GASLIGHT ANTHEM will ich schon gar nicht denken. Die sind mir nämlich komplett verhasst, seit Sänger Brian Fallon in einem Interview seinen Kreationisten-Müll vom Stapel gelassen hat – wofür NOTHINGTON zugegebenermaßen nichts können.) So wird mit rauen Kehlen und gestreckten Fäusten eine Hymne nach der anderen intoniert, und schon bald wird es langweilig. „Borrowed Time“ ist nicht nur ein uninteressantes Album, sondern der scheinbar unbedingte Wille nach sehnsuchtsvollen Mitgröl-Melodien wird irgendwann wirklich anstrengend und schlichtweg nervig.
Für viele Fans haben SONIC SYNDICATE nach „Eden Fire“ (2005) einen Kurswechsel gen Mainstream vollzogen, welcher ja auch von Erfolg gekrönt war. Wer aber wissen möchte wie ein amtlicher Nachfolger für dieses Debütwerk geklungen hätte, dürfte mit „Hellfrost“ von THE UNGUIDED gut bedient sein. Die drei ehemaligen SONIC SYNDICATE-Recken Richard Sjunnesson (harsh vocals), Roland Johansson (clean vocals, lead guitar) und Roger Sjunnesson (rhythm guitar, keyboards) haben zusammen mit einigen Gastmusikern (Jonas Kjellgren, SCAR SYMMEWTRY (bass), Pontus Hjelm, DEAD BY APRIL (additional keyboards) und John Bengtsson, SONIC SYNDICATE (drums)) diese Alternative an den Start gebracht; mit einem geilen Artwork und fetten Sound versehen. Wechselnder Gesang, meist deftiges Tempo, ausgewogener Synthie-Einsatz - Freunde melodischen Death Metals im oben genannten Umfeld machen hier wenig verkehrt. „Inherit The Earth“ (vom Debüt des SONIC SYNDICATE-Vorläufers FALLEN ANGELS), „My Own Death“ (Ausnahmsweise mit poppigen Start), „Serenade Of Guilt“ (toller Song mit recht dunkler Attitüde) und „Pathfinder“ (mit Vocals von Peter Tätgren, war bereits auf der THE UNGUIDED-EP „Nightmareland“ vertreten) sind die Highlights eines Albums, welches beim Songwriting aber sicher noch etwas Luft nach oben ist. Denn dem einen oder anderen Song fehlt noch das letzte Etwas um ins Ohr zu gehen oder Langzeitwirkung zu entfalten. Egal, THE UNGUIDED haben mit „Hellfrost“ ein gutes Album für Genrefans veröffentlicht, das einen Nachschlag verdient.