UNEARTHLY TRANCE weichen auch mit ihrem neuen Album nicht Kurs ab und schreddern sich durch einen rohen Doombrocken, der irgendwo zwischen CROWBAR, HIGH ON FIRE und BIRDS OF PREY zuhause ist. Dabei entwickeln die acht Songs ihren ganz eigenen Charme, wenn doomige Passagen von flott groovenden Abschnitten unterbrochen werden. Ein wenig klingt es, als hätten Lemmy und Ozzy irgendwann in den Siebzigern zusammen gejammt und dabei einen räudigen Sänger ans Mikro gekettet. Würde auch die dezenten Punkeinflüsse im Sound erklären, die gelegentlich durchschimmern. Insgesamt gibt’s auf „Electrocution“ eine eigenwillige Soundmischung zu hören, die charmant und auf hohem Niveau wummert, auch wenn kein Song wirklich herausragt. Aber besser acht gute Songs, als ein Killer und sieben Filler. Wer mit dem New Orleans-Sound was anfangen kann oder einfach mal Bock auf eine rotzig-charmante Platte hat, sollte „Electrocution“ eine Chance geben. Doomfreaks könnten von den Tempoausbrüchen aber überfordert sein, also Vorsicht walten lassen!
Ein erfreuliches Zeichen gegen metselig „Odin“-brüllende Jünglinge setzt Isar mit seinem Doom-Projekt GRIVF. Der Däne rezitiert aus der Edda, erzählt von Odin, bespricht das Leiden dieser und der gestrigen Welt. Und zwar tut er das auf unglaubliche missmutige Weise – „Funeral Folk Doom“ würde er es vielleicht nennen. Die dänischen Texte (im Booklet auf englisch übersetzt) flüstert, spricht und quält (krächzt) er sich förmlich heraus, dazu klimpert er auf der akustischen Gitarre sparsame Weisen. Die fünf Titel sind lang (und das ist das einzige Klischee, das der Däne bedient) und insgesamt mehr als 55 Minuten lang, das kürzeste misst immerhin neun Minuten plus 16 Sekunden. Die tiefen Gitarren sorgen in dieser Zeit naturgemäß nicht unbedingt für Abwechslung, aber eben für unglaublich schmerzliche Atmosphäre. Wer dachte, Odin und seine Herden hätten seinerzeit trotz der vielen Schlachten und Toten ständig nur gefeiert, der glaubt nach GRIVF etwas anderes. Denn auch die Wikinger hatten mal schlechte Laune, die Isar mittels der minimalistischer Folk-Klänge eben Gitarre), sparsamer Wetter-Effekte (Wind) und drohender Funeral-Doom-Härte nahezu optimal transportiert. Irgendwie eine fiese Romantik, die GRIVF schaffen, beängstigend und geheimnisvoll. „Yggdrasil“ schier hypnotisches Album, das der Doom-Szene sicherlich gut tut, der eigenen Laune keineswegs.
Eine Prozession (so der Name der Band übersetzt) der besonderen Art liefern uns die Finnen SAATTUE. Denn wer bei der Erwähnung der Nationalität in Zusammenhang mit dem verwendeten Doom Metal auf eine typische Veröffentlichung schließen will, der irrt. Ntaürlich denkt jedermann zu allererst an Kapellen wie Paradise Lot (alt), Swallow The Sun oder andere typische Genrevertreter –zumal die 2001 gegründete Formation tatsächlich vieles an Elementen dieser Kollegen verarbeitet. Indes: Während Paradise Lost in ihren vergleichbaren Anfangstagen irgendwie rauer waren, während Swallow wesentlich depressiver und Moonsorrow viel epischer klingen, da hören sich SAATTUE trotz durchaus komplizierter Songstrukturen fast frohgelaunt an. Das liegt einerseits an den unglaublich eingängigen Refrains, die Sänger Tuukka Koskinen eben nicht growlt, sondern rau singt (und stellenweise auch mehr als brauchbar klar singt). Erfreulich: SAATTUE binden weibliche Chöre ein - ohne diesen nervigen, bombastischen Firlefanz (wie er auch gern in Holland Anwendung findet) – klasse. Durch die ausschließlich finnischen Texte bekommt die Musik zusätzlich einen leicht folkloristischen Einschlag, ohne dass SAATTUE diese Richtung auch instrumental unterstützen. Die sechs Skandinavier machen rifforientierten, abwechslungsreichen Doom-Death – aber ihnen ist ein Rest Hoffnung geblieben.
Fans der schwedischen DRACONIAN können Hoffnung schöpfen – von ihren Lieblingsdüsterheimern gibt es neuen Stoff in Form des vierten regulären Longplayers. Musikalisch bleibt sich das Sextett um Growler Anders Jocobsson und Engelsstimmchen Lisa Johansson auf „Turning Season Within“ dabei treu. Weiterhin regiert eine schwermütige Mixtur aus Doom, Death und nicht gerade wenig Gothic – verändert hat sich der Sound nur insoweit, dass vermehrt auf härtere Riffs zurückgegriffen wird und auch der Anteil der ultralangsamen Passagen wurde etwas zu Gunsten treibender, aber weiterhin bleierner Parts reduziert. Auch die Qualität der Produktion tut dem Gesamtsound hörbar gut. Gesangstechnisch sind die drei Stimmen (harter männlicher Gesang, viel Growls und die nicht überbordernden elfenhaftigen weiblichen Vocals) weiterhin gleichberechtigt. Mit düster bedrohlichen Kompositionen wie dem schaurig-rhythmischen Opener „Seasons Apart“ mit seinem Gut-Böse-Gesangspart, den hypermelancholischen und eingängigen Hit „Not Breathing“ und dem im Band-Sinne traditionellen Doomer „Morphine Cloud“ (keine Wunder das Bandleader Jacobsson unbedingt mal mit MY DYING BRIDE touren möchte) können DRACONIAN gar nicht enttäuschen und haben sich auf einem hohem Level eingenordet. Meines Erachtens genau das richtige für diese sturmverhangenen Tage.
Der Titel der Debütscheibe GARSTIGs entstammt der Stil-Selbstbeschreibung der Band – „Tysk Arkaisk Dreck Metal“. Die Bonner spielten bereits im Vorprogramm Negura Bungets, haben aber stilistisch so rein gar nichts mit den Rumänen gemein – da half vielleicht eher die rumänische Abstammung des Sängers Dark. GARSTIG mischen Doom, Hardcore, Sludge – whatever - und erinnern atmosphärisch ein wenig an Totenmond, ohne deren totale Hemmungslosigkeit, Brutalität und Unverdaulichkeit zu erreichen. Dabei erreichen die Jungs ihren allgegenwärtigen Groove durch stete Wiederholung und fast monotonen Grunzgesang – was Ignoranten sicherlich alsbald langweilen, stresserprobte Extremler dafür sofort in GARSTIGs Bann ziehen dürfte. Der Sound dieser überaus professionellen Veröffentlichung würde Label-Ansprüchen ohne weiteres gerecht, was auch für die Aufmachung der CD sowie des Infos zutrifft: Farbiges Cover inklusive Texte, das Info auf Pergament-ähnlichen mit einer gehörigen Portion Humor (die „Tanzkapelle Garstig“ beschreibt sich hier im altmodischen Stile) – so schön können Demos sein. Wer Totenmond oder Pro-Pain mag, der sollte hier mal weitere Informationen einholen oder das Scheibchen einfach kaufen. Und der Band ist nur noch viel Glück bei der Musikersuche (Schlagzeug und Gitarre) zu wünschen.
Aus Thamuz entstand 2004 TERHEN, eine finnische Doom-Band, melancholisch selbstverständlich. Doom meint hier nicht nur Melancholie, sondern auch Brutalität, was dann häufig zum Begriff Doom-Death führt. Allerdings scheuen sich die Soumis nicht vor einem gerüttelt Maß an Keyboard-Einsatz, schaffen es dabei aber dennoch, ihre Emotionen nicht zu verwässern. Herausgekommen sind fünf lange Epen, zwei davon mehr als 13 Minuten lang. Vergleiche mit Bands wie Swallow The Sun keimen beinahe automatisch auf, gegen ihre Landsmänner haben TERHEN auch nicht den hauch einer Chance – was dennoch nicht an einem mehr als gelungenen Debüt-Album ändert. Ein Unterschied ist der gelegentlich eingesetzte Frauengesang, mit dem die Skandinavier mal wieder auf die „Gut gegen Böse“-Strategie setzen und damit streckenweise ein bisschen langweilen. Aber selbst diese Abstriche verhindern weder die beinahe schon depressiven Stimmung noch die gelungen-düstere Atmosphäre, die das bisweilen fast hypnotische Scheibchen transportiert.
GRAVEYARD DIRT aus Irland gehören zu den verlorenen Seelen des Musikzirkus, da sie seit ihrer Gründung 1994 neben einem Drei-Song-Demo (1995) und einem Split 1997 (kurz zuvor hatten sie sogar einen Plattendeal ergattert) nicht viel auf die Reihe bekommen haben. Jahre später folgte dann die Reunion, deren Ergebnis „Shadows Of Old Ghosts“ nun vorliegt. Wieder handelt es sich um einen Drei-Tracker, der allerdings in doomiger Tradition ganze 34 Minuten lang ist und ausschließlich überlange Kost enthält. Auf ihrer Homepage schreibt das Quintett, dass es zu früheren Zeiten öfter mit BLACK SABBATH, alten ANATHEMA oder frühen MY DYING BRIDE verglichen wurde, was ich alles für nicht wirklich falsch halte. GRAVEYARD DIRT tendieren weniger in die traditionelle, epische Doom-Richtung der Marke COUNT RAVEN, CANDLEMASS und Co., sondern fühlen sich von der Stimmung her eher dem todesbleiernen Doom zugehörig, wobei sich allerdings beide Lager angesprochen fühlen sollten, da man von monstermäßig tiefer gelegtem Funeral Doom doch noch eine ganze Ecke entfernt ist. Interessierte sollten auf der Seite der Band ruhig mal in die drei Songs reinhören, von denen besonders das geile „A Tearless Lament“ hervorsticht. Auch wenn „Shadows Of Old Ghosts“ noch ein wenig Luft nach oben lässt, ist diese EP für keinen echten Doomer eine Enttäuschung, ganz im Gegenteil!
Im Gegensatz zu Möchtegern-Gangster-Rappern aus der deutschen Provinz tragen OMEGA MASSIF den passenden Namen für ihre Musik. „Geisterstadt“ ist eben eine verdammt massive Soundwand, die der Hörer nicht viel entgegensetzen kann. Mit möglicherweise ablenkenden Mätzchen wie Gesang haben OMEGA MASSIF nichts am Hut, hier gibt es eine Dreiviertelstunde lang eine rein instrumentale Vollbedieung auf die Lauscher, die Doom und Postcore zu einem beeindrucken heftigen Bastard vereint. Eher an die ganzen Souhtern Lord-Bands als an vergleichsweise leicht zugängliche Bands wie CULT OF LUNA erinnert das Ergebnis, was „Geisterstadt“ zu einer Platte macht, für dich sich Zeit genommen werden muss. Die brachial schöne Kunst muss langsam entdeckt werden, dann entfaltet sie ihre volle Wirkung und nimmt den Hörer mit auf einen Trip in die dunklen Abgründe der Seele. Sechs Tracks voller Leidenschaft, voller Kraft, voller großartiger dunkler Musik warten – wagt es und betretet die Geisterstadt
Dieses schwedische Quartett ist bereits seit 1990 im Geschäft, anfangs noch unter dem Namen FORLORN, der allerdings 2003 in ISOLE umgeändert wurde. Aber erst im Jahr 2005 erschien der erste offizielle Tonträger der Band, und seither gelten ISOLE als großer Geheimtipp für Fans düsterer Klänge. Als Einflüsse geben die Jungs hauptsächlich CANDLEMASS und die epischen BATHORY an, was man zwar deutlich heraushört, ISOLE aber beim besten Willen nicht zur plumpen Kopie degradiert. Und „Bliss Of Solitude“ klingt tatsächlich wie ein grandioser Bastard aus Scheiben wie „Epicus Doomicus Metallicus“ oder „Nightfall“ auf der einen- und „Hammerheart“ oder „Blood Fire Death“ auf der anderen Seite. Die Band erzeugt einen wahnsinnig intensiven, bombastischen Doom-Lavastrom, der den Hörer vom ersten bis zum letzten Ton gefangen nimmt und sich fernab jeglicher Gothic-Tränendrüsen-Kitsch-Seifenopern bewegt. ISOLE sind ebenso heavy wie finster, gehen unter die Haut und spielen dabei qualitativ in einer Liga mit Dunkel-Götterbands der Marke MY DYING BRIDE oder KATATONIA. Hört Euch nur mal das vielschichtige Titelstück oder das überragende „Imprisoned In Sorrow“ an, die sich sogar im Windschatten eines „One Rode To Asa Bay“ bewegen und zu den besten Genre-Stücken seit ganz langer Zeit zählen. „Bliss Of Solitude“ ist ein Meisterwerk düsterer Musik und ein Pflichtkauf für alle anspruchsvollen Doomer, die dieses Album mit Hingabe verschlingen werden. Dessen bin ich mir absolut sicher!
OVERMARS haben sich nach ihrer ersten Platte dazu entschieden, die kreativen Fesseln vollends zu lösen, was sich in diesem Falle in dem Entschluss äußerte, auf dem neuen Longplayer nur einen (überlangen) Song aufzunehmen. Knapp vierzig Minuten ist der Brocken lang und brachte die Band an den Rand des Splits. Sie rauften sich wieder zusammen, tourten eine Weile und schlossen sich dann im Proberaum ein, um das (wie sie selbst sagen) „Monster“ zu schreiben. Und das ist es wirklich geworden. Dunkel, verstörend, fordernd, unkonventionell. OVERMARS bedienen sich quer durch alle Genres, von Postcore über Doom bis Black Metal und Punk, alles findet sich in „Born Again“, verwoben zu einem komplexen akustischem Muster. Mit Worten ist kaum zu beschreiben, was der Haufen im Proberaum und dann im Studio fabriziert hat, Vergleiche CULT OF LUNA, ISIS und BARONESS sind nur Krücken. Aufgeschlossene Geister, die zumindest mit Postcore oder Doom warm werden, sollten sich „Born Again“ ruhig einmal zu Gemüte führen. Alle anderen: Finger weg!