Die Taiwaner CHTHONIC (der Name spricht sich übrigens schlicht „Thonic“) können bereits auf fast 15 Jahre Bandgeschichte zurückblicken, gehören in ihrem Heimatland zu den metallischen Superstars (unter Anderem „Best Rock Group“) und setzen sich für demokratische Kampagnen wie „Free Tibet“ ein. Und da sich Taiwaner und Chinesen so gut auf den Pelz gucken können wie Dortmund- und Schalke- oder HSV- und St. Pauli-Fans, ist es nicht verwunderlich, dass der Haufen bereits Auftrittsverbot im Reich Der Mitte hat. Mit „Mirror Of Retribution“, dem inzwischen (oder erst) fünften Langspieleisen, hinterlässt die Band auch in unseren Breitengraden einmal mehr ihre Duftnote, nachdem der Vorgänger „Seediq Bale“ schon ein beachtliches Stück symphonischen Black Metals war. „Mirror Of Retribution“ schafft es zwar nicht ganz, den Vorgänger zu toppen, geht aber als sehr starke Platte durch, die erschlossen werden will. Wie auf den früheren Werken braucht es einige Zeit, mit dem teilweise exotischen Material warm zu werden. CHTHONIC erzeugen nach wie vor eine mächtige Breitwand, die stark an die Referenzen CRADLE OF FILTH und DIMMU BORGIR erinnert, aber glücklicherweise die (inzwischen) schwachmatischen Ergüsse von Bands wie AGATHODAIMON oder GRAVEWORM locker in den Schatten stellt. Das Problem ist aber immer noch, dass man förmlich vom Keyboard-Doublebase-Dauerfeuer nahezu erschlagen wird und die Band daraus nur sehr schwer zugängliche, uneingängige Songs strickt, die nicht so ganz zünden wollen. Auch nach mehreren Durchläufen können sich (gelungene!) Stücke wie „Hearts Condemned“, „Sing-Ling Temple“ oder „Rise Of The Shadows“ nicht so recht freischwimmen, was zwar auf der einen Seite einen längeren Hörgenuss garantiert, auf der anderen Seite aber auch quer im Magen liegt. Abgesehen davon liefern CHTHONIC hier eine außerordentlich starke Scheibe ab, die weit mehr bietet als nur Exotenbonus und „Aha-Effekt“. Am „Tipp“ ist die Band wieder haarscharf vorbeigeschrammt, aber zumindest die männliche Hörerschaft bekommt auch was fürs Auge: Bassistin und Background-Röhre Doris Yeh gehört zu den optisch sehr leckeren Damen der Schwermetallwelt und arbeitet nebenher als Schauspielerin und Model.
Mitte 2005 ging ein Aufschrei durch die Fangemeinde von GLUECIFER, als nämlich die selbst ernannten Kings of Rock ihre Auflösung verkündeten. Jetzt, mehr als vier Jahre später, veröffentlichen die Norweger noch ein Album mit bislang nicht auf Alben veröffentlichten Tracks, sprich Songs von 7- und 10-Inch-Platten, Single-B-Seiten und Compilations. Das riecht erst mal etwas nach Resteverwertung, und man kann sich zu Recht fragen, ob das wirklich sein muss. Nach dem ersten Durchhören kann ich eindeutig sagen: Ja, es muss! Denn sämtliche der 17 – von Gitarrist und Bandleader Captain Poon handverlesenen – Songs stehen dem auf den Alben veröffentlichten Material in nichts nach, und es wäre eine Schande, wenn sie nur den Hardcore-Fans zugänglich wären, die wirklich alle Veröffentlichungen von GLUECIFER ihr Eigen nennen. Man höre sich nur Songs wie „Thunder And Lightning“, „Shitty City“ oder „Ape And Essence“ an. Da geht es so dreckig, rotzig und mit so viel Druck nach vorne, dass es eine wahre Freude für jedes Rock’n’Roller-Herz ist. Einer der Höhepunkte des Albums ist dabei direkt der Opener: „Desolate City” ist nämlich der letzte Track, den GLUECIFER zusammen aufgenommen haben und war bislang nur auf der Abschiedstour im Herbst 2005 zu hören. Ein weiteres Highlight – und gleichzeitig auch ein Kuriosum – stellt der letzte Song dar: „Snyltegjesten“ ist auf Norwegisch gesungen, und das klingt wirklich abgefahren. Als ich dieses Album zum ersten Mal durchgehört hatte, wurde mir bewusst, dass ich schon viel zu lange nicht mehr GLUECIFER gehört habe und wie genial die Jungs gerockt haben. Leider wurde mir aber auch wehmütig bewusst, dass das jetzt wohl wirklich das Letzte war, was man jemals von dieser Band hören wird.
Passend zu unseren aktuellen Review können sich THE VOID’S LAST STAND über einen vor 2 Tagen geschlossen Labeldeal mit Long Hair Music freuen. Glückwunsch!
Nach einigen Monaten Pause sind die Hamburger Metaller PARAGON nach eigenen Angaben wieder am Start: Mit dem neuen alten Bassisten Jan Bünning kündigen sie ein neues Studioalbum für das nächste Jahr an. Mit dem Swordbrothers Festival ist auch der erste Liveauftritt bestätigt.
MEADOW SAFRAN kommen aus Siegen und tönen von der ersten Sekunde an richtig frisch, frech und kraftvoll aus den Boxen. Musikalisch ist die Scheibe nicht einfach einzuordnen. "Postcore gemischt mit Alternative Rock" würde ich den Musikstil umschreiben. Letztlich das aber egal, denn was die Band in "Leaving The Black Square" zusammenspielt ist einfach große Klasse. Alle Songs befinden sich auf einem sehr hohen Niveau und sind von einer melancholisch kraftvollen Stimmung getragen, für die nicht zuletzt Sänger David Post verantwortlich ist. Das Repertoire von Post reicht dabei von melodischen Refrains bis zu Schreikrämpfen, die sich in die Musik sehr gut einfassen. Dass die Band aus Deutschland kommt, hätte ich nie vermutet. Respekt. Alle Songs haben definitiv internationales Niveau und werden auch noch nach einigen Durchläufen von mir gerne gehört. Die Platte ist kraftvoll und professionell abgemischt, wobei gerade die dominanten Gitarren druckvoll aus den Boxen shreddern. Meine Anspieltipps sind "The Medical Director", "Island", "History of Dreams" und "Throwing Back Stones", die nicht nur durch einen interessanten Songaufbau, sondern auch durch einfach guten Melodien bestechen. Für mich ist "Leaving The Black Square" eine der besten Scheiben, die ich dieses Jahr gehört habe. Bevor ich mich nun weiter mit Lob besudele und sogar leicht unglaubwürdig werde, sollte sich jeder, der mit der Musikrichtung prinzipiell etwas anfangen kann, der Scheibe einige Minuten sein Ohr leihen. Daumen hoch!
Bei der Masse der Veröffentlichungen wünscht man sich, dass sich eine neue Scheibe von den zahlreichen Veröffentlichungen auf dem Musikmarkt abhebt und einen eigenen Stil besitzt. Innovativ, mitreißend und ergreifend sollen die Songs sein und nicht zuletzt zum Abtanzen einladen. Bei so vielen Wünschen auf einmal muss man oft erkennen, dass es selten ein Album schafft, in solche Sphären zu gelangen. Selten heisst allerdings nicht niemals. Mit der am 30.10.2009 veröffentlichten Scheibe der DONKEYSHOTS aus München namens "Chasing Windmills" liegt mir ein solch weiter Wurf vor. Die Musik der fünfköpfigen Band bestehend aus Gitarre/Gesang, Saxophone, Posaune, Bass und Drums ist eine ganz wilde Mischung aus Gypsy Rock, Ska, Punk und eine kleine Prise Nu Metal. Wie sich das ganze anhört, ist schwer zu beschreiben. Klassische Liebhaber des Heavy Metalls werden sicherlich nicht bedient. Trotzdem hat die CD eine Menge Pfeffer im Arsch. Die Band versteht es, mitreißende Songs zu komponieren, die von ihren Melodien und Stilwechseln außerordentlich begeistern können. Gerade der Einsatz von Posaune und Saxophone gibt der Musik ihren ganz eigenen Stil, den man in dieser Kombination nur sehr selten zu hören bekommt. Die DONKEYSHOTS haben einen unverwechselbaren Sound und grenzen sich so von den massenhaften Neuerscheinungen wohltuend ab. Als Anspieltip will ich den Song "Son Of The Sun" herauspicken, der nach einem stimmungsvollen Bläserintro in eine Art treibende Speekpolka mündet, bei der die Band das Zusammenspiel der verschiedenen Instrumente zelibriert. Sollten die DONKEYSHOTS einmal in meine Nähe kommen, werde ich es mir nicht nehmen lassen, diese wahnsinnige und einzigartige Truppe aus der Nähe anzusehen. Volle Punktzahl.
THE VOID’S LAST STAND sind eine äußerst ambitionierte Progformation aus Aachen und legen mit „A Sun By Rising Set“ ein gerade zwei Longtracks enthaltenes Album vor, welches auf den ersten Hör ratlos zurück lässt. Ein zweiter Durchgang kostet dann durchaus Überwindung und ist auch nur standfesten Proggies mit Hang zum Dissonanten und Open Mind zu empfehlen. Der Sound ist dabei Prog-Untypisch erdig und rau (was ja kein Fehler sei muss), der Gesang und die Gesangslinien mehr als gewöhnungsbedürftig, die instrumentale Spielfreude lässt sich freien Lauf und die Produktion kommt eher etwas dünn. Der erste Song, das über 25-minütige „Mother Sun And The Other Son (Part I)“ verquert dann schon alles was es landläufig im Rockbereich gibt, plus Funk, plus ... was weis ich .... dabei blitzen immer wieder neue Ideen auf, aber auch Belanglosigkeiten werden in den Kontext munter eingebaut. Gar nicht langweilig – aber oft auch etwas des Guten zuviel. Der zweite Song „Under The Ardent Sun“ (kommt auf fast 20 Minuten) wurde in kürzerer Fassung ja bereits 2008 als Demo veröffentlicht und gibt sich auch alle Mühe wenig auszulassen. Allerdings kommt er nicht so überfrachtet wie der Vorgänger daher und hinterlässt daher einen durchdachteren Eindruck. Schwer verdaulich, kaum vergleichbar – die Grundessenzen des Prog haben THE VOID’S LAST STAND durchaus verinnerlicht. Aber ohne gesetzte Ruhephasen für Hirn und Ohr und vor allem ohne einen etwas ausgeglicheneren Gesang (man könnte ja auch mit zwei Stimmen arbeiten) kommt einen „A Sun By Rising Set“ doch etwas überambitioniert und anstrengend vor.