Schwermütige auditive Trostlosigkeit, die Spaß macht.
„Origins" ist eine Zusammenstellung von frühem WHITE WARD-Material mit herrlich epischen Blackgaze-Klageliedern.
WHITE WARD ist eine von diesen Bands, die verschwindend wenig mit dem Black Metal aus der ersten und zweiten Welle zu tun hat. Auf einem Bandfoto sieht man die junge Gruppe in einer U-Bahn. Dabei sehen sie so aus, als würden sie nach der Uni noch zum Poetry-Slam fahren. Das ist meilenweit entfernt von Corpsepaint und von skandinavischen Satans-Black Metal-Zirkeln mit Morden und Kirchenverbrennungen. Musikalisch haben wir im Prinzip die gleichen Zutaten, wie wir sie bei BURZUM, WATAIN und EMPEROR hören und schätzen. Aber was daraus geköchelt wird, ist etwas ganz anderes: ohne Punk und ohne rohe Räudigkeit. Und ich habe lange versucht, dieses Subgenre nicht zu mögen, weil es zu glattgebügelt ist. Wo kommen wir denn dahin: Hipster-Black Metal? Man stelle sich folgende Situation vor: Mr. „Satan“-Gaahl hätte im Jahr 2000 WHITE WARDs Interpretation von Black Metal gehört. Er hätte die Jungs mit einem abgetrennten Schafskopf windelweich geprügelt und sie angeschrien: „Zum Teufel, leg das Saxophon weg, und wo ist eigentlich Dein Pentagramm?“. Heutzutage würde Gaahl wahrscheinlich mit seinem Gläschen Rotwein schwenkend im Takt mitwippen, mit verträumtem Blick den Pinsel kreisen lassen und ukrainisch urbane Siedlungen malen. Viele Post Black Metal-Bands erzeugen einfach eine fantastische melancholische Atmosphäre und verbinden Härte mit Melodie, dass es eine wahre Pracht ist. Und so ist es auch bei WHITE WARD.
Sie wurden 2012 gegründet und spielten zu Beginn eher Depressive Black Metal. Nach einigen Kurzveröffentlichungen hatten die Ukrainer 2017 mit „Futility Report“ ihr erstes Album am Start. Inzwischen hatte sich ihr Stil weiterentwickelt und lässt sich als Post Black Metal oder Blackgaze kategorisieren. Sie entwickelten eine eigene moderne Fusion mit Ambient-Sound, Shoegaze und Darkjazz. Seitdem ist die Band unter Vertrag bei Debemur Morti Productions, einem französischen Label, das sich auf Black Metal und verwandte Genres spezialisiert hat. Tempowechsel, mehrstimmige Gitarrenwände und elektronische Effektgeräte sind auch im 2019er Nachfolger „Love Exchange Failure“ an der Tagesordnung.
Bei „Origins“ handelt es um die Demos, EPs und Splits, die vor ihrem ersten Album erschienen; wir erleben also die Anfänge von den Avantgarde-Black Metallern, noch ohne Saxofon, das den beiden Alben einen sehr charakteristischen Anstrich verlieh. 2016 wurde die Compilation bereits in digitaler Form veröffentlicht, und nun ist sie auf CD, Vinyl und Tape erhältlich. Das Line-Up wechselte, und vom Beginn der Truppe ist nur noch Songschreiber und Gitarrist Yuriy Kazaryan aus der kriegsgebeutelten ukrainischen Metropole Odessa übrig.
Die Compilation startet mit „Walls MMXV“, die Single-Veröffentlichung von 2015, wobei das Stück „Walls“ sowohl in der ursprünglichen Version, als auch in dieser moderneren Version vertreten ist. Eine interessante Idee, da so der stilistische Wandel verdeutlicht wird. „When Gift Becomes Damnation“ beginnt locker entspannt, dann überrumpelt uns ein explosiver Raserei-Anfall. Der Titel und das folgende „Inhale My Despair“ stammen von der Split mit SAUROCTONOS und SILENCE OF THE OLD MAN von 2012. „Inhale My Despair“ beinhaltet eingängige Bass-Grooves und Percussions, zuerst dachte ich an INCUBUS und Strand-Feeling. Die Drums sind knackig und sauber. „Drowned In Cold“ von 2014 beginnt jazzig relaxt; es wird aber abwechslungsreich mit schroffen Black Metal-Parts, elektronischen Klängen, ruhiger Gitarrenmusik und schließlich hymnenhafter tremolo-gezupfter Gitarrenarbeit. Die drei Songs von der EP „Riptide“ („Drowned In Cold”, “Nautical Child”, „Depths Of Arcane“) sind wütend und verzweifelt. Depressivität und verregnete städtische Isolation und Einsamkeit scheinen aus den Lautsprechern zu kriechen. Hin und wieder blitzen dabei ALCEST-typische Gitarrensounds auf, und in „Depths Of Arcane“ gibt’s elektronische Trance-Passagen. Mit „Walls“, „Guilty If“ und „World Of The Closed Graves“ wird es eine Spur roher; die letzten Songs von „Origins“ stammen von der EP „Illusions“ aus 2012. In „Guilty If“ begeistern schöne Basslinien und Soli der Leadgitarre, und effektveränderte Moll-Akkorde kitzeln im Ohr. Stimmlich klingen die letzten Songs anders als spätere Veröffentlichungen, die Vocals sind hier gepresst-knurrend. „World Of The Closed Graves“ hat doomig-traurige Zwischenparts.
WHITE WARDs Entwicklung und Veränderung des eigenen Stils in den ersten Jahren ist anhand der Compilation gut nachzuvollziehen. Es lassen sich Parallelen zu Bands wie DEAFHEAVEN, LANTLÔS, ANOMALIE, VIOLET COLD, NUMENOREAN und A LIGHT IN THE DARK ziehen. Ob Euch der Großstadt-Blues packt und derbe hinunterzieht oder doch kathartische Erlösung verschafft, müsst Ihr selbst entscheiden. Eine variationsreiche Ergänzung zu den beiden Longplayern von WHITE WARD ist „Origins" allemal!
WOLVENNEST stricken mit ihrem dritten Album ein intensives psychedelisches Werk, das zugleich seltsam und beeindruckend ist. Ihre Musik lässt sich kaum in Worte fassen und erst recht nicht einem Genre zuordnen. Die Belgier mischen Doom Metal mit Einflüssen von experimentellem Psychedelic Rock, Ambient, Post Rock, 70er-Jahre-Krautrock und Black Metal. Die Musik hat stets einen mantraartigen, rituellen Charakter, hypnotische Gitarrenwände und Synthesizer-Sounds machen "Temple" zu einem einzigartigen coolen Trip.
WOLVENNEST wurden 2013 in Brüssel gegründet, und am Debüt aus 2016 beteiligten sich Mitglieder von DER BLUTHARSCH AND THE INFINITE CHURCH OF THE LEADING HAND, deren Stil die Band auch weiterhin prägt. Weitere Einflüsse könnten sein: THE DEVIL'S BLOOD, FLUISTERAARS, THE RUINS OF BEVERAST, DARK BUDDHA RISING, URFAUST, AMENRA und NEPTUNIAN MAXIMALISM.
"Temple" erschien über das Label Ván Records, und die Spieldauer beträgt satte 77:31 Minuten. Auf dem Album finden sich bandtypische Spoken-Word-Samples wie beispielsweise im Opener "Mantra" und im letzten Song "Souffle De Mort". Die Riffs wiederholen sich immer wieder und wieder, der Rhythmus hält sich stur, und das Tempo ist meist schleppend. Die drei Gitarristen erzeugen mit Tremolo-Riffing und Gitarrenloops hohe Soundgebirge. Das erzeugt die typische atmosphärisch-tranceartige Stimmung.
Sharon "Shazzula" Schievers Stimme gefällt mir persönlich nur mittelprächtig gut. Sie wird von Gastvokalisten unterstützt: DéHà von MALADIE ist in "Disappear" zu hören, und der amerikanische Neofolker TJ Cowgill alias KING DUDE beim Highlight "Succubus". Die beiden tiefen Männerstimmen passen sich hervorragend ein, und beide Songs gefallen mir ausgesprochen gut. Der letzte Titel der Platte ("Souffle De Mort") wird von Shazzula in Französisch performt und sorgt für einen düsteren apokalyptischen Abschluss. Er klingt, als würden wir einem fiesen Ritual in einem Tempel beiwohnen. Die Produktion von "Temple" ist druckvoll und ausgewogen.
Die Scheibe ist ein ungleichmäßiger, aber trotzdem ineinanderfließender belgischer Schokoladenfluss, eine Platte wie ein Drogenrausch. Man genießt das Eintauchen in WOLVENNESTs Soundwelt, und die psychedelisch einlullende surreale Anziehungskraft hat mich gepackt!
25 Jahre Black Metal! Man kann GRABAK nicht vorwerfen, dass sie auf einen Trend aufgesprungen sind. Nach einem instrumentalen Intro wird man gleich von knarzenden Gitarren und einem angenehmen Tempo empfangen, welches gerne auch mal in Raserei endet, aber immer wieder zurück zum roten Faden findet. „Epitomes Of Cruelty“ bringt keine neuen Erkenntnisse, aber ist ein grundsolider Opener, der Lust auf mehr macht. Lust auf mehr macht dann auch „Furia II - Weltenbrand“, welches in der deutschen Vertonung ziemlich rau und aggressiv aus den Boxen erschallt, aber niemals peinlich wirkt. Man kann zu deutschen Texten im Black Metal stehen wie man will, aber in diesem Lied passt es einfach ziemlich gut. Insgesamt gefallen mir GRABAK am besten, wenn die Geschwindigkeit ein wenig gedrosselt wird, und die Riffs ihren wahren Druck entfalten können. Ok, von Geschwindigkeitsdrosselung hält Schlagzeuger B.S. manchmal nicht viel, da er gediegene Riffs teilweise mit ein wenig Drumfeuerwerk unterlegt und einfach durchblastet. Der Kontrast zu den Gitarrenwänden kommt aber nicht planlos rüber, sondern zeigt einen gewollten Gegenpart auf. Musikalisch macht das in jedem Fall Sinn und auch Spaß. Ein wenig zu konservativ kommt mir „Blutkelch“ aus der Anlage. Hier wird mir die Black Metal-Chose dann doch zu klischeehaft. Der Song wirkt irgendwie zu durchkonstruiert und lässt teilweise auch die gewünschte Räudigkeit vermissen. Macht nichts, der Rest der Songs kann durchaus überzeugen und bieten eine hohe Qualität. Besonders der Gesang von Gründungsmitglied J.K. kann mitreißen und legt sich sanft (???) über die Musik. Leider ist mir teilweise der Sound nicht differenziert genug. In langsameren Passagen kommen alle Instrumente sauber und druckvoll beim Hörer an, aber besonders in schnelleren Parts vermischen sich die Instrumente zu einem Soundknäul. Ich kann es leider nicht anders beschreiben. Das trübt das Hörerlebnis aber nur wenig, da die Songs zumeist gut auf den Punkt kommen und das spezielle Feeling besitzen, welches besonders das grandiose Cover-Artwork bestens rüberbringt. Fazit: Kein Überalbum, aber falsch macht man mit „Scion“ definitiv auch nichts. Kann man gerne antesten!
Das siebte Studioalbum von den Pagan-Metallern MINAS MORGUL, dem grimmigen bösen Bruder von VARG, OBSCURITY und EQUILIBRIUM, ist fertig und wird uns auf den Turm der Schwarzen Magie entführen. Dort können wir gepflegt abhängen, den Blick über das Schattengebirge nach Mordor genießen und den träumerischen Riffs und Soli der Band lauschen. "Heimkehr" wird via Label Trollzorn erscheinen, und MINAS MORGUL bleiben ihrem melodischen Pagan Black/Death Metal treu. Coole Gitarrenriffs treffen auf hymnische Melodien. Die Besetzung der Band könnte man als sprunghaft bezeichnen, es sind mehrere Besetzungswechsel in nur wenigen Jahren zu dokumentieren. Interne Differenzen führten diesen Monat dazu, dass man sich auf einen Schlag von Sänger Robert „Robse“ Dahn (Frontmann bei EQUILIBRIUM), Keyboarderin Jennifer Berg und Bassist Janko Jentsch trennte. Robse ersetzte erst kürzlich Sänger Rico, als auch Gründungsmitglied Sam "Herr Ewald" die Band verließ. Sowas kennt man sonst nur von SODOM. Wer ist denn hier der Mr. Angelripper in der Band?!
MINAS MORGUL liegen mit ihrem Stil irgendwo zwischen Folk Metal-"Party"-Bands und dem Pagan Black Metal Skandinaviens und Osteuropas. Zum Glück versprüht die Band in ihrem 25. Jubiläumsjahr mit "Heimkehr" Atmosphäre und Dynamik. Nach einem langsam-symphonischen Keyboard-Prolog kommt mit dem Namensgeber-Song "Heimkehr" epische Melodik ins Spiel; Zeit zum Mitgrölen: "Heimkehr – setzt Euch zur Wehr". Klassische Refrain-Struktur, gezupfte Gitarrenlinien und Melodic Death Metal-Riffs bringen viel Eingängigkeit. Bei "Niedergang" treten MINAS MORGUL erstmals aufs Gaspedal. Bei der ersten Single-Auskopplung "Teufel" gibt’s ein ordentliches Brett, der Song klingt erfreulich hart und düster. "Weltenfall" überzeugt dank schöner Gitarrenmelodie, in der man sich verliert; Drumming, Keyboardteppich und Riffing harmonieren hier gut. Der Song "V.F." bringt mit Klargesang Abwechslung in die Sache. Bei der Produktion der Platte wurde viel Hall eingesetzt, so wirken Stimme und Riffs zum Teil verwaschen. Sänger "Robse" macht auf dem Album einen guten Job, natürlich ist eine neue Stimme immer eine gravierende Veränderung für den Klang einer Kapelle.
"Heimkehr" stimmt mich persönlich nicht überschwänglich verzückt, aber MINAS MORGUL präsentieren sich auf einem soliden Niveau.
Die Griechen MEDIEVAL DEMON fabrizieren auf ihrem dritten Album theatralischen Melodic Black Metal, der hier und da etwas zu dick aufgetragen ist.
Für eine Black Metal-Band, die dem symphonischen okkulten Genre angehört, ist es nun mal ein Drahtseilakt, in ihrer Musik dramatischen Zauber zu entwickeln und mich als Hörer in meiner Vorstellungskraft hinab in die Gruft zu schicken. Zu leicht wird dieses Unterfangen zur kitschig-bösen Farce, vor allem wenn viel Piano, Keyboard und Kirchenorgel im Spiel ist.
MEDIEVAL DEMON wurden 1993 von Sänger Alexandros “Sirokous” Karras sowie dessen Bruder, Drummer und Keyboarder Kostas “Lord Apollyon” Karras gegründet. Der neue Silberling "Arcadian Witchcraft" folgt dem 2018er-Album "Medieval Necromancy"; zwischen den 90ern und der zweiten Schaffensperiode existierte die Band nicht. Ergänzt werden die Brüder inzwischen von Bassist Dimitris “Mutilator” Patsouris (YOTH IRIA, ex-ROTTING CHRIST).
Nur drei Longplayer in annähernd 30 Jahren - Klasse statt Masse?
Hört man sich den ersten Song "Meet Her Majesty, The Black Queen" an und betrachtet Cover und Bandfotos (samt nackter holder Weiblichkeit), wird einem klar: die sind gaaanz böse. Das Logo der Band mit Zeremoniendolch, Kerze, Kelch, umgedrehten Kreuzen und Pentagramm deutet an, wo die schaurig-gruselige Fahrt hingeht.
Musikalisch schöpft die Band zum einen von traditionellen griechischen Black Metal-Einflüssen wie ROTTING CHRIST und NECROMANTIA. Auf der anderen Seite erkennt man auch den Fußabdruck der alten SAMAEL und EMPEROR. Die Melange wird abgerundet von einer deutlichen CRADLE OF FILTH-Schlagseite und DIMMU BORGIR-Klängen zur "Enthrone Darkness Triumphant"-Zeit.
Bei Song Nummer zwei ("Mystics Of Ritual Madness") sind alt-nordische Gitarrenklänge zu hören, und "Mundus Et Diaboli" liefert Gothic-angehauchte CRADLE OF FILTH-Parallelen. Das komplexe Songwriting bei diesem Track ist nicht von schlechten Eltern.
Im weiteren Verlauf des Albums wird es zunehmend geradliniger. MEDIEVAL DEMON schaffen eine theatralisch-rituelle Atmosphäre mit blasphemischen Beschwörungssalven und einem interessanten wiederkehrenden Stilmittel: Paukenschlägen.
Zu betonen ist die wirklich abwechslungsreiche Gitarrenarbeit: klassische Heavy Metal-Riffs, Powerchords, melodische Gitarrenleads und Soli.
Der Gesang von Sirokous ist böse-kratzig und wenig gekreischt. Leider wurde die Stimme stark mit Hall unterlegt, sie wirkt dadurch verfälscht und rückt im Mix unweigerlich nach hinten und verliert an Präsenz. Die Produktion ist insgesamt ziemlich poliert.
Musikalisch geht das alles voll in Ordnung, und MEDIEVAL DEMON zeigen auch, dass sie ausgefeilte Black Metal-Songs schreiben können, aber manchmal (Achtung Phrasenschwein) ist weniger mehr.
Die 90er sind zurück, und das ziemlich klischeelastig!
Das dritte RAMCHAT-Album „Znelo Lesom“ („Klang Wie Ein Wald“) klingt alles andere als hinterwäldlerisch. Aber urwüchsig: Das Tremolo pickt, der Beat blastet, rau und harsch – der Opener „V Čase Popadaje“ („Zum Zeitpunkt Des Herbstes“) startet rasend. Aber schon hier zeigen die Slowaken Mut und Gespür für Abwechslung zur absolut richtigen Zeit. RAMCHAT setzen auf eine gute Mischung aus langsamen, mittel temperierten und sehr schnellen Songs – mehr gibt es ja auch nicht – so dass sie stets interessant bleiben. Sogar kleine Keyboard-Anteile sind zu entdecken, und sogar Spoken-Words und weiblicher Gesang, was für zwei Konterparts zum bärigen Gegrunze und Geschrei von „Walki“ sorgt. Beherrschend aber sind die geilen Melodien, die Songs wie „Lož A Žlč“ zu echten Hymnen machen. Bei RAMCHAT, gegründet von Szenegröße Pavel „Hirax” Baričák, dreht sich alles um Pagan Metal, den sie mit einer Mischung aus Black- und Death Metal zum Leben erwecken, nicht ohne textlich auf slawische Götter, Mythologie und antichristliche Themen einzugehen. Das tut die Band aus Martin/Zilina, wie Ihr schon bemerkt haben dürftet, in einheimischer, also slowakischer Zunge. Was die Sache für Freunde Metal-exotischer Sprache zu einem besonderen Fest macht. Und die Wertung je nach Gusto hoch- oder runtertreibt. Hier lässt es das Pendel zum Positiven ausschlagen. Klasse Album – und mal was anderes.
"Reverend of Diabolical Services and Sinister Sorcery" ist für die "Barbaric Skullhammers and Poisonous Hate Commands" zuständig, und "Reverend of the Hell Legions and Macabre Tyranny" musiziert mit den "Bestial Strings of Holocaust and Low Pulse Desecration". Angesichts dieser wohlgewählten Prädikatsauswahl schon bei den Kampf- und Instrumentennamen verwundert es wenig, dass sich die Portugiesen dem Black Metal verschrieben haben – und zwar einer eher ursprünglichen Variante. So ist "Baphomet Altar Worship" dann auch geprägt von sperrfeurigen, monothematischen Drums, schneidenden, kalten Riffs, hysterisch-heiseren Krakelern und einem hintergründig werkelnden (wenn überhaupt) Bass. Damit ist das ganze Gebilde zwar Hexenwerk, aber eben (fast) auch 08/666/15. Wo wir gerade bei Zahlen sind: Die neue Veröffentlichung ist bereits Nummer 20 – und die produktiven Iberer sind nicht totzukriegen – vielleicht gerade, weil sie sich nicht weiterentwickeln? Vom eröffnenden Titelstück bis hin zum abschließenden neunten Song "Cavernous Onslaught" krawallieren sich SATANIZE mit viel Tempo und wenig Abwechslung durch eine knappe halbe Stunde. Kritiker und Genrefremde könnten sagen, eine blubbernde, olle Kaffemaschine klänge auch nicht viel anders. Mag sein. Wer auf Bestial War Church Demolishing Black Metal steht, für den ist dieses eine gut faire, intensive und anständige Hauerei unter Feinden. Allerdings – oder – Satan sei Dank: Wer SATANIZE mit Trümmertruppen wie REVENGE vergleicht, hat zu viel Kapuze auf den Ohren. Denn die Portugiesen vertrauen einem durchaus verträglichen, gar nicht mal unfetten Sound, der Garage Garage sein lässt. Und sie schaffen es, trotz ihres bestialischen Krachs eine Eingängigkeit herzustellen, ohne auszuwimpen. Weil die Songstrukturen diesen Namen durchaus verdient haben. Beziehungsweise Singular, Songstruktur.
Mit „Arcanum“ verbeißen NIHT ihre bluttriefenden Zähne dank des ausgefeilten Songwritings und der bedrohlichen Harmonien tief im Fleisch der Zuhörerschaft.
Der räudige Sound gibt Atmosphäre, die Scheibe klingt Old School genug, um Underground-Puristen zu beglücken, aber auf der anderen Seite sauber genug, um die Musik nicht zu sehr zu minimalisieren. Verzichtet wird auf überflüssige Frickelei, geliefert wird viel Emotion statt gekünsteltem Okkult-Zinnober. „Arcanum“ ist intensiv und keine leichte Kost; vertontes Leid dringt einem ins Ohr. Bei seiner dunkelsten Schattierung des Metal wechselt das Duo aus Süddeutschland auf seinem zweiten Album immer wieder das Tempo. Sie kreieren dabei keine Standard-Blast-Beats, sondern punkten mit Eigenständigkeit und Variation. S. (Gitarre) und Z. (Gesang und Bass) konnten 2017 bereits mit dem Erstling „Vanum“ überzeugen. Die Musiker kennt man vielleicht auch von der düsteren Death Metal-Band NEKROVAULT, die im letzten Jahr einen ordentlichen Todesbrecher veröffentlichte.
Bei den einzelnen Tracks sind die Namen Programm, und NIHT haben hier Emotionen und Zustände vertont. Die Musik macht die Gefühle spürbar. Mit „Angst“ gelingt ein furios eiskalter Auftakt, der Spuren von IMMORTALs „Diabolical Fullness Mysticism“ und „Pure Holocaust“ und auch von SATYRICONs „The Shadowthrone“, also den nordischen Neunzigern, enthält. Bei „Schmerz“ wechselt beinahe grooviges Midtempo zur Raserei, und NIHT offerieren hier eine stilistische Bandbreite. Diese Bandbreite zeigt sich auch beim dritten Song („Lüge“) in der variablen Stimme; sie wechselt zwischen hoch und tief, und Z. rotzt giftig heiser krächzende Screams. „Sucht“ ist ein sehr extremer Song: es wird gekauert, gelitten und verrückt gewinselt. Mittig lockert die heavy Gitarre den Morast etwas auf, bevor der Song gegen Ende in beschwörendes manipulatives Flüstern übergeht. Danach klingt „Hass“ wütend und bitter, und „Wahn“ wird nach einem langsamen Beginn allmählich wüster und wüster. „Tod“, der letzte und längste Track, ist ein düsteres Biest, das am Ende Erlösung verschafft. Ein Lied wie ein verlorengegangener Todeskampf. Auffallend sind die schönen tragenden Gitarrenmelodiebögen.
NIHT bearbeiten, so verriet die Gitarristin S., auf ihren Alben Aspekte des Nihilismus, und der Albumtitel „Arcanum“, steht für "Geheimnis". Auf dem ganzen Album ist die Stimme prägnant im Vordergrund, die Gesangsarbeit von Z. glänzt vor Abwechslungsreichtum: Krächzen und Heulen, kehlige Growls und Screaming, Falsettschreie mit sich überschlagender Stimme, Geflüster und Hauchen. Eine bewegende kranke Achterbahnfahrt! Die Gitarre trägt im Gitarrenlauf angenehm die Melodien, Keyboard ist da unnötig. Musikalische Vergleiche könnte ich in Ansätzen zu UADA und MGLA, aber auch zu MAYHEM und TAAKE ziehen. Die Klangcharakteristik hat im Sinne einer Low Fidelity einen recht rohen, klirrenden Sound mit wenig Bass und vielen Höhen. Die Produktion des Scumlight-Studios passt gut rein und hat etwas vom Black Metal der alten Second-Wave-Schule. Das Schlagzeug rumpelt dabei hier und da etwas drucklos.
NIHT liefern eine beachtliche musikalische sowie kompositorische Leistung ab, sie hauen hier ein Album raus, das prägnant, beklemmend und erdrückend ist. Ihr Black Metal wirkt auf mich authentisch, und die Band hat echten Widererkennungswert!
Danke für die Möglichkeit, ein paar Takte mit Euch zu sprechen!
NIHT sind im Internet ein ziemlich unbeschriebenes Blatt, und anstatt Namen gebt Ihr Initialen an. Ist das eine beabsichtigte Anonymität?
Ich würde uns nicht als anonym betrachten, da wir diese Initialen auch für andere Bands verwenden, in denen wir mitmischen. Eher geht es uns darum, unsere Musik mehr in den Vordergrund zu stellen und uns als Personen zurückzunehmen.
Ihr seid nur zu zweit; zu viele Köche verderben den Brei?
Was das Songwriting und das Lyrische angeht, trifft dies auf jeden Fall zu. Jedoch haben uns schon nach dem ersten Album unsere geschätzten Mitmusiker aus dem Memminger Kreis stets live unterstützt. Bei den Aufnahmen für "Arcanum" haben wir das Ganze erweitert. Unsere Kollegen von SACROSCUM haben am Bass (SS.) und am Schlagzeug (J.) mitgewirkt. Jeder von ihnen bringt seinen ganz eigenen Charakter mit seinem Instrument in die Musik ein.
Ihr spielt auch bei NEKROVAULT und habt 2020 einen viel gelobten Todesbrecher rausgebracht. Habt Ihr noch bei weiteren Bands und Projekten die Finger im Spiel?
Wir sind ein paar Leute in Memmingen, die sich zusammen einen Proberaum teilen und dort inzwischen auch ein kleines Studio (Scumlight-Studio) haben. Die Aufnahmen für "Arcanum" sind die ersten, die komplett in diesem Studio entstanden sind und wurden unter der Fuchtel von A.J.R. aufgenommen. Wir machen alle zusammen Musik, und dort entstehen zwangsweise viele Ideen und Projekte. Vor allem P. hat noch bei einigen Bands aus diesem Kreis seine Finger im Spiel.
Habt Ihr musikalische Vorbilder?
Direkte Vorbilder kann ich Dir jetzt nicht nennen. Ich würde sagen, dass wir uns alle in diesem Proberaum gegenseitig pushen und beeinflussen. Daraus ensteht der Anreiz, sich ständig musikalisch weiterzuentwickeln und voneinander zu lernen.
Welche Musiker und Bands haben Euren eigenen Stil maßgeblich geprägt und beeinflusst? Welche Einflüsse hören wir in der Musik von NIHT?
Wie man es wahrscheinlich unschwer raushören kann, ist vor allem die skandinavische Black Metal-Szene jene, die einen prägenden Einfluss auf NIHT hat.
Den rauen Sound von Euch verbinde ich unter anderem mit Black Metal-Bands der 90er. Ist ein gewisser räudiger Old School-Sound das Ziel?
Sagen wirs mal so: Ein glattpolierter, hochproduzierter Sound fängt die charakteristische Spielweise von den einzelnen Instrumente nicht wirklich ein. Im Black Metal braucht es Charakter. Es ist eine Musik mit Ecken und Kanten, und das macht für uns dieses Genre aus. Wir erfinden dieses Rad nicht neu, und wenn man es genau nimmt, ist das Essentielle dieser Musik bereits in den 90er schon gesagt worden und vor allem auch das, was im Black Metal als "Innovation" zum Tragen kam.
Eure neue und damit zweite CD ist eine intensive gute Scheibe, herzlichen Glückwunsch dafür! In jedem Song vertont Ihr sozusagen eine Emotion oder einen Zustand?
Vielen Dank! Ja so ist es. Wir verarbeiten verschiedene Emotionen in unser Titeln und haben versucht, diese auch instrumental spürbar zu machen. Es sind die negativen Erfahrungen, die man im Laufe seines Lebens erfährt, und es gibt nichts besseres, als im Proberaum zu stehen und diese negativen Gefühle und Gedanken rauszulassen. Der Black Metal bietet die Möglichkeit, dies intensiv und pur, ohne großen Schnickschnack, rüberzubringen.
Insgesamt höre ich der Musik und vor allem der ausdrucksstarken Stimme viel Leid und Schmerz an. Würdet Ihr sagen, dass dies auch Ausdruck von eigenen Leidenserfahrungen oder persönlichen Beobachtungen ist (Tod, Wahn…)?
Kann man so sagen. Wobei ich behaupten würde, dass ziemlich sicher jeder Mensch mit diesen Erfahrungen im Laufe seines Lebens in Kontakt kommt. Wir haben diese Erfahrungen kanalisiert und versucht, sie musikalisch zum Ausdruck zu bringen.
Der letzte und längste Song "Tod" gefällt mir sehr gut. Er klingt so, als würde tatsächlich jemand jämmerlich zu Grunde gehen und quasi erlöst. Ist das die Absicht des Songs?
Ob der Tod wirklich eine Erlösung sein wird, kann ich nicht sagen. Es ist zumindest der menschliche Wunsch, dass er eine ist, und so findet es sich auch in diesem Song wieder. Doch eigentlich ist dieser Gedanke von Erlösung ein Trugschluss, weil nach dem Tod nichts kommt. Es wird sich in 200 Jahren sowieso niemand an Dich und Dein Leid im Leben erinnern. Zumindest wird das bei einem Großteil der Bevölkerung so sein. Und auch das, was Du gefühlt hast, spielt nach diesem Zeitraum keine Rolle mehr. Es ist fast so, als hättest Du gar nicht existiert.
"Arcanum" ist der Albumtitel, das Bedeutet "Geheimnis" und betitelt auch eine Tarot-Karte. Weshalb fiel die Wahl auf diesen Titel?
Unsere Idee hinter NIHT ist es, fünf Konzeptalben zu erstellen, die unterschiedliche Aspekte des Nihilismus bearbeiten. Die Anfangsbuchstaben von jedem Album fügen sich zu dem Wort "Vanum" zusammen, was so viel wie "Leere" oder "Nichts" bedeutet und auch der Titel von unserem ersten Album ist. Das zweite, "Arcanum", steht für "Geheimnis". Ob dieses Geheimnis nun eine gewisse Erkenntnis ist, überlassen wir den Zuhörern. Die Leere, die davor war, wird auf jeden Fall die gleiche sein, die danach folgt.
Mit "Vanum" gelang Euch 2017 bereits ein starker Einstieg. Nehmt Ihr selbst einen qualitativen Unterschied zwischen den beiden Veröffentlichungen wahr? Ist "Arcanum" eine konsequente Fortsetzung des letzten Werkes oder ein komplett eigenständiges Kapitel, welches losgelöst vom Vorgänger betrachtet werden soll?
Wie schon erwähnt, gehören die Alben zu einem Gesamtkonzept. Wir haben uns auf jeden Fall persönlich und musikalisch weiterentwickelt, was man auch auf der neuen Scheibe, wie ich finde, deutlich hören kann.
Ihr seid aus Memmingen in Bayern? Ich habe auch irgendetwas von Österreich gelesen?
Als wir die Band damals gegründet haben, habe ich noch in Österreich gewohnt. Jedoch lebe ich seit ein paar Jahren in Deutschland.
Habt Ihr eine florierende Szene harter Musik in Eurem Umfeld?
Der Schwarze Adler in Egelsee bietet seit vielen Jahren einen lokalen Treffpunkt der Szene. Es spielen dort internationale Bands, sowie auch bekanntere aus dem Underground. Viele Leute, die man dort antrifft, sind selbst auch musikalisch aktiv und beleben die Szene dort.
Manche Bands kokettierten mit neoheidnischen Konzepten und Satanismus. Einige mögen Schafsköpfe als Bühnendekoration, verkleiden sich aufwendig oder spucken Feuer. Braucht eine Black Metal-Band eine entsprechende Attitüde? Wie wichtig sind Show und Provokation?
Black Metal braucht im Prinzip keine opulente Show. Wichtig ist, dass die Emotionen, die Stimmung, das eigene Konzept, das, was die Musik ausmacht, rübergebracht wird. Wenn es sich mit aufwändiger Bühnendekoration oder Blut so am besten präsentieren lässt, wieso nicht?! Aber manchmal reichen auch nur die Musiker mit ihren Instrumenten auf der Bühne aus. Die Show muss zu der eigenen Musik passen und diese optisch untermalen, sodass die Botschaft auch beim Publikum ankommt und es in diese Welt gnadenlos mitnimmt. Es gibt auf jeden Fall nichts Enttäuschenderes als eine Band, die geilen Sound macht, aber live ihre Musik nicht authentisch rüberbringen kann.
Eine Frau in einer Black Metal-Band sehe ich nicht allzu häufig, irgendwie scheint die Szene recht männergeprägt. Gab es hierzu schon mal positives oder negatives Feedback?
Ich persönlich kann eigentlich nur Positives berichten. Ich würde mich sehr freuen, wenn es mehr weibliche Musikerinnen in diesem Bereich geben würde. Über die letzten Jahre hatte ich schon das Gefühl, dass sich immer mehr Frauen in Black Metal-Bands engagieren und mitmischen.
Welche Musik hört Ihr gerade, habt Ihr Tipps, wo man reinhören muss, außer natürlich in NIHTs neuen Silberling?
Die aktuellen Scheiben von THE RUINS OF BEVERAST, GOATH und TURIA sind sehr empfehlenswert.
Hoffentlich sind bald wieder Konzerte möglich, Ihr wollt bestimmt auch gerne den neuen Stoff live zum Besten geben? Ist schon was Konkretes geplant oder sind Gigs von der Zeit vor Corona verschoben und werden nachgeholt?
Zuerst wollen wir noch mit NEKROVAULT die ausstehenden Gigs nachholen. Mit NIHT wird es dann sicher auch ein paar ausgewählte Konzerte geben, geplant ist jedoch noch nichts. Wird sich zeigen, was die Zeit mit sich bringt. Lust haben wir auf jeden Fall alle, wieder mal live zu spielen.
Danke für das Interview und viel Erfolg mit dem Album!
MORK sind qualitätstechnisch eine Bank und lassen auch bei Album Nummer fünf nichts anbrennen. Thomas Eriksen überzeugt mit klassischem norwegischem Black Metal, der aber immer wieder durch belebende Elemente aufgewertet wird. Die Melodieführung ist zwar immer negativ beeinflusst, aber man wagt auch einzelne Ausflüge in rockige Gefilde, und auch Folk-Elemente sich MORK nicht ganz unbekannt. MORK übertreiben es nie mit Geschwindigkeitsausbrüchen, sondern setzen auf starke Riffs und griffige Melodien, die in der guten Produktion wirklich exzellent zur Geltung kommen. Natürlich werden MORK mit „Katedralen“ den Black Metal nicht neu erfinden, aber sie setzen immer wieder kleine Stiche, die beim Hörer nicht unbemerkt bleiben. Klar, man setzt auf Epik, und natürlich nutzt man Klargesänge, aber im Gesamtbild hält man die Trademarks des Black Metals hoch – und der Mix funktioniert. Wenn selbst ein Nocturno Culto (DARKTHRONE) seine Gaststimme dem Album verleiht, dann ist man in bester Gesellschaft und hat seinen Ritterschlag verdient.
Besonders geschärft hat mich der Abschlusstrack „De Fortapte Sejelers Katedral“, welcher in über neun Minuten komplett überzeugen kann. Tolle Melodien treffen auf die Epik von MANOWAR und werden mit leichten Orgelklängen begleitet. Ein großes Stück Black Metal, welches das Highlight auf „Katedralen“ darstellt. Besonders gelungen ist, dass MORK niemals den Song aus den Augen verlieren und nicht unbedingt überall meinen, einen Hochgeschwindigkeitsrekord aufstellen zu müssen. Das macht die Truppe um Eriksen irgendwie sympathisch, und man bemerkt, dass hier keine Klischees bedient werden sollen, sondern dass der Song im Mittelpunkt steht. Eine starke Vorstellung von MORK, die man als Freund des Black Metals ruhig antesten sollte.