Ob Hermann Frank sein Kind POISON SUN aus der Taufe gehoben hätte wäre die überaus erfolgreiche ACCEPT Reunion absehbar gewesen ist eine eher müßige Diskussion – also zu den Fakten. Zusammen mit Drummer Florian Schönweitz und Basser Stefan Hammer (beide ex-SILENT DECAY) und sein Frau Martina am Mikro zeigt der Gitarrist und Produzent auf „Virtual Sin“ fetten, rifforientierten Power Metal der alten Schule mit ausreichend Groove und Rockröhre am Mikro. Wer auf typischen deutschen Metal steht (natürlich lassen ACCEPT und vor allem VICTORY grüßen) fährt mit Songs wie dem derb schnellen „Red Necks“, dem rhythmischen „Hitman“ oder dem toll eingesungenen und recht flotten „Rider In The Storm“ durchaus in die richtige Richtung. Der AC/DC Gedächtnissong „Phobia“, der POINTER SISTERS Klassiker „Excited“ und die 80er-Ballade „Forever“ funktionieren auch und schließen das POISON SIN Debüt gelungen ab. Alles in allem bietet „Virtual Sin“ gute Kost für Powerfreaks, brillieren mit einer starken Stimme und dürfte im Frank’schen Umfeld ausreichend Liebhaber finden.
Bei THE HIGH CONFESSORS tummeln sich mit Chris Connelly (MINSTRY, REVOLTING COCKS, KILLING JOKE), Steve Shelley (SONIC YOUTH) und Sanford Parker (MINSK, NACHTMYSTIUM, BURIED AT SEA) einige bekannte Gesichter, die scih zudem Verstärkung von Jeremy Lemons (WHITE/ LIGHT) holten, um in diesem Projekt ihre Idee eines experimentellen Rock-Sounds zu erschaffen. Auf fünf Songs haben es die Herren gebracht, wobei die Albumlänge von mehr als 50 Minuten schon einen ersten Hinweis auf die Missachtung einiger Konventionen gibt. Und tatsächlich ist „Turning Lead Into Gold With The High Confessions” eine streckenweise verstörende, abgefahrene Scheibe geworden, beispielsweise bei “Mistaken For Stars”, das mit starker Industrial-Kante überzeugen kann und dabei noch relativ eingängig ist. Die folgenden drei Nummern machen dann klar, dass sich bei diesem Projekt wild ausgetobt wurde, hier regieren (gewollte) Monotonie, Reduzierung der Instrumente auf das Wesentliche und verstörender Gesang. Ganz interessant, gerade zu Beginn, aber durch die irrsinnig lange Dauer jedes Songs zum Ende hin zu ermüdend, um noch Spannung beim Hörer aufbauen zu können. Zum Schluss gibt es mit „Chlorine & Crystal“ einen leichter verdaulichen Song, der fast schon konventionellen Strukturen folgt und gerade beim Gesang eine gute Figur macht. „Turning Lead Into Gold With The High Confessions” ist eine Scheibe, deren Aufnahme den Beteiligten sicher Spaß gemacht hat, die sich für den geneigten Hörer aber nur schwer bis gar nicht erschließt. Schade drum, bei dem Potential der Musiker wäre sicher mehr drin gewesen.
Die kanadischen Vorzeige-Thrasher werden seit Jahr und Tag immer an ihrem überragenden Debüt „Alice In Hell“ (und evtl. am kaum schwächeren Nachfolger „Never, Neverland“) gemessen, was dem Schaffen von Jeff Waters absolut nicht gerecht wird, aber auch daran liegen könnte, dass der Sound der Band durch ständig wechselnde Line-Ups immer wieder leicht verändert wurde. Rein qualitativ hat man sich aber niemals Blöße gegeben, und auch das selbst betitelte, inzwischen 13. Album überzeugt zu jeder Sekunde mit allem, was Herrn Waters jemals ausgezeichnet hat. Mittlerweile nur noch mit Sänger und Rhythmus-Gitarrist Dave Padden an seiner Seite (alle anderen Mitglieder sind Live-Musiker), legt der Mastermind hier erneut eine Palette an typisch groovigen, technisch versierten und eingängigen Hymnen vor. Zwar vermisst man auf „Annihilator“ die ganz großen Hits vom Schlage eines „Double Dare“, „Torn“ oder „Epic Of War“ (ja, auch spätere Werke von ANNIHILATOR hatten Hits – guck einer an…), aber Songs wie der überlange Opener „The Trend“, die Mitgrölnummer „Betrayed“, das geschickt zwischen coolen Aggro-Eruptionen und verspielten Momenten pendelnde „25 Seconds“, das sehr melodische, von obdachlosen Straßenkids handelnde „Nowhere To Go“ oder das ebenfalls mit fetten Riffs, melodischen Soli und sehr geilen Spannungsbögen aufgepimpte „Death In Your Eyes“ kommen fast an die ganz großen Kompositionen der „Band“ heran. Auch wenn es dieses Mal insgesamt nicht ganz für den „Tipp“ reicht, haben ANNIHILATOR hier ein sehr gutes Brett abgeliefert, das die hohe qualitative Konstanz der letzten Jahre einmal mehr bestätigt. Weiter so!
DAN REED bewegt sich Anno 2010 deutlich abseits seiner hochgelobten Vergangenheit. Zwischen 1987 und 1991 veröffentlichte der Musiker aus Portland mit seiner Band DAN REED NETWORK mit „Dan Reed Network“, „Slam“ und „The Heat“ drei Alben, welche zwischen Rock, Metal und Funk einen innovativen und recht einzigartigen Sound kreierte, welcher Kritiker begeisterte und nach anfänglichen kommerziellen Erfolgen (wie so manches) ein Opfer des Grunge wurde. Nun also ein Neustart – weitab von DAN REED NETWORK, nur noch DAN REED. Was auf „Coming Up For Air“ aber von NETWORK bleibt – Dan Reed’s charakteristischer Gesang, ein Händchen für feine Ohrwurmmelodien und ein anderer, aber typischer Sound welcher Vergleiche verbietet. So beschreibt das Album die Erfahrungen des Künstlers auf reisen – Stationen wie Hong Kong, New Dehli, Jerusalem und London werden künstlerisch verarbeitet. DAN REED setzt dabei vor auf Ruhiges, meist Akustisches; bindet im Hintergrund exotische Instrumente ein und lässt Tempo vom Piano kommen. Professionell arrangiert schmeicheln die Songs den Gehörgängen und geben Raum zum Nachdenken – vom melancholischen Sinnieren bis zum fröhlichen Aufmerken – musikalisches Gefühlskino. Das etwas flottere „Middle Of Nowhere” hat dabei sogar das Zeug zum Hit, „Losing My Fear“ treibt einen geradezu in die gemütliche Zweisamkeit. Wer auf gut gemachte Musik voller Melodie in der Melange zwischen Rock und Pop steht und Sound für entspannte Stunden sucht, darf bei DAN REED und „Coming Up For Air“ gerne mal reinhören.
Dass eine Kapelle einst aus einem Talentwettbewerb hervorging und somit als “Casting-Band” von dem Gros der Metalszene nicht ernst genommen wird, stört mich persönlich überhaupt nicht, solange sie mit anständiger, guter Musik überzeugt! Aber genau das ist das Problem mit SONIC SYNDICATE: ging ihr durchaus gelungenes Zweitwerk „Only Inhuman“ (das seltsamerweise immer mal wieder als das Debüt der Truppe deklariert wird) noch als patente, wenn auch nicht gerade originelle Scheibe durch, hat nun spätestens mit „We Rule The Night“ der Schmalzfaktor das Ruder übernommen. Fernab von jedem Background der Band ist das Album ein von Kopf bis Fuß durchgestyltes, am Reißbrett entworfenes und von jeglichen Ecken und Kanten befreites Modeprodukt, das bloß nicht anecken will. Mann kann den Brüdern Sjunnesson nebst ihren Mitstreitern nicht vorwerfen, schlechte Musiker zu sein, und sogar das Songwriting ist zwar immer noch nicht originell, lässt aber zumindest einen roten Faden erkennen und bringt ab und an sogar ein paar gute Stücke wie die melancholische Hymne „Miles Apart“ oder den gesanglich geschickt variierten Ohrwurm „Plans Are For People“ hervor. Von daher tut „We Rule The Night“ niemandem weh, aber – und das ist das Schlimme – für mehr als nette Fahrstuhluntermalung taugt die Scheibe Nullinger! Von der maßgeschneiderten, sterilen und porentief reinen Produktion über das Bemühen, möglichst eingängig, nicht allzu hart und chartkompatibel zu klingen bis hin zur Optik der Musiker ist hier nichts „echt“, authentisch oder schmutzig. SONIC SYNDICATE sind endgültig zum Industrieprodukt geworden, zu einem dem Zeitgeist angepassten und auf pickelige Emo-Teenies zugeschnittenen, durchkalkulierten Erfolgsmodell. Das hat mit Kunst nichts mehr zu tun und schon gar nichts mit Metal!