Als R.E.M. am 21.09.2011 auf ihrer Website die Auflösung der Band bekannt gaben – ohne Streitigkeiten, wie beteuert wurde – kramten weltweit Fans alte Platten der ehemaligen Indie-Helden raus und schwelgten in Erinnerungen. Bei nicht wenigen davon dürfte das 1987 erschienene „Document“ die erste Wahl gewesen sein. Denn vielen gilt das fünfte Album „Document“ als letztes Highlight der Indie-Band R.E.M., bevor man kommerziell erfolgreich wurde (Zwei Jahre später mit „Out Of Time“ und „Automatic For The People“) – anderen als der Anbeginn der Weltkarriere einer Band die sich meist treu blieb. Egal! Das Album ist ein Hammer und mindestens genauso stark wie der überragende Vorgänger „Lifes Rich Pageant“. Das liegt nicht nur an bekannten Hits wie das epische Gitarrenstück „Its The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)“ – meines Erachtens der R.E.M. Übersong überhaupt - und dem eindringlichen „The One I Love“, sondern auch an dem durchweg hohen Niveau und der songwriterischen Klasse des Gesamtwerkes. Die 11 remasterten Songs auf „Document“ sind aus einem Guss, die Hits nahmen die R.E.M. Erfolgsformel vorweg, das Spagat zwischen ironischer Melancholie, ruhige Intensität und rhythmisch treibenden Gitarrenrock wurde selten so gut beherrscht. Der Ohrwurm „Finest Worksong“ oder auch „Welcome To The Occupation“ seien da auch noch mal exemplarisch genannt.
Die zweite Disc enthält einen bisher unveröffentlichten 80-minütigen Live-Mitschnitt der „Work“ Tour vom 14.09.1987 aus dem holländischen Utrecht und transportiert den Spirit und die Energie der frühen R.E.M. ins heimische Wohnzimmer. Logischerweise stellen die Hits und Songs des damals aktuellen Longplayers „Document“ die meisten Tracks, aber auch einiges an Überragendes der Vorgängerwerke („Driver 8“, „I Believe“, „Fall On Me“, „So, Central Rain“) gibt Stipe & Co. zum Besten (Setlist siehe unten). Dazu finden sich in der Box ein neues Booklet mit ausführlichen Linernotes des Journalisten David Daley, ein Poster und vier Postcards – Nett. Musikalisch ist „Document“ nicht nur für Fans ein Band eine Pflicht.
CD 1
1. Finest Worksong
2. Welcome To The Occupation
3. Exhuming McCarthy
4. Disturbance At The Heron House
5. Strange
6. Its The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)
7. The One I Love
8. Fireplace
9. Lightnin' Hopkins
10. King Of Birds
11. Oddfellows Local 151
CD 2
1. Finest Worksong
2. These Days
3. Lightnin’ Hopkins
4. Welcome To The Occupation
5. Driver 8
6. Feeling Gravitys Pull
7. I Believe
8. The One I Love
9. Exhuming McCarthy
10. Wolves, Lower
11. Fall On Me
12. Just A Touch
13. Oddfellows Local 151
14. Little America
15. It´s the End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)
Übermäßig lange auf Veröffentlichungen warten müssen TARJA-Fans im Moment nicht: mit „Act 1“ steht nun das zweite Live-Album innerhalb eines Jahres in den Läden. Nachdem es auf dem letzten tendenziell eher etwas besinnlicher zuging, dürfen auf „Act 1“ nun auch die E-Gitarren zumindest ab und an mal richtig dröhnen. Für ruhige Momente bleibt dennoch gesorgt. Aufgenommen bei einem Konzert in Argentinien, vereint „Act 1“ auf zwei CDs eine Mischung aus bekanntem und weniger bekanntem Songs, darunter nicht nur Solo-Werke, sondern auch Klassiker aus TARJAs NIGHTWISH- Zeiten wie „Nemo“ und „Over The Hills And Far Away“. Auch „The Phantom Of The Opera“ darf nicht fehlen. Entsprechend der zugehörigen „What Lies Beneath“-Tour, während der „Act 1“ aufgezeichnet wurde, liegt der Schwerpunkt auf dem Material des gleichnamigen Silberlings; fast das komplette Album ist im Set vertreten. Den Größen der 80er Jahre zollt TARJA mit einem Medley aus „Where Were You Last Night / Heaven Is A Place On Earth / Livin´ On A Prayer“ sowie einem Cover von WHITESNAKEs “Still Of The Night” ihren Tribut. Musikalisch gibt es nichts zu bemäkeln, TARJAs Gesang mag zwar nicht jedermanns Sache sein, aber in seinem Bereich sucht er - live wie im Studio - seinesgleichen. Wer die Grande Dame des finnischen Symphonic Metals mag, kann hier also unbesorgt zugreifen.
Bei „The Body“ handelt es sich nicht um ein neues Album des Duos, sondern um das wiederveröffentlichte, selbst betitelte Debüt von 2004. Seit 1999 sind Lee Buford und Chip King (der sein abartiges Stimmorgan hier wesentlich fieser einsetzt als bei seinem Gastausflug zum Frauenchor ASSEMBLY OF LIGHT) schon unterwegs, und es wundert mich nicht, dass die Band aus Rhode Island zumindest in Deutschland noch kaum bis gar nicht bekannt ist. THE BODY spielen übelst müffelnden Sludge mit kellertiefen Riffs und einer kranken Mischung aus Minimalismus und Monotonie. Klar gibt´s hier auch das übliche Quäntchen BLACK SABBATH und hörbare Doom-Wurzeln, doch THE BODY treiben diese musikalische Herkunft auf ihre völlig eigene Spitze. Hört Euch nur mal das genial-kranke „Failings“ an: acht Minuten mit einem einzigen, nur gegen Ende leicht veränderten Riff, zu dem sich dann das psychopathische Kreischen von Herrn King gesellt. Und eine Schrammel-Achterbahnfahrt wie das knapp viertelstündige „Final Words“ muss man sich auch erstmal aus dem schrägen Schädel pulen. „The Body“ ist eine Doom/Sludge-Platte, die ohrenscheinlich in der geschlossenen Abteilung aufgenommen wurde und darum auch so abgefuckt klingt. Und wenn ich jetzt den verdienten „Tipp“ vergeben würde, dann kommt nachher noch einer an und hat sich das Ding besorgt - daran will ich nicht Schuld sein. Geiler Scheiß, aber echt!
Mit einem breiten Grinsen in der Visage registriert der qualitätsbewusste Folk-/Viking-/Pagan-Fan, dass es abseits aller Tanz- Hüpf- und Metkapellen noch Bands gibt, die nicht auf Forst-Musikantenstadl setzen, sondern unter dieser Art von Genre eher BATHORY (bevorzugt zu „Blood Fire Death“/„Hammerheart“/“Twilight Of The Gods“-Zeiten) als ELUVEITIE verstehen. Die Iren SIROCCO gehören zu diesen Bands auf der roten Liste, und dass sie fast wie eine etwas zahmere, melodischere Version der göttlichen PRIMORDIAL durchgehen, liegt sicher nicht nur an der gemeinsamen Heimat. Das Quartett bedient sich keiner ostisländischen Nebelhörner, braucht keine mittelfinnischen Waldharfen und keine sibirischen Gletschertröten, sondern zaubert seine Melodien ausschließlich mit der klassischen Rockinstrumentierung inklusive glasklaren Gesangs zusammen. Auch SOLSTAFIR oder HEL könnten hier als etwaige Wegweiser herhalten, aber bei aller Referenz sprechen die durchweg guten bis sehr guten, melancholisch-epischen und ausschließlich Midtempo-lastigen Songs der Marke „Lambay“, „Fallow; Unearth“, „Mael Suthain“, „The Towers“ oder „Kingdom Of Oriel“ schon allein für die Band und dieses starke Album. Und auch wenn das hohe Niveau sämtlicher oben genannter Truppen auf „Lambay“, dem Drittwerk der Jungs, noch nicht ganz erreicht wird, vergebe ich hier gerne (wenn auch knapp) den „Tipp“, weil SIROCCO gerade aufgrund eines fehlenden Labels und daraus resultierender Produktions-Sparflamme (obwohl das Album einen wirklich annehmbaren Sound hat!) einfach Eure Aufmerksamkeit verdient haben. Eine sehr lohnenswerte Entdeckung!
Ich will ja nicht kleinlich sein, aber es ist (nicht nur im Zeitalter der Globalisierung…) für eine Band etwas Banane, auf sämtlichen Internetpräsenzen die eigene Biografie und sämtliche Infos nur in der Muttersprache zu veröffentlichen. Dabei haben es die Schweden doch so mit Englisch… und praktizierende Misanthropen sind nicht bei „Facebook“, sonst sind es keine. Musikalisch sind die ZOMBIEKRIGer jedenfalls nicht auf die Instrumente gefallen und reißen auf ihrem Zweitwerk „Den Vänstra Stigens Ljus“ eine fett produzierte Mischung aus Thrash- und Melodic Death Metal runter, die durch die gelungene Kombination aus kernigen Riffs und melodischen Soli in ihren besten Momenten an frühe IN FLAMES oder sogar die allmächtigen AT THE GATES erinnert. Leider klappt es mit dem Songwriting nicht ganz so gut, denn auch nach mehreren Durchläufen hakt man Stücke wie „Träl“, „Evigt Död“ oder „Anklagaren“ als gelungen ab, richtig festbeißen kann sich jedoch keine der Nummern auf dem Album. Überhaupt hinterlässt das Quintett einige Fragezeichen: weißes Cover-Artwork mit umgedrehten Kreuzen und eine musikalische Mischung, die man demnach nicht erwarten würde, und die trotz erwähnter Qualitäten doch irgendwo zwischen mehreren Stühlen sitzt. „Den Vänstra Stigens Ljus“ ist eine hörenswerte Scheibe, aber keine, die man unbedingt haben muss.
RICHIE SAMBORA dürfte dem geneigten Rockfan als Bandmitglied der Megaseller von BON JOVI ein Begriff sein. Auch Solo ist der Gitarrist unterwegs und liefert mit „Aftermath Of The Lowdown” sein drittes Album ab („Stranger in This Town“ 1991 und „Undiscovered Soul“ 1998), auf welchem es nicht ganz so verschmust wie bei seiner Stammband zugeht, er aber seine musikalische Heimat nicht verleugnen kann. So kommen einem insbesondere bei den langsameren Songs wie zum Beispiel „You Can Only Get So High“ eine Mixtur aus eben BON JOVI und BRUCE SPRINGSTEEN in den Sinn. Mit „Burn That Candle Down“ startet man laut, gar rau, mit verzerrtem Gesang und 70er Gitarrensolo – anders, und sicher nicht jedermann Sache – ähnlich, aber irgendwie nicht auf den Punkt kommend: „Sugar Daddy“. Zum Antesten darf man sich mal das im Midtempo angesiedelte BON JOVI Schmankerl „Every Road Leads Home To You“ (auch die Single), das eingängige, flotte „Nowadays“ und der Mid-Western Rocksong „Learning How To Fly With A Broken Wing“ notieren. Ansonsten ist „Aftermath Of The Lowdown” ein Album, welches sich nach einigen Durchläufen im Auto gut nebenbei hören läßt, aber den großen Wurf trotz vermissen läßt. Die Aufarbeitung des schlagzeilenträchtigen Lebens von SAMBORA (Scheidung, Sucht, Alleinerziehender) bietet von den obigen Highlights abgesehen eher gute Durchschnittsware furs AOR-Radio und Futter für die BON JOVI Fans.
Nachdem unsere französischen Nachbarn bereits eine höchst kreative und originelle Black Metal-Szene etabliert haben, schickt sich mit HUATA eine Truppe aus der Bretagne an, den Doom Metal zu bereichern. Seit 2006 befindet sich das psychedelisch-okkulte Quartett bereits auf Hexenjagd (die Bedeutung des Bandnamens) und nennt Bands wie CHURCH OF MISERY, ELECTRIC WIZARD, die in diesem Genre unvermeidlichen BLACK SABBATH sowie den Occult Rock-Urschleim COVEN als Inspiration, was man nach dem Genuss von ATAVIST OF MANN problemlos unterschreiben kann. Sehr gelungen sind bei HUATA die Wechsel zwischen typisch harten, schrammeligen Passagen, bei denen die mächtigen Breitwandriffs den Ton angeben und ruhigen, teilweise mystischen Parts, bei denen die Hammond-Orgel einen vorderen Platz einnimmt und auch Spoken Word-Passagen für fast schon gruselige Stimmung sorgen. Dort liegen auch die Stärken dieser wirklich tollen Band, bei der lediglich der raue, im Gegensatz zur Musik recht uncharismatische Gesang von Bandgründer Ronan noch verbesserungswürdig ist. Und selbst überlange Songs wie „Thee Imperial Wizard“, „Templars Of The Black Sun“ und „Fall Of The 4th“ verkommen bei HUATA nicht zum langweiligen Selbstzweck, sondern verströmen sogar aufgrund ihrer (auch produktionsbedingten) Monotonie eine packende, unheilvolle Atmosphäre. „Atavist Of Mann“ ist kein Konsensprodukt, nur für beinharte Genre-Fans geeignet und ein sehr gelungenes Bindeglied zwischen doomigem Metal und okkultem Rock. Nicht leicht verdaulich, aber eine echte Empfehlung.