Acht Jahre nach dem Debüt „Kings Of Pain“ kommen THE ORDEAL endlich mit dem Nachfolger aus dem Kreuz. „Descent From Hell“ beeindruckt mit erwachsenem, technisch hochwertigem und klischeebefreitem Heavy Metal. Ohrwürmer wie z.B. „Black Rain“ schreibt man nicht im Vorrübergehen. Von daher scheint sich die lange Absenz durchaus gelohnnt zu haben. Aber auch die ruhigeren Töne haben THE ORDEAL drauf, wie sie in der wunderschönen Ballade „Dragontears“ beweisen. Obwohl THE ORDEAL recht eigenständig zu Werke gehen, erinnern sie mich in manchen Momenten an die Österreicher von STYGMA IV, welche eine ähnliche Stimmung zu kreieren im Stande waren. THE ORDEAL sind gestandene Musiker, welche es verstehen ihre Stücke einerseits straff zu arrangieren und trotzdem Platz für das eine oder andere technische Schmankerl finden. Da der Mix in den Händen von Starproduzent Michael Wagener lag, kommt „Descent From Hell“ sehr transparent und doch kraftvoll aus der heimischen Anlage. Was soll ich sagen? THE ORDEAL können sich alle auf den Einkaufszettel notieren, welche ihren Metal traditionell und doch klischeefrei und anspruchsvoll mögen, denn THE ORDEAL haben durchaus noch ein paar Haken und Ösen eingebaut, welche die Langzeitwirkung von „Descent From Hell“ noch erhöhen. Wollen wir hoffen, dass Album Nummero Drei nicht erst 2020 erscheinen wird.
Was ich an Studioprojekten nicht mag ist die Tatsache, dass es...nunja...Studioprojekte sind. Mir ist noch kein Projekt untergekommen, welches es schafft dem Hörer Bandfeeling zu suggerieren. Leider bilden auch TOMORROW'S OUTLOOK da keine Ausnahme. Dass von Graham Bonnet (u.A. RAINBOW, IMPELLITTERI, ALCATRAZZ) über Michael Kiske (u.A. HELLOWEEN, UNISONIC) bis hin zu Norman „Ski“ Kiersnowski (FAITH FACTOR und DEADLY BLESSING) diverse (trotz aller Kritik allesamt hochklassige) Sänger vertreten sind, lässt das Ganze noch zerfahrener wirken. Ski übernimmt dabei den Großteil der Vocalarbeit und präsentiert sich etwas gemäßigter als zu glorreichen DEADLY BLESSING-Tagen, wenngleich er immer noch in höchsten Tönen zu jubilieren weiß, nur halt nicht mehr die ganze Zeit. Musikalisch schwanken TOMORROW'S OUTLOOK zwischen Euro Happy Metal, wie im Opener „Gate To Freedom“ und stampfendem, melancholischem US Metal (das heimliche Highlight „March Of The Demons“). Auch die Halbballade „White Lightning“ kann was. Das LIZZY BORDEN-Cover „Red Rum“ wird recht kompetent umgesetzt, auch wenn es das Original (natürlich) nicht erreicht. Aber Graham Bonnett gibt dem Song einen interessanten neuen Touch. „34613“ bietet solide gespielte Metalkost, welche zwischen beliebig und richtig geil schwankt und durch die vielen Köche eine gewisse stilistische Unsicherheit offenbart. Sollte das nächste Album mit einer festen Besetzung und einem klaren Focus entstehen, so bin ich sicher, dass das recht geil werden wird.
Auch im eher beschaulichen Luxemburg lärmt es beachtlich. Die Thrasher SCARLET ANGER offerieren uns einen wohlschmeckenden Mix aus teutonischer Lehre mit Bay Area Einflüssen. Oder anders gesagt: neuere KREATOR treffen auf ebenso aktuelle EXODUS. Dabei ziehen sich die Newcomer recht beachtlich aus der Affäre. Fett produziert, geht es meist im schmucken ICE-Tempo munter nach vorne los. Geschickt eingebaute Tempiwechsel oder unvermutete Melodiebögen sorgen für die nötige Abwechslung im größtenteils recht brachial daherkommenden Material. Abrissbirnen wie „Prince Of The Night“ oder der Rausschmeißer „My Empire Coming Down“ sollten das Genick eines jeden Thrashers in Bewegung versetzen. Und um noch das Phrasenschwein zu bemühen: Auch SCARLET ANGER definieren den Thrash Metal nicht neu, bieten aber einen recht originellen Mix und schielen nicht auf Teufel komm 'raus in die guten alten 80er, sondern sind mit allen Beinen im Jahr 2012 angekommen.
I, OMEGA gehen auf ihrer „The Ravenous”-EP sehr progessiv-vertrackt und gleichzeitig modern vor, was sie schnell in Vergleiche mit PROTEST THE HERO bringt, zumal bei beiden Bands ein Sänger mit Cleangesang Akzente setzt. Die Kalifonier verlassen sich in den fünf Songs aber nicht nur auf das Können ihres Sängers, ein genaues Hinhören lohnt sich, um kleine Versatzstücke wie den Jazz-Part in der Gitarrenarbeit zu finden („Martyrs“) oder die Göteborg-Einflüsse. Beim Songwriting ist ähnlich Aufmerksamkeit gefragt, denn was beim ersten Hören nach chaotischem, belanglosem Metalcore klingt, wird von Mal zu Mal klarer und tatsächlich strukturierter, ähnlich wie eben bei PROTEST THE HERO (und anders als bei IWRESTLEDABEARONCE). Es reift die Erkenntnis, dass hier verdammt fähige Musiker am Werk sind, die ihre überbordende Kreativität soweit zügeln konnten, dass hör- und stellenweise sogar tanzbare Songs dabei herauskommen. „The Ravenous“ wird so zu einer hochinteressanten EP, mit der I, OMEGA einen sehr guten Eindruck hinterlassen und Lust auf ihr zweites Album machen.
ALL HAIL THE YETI wären auf ihrem Labeldebüt gerne eine Band, die den Erfolg von RED FANG und DOWN hätten. Fette Gitarren treffen auf schleppendes Tempo und stützen Songs, die sich wild bei allen Spielarten des Metals bedienen und dann noch etwas Southern Rock und bluesige Anleihen („Ruby Bridge“) draufpacken. Das kann funktionieren, ein Haufen New Orleans-Bands macht das ja schon seit langem vor, ebenso viele Bands der zweiten Generation. Aber im Falle von ALL HAIL THE YETI kommt trotz guter Produktion und eines Sänger in Gestalt von Connor Garrity, der eine kraftvolle und variable Stimme hat und die geschickt einzusetzen versteht. Leider hapert es beim Songwriting, das über weite Strecken nicht mehr als den ewig gleichen Grundbeat und sich frappierend ähnelnde Riffs zustande gebracht hat – Samples wie nach „The Weak And The Wounded“ oder die Naturgeräuscheaufnahmen, die den Albumabschluss „Judas Cradle“ unnötig in die Länge ziehen sind da auch nicht mehr als eine nette Idee, da sie oft fehl am Platz wirken. „All Hail The Yeti“ ist eine gefällig rockende Platte, deren Songs für sich genommen ganz nett sind und zum Kopfnicken einladen, aber am Stück gehört schnell zu langweilen beginnen. Es wird für die schwer tätowierte Band darauf ankommen, wie sie sich Live schlagen und was sie aus ihrem Zweitwerk machen, mit „All Hail The Yeti“ ist ihnen ein höchstens solider Einstand gelungen.
CASPIAN haben sich für „Waking Season” gute drei Jahre Zeit genommen – und sich mit Matt Bayles (ISIS, MASTODON) direkt mal einen renommierten Produzenten an Bord geholt. Das hat sich ausgezahlt und der neuen Platte einen wunderbaren Klang verpasst, gleichermaßen klar und verzaubernd („Gone In Bloom And Bough“) kommen die Songs voll zur Geltung. CASPIAN konnten sich so ganz auf die Arrangements und das Songwriting konzentrieren – und auch hier macht „Waking Season“ einen viel besseren Eindruck als der doch an Längen leidende Vorgänger „Tertia“. Die Songs klingen dynamischer und lassen selbst bei Überlänge („Gone In Bloom And Bough“) keine Langeweile aufkommen. Anno 2012 passt bei CASPIAN einfach alles, sei es der wunderschöne Opener und Titeltrack oder der perfekt passende Rausschmeißer „Fire Made Flesh“. Mit instrumentalem Postrock wird oft eine gewisse Luftigkeit verbunden, eine Leichtigkeit, die anderen Genres abgeht. Auch die können CASPIAN immer wieder einfangen, gerade durch die Gitarrenarbeit, die filligraner und unbeschwerter als auf „Tertia“ klingt, wodurch die Songs viel an harmonischer Geschlossenheit gewinnen. CASPIAN sind beim Songwriting und Sound gereift. Wie ein guter Wein brauchte das Ganze einfach Zeit, um dann mit „Waking Season“ zum bis dato besten Ergebnis zu kommen. Chapeau!
Echt schräges Zeug, was uns dieser Vierer (von dem zwei Drittel auch in der Band WILD HUNT aktiv sind) aus Oakland hier kredenzt: technischen, progressiven Metal mit Überraschungsfaktor und sogar angenehm songdienlich. Natürlich sollte man ganz grob mit stilistischen Vorreitern wie frühen CYNIC, späten DEATH (denen DIMESLAND in Sachen Härte recht nahe kommen, auch wenn sie weniger Death Metal-lastig sind), HEXENHAUS oder meinetwegen MESHUGGAH einigermaßen klarkommen um sich an Perlen wie „Unseen Architects“, „Revles“ oder dem obskuren Mini-Klangkosmos „Degredation Suite“ erfreuen zu können. Eine weitere Gemeinsamkeit mit den jüngeren Werken von Chuck Schuldiner und Co. ergibt sich bei „Creepmoon“ dadurch, dass (der ebenfalls an Chuck erinnernde) Gesang sehr sparsam dosiert und passend eingesetzt wird, was dieser Debüt-EP gut zu Gehör steht. Wer es gerne vertrackt und unvorhersehbar mag, ist mit der Scheibe sehr gut bedient.