Das vorletzte Best Of Doppel-Release von Noise hat TANKARD und RUNNING WILD im Gepäck. Bei RUNNING WILD werden die ersten neun Alben kielgeholt. Meiner einer schwört auf die Anfangszeit, als RUNNING WILD noch ein wenig okkult, energisch und roh ihren Metal unters Volk rifften. Von dieser Zeit sind sieben Titel vertreten, und ich hätte genau diese Wahl getroffen, wenn ich denn gemusst hätte. Aber auch die Zeit mit Holzbein und Augenklappe ist an Bord und wird sicher mit den bereits bestehenden Best Of-Versionen konkurieren können. Hier wie auch bei den voran rezensierten Teilen dieser Noise-Reihe ist das Konzept Doppelalbum mit um die 30 Songs einfach rein quantitativ kaum zu toppen.
Der zweite im Bunde sind die Frankfurter "Fun"-Trasher TANKARD. Hier sind die ersten sieben Alben eingeschenkt und hochprozentig vertreten. Gelungen ist, dass die starken Artworks von Sebastian Krüger, welche einen prägenden Anteil am Image und Erfolg von TANKARD haben, hier auch im Innenteil des Digi-Packs gewürdigt werden - mit einer kleinen Einschränkung: Zombie Attack ist mit dargestellt. Da hätte ich doch lieber noch eines von Krügers coolen Dingern gesehen.
Die ersten beiden Platten von DANGER DANGER gehören eigentlich in jede Melodic Rock-Sammlung, zumindest in eine solche, die einen gewissen Anspruch an sich stellt. Und bei beiden Longplayern war TED POLEY Sänger der US-Band. Da im Moment unter dem Namen DANGER DANGER veröffentlichungstechnisch nichts läuft, meldet der Sänger sich mit "Beyond The Fade" als Solokünstler zurück. Unterstützung bekam er von keinem geringeren als Allesandro Del Vecchio, einem der besten europäischen Produzenten, Songschreiber und Musiker.
Purer 80er Sound, mit ganz viel Feenstaub über den Noten, und Teds Gesang, der irgendwie immer ein akustisches Lächeln zeigt, bilden hier eine perfekte Symbiose. Das Teil ist leicht wie eine Sommerbrise, jedoch ohne plump, schnulzig oder gar soft zu wirken. Das Songwriting, welches von den Brüdern Martin (VEGA) stammt, ist für dieses Genre nicht weniger als Weltklasse. Und auch handwerklich passt hier einfach alles: Chöre, Keybord sowie Gitarre sind richtig dosiert und stimmig platziert. Hier werden rockig-sonnige Landschaften gemalt, wo Milch und Honig fließen, hier furzen Einhörner Regenbögen - aber die Gitarre bleibt eingestöpselt, und ein lächelnder Ted surft mit blonder Mähne auf einer Welle aus Glitzerstaub direkt ins Wohnzimmer.
JOY ist ein dreckig rockendes Trio aus San Diego. Mit „Ride Along!“ haut es einem sein neues Album um die Ohren, das treibenden Garage Rock mit einem Schuss Psychedelic verbindet. Songs wie der Opener „I've Been Down (Set Me Free)“ oder das folgende „Misunderstood“ sind gradlinige, schnelle Rocker, bei denen als einzige Schnörkel jam-artige Gitarren-Soli erlaubt sind. In Songs wie „Going Down Slow“ oder „Evil Woman“ werden solche Parts noch weiter ausgebaut. Alles ist mit ungebremster Energie nach vorne gespielt, eine kleine Verschnaufpause gibt es erst an achter Stelle mit dem „Peyote Blues“, der dann aber so verdrogt klingt, dass es auch schon wieder etwas anstrengend wird. Zwischendurch gibt es mit „Certified Blues“ ein ZZ-TOP-Cover zu hören, das sich perfekt in den JOY-Sound einfügt, und im abschließenden, sechseinhalb Minuten langen „Gypsy Mothers's Song“ taucht die Band noch einmal tief in die Psychedelik ab.
Der Sound des Albums ist angenehm dreckig und roh, dabei aber fast etwas zu sehr auf Garage gebürstet. Den Bass etwa kann man trotz Trio-Besetzung größtenteils nur erahnen. Trotz der ansteckenden Energie bleibt außerdem von den Songs selbst nicht viel hängen, und irgendwann wird es auch etwas viel mit der ständigen Riff- und Solo-Raserei. Letztere ist stellenweise auch einfach zu lang und zu gniedelig geraten. „Ride Along!“ ist daher ein zweischneidiges Schwert: Das Album macht anfangs großen Spaß, aber irgendwann ist es etwas zu viel des Guten. Aber keine Frage, live dürften JOY höllisch abgehen. Ach ja, das platte und sexistische Cover-Artwork hätte nicht sein müssen und sollte diese Band eigentlich auch nicht nötig haben.
Die aus Düsseldorf stammenden ASSASSIN sind bekannt für große Pausen zwischen ihren Veröffentlichungen. Aber Qualität steht ja bekanntlich vor Quantität. Und so prügeln die Düsseldorfer vier Jahre nach „Breaking The Silence“ mit dem mächtigen „Combat Cathedral“ alles nieder, übertreffen sich das ein oder andere Mal selbst und liefern auf jeden Fall ein Thrash-Album, das sich gewaschen hat.
„Combat Cathedral“ ist ein sehr energiegeladenes Album mit hohem Aggressionspotential, aber auch mit einem fetten Groove, prägnanten Riffs und eingängigen Refrains. Laut eigenen Aussagen sind hier „Songs mit 220-240 bpm sind keine Seltenheit“ und das stimmt.Ebenfalls positiv ist zu bemerken, dass das Songwriting bei ASSASSIN alles andere als flach ist. Der Songaufbau ist auf „Combat Cathedral“ so verschachtelt wie nie und dennoch sehr eingängig, auf der anderen Seite gibt es sehr viel zu entdecken. Die Vocals des neuen Sängers (Ingo Bajonczak) sind ausgezeichnet, energetisch, wütend, aber keines Falls nervig (wie es im Thrash Metal leider ziemlich oft der Fall ist).
ASSASSIN sind definitiv „Back From The Dead“. Und auch wenn nicht jeder der zwölf Songs sofort zündet, sind dennoch einige sehr gute Songs auf dem Album, die hin und wieder an TESTAMENT oder (alte) ICED EARTH auf Speed oder auch SODOM denken lassen. Als Thrash Metal-Fan sollte man hier unbedingt reinhören! Anspieltipps: Der wach machende Opener, das etwas langsamere „Undying Mortality“ oder das so sehr an TESTAMENT erinnernde „Servant Of Fear“.
"Titanic Mass" heißt das fünfte Werk der Schweden Rock-Formation DYNAZTY. Dabei segeln die Schweden wie gewohnt zwischen modernem Hard Rock und Heavy Metal, nicht ohne gerade zu den Refrains gerne auch mal in die Tiefen des Melodic Metal abzutauchen. So liefert "Titanic Mass" heavy Riffs, jede menge Soli und melodiöse Refrains. Sänger Nils Molin singt durchaus mit hörbarer Leidenschaft und das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen: Der Opener "The Human Paradox" erpuppt sich als eingängige Hard Rock-Nummer mit eingängigem Refrain, Songs wie "Roar For The Underdog" schlagen etwas mehr in die Heavy Metal-Richtung und mit "I Want To Life Forever" wird es so richtig schön emotional. Klingt doch ganz gut. Ein schlechtes Album ist "Titanic Mass" auch mitnichten, allerdings fehlt hier irgendetwas, denn wirklich fesseln kann es mich auch nicht. Die Songs sind sich allesamt ziemlich ähnlich, hier hätte man ruhig noch etwas mehr experimentieren und stärkere Kontraste setzen können. Wer jedoch ein gut produziertes Hard'N'Heavy-Album sucht und nicht allzu hohe Ansprüche stellt, der kann hier gut bedient werden. Wer auf DOKKEN, PRETTY MAIDS und STRYPER steht sollte hier vielleicht mal reinhören.
Die schwedischen SPIRITUAL BEGGARS sind längst mehr als das rockige Auslassventil so mancher bedeutender Metal-Musiker (wie zum Beispiel Michael Amott (ARCH ENEMY), Ludwig Witt (GRAND MAGNUS) und Sharlee D’Angelo (ARCH ENEMY, MERCYFUL FATE)). Denn anders als diverse „Supergroups“ konnten SPIRITUAL BEGGARS mit nun mehr als acht Alben und ziemlich vielen Auftritten als Band vollkommen zu Recht eine große Fanbase erspielen. Die Schweden machen einiges anders als so manche Patchwork-Bands, haben ihren eigenen Sound und glänzen durch gute Musik und nicht (nur) bekannte Namen.
Das brandneue „Sunrise To Sundown“ soll da keine Ausnahme machen und begeistert neben dem wohl so ziemlich geilsten Artwork der gesamten Band-Diskographie mit elf Songs die den Hörer auf hardrockigen, bluesigen, doomigen und gewohnt steinigen Wegen ohne große Umschweife in die Siebziger tragen. Tatsächlich hört man, das hier Profis am Werk waren: Die stampfenden Drums, das Vintage-Keyboard, der tiefe Bass, die mal rockigen und mal leicht bekifften Gitarrenläufe, Amott-Soli und die unfassbar genialen Volcals von Apollo Papathanasio passen perfekt zusammen und kommen in der (für das Genre) doch ungewohnt fetten Produktion sehr gut zur Geltung. Dabei schaffen es SPIRITUAL BAGGERS sich ausgesprochen vielseitig zu präsentieren: Neben klassischen Stoner-Rockern mit Siebziger-Flair (wie zum Beispiel beim vorab veröffentlichten „Diamond Under Pressure“) gibt es saftige Rock-Songs mit dezenter Pseudo-Orgel-Arbeit („Hard Road“), einen ordendlichen Psychedelic-Einschlag wie mit „I Turn To Stone“ oder ausgeprägte Wüstenriffs und reichlich Fuzz wie in „Loneley Freedom“. Songs wie der der eröffnende Titelsong, das enorm treibende „What Doesn’t Kill You“ mit seiner tollen Message, oder das fast ungewohnt hardrockige „Dark Light Child“ bleiben mit sehr eingängigen Refrains und gewohnt guter Gitarrenarbeit sehr gut im Ohr.
Insgesamt fällt im Vergleich zu früheren Veröffentlichungen der Band auf, dass bei „Sunrise To Sundown“ der Hard Rock-Anteil dieses Mal größer ist. Ich finde das aber überhaupt nicht schlimm. Wer also ein sehr abwechslungsreiches Album zwischen 70’er Rock, Stoner und Moderne sucht wird hier fündig.
BLAAK HEAT haben sich von Frankreich aus Richtung Kalifornien aufgemacht, um der Welt ihre Version des okkulten Stoner Rocks mit arabischen Einflüssen näher zu bringen. True story. Auch wenn sie sehr wild klingt. Was die Jungs auf "Shifting Mirrors" vom Stapel lassen, ist ein interessanter Mix aus relativ hartem 70ies Rock im Mix mit Stoner Rock, ein wenig okkulten Einflüssen und arabischen Themen ("The Approach To Al-Mu'tasim"). Insgesamt eine sehr ungewöhnliche Mischung, mit der sich BLAAK HEAT von ähnlich gelagerten Bands abheben. Gleichzeitig verlassen sich die Jungs nicht zu sehr auf das Exotische in ihrem Sound, sondern jonglieren gekonnt harte Songs Marke "Sword Of Hakim" mit MASTODON-artigen Sounds ("Ballad Of Zeta Brown") und eben immer wieder mit orientalischen Klängen angereicherten Nummern wie dem oben erwähnten "The Approach To Al-Mu'tasim". Richtig gut wird es, wenn die Musiker ihr volles Können zeigen und sich in Prog-Gefilde wagen ("The Peace Within"), was sie leider zu selten machen.
BLAAK HEAT haben sehr viele Ideen, die sie in gute Songs packen, aber in einer knappen Dreiviertelstunde kommt kein Element, kommt kein Schwerpunkt richtig zur Geltung. Dadurch wirkt "Shifting Mirrors" eine Spur zu heterogen. Von einer Verdoppelung der Spielzeit oder der Konzentration auf eine Facette hätten Songs und Album sehr profitiert. Im Grunde die Herausforderung, der sich Band mit überschäumender Kreativität stellen müssen, egal ob sie nun TOOL, SYSTEM OF A DOWN, OPETH oder eben BLAAK HEAT heißen. "Shifting Mirrors" ist trotz allem ein sehr interessantes Album und bietet Stoff für viele Wiederholungen. BLAAK HEAT ist ein sehr gelungener Einstand geglückt. Es bleibt abzuwarten, was sie daraus machen - das Potential für große Alben ist auf jeden Fall da.
THE CLOSED CIRCLE liefern etwas ab, mit dem man zunächst nicht rechnen würde: Finnenrock aus Spanien. Wie jetzt? Doch, tatsächlich. Die Musiker aus dem sonnigen Cartagena haben sich nicht nur bei der Produktion vertrauensvoll in die Hände von Hiili Hiilesmaa begeben, der als Produzent (und Musikerkollege) einer langen Reihe finnischer Rockgrößen jedem Finnenrockfreund ein Begriff sein dürfte, sie klingen auch genauso – jeder, der sich der entsprechenden Musikrichtung zugetan fühlt, würde beim Anhören sofort auf das Land der tausend Seen tippen. Schon der Albumtitel „Love Shine Die“ gibt die Marschrichtung vor, und dass Bands wie HIM an der Spitze der musikalischen Einflüsse stehen dürften, ist ebenso unüberhörbar. Deren textliche und musikalische Großmeisterschaft erreichen THE CLOSED CIRCLE zwar nicht, aber die Spanier machen ihre Sache durchaus gut: eingängig, melancholisch und rockig präsentiert sich „Love Shine Die“ und gibt damit lange erwartetes Futter für ausgehungerte Genrefreunde, die in letzter Zeit in Punkto neuer Veröffentlichungen nicht viel zu lachen hatten. „My Life After You“ beginnt mit harten E-Gitarren und erinnert im Intro an HIMs „Buried Alive By Love“, „Something To Cry For” kommt ruhiger im Midtempo daher und ist ein hübscher finnenrockig-melancholischer Schmachtfetzen geworden. Das melodische „Fear Of Happiness“ erinnert mal an HIM, mal an die Kollegen von REFLEXION (auch gesanglich und von der Stimmfarbe her werden hier Erinnerungen an deren Sänger Juha Kylmänen wach, insbesondere bei den Passagen in der Kopfstimme), „The Lie“ bewegt sich in ähnlich atmosphärischen Gewässern. Das flotte „Be My Faith“ zieht in Punkto Tempo und Härte wieder etwas an, auch „Shining Girl“ ist ein vorwärtstreibender Rocksong mit charakteristischer melancholischer Beimischung, „Love Or Die“ zeichnet sich durch einen Wechsel von ruhiger, stimmungsvoller Strophe mit gitarrenlastigem Refrain aus. Fazit: wer Finnenrock mag und damit schon seit längerer Zeit auf dem Trockenen sitzt, kann mit THE CLOSED CIRCLE nicht viel falsch machen und der Band ruhig mal ein Ohr schenken.