Melancholie ist ein Gefühl der Trauer, des Weltschmerzes, über die eigene Unzulänglichkeit. Sie ist der Schmerz am Dramatischen, am Unveränderbaren, der sowohl Qual als auch eine dunkle Schönheit in sich birgt. Anders als bei der schnöden, tristen Depression ruht in ihr aber auch immer eine kreative Kraft. Gerade diese Kraft inspirierte schon unzählige Künstler.
Und da wären wir bei KATATONIA. Kaum einer anderen Band gelingt genau dieser Grenzgang so stimmig wie den Schweden. "The Fall Of Hearts", der neue Longplayer, ist endlich wieder ein Beleg dafür. AMORPHIS und auch KATATONIA bringen zwar beständig qualitativ hochwertige Alben auf den Markt, nur fehlte leider in letzter Zeit die Innovation und Entwicklung. Kennt man eins, so kennt man alle, war allenthalben zu hören.
Das ist heuer, zumindest bei den Letztgenannten, anders. Vielleicht liegt das an dem neuen Personal: Drummer Daniel Mojjo Moilanen oder ex-TIAMAT Gitarrist Roger Öjersson. Wir finden mehr Abwechslung, mehr Tiefe, mehr Asymmetrie - ergo mehr Spannung als auf den letzten Alben. "Takeover", der Albumstart, ist ein Beleg dafür; die Instrumente "laufen" teilweise in verschiedene Richtungen, beschreiten aber denselben Weg, haben dasselbe Ziel und vermitteln dasselbe Gefühl. Verzweiflung, Hoffnung, Schönheit, Dramatik, greifbare Anwesenheit von Melancholie - all das ist zu finden. "Serein" vollbringt die Kunst "moshbar" zu sein, und dennoch kann hier ebenso verträumt getanzt werden. Ich könnte zu fast jedem Titel ähnliche und doch ganz andere herausragende Eigenschaften beschreiben, gemein ist die tiefdunkle purpurne Farbe, mit der die Songs "gemalt" sind. KATATONIA ist 2016 wieder stimmig und berührend - und "The Fall Of Hearts" ist der Beweis dafür.
OMEN. Der Name alleine lässt US-Metal Lunatics feuchte Augen bekommen. Die drei Frühwerke „Battle Cry“, „Warning Of Danger“ und „The Curse“ sind absolute Pflichtalben in der Geschichte amerikanischen Heavy Metals. Alles was danach noch kam war teils OK („Escape To Nowhere“ & „Eternal Black Dawn“) und teils gar grauenvoll („Re-Opening The Gates“). Zudem hatte Mastermind Kenny Powell ein ausgewachsenes Sängerproblem. Egal ob es Schwierigkeiten mit dem eigenen Sohn, dem ausgeprägten Ego eines Möchtegern-Rockstars oder gar der Tod des Original-Fronters J.D. Kimball waren: So richtig klappen wollte es mit den Barden nicht. Auch der aktuelle Frontmann Kevin Goocher hat es schon in der Vergangenheit bei OMEN probiert (sang auf der „Eternal Black Dawn“ Scheibe und ist ansonsten bei PHANTOM-X in Lohn und Brot). Jedenfalls ist Kevin wieder mit an Bord und nach langer…sehr langer Ankündigung steht 10 Jahre nach dem letzten Album „Eternal Black Dawn“ das neue Langeisen „Hammer Damage“ endlich in den Regalen. Immerhin noch vor WATCHTOWERs „Mathematics“, dem anderen US-Metal Treppenwitz.
Die beiden etwas unangenehmen Tatsachen zuerst: Leider hat Kenny „Hammer Damage“ nicht den organisch wuchtigen Sound verpasst, den die Songs verdient haben. OMEN umgibt seit jeher eine mystische, mittelalterliche Aura und dazu passt der bollernde Drumcomputer leider nicht wirklich. Man gewöhnt sich zwar etwas daran, nur das Gefühl, dass das alles noch viel geiler sein könnte, geht eben nie ganz flöten. Zweiter Haken: Kevin gibt gesanglich bei den härteren Passagen meiner Meinung nach etwas zu viel Gas und wird dann etwas gröhlig. Dass das anders geht, zeigt er beim zum Niederknien schönen „Eulogy For A Warrior“. Da werden Erinnerungen an großes Emotionskino à la „Eye Of The Storm“ wach. Aber auch sonst hat sich Kenny nicht lumpen lassen und lässt seine besten Songs seit 1986 auf die willige Hörerschaft los. Mit dem etwas sperrigen Titelstück, dem leicht schleppenden „Chaco Canyon“ und dem schnellen „Cry Havoc“ geht die Platte zwar sehr gut los, aber die 100%ige Begeisterung will sich noch nicht einstellen. Das ändert sich mit besagtem „Eulogy For A Warrior“. Denn alles was danach kommt verdient das Prädikat „grandios“. Egal ob flott wie in „Hellas“ und „Era Of Crisis“ oder eher episch wie „Knights“ und „Caligula“. Das sind OMEN wie man sie liebt und vergöttert. Besonders die ausgefeilten Gitarrenpassagen sind so unfassbar „OMEN“, dass es eine wahre Freude ist. Gerade im abschließenden Instrumental „A.F.U.“ holt Kenny in bester „S.R.B.“ Manier nochmal alles aus seiner Klampfe heraus.
Als Fazit kann ich nur sagen, dass ich sehr froh bin, dass „Hammer Damage“ nun doch endlich das Licht der Welt erblickt hat. Zwar ist noch nicht alles zu 100 % perfekt, aber so nah dran an den Überwerken der 80er waren OMEN noch nie und haben mit „Hammer Damage“ eines der besten US-Metal Alben des Jahres abgeliefert. Well done!
„Death Thy Lover“ heißt die neuste EP der Epic-Doomster CANDLEMASS. Noch nie gehört? Das ist schwer zu glauben in weit mehr als dreißig Jahren Bandgeschichte. Die „Epicus Doomicus Metallicus“ (welch treffender Name für ein Debüt!) jubiliert sich zum dreißigsten Mal. Interessant ist das desshalb, weil der Stil der mächtigen CANDLEMASS sich in all diesen Jahren nicht wirklich verändert hat. Wozu auch?
„Death Thy Lover“ bringt schönen, schwedischen Doom direkt aus Stockholm. CANDLEMASS versinken nicht in trübgrauer Suppe, sondern arbeiten mit fetten Melodien, eingängigen, fast poppigen Refrains („Death Thy Lover“) und einer ganz gehörigen Portion Epic. Die „okkulten 70’er“ bleiben dabei natürlich genauso wenig auf der Strecke wie ausgedehnte Gitarrensoli („Sleeping Giant“) und natürlich gibt es auch wieder ein atmosphärisches, doomiges Instrumentalstück. Als eingefleischter CANDLEMASS-Fan kann man mit „Death Thy Lover“ also gar nichts verkehrt machen. Die Vorfreude auf ein Neues Album ist jedenfalls gegeben, die Schweden haben es immer noch drauf.
Anspieltipps: „Sister N Sweet“ und „Death Thy Lover“.
THE ANSWER feiern Geburtstag und werden zehn. Und genau aus diesem Anlass gibt es jetzt – auf den Tag genau – zehn Jahre nach dem THE ANSWER-Debüt „Rise“ selbiges in Neuauflage. Und zwar erscheint das erfolgreiche Erstwerk als Doppel-CD im Hardback-Digipack, als 12“ Hardback-Buch und 180g Vinyl. Während CD 1 ganz klassisch (das remasterte) „Rise“ enthält, ist CD 2 mit Bonusmaterial gespickt: Hier gibt es alte Demo-Songs aus 2004 und 2006 so wie eine ganz neu eingespielte Version von „Under The Sky“.
Wer das Album bereits kennt, der weiß was ihn erwartet. Wer „Rise“ noch nicht kennt, sollte auf jeden Fall reinhören: „Rise“ bietet ganz klassischen Hard Rock der Siebziger, der weder verstaubt und langweilig noch lächerlich und überproduziert daher kommt – sondern ganz authentisch. „Rise“ hat durchaus seine Berechtigung im CD-Regal und sollte neben THE BLACK CROWES, WOLFMOTHER und natürlich LED ZEPPELIN seinen Platz finden. Wer die Jungs erst mit „Raise A Little Hell“ kennen gelernt hat sollte hier vor Blindkauf jedoch einmal reinhören: „Rise“ klingt etwas ursprünglicher als das aktuelle Album und liefert mehr Rock’N’Roll und weniger Blues-/Stoner-Experimente. Ich bin leider absolut kein Fan von Demo-Sammlungen, aber die Anschaffung von „Rise“ lohnt sich auf jeden fall – und wieso nicht als ausgesprochen schickes Hardback-Digipack mit vielen Extras?
Der Geschmack von Metal Blade Cheffe Brian Slagel scheint sich auf seine alten Tage doch noch zu verändern. Bei mir wird das eher mal nichts…auch wenn mich unser Cheffe mit genau diesem Vorsatz (nämlich meinen „Horizont zu erweitern“) mit dieser Scheibe versorgt hat. Laut Info war Slagel vom 70er Glam Rock MOTHER FEATHERs vom Fleck weg begeistert, obwohl die Damen und Herren mit Metal nicht wirklich was zu tun haben. Neben den selbstgenannten Einflüssen wie MC5 oder den NEW YORK DOLLS erinnert mich das Gesamtkonzept ein wenig an THE DARKNESS, die sich einmal zu oft „Clockwork Orange“ ‘reingezogen haben. Das Ganze ist teils schrammelig, aber immer ultraeingängig und meist schräg genug um nicht zu poppig zu sein. Mir persönlich ist es oft zu „künstlerisch“ und exaltiert, aber das ist und bleibt eine Geschmacksfrage. Für mich ist das ganze überemotionale, im Rahmen einer Liveshow sich auf links drehen zu wollen und dabei „die Welt zu verschlingen“ einfach eine Spur zu dick aufgetragen. Trotz allem bleibt eine originelle Scheibe, die von der egozentrischen Vocalperformance Ann Courtney‘s getragen wird. Auch eine definitive „hate it or love it“ – Geschichte. Darüber hinaus kann ich mir aber auch vorstellen, dass Leute, die zum Beispiel auf Nummern wie „Zombie Queen“ von GHOST stehen, prinzipiell auch was mit MOTHER FEATHER anfangen könnten.
Ungewöhnlich, originell aber nicht wirklich meine Baustelle und damit ging der Versuch meines geschätzten Chefs meinen Betonkopf aufzuweichen leider in die Binsen.
GRAVE DIGGER und SKYCLAD sind die letzten zwei Bands der "The Very Best Of The Noise Years"-Veröffentlichungsreihe, die im gesamten Mai stattgefunden hat.
Bei der Gladbecker Band GRAVE DIGGER sind nur vier Alben herangezogen worden, und somit finden wir die spannendsten Stücke aus ihrer Noise Zeit auf den zwei Silberlingen. Spannend auch deswegen, weil kein Bogen um die verunglückte, kurzzeitige Umbenennungsphase in DIGGER gemacht wird, in der die Band versuchte, ihren Stil hin zu Hardrock und Meanstream-Metal umzuformen. Vier Alben sind mit 28 Songs vertreten; ich denke das sagt schon einiges über die "Vollständigkeit" aus.
Die zweite Band SKYCLAD ist vermutlich die unbekannteste in dieser Reihe, deswegen aber nicht weniger wichtig oder einflussreich. Ihr Stil - eine Mischung aus Folk und Thrash-Metal - war seiner Zeit voraus, weshalb viele diese Band als Wegbereiter für das Jahre später populär werdende Genre "Folk Metal" sehen. Hier ist auch interessant, dass SKYCLAD in ihren Texten oft den Umgang mit der Natur thematisierten, was ja auch nicht unbedingt zur damaligen Zeit Trend war. Auf "A Bellyful Of Emptiness - The Very Best of the Noise Years 1991 -1995" sind fünf Alben herangezogen worden, welche mit 33 Songs vertreten sind.
Diese Best Of Noise-Reihe macht Appetit auf die Anfänge und auf die musikalische Geschichte mancher Band. Rar gewordene, taktgebende und Genre prägende Alben sowie ihre Protagonisten werden hier, wie ich finde, stimmig dargestellt. Sicher fehlt dem ein oder anderen Fan "sein" Song, aber hier wird nichts bewust ausgelassen oder verschwiegen.
Hoppla, was ist denn da passiert? Nachdem bei LACUNA COIL in der jüngeren Vergangenheit gleich zwei altgediente Bandmitglieder ihren Hut genommen haben, scheint die Band den Umbruch genutzt zu haben, um sich musikalisch neu zu orientieren. Was einem da aus den Boxen entgegenschallt klingt deutlich eher nach Nu Metal oder gar Härterem als nach der rockigen, aber dennoch melodischen Düsternis, die man von LACUNA COIL gewohnt war. „House Of Shame“ könnte zunächst auch ohne Weiteres von einer Death Metal-Band stammen, bis später Christina Scabbias Gesangspart einsetzt. Die neue Härte zieht sich konsequent durchs ganze Album, da wird geschrammelt, gebrüllt und geknüppelt, was das Zeug hält.
Einzig der Titeltrack „Delirium“, „Downfall“ und vielleicht noch „Claustrophobia“ kommen etwas ruhiger daher und erinnern noch am ehesten an die gewohnte Kost der Italiener. „Take Me Home“ beginnt mit einem beunruhigend klingenden Kinderabzählreim und hat etwas Lockendes, Hypnotisches.
Was bei der Umorientierung leider etwas auf der Strecke geblieben ist, zumindest fürs Erste, ist die Eingängigkeit und damit, ironischerweise, auch ein Stück weit die Abwechslung: auf Dauer tönt es da doch eher ein wenig eintönig aus den Boxen und auch Christina Scabbia, die sich mit gewohnter Klasse ins Zeug legt, kann daran im Alleingang nichts ändern. „Delirium“ wird insbesondere für Fans also erst einmal ein tendenziell ungewohntes Hörerlebnis bieten – man darf gespannt sein, welche Richtung die Band in Zukunft einschlagen wird.