Wer bei DARK SUNS Stillstand oder ein Arbeiten an Details erwartet, wird - und wurde schon immer - eines Besseren belehrt. Die Band hat mit "Orange" ein gelungenes Retro-Rock-Werk veröffentlicht, bietet aber auf "Everchild" viel mehr als "Orange Pt.2". Es dominiert weiterhin der progressive, an den 70er und 80er angelehnte - und die ewigen Vergleiche mit PORCUPINE TREE und OPETH müssen wieder gebracht werden - Rock, aber DARK SUNS verweigern sich einer einer zu einfachen Kategorierung. Die Songs sind durch den Einsatz von Piano, Trompete und der interessanten Melodiearbeit sehr komplex und im ersten Moment wenig greifbar. Sie klingen zerbrechlich, fast schon sanft, und sind eher leise als laut. Es gibt selten eine laut/leise-Dynamik, was "Everchild" zu einem ruhigen - homogen ruhigen - Album macht. Da geht stellenweise die Spannung flöten, das Problem vieler homogen aufgebauter Platten. Auf der Habenseite können DARK SUNS ein durchgehend hohes Niveau und im Grunde wunderschöne Progsongs für sich verbuchen. Alle Klagen, alle Kritik, alle Meckerei an "Everchild" darf nie die Güteklasse der Songs vergessen. Die sind vielleicht mit kleinen Schönheitsfehlern behaftet, aber bieten immer noch mehr als 80 Minuten feinen, verträumt-sanften Progressive Rock mit Vintage-Vibe ("Monsters"). Akzente setzt war-mal-Drummer-ist-jetzt-Sänger Niko mit seiner starken, variablen Stimme ebenso wie die leise-effektiv arbeitende Rhythmusfraktion. Immer wieder scheint auch die interessante Instrumentierung der auf mittlerweile acht Leute gewachsenen Band durch, gerade in den Jaz-angehauchten Passagen ("Torn Wings"). Alles in allem ist "Everchild" ein organisch gewachsenes, fesselnd-komplexes Progressive Rockalbum. Hier und da wäre vielleicht ein Ausbruch aus dem Songwritingkorsett spannend gewesen, ohne dass die Homogenität zerstört worden wäre. "Everchild" ist auch so feines Futter für Freunde komplexer Musik.
Deutschsprachiger, selbstmörderischer Schwarzmetall mit atmosphärisch-gotischem Einfluss? Wer das sucht ist bei dem bayrischen Duo FREITOD genau richtig, dass mit "Der Unsichtbare Begleiter" sein drittes Album herausbringt. FREITOD beweisen hier, dass ihre Musik seit dem letzten "Regenjahre"-Album (2012) nichts an Eingängigkeit eingebüßt hat: Kräftiger Black Metal und melodiöse Parts mit Clean-Gesang wechseln sich hier stets ab. Dabei erschafft die Band eine düstere, verträumte Gothic-Atmosphäre. FREITOD haben auf jeden Fall das Zeug dazu mitreißende Passagen und im Ohr bleibende Refrain zu kreieren, wie die einzelnen Songs beweisen. Aufgrund des wirklich ziemlich hohen Klargesang-Anteils eignet sich "Der Unsichtbare Begleiter" auch hervorragend für Nicht-Black Metal-Fans, der Übergang zum Gothic Rock ist hier wirklich fließend. Ich finde den Klargesang-Anteil hingegen etwas hoch und die Songs dadurch an der ein oder anderen Stelle leider etwas schleppend. So scheppert lediglich "Zerrissen" in feinster Black Metal-Manier daher, während der folgende Song "Die Zeit heilt keine Wunden" sich als softer Gothic-Rocker herausstellt und etwas langweilt. Zwischen diesen beiden Songs befindet sich das restliche Material auf "Der Unsichtbare Begleiter". Wer auf Gothic und Black Metal im Stile von NOCTE OBDUCTA, DORNENREICH, LUNAR AURORA, EDEN WEINT IM GRAB oder ähnliches steht sollte FREITOD unbedingt austesten.
Anspieltipps: "Unter Schwarzen Wolken" und "Mirta".
"Stand in The Fire" ist das vierte Album der kanadischen STRIKER. Jung, frisch, selbstbewusst, ein bisschen wie die frühen METALLICA, blicken sie vom Foto des Innencovers. Musikalisch haben die Vier NWoBHM und Hardrock der 80er auf der Agenda stehen. Das machen sie, wie schon auf dem Bild, selbstbewusst, mit jugendlichem Drive und in seiner Mischung irgendwie erfrischend und inspiriert. Die Songs stehen mit einem Bein fest im Metal, während auf der anderen Seite Chöre, Melodien und das ein oder andere Riff pures Hairmetal-Flair verbreiten. DOKKEN, LIZZY BORDEN und TOKYO BLADE sind im Sound der vier Jungspunde herauslesbar. Ich fühle mich von den 11 Songs super unterhalten und denke, dass es vielen so gehen wird. "Stand in The Fire" ist traditionell in zwei Richtungen, und beide sind wunderbar und stimmig miteinander verwoben. Gut gemacht!
Zu den ersten Jahren von R.E.M. gibt es für die Altvorderen des Alternative- und Indie-Rock wenig zu sagen – zu gut, zu quer das Ganze, was das 1980 in Athens, Georgia als College-Band gegründete Quartett da ablieferte. Sänger Mike Stipe, Gitarrist Peter Buck, Bassist Mike Mills und Schlagzeuger Bill Berry waren sicherlich mit die Wegbereiter des späteren Erfolgs des „kommerziellen Alternativesounds“. Anfangs aber überwogen oft noch halb-balladeske-schroffe Indie-Gitarren, New Wave-Klänge, genuschelter Gesang, Folk- und Countryeinflüsse – man stand recht tief drin im Indie-Genre. Das wurde so ab 1986 schrittweise anders. Dementsprechend sind die damals bei IRS erschienenen drei tolle Alben aus den Jahren 1986 – 1988 – welche es jetzt im Rahmen der Universal-Re-Release-Aktion endlich wieder auf Vinyl gibt - für die Fans der Band welche erst in den 90ern auf den Zug aufgesprungen sind nicht immer in Gänze zu genießen – beschreiben aber den Weg den R.E.M. gingen . Genre-Highlight sind sie aber allemal.
Den Anfang macht mit „Lifes Rich Pageant“ das vierte reguläre R-.E.M.-Studioalbum von 1986, welches auch zum bis dato erfolgreichsten Output der Band avancierte. Hier zeigte sich erstmals deutlicher die zukünftige Ausrichtung der Band – Gesang wie auch die Gitarren waren nachvollziehbarer, ja eingängiger, aber immer noch erdig genug um vor allem das intellektuell rebellisch junge Publikum anzusprechen – man ging den Weg von der Indie-Band zu kommerzielleren Folk-Rock. Mit den beiden Singles „Fall On Me” (Hit) und „Superman”, dem Live-Klassiker „Just A Touch“, das melancholisch-dunkle „Cuyahoga“, das gut nach vorne gehende „These Days“ und „What If We Give It Away?“ hat man reichlich tolle Songs am Start, kaum Füllmaterial. Eine Platte welche zu recht als Wendepunkt in der Karriere von R.E.M. gilt – die ganz großen Hits sollten ja bekanntlich folgen.
Das zweite Vinyl „Dead Letter Office“ war die erste R.E.M.-Compilation überhaupt und enthielt verschiedene Single B-Seiten und Raritäten, was das 1987 erschienene Album schnell zu einem Geheimtipp unter der Fans machte. Die ausgewählten Songs sind dabei weniger Radiofutter, sondern eher was für Kenner und Fans der Band; dadurch dass hier Stücke von 1981 an zusammen getragen wurde bietet „Dead Letter Office“ auch kein homogenes Klangbild. Vielmehr macht die Mischung aus exotischen Coverversionen (AEROSMITH mit „Toys In The Attic", der VELVET UNDERGROND-Klassiker „Pale Blue Eyes” (und dazu noch „Femme Fatal“ und „There She Goes Agai“), „Crazy” von PYLON und der coole ROGER MILLER-Hit „King Of The Road”) und die zum Teil etwas experimenteller ausgefallenen Kompositionen, welche es nicht auf die jeweiligen Alben schafften und nochmals den ursprünglichen Indie-New Wave von R.E.M. hervorheben – hört einfach mal in „Crazy“ oder „Bunrung Hell“ rein.
Als besonderes Schmankerl wird das Package dann noch von der 1988 erschienenen Platte „Eponymous“ vervollständigt. „Eponymous“ war eine Art Best-Of-Scheibe der ersten fünf R.E.M.-Alben und enthielt verschiedene Singles in Teils seltenen, alternativen Versionen, darunter die Ohrwürmer „Radio Free Europe“, „The One I Love“ und „It's The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)” – und „Fall On Me“ von „Lifes Rich Pageant“. Aber auch Perlen wie „Romance“ vom 1987 Soundtrack „Made in Heaven“, „Driver 8“ oder „Can’t Get There From Here“. Das lange vergriffene Album ist genau das richtige um sich mal mit den „alten“ R.E.M. zu beschäftigen.
Ach ja - die Aufmachung aller drei Alben ist wertig: vernünftiges Covermaterial, beidseitig bedrucktes Innersleeves, fettes Vinyl und offizieller Downloadcode.
Lifes Rich Pageant – Dead Letter Office – Eponymous (Vinyl-Re-Releases)
1994 waren Warren Haynes, Allen Woody und Matt Abts noch weit davon entfernt jenen Status in der Blues Rock Szene inne zu haben über den sich GOV’T MULE heute freuen dürfen. Aber wenn man die jetzt im Archiv ausgegrabenen, neu abgemischten und gemasterten Songs hört, dann hat man durchaus das Gefühl, dass das so kommen mußte wie es kam. Die jetzt unter dem Titel „The Tel-Star Sessions“ veröffentlichten Aufnahmen sollten ja mal den Grundstein für das 1995er-Debüt der Band bilden – taten sie dann aber nur zum Teil und waren wohl dannach erstmal aus dem Sinn. Zu unrecht. Denn wie nahezu alles was GOV’T MULE von sich geben, macht man auch mit diesen 10 Songs nichts verkehrt. Anno 1994 klang das Trio zwar roher und ungeschliffener als heute, Grunge und bluesiger Hard Rock waren doch noch sehr präsent – das man aber ein Händchen für gute Songs und instrumentale Finessen hatte – dass war auch so schon unüberhörbar. Der bluesige Jam-Charakter der meisten Tracks tut ein Übriges um „The Tel-Star Sessions“ zu einer spannenden, kurzweiligen Angelegenheit zu machen. Das paßt so dann auch vom groovenden Opener „Blind Man In The Dark“ (gab es ja dann noch auf einem späteren Album zu hören), über das genial-flotte ZZ TOP-Cover „Just Got Paid” bis zum in zwei Versionen enthaltene etwas düsteren „World Of Difference“. Einfach Durchhören und Spaß haben.
1. Blind Man In The Dark
2. Rocking Horse
3. Monkey Hill
4. Mr. Big
5. The Same Thing
6. Mother Earth
7. Just Got Paid
8. Left Coast Groovies
9. World Of Difference
10. Bonus Track: World Of Difference (Alternate Version/Original Mix)
Black Metal aus der Seattle/ Portland-Ecke hat nicht erst seit den fantastischen WOLVES IN THE THRONE ROOM einen guten Ruf in der Szene. Mit UADA schickt sich eine neue Band an, die Fahne hochzuhalten. "Devoid Of Light" ist ihr Debütalbum, was sich der geneigte Hörer angesichts der Güteklasse immer wieder ins Gedächtnis rufen sollte. Was die Herren aus Portland hier abliefern, ist allerfeinster Black Metal mit Schwedeneinschlag, also bei aller Rohheit auch ein Faible für melodisches Arbeiten hat. Da wird deutlich, dass hier nicht Teens ihre ersten Songs geschrieben haben, sondern sich Jungs von u.a. INFERNUS hinter UADA verstecken.
Im Grunde aber egal, solange das Ergebnis so knallt wie das bösartige "S.N.M", welches sehr stark vom Shouter geprägt wird, oder das melodische "Natus Eclipsim". Und wer ein Album mit einem so starken Song wie "Black Autumn, White Spring" beenden kann, hat sowieso alles richtig gemacht. Die Produktion ist, unter Mitarbeit von TOXIC HOLOCAUST-Kopf Joel Grind, Genre-typisch roh und etwas den Bass vernachlässigend, und passt wie die Faust aufs Auge. Die Songs sind aus einem Guss und haben durchweg einen mitreißenden Groove, wodurch "Devoid Of Light" leicht zugänglich ist, ohne dass es Easy Listening-Kram ist. Dafür sorgen die finstere Atmosphäre, welche sich unheilvoll durch die Songs zieht, ebenso wie die immer wieder vorkommenden Aggressionsdurchbrüche in Form von Blastparts und Anleihen an die norwegische Schule. Insgesamt ein extrem stimmiges Album, das in keiner Black Metal-Playlist fehlen darf und ein weiter Beweis für die Stärke der Seattle/ Portland-Ecke.
BE'LAKOR sind bei Napalm Records gelandet, womit sie hoffentlich endlich die Aufmerksamkeit bekommen, die sie angesichts ihrer bisherigen - guten! - Alben verdient hätten. "Vessels" zegit die Band gereift, was sich in komplexen Songs Marke "Withering Strands" zeigt. Im Songwriting sind die in drei Alben gesammelten Erfahrungen spürbar, so gibt es in "Whelm" die typische BE'LAKOR-Atmosphäre, ohne dass der Song einen Bruch mit den komplexeren Nummern darstellt. Überhaupt bewegt sich "Vessels" auf sehr hohem Niveau und dürfte selbst anspruchsvolle Death Metal-Fans problemlos zufriedenstellen. Zwar ist die Produktion nicht so differenziert, wie sie für das perfekte Klangerlebnis hätte sein müssen, aber das ist der einzige dunkle Fleck auf der ansonsten weißen "Vessels"-Weste. "The Smoke Of Many Fires" als Abschluss des Albums zeigt eine spielfreudige Band, die beim Songwriting noch einmal alle Register gezogen hat und die alten mit den neuen BE'LAKOR zusammenbringt. Richtig starker Abschluss einer starken Scheibe!
"Vessels" ist genau das richtige Album für den Einstand bei einem großen Label wie Napalm Records. Zwar wünschen sich viele Bands sicher schon für ihr Debütalbum ein großes Label, aber die damit verbundenen Erwartungen sind nicht zu unterschätzen. BE'LAKOR kommen als gereifte, ihren Stil gefunden habende Band zum Label und legen ihr bis dato bestes Werk vor. Die verstörend schöne Atmosphäre der Songs ist beibehalten worden, während die Songs gleichzeitig komplexer und offener geworden sind und BE'LAKOR auch mal den großen Metal-Hammer schwingen. Jetzt sollte der Aufmerksamkeit der geneigten Metalgemeinde nichts mehr im Weg stehen. Wer auf Death Metal, komplexe Songs und Atmosphäre abfährt, ist mit "Vessels" gut beraten. (lh)
HARAKIRI FOR THE SKY konnten bereits 2012 mit ihrem Selftitled-Debüt begeistern und wussten sich nur zwei Jahre später mit „Aokigahara“ meisterlich zu übertreffen. Wie die Steigerung zu einem so guten Album aussieht, soll „III: Trauma“ beweisen. Das dritte Album der Österreicher setzt mit dem mächtigen Opener „Calling The Rain“ genau da an, wo „Aokigahara“ aufgehört hat: Depressiver, regen-grauer Post Black Metal wird hier geboten – und dass in einer unglaublich fesselnden Art und Weise.
Während die ersten beiden Alben (und gerade das 2012-Debüt) insgesamt noch etwas chaotisch, roh und ungestüm daherkamen ist „III: Trauma“ viel strukturierter und dennoch experimenteller. Viele wunderbare Melodien setzen sich fest, wo bei auffällt das HARAKIRI FOR THE SKY das Tempo immer öfter drosseln um Atmosphäre zu schaffen und im nächsten Augenblick wieder Gas zu geben.
In punkto Songwriting und Gesang konnte sich das Duo erneut verbessern. Der herrlich düstere Clean-Part in „Thanatos“, die tiefe Verzweiflung in „The Traces We Leave“ oder die merkwürdiger Weise fast positiv klingenden Melodien in „Viaticum“ lassen aufhorchen, bevor die Scheibe mit „Dry The River“ zum meisterlichen Finale ausholt.
Dabei scheint es wieder so als würde (fast) jeder Song den vorherigen übertreffen, was es natürlich schwer macht Anspieltipps zu geben. Am besten nimmt man sich einfach viel Zeit und lässt das Schaffen der Österreicher in chronologischer Reihenfolge auf sich wirken. Für mich ist „III: Trauma“ das (bis jetzt) beste Album in 2016!
Sind wir mal ehrlich. KINGDOM COME sind in den 80ern für so einen offensichtlichen LED ZEPPELIN- nennen wir es mal Einfluss kritisiert und sogar von OZZY und GARY MOORE öffentlich gedisst worden. Mir war das damals schnuppe, ich fand Lenny Wolfs Band klasse, und auch heute finde ich SCORPION CHILD´s zweite Scheibe einfach phänomenal. Der Klang von Aryn Jonathan Blacks Stimme, allen voran seine Art sie einzusetzen, ist Robert Plant mehr als ähnlich. Die Identität liegt in den Songs, die zum einen von ihrer songwriterischen Güte überzeugen und für sich stehen können, und zum anderen von ihrer Intensität und Energie her authentisch sind. Wer solche Songs schreibt und so leidenschaftlich vorträgt, der verehrt, ist inspiriert, kupfert aber nicht ab. Ein weiteres wichtiges Detail ist die hervorragende Produktion, die sowohl einen kräftigen, erdigen Bums als auch eine leicht verstrahlte psychedelische Atmosphäre schafft. Auf "Acid Roulette" passt alles wie Nippel zu Brust. Für mich ist das Ding die momentan heißeste Retro-, Vintage-, Classik- oder was auch immer Rockscheibe auf dem Markt.