WRETCH gibt es schon eine ganze Zeit, aber erst jetzt, wohl nicht zuletzt durch den Labelwechsel hin zu Pure Steel Records, kommen die Amis immer mehr in den Fokus, zumindest in Deutschland. "The Hunt" heißt das neue Album und neu ist auch der Sänger Juan Ricardo. Ich fand seinen Vorgänger schon recht true, doch Mr. R. geht noch einen Schritt weiter und zielstrebiger in die klassische U.S. Steel-, Power Metal-Ecke. Das einfache, aber irgendwie coole Intro gefolgt von dem mächtigen Titeltrack macht Laune auf rauen und ursprünglichen Metal. "The Hunt" bietet eine Mischung aus alten HELLOWEEN und VICIOUS RUMORS, das Teil wäre früher unter dem Begriff Speed Metal eingeordnet worden. Gerade die Rythmus-Abteilung macht ordentlich Tempo und treibt den Longplayer zusehends in den roten Bereich. "The Hunt" wächst, nahezu bei jedem Hördurchgang rückt das Album ein wenig näher an mich heran. Ein starkes, hartes und verwittertes Stück puren Metals!
EVOCATION konnten mit ihrem letzten Studiowerk, "Illusions Of Grandeur", nur bedingt überzeugen, klang das Ganze doch zu sehr nach Schema F geschrieben. Wird es mit neuem Label im Rücken besser? Kann "The Shadow Archetype" die Stärken der Schweden aufzeigen und mit frischen Songs überzeugen? In den vier Jahren (!) seit der letzten Scheibe haben sich EVOCATION nicht unbedingt für neue Idee geöffnet, sondern die Zeit genutzt, um sich den bis dato gepflegten Stil zu festigen. Angesichts der starken AMON AMARTH-Schlagseite von "Illusions Of Grandeur" kann das funktionieren, wen EVOCATION es geschafft haben, die Wucht und Eingängigkeit der Vorbilder für sich nutzen zu können. “Children Of Stone”, “The Coroner” und“Dark Day Sunrise" sind die stärksten AMON AMARTH-Anleihen des Albums - und das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Dabei vermögen es EVOCATION nicht, die Klasse der Vorbilder zu erreichen, so dass die Songs vor sich hin plätschern und beim Hörer nicht den Drang nach Met und Bier mit Freunden auslösen. Zwar zeigen sich EVOCATION bemüht, alle Facetten ihres Sounds zu zeigen, wie die Death'n'Roll-Nummer "Imperium Fall" oder das brachiale "Survival Of The Sickest", aber allen Songs ist die Unscheinbarkeit gemein. Sie bleiben beim Hörer einfach nicht hängen. EVOCATION-Trademarks lassen sich nicht ausmachen. Die Schweden verstehen ihr Handwerk und zocken jede Nummer sauber runter, aber beim Songwriting ging ihnen das Händchen für Hits oder zumindest Wiedererkennbarkeit ab. Schade drum. "The Shadow Archetype" beibt so im sprichtwörtlichen Schatten der Konkurrenz.
GATECREEPER aus dem sonnigen Arizona haben sich nicht von den im gleichen Staat ansässigen SOULFLY oder FLOTSAM AND JETSAM inspirieren lassen, sondern lange und intensiv GRAVE, ASPHYX, DISMEMBER und ENTOMBED gehört. Für den Mix haben sie sich an CONVERGE-Gitarrist und Soundgott Kurt Ballu gewandt, dessen God City Studios schon DISFEAR und DOOMRIDERS zu einem guten Sound verholfen haben. Da kann ja nicht mehr viel schiefgehen. Und in der Tat: " Sonoran Depravation" kann überzeugen. Songs wie das Riff-huldigende "Lost Forever" oder die ASPHYX-meets-ENTOMBED-Verbindung "Grip" sind feine Interpretationen des schwedisch geprägten Death Metal-Sounds und verhindern, dass GATECREEPER zu einer reinen Kopie verkommen. Wenn "Sonoran Depravation" Tempo aufnimmt, kommen Nackenbrecher Marke "Desperation" oder "Flamethrower" heraus, die Live für ordentlichen Abriss sorgen dürften. Kleine Doomeinschübe ("Slave") und SUFFOCATION-Verneigung ("Sterilized") runden das Ganze ab. "Sonoran Depravation" unterhält von der ersten bis zu letzten Sekunde und ist vollgepackt mit Ideen, Spielereien und Verneigungen vor den Legenden der Szene. Mit diesem Album geben GATECREEPER einen sehr gelungenen Einstand und bringen sich als zukunftsträchtige Death Metal-Band in Stellung.
Ich mag die "Noise lebt"-Reihe von BMG, kann aber auch die Kritiker verstehen, die speziell Noise damaliges "Abgezocke" in der Nachbetrachtung kritischer und vielleicht ein wenig deutlicher gesehen hätten. Nichtsdestotrotz half das deutsche Label vielen Bands, bekannt zu werden. So auch der kanadischen Band VOIVOD, die heuer ihr 35-jähriges Bandbestehen feiert.
VOIVOD, die Pioniere des Technical- oder Prog-Thrash Metals waren drei Platten lang ("Rrrröööaaarrr", "Killing Technology", "Dimension Hatröss") bei dem Berliner Label. Und genau die drei Alben sind in "Build Your Weapons - The Very Best of The Noise Years 1986-1988" umfänglich eingetütet. Die Kanadier entwickelten sich gerade in dieser Zeit von einer eher rohen und ungestümen Metal Combo immer mehr hin zu einer progressiven und anspruchsvollen Thrash Band. Diese Transformation ist gerade auf dem zweiten Silberling gut nachzuhören. Insgesamt sind 20 Songs von drei Alben enthalten, die gerade mal auf insgesamt 27 Titel kommen. Somit spiegelt diese Zusammenstellung nahezu komplett die Noise Jahre wieder. Wie immer, Doppel-CD, schön eingepackt im Digipack mit giftgrün glänzendem VOIVOD-Logo.
Build Your Weapons - The Very Best of The Noise Years 1986-1988
Grunge hat in den vergangenen Jahren ja ein kleines Revival erlebt. Auch die aus dem schweizerischen Winterthur stammenden HATHORS mischen dabei mit. Obwohl man sie nicht auf dieses Label beschränken sollte, ebenso spielen Garagen-Rock, noisige und psychedelische Elemente und eine gewisse Punk-Kante bei ihnen eine Rolle. Auf ihrem dritten Album mit dem etwas sperrigen Titel „Panem Et Circenses“ (lateinisch für „Brot und Spiele“) treffen teils krachende, teils sägende Gitarren und ein dreckiger Bass auf rauen Gesang, während die Drums stetig voran wummern. Trotzdem geht es in den elf Songs stellenweise hoch melodisch zu.
Was HATHORS besonders gut können, ist, ein Stück extrem ruhig und zurückhaltend zu beginnen und sich dann langsam, aber stetig bis in maximalen Lärm zu steigern. Diese Formel wird über die gesamte Album-Länge allerdings etwas zu häufig angewendet. Zumal der besonders zu Beginn meist cleane Gesang nicht unbedingt die Stärke von Sänger/Gitarrist Marc Bouffé ist – seine ansonsten herrlich räudig rausgerotzten bis geschrienen Vocals stehen ihm viel besser. Umso mehr freut man sich da über die immer wieder eingestreuten tighten, geraden Punk-Nummern wie „Monopoly“ oder „Dull Steed Laughter“, die meist nicht länger als drei Minuten dauern und tolle Ohrwurm-Refrains liefern.
Unterm Strich ist „Panem Et Circenses“ trotzdem ein lohnenswertes Album für Freunde krachigen, melodischen Gitarre-Rocks. Es lebt vom dynamischen Song-Writing der Band, bietet immer wieder intensive Momente, zeigt aber auch Mut zu längeren ruhigen Passagen, und produktionstechnisch wurden besonders die lärmigen Parts perfekt eingefangen.
Unter jenen die sich genauer mit der deutschen Musikerlandschaft abseits des Radio-Mainstreams beschäftigen dürfte CARL CARLTON kein Unbekannter sein. Der aus Ostfriesland stammende Gitarrist und Produzent spielte nicht nur früh bei namhaften Bands (Vitesse, Mink DeVille), sondern fungierte auch als Produzent und Gitarrist (Peter Maffay, Udo Lindenberg, Robert Palmer) oder als Sidekick (u.a. Manfred Mann, Eric Burdon, Joe Cocker) namhafter Künstler. Seine Soloprojekte, vier Alben als CARL CARLTON & THE SONGDOGS und seine letzter Solostreich „Lights Out In Wonderland“ darf man ebenfalls als überdurchschnittlich beschreiben und beehrten der 2015/2016 Tour guten Zuspruch und fast schon euphorische Live-Berichte.
Nun gibt es dazu die passende Doppel-CD um sich das Live-Feeling ins heimische Wohnzimmer zu holen. 17 Songs – das Beste von seiner letzten CD (darunter das tolle „Moonlight In New York“, „Annie“ oder „Little Men In Radio“), ältere Eigenkompositionen (wie der Song „Toast To Freedom“ den Carl Carlton zusammen mit Larry Campbell zum 50jährigen Jubiläum von Amnesty International (2011) komponiert hatte) und einiges an Coverversionen (u.a. „Woodstock“ von Joni Mitchell, „Atlantic City“ von Bruce Springsteen, den Bob Dylan–Klassiker „The Times They Are A-Changin’“, das auch auf dem letzten Album enthaltene „Sailin‘ Shoes“ (Little Feat) oder der unverwüstliche Willie Dixon-Bluessong „Little Red Rooster“). Dabei schafft CARLTON und seine Band es das Material in einer genau dosierten, harmonischen Mischung aus Bluesrock, Akustikset und gediegenem Jamsession darzubieten, welche den Hörer mitnimmt auf die von ihm präsentierte musikalische Reise. Die wohl gewollte „Wohnzimmeratmosphäre“ der Livemitschnitte schafft es so gut produziert auf Tonträger. Schönes Album für eher geruhsames zuhören.