DANZIG ist Kult und ein fleischgewordenes Alleinstellungsmerkmal. Endlich, nach dem doch eher bescheidenen, halbstündigen reinen Coveralbum in Demo-Soundqualität ("Skeletons", 2015) zeigt DANZIG, was wirklich noch in ihm steckt. Okay, der Sound ist immer noch, sagen wir mal „old school“, jedoch besser als zuvor. Aber die Songs sind einfach der Hammer! Abgehangen, doomig, kauzig und mit quietschender Gitarre rifft sich Sechssaiter Tommy Victor stoisch durch die Nummern, dass mir das Wasser in die Augen und das Blut in den Schritt läuft. "The Witching Hour", "Skull & Daisies" und "Pull The Sun" gehören songwriterisch mit zum Besten, was der Herr der Düsternis je verfasst hat. Die Stimme ist hörbar etwas gealtert, gleichwohl hat sie keinen Deut an Charisma verloren. Ganz im Gegenteil finde ich gerade die leichte Patina charmant und charaktergebend. Glenn Danzig bleibt sich treu: irgendwie Underground, irgendwie Punk und dadurch grandios. Sicher klingen manche Alben der Konkurrenz besser, aber zur Hölle, cooler ist keines davon!
TREAT waren 2016 als Co-Headliner auf dem Frontiers Label Festival in Mailand zugegen und eben dieser Auftritt wurde für die Nachwelt in Bild und Ton festgehalten. Mir liegt zwar nur der Ton vor, aber selbst dieser ist schon sehr überzeugend. Im Gegensatz zu vielen Melodic Helden aus den 80ern leben TREAT nicht nur in der Vergangenheit, sondern haben auch mit ihren letzten beiden Alben („Coup De Grace“ 2010 und „Ghost Of Graceland“ 2016) bockstarke Plüschperlen abgeliefert. Und auch wenn „Ghost Of Graceland“ zum Zeitpunkt der hier vorliegenden Aufnahme gerade mal ein paar Tage alt war, so fügen sich die Handvoll Stücke doch perfekt in den gut 70-minütigen Set ein. Und die Songs des Vorgängers sind gar kleine Klassiker geworden, allen voran „Papertiger“, „Roar“ und „Skies Of Mongolia“. Der Sound ist druckvoll und nicht zu künstlich. Nur das Publikum findet sich etwas zu weit im Hintergrund und kommt eigentlich nur in den Songpausen so richtig zur Geltung, was die Live-Atmosphäre etwas trübt. Natürlich ernten dann die ganz großen Klassiker wie „Conspiracy“ oder „World Of Promises“ die besten Reaktionen. Leider findet sich kein Song von meinem 86er Favorit „Pleasure Principle“ auf „The Road More Or Less Travelled“, aber das ist auch schon der einzige gröbere Schnitzer, denn ansonsten ist das neue TREAT Livewerk eine beeindruckende Werkschau einer Melodic Rock Band, welche 2017 genauso relevant ist wie 1987 und auch im Hier und Jetzt mit feinster Melodic Kost zu unterhalten weiß. Sollten sich Freunde von skandinavischem Melodic Metal à la EUROPE, ECLIPSE oder SKAGERAK fett auf den Einkaufszettel kritzeln.
Nach dem plötzlichen Aus von SISTER SIN 2015 wollte sich deren Sängerin Liv Jagrell noch nicht aufs Altenteil zurückziehen und beschloss, sich in Zukunft nicht mehr auf eine Band verlassen zu wollen und tritt nun unter dem Namen LIV SIN solo ins Rampenlicht zurück. Mit tatkräftiger Unterstützung von Teilen der U.D.O. Familie (man hatte sich auf diversen gemeinsamen Tourneen kennen gelernt) – namentlich Ex-Gitarrist und Produzent Stefan Kaufmann und Basser Fitty Wienhold- nahm sie nun ihr Solodebut „Follow Me“ auf. Normalerweise sind Soloalben von Sängern und Sängerinnen softer als die Werke im Bandkontext, Liv dreht den Spieß gerade um und verschiebt den von SISTER SIN bekannten Stil noch ein paar Grade Richtung Metal und klingt so aggressiv und garstig wie nie zuvor. Liv kreischt, faucht und lässt ihrem Frust über das plötzliche Karriereaus von SISTER SIN freien Lauf. Da „Follow Me“ aber so überzeugend klingt, weine zumindest ich SISTER SIN keine Träne mehr nach. Kaufmann und Wienhold haben „Follow Me“ zwar modern aber dennoch organisch produziert, sodass der Vorwurf, welcher gerne neuere U.D.O. Alben ob des zu klinischen Sounds traf, hier ins Leere läuft.
Mit dem fast schon thrashigen „The Fall“ erwischt Liv einen Einstieg nach Maß und pulverisiert auch die härtesten SISTER SIN Tracks mal so eben im Vorbeigehen. Und auch das folgende „Hypocrite“ ist ein wohldosierter Schlag in die Fresse. „Let Me Out“ mutet dann erst etwas melodischer an und hätte auch wunderbar auf die letzten SISTER SIN Alben gepasst, wäre da nicht eine fiese, mit flotter Doublebass unterlegte Bridge, die wieder härter ist als es das SISTER SIN Material jemals war.
Der akustische Beginn von „Black Souls“ lockt einen zuerst auf eine falsche Fährte, bevor die Band mit einem schnellen Riff, bollernden Doublebass Drums und einem bösen Schrei von Liv wieder aus vollen Rohren feuert. „Godless Utopia“ erinnert mich vom Riffing an diverse KREATOR Mid-Tempo Nummern. „Endless Roads“ bildet die erste kleine Verschnaufpause und zeigt, dass Liv nicht nur beeindruckend kreischen, sondern auch singen kann. Da sie mehr als nur einmal auf ihrem Album auch mit dem Thrash Metal liebäugelt, ist das Duett mit DESTRUCTIONs Schmier beim sehr flotten „Killing Yourself To Live“ mehr als nur konsequent und passt wie der sprichwörtliche Arsch auf den Eimer. „I Am Your Sin“ bietet sich auf Grund des geshouteten „SIN“ im Refrain perfekt für Liveshows an und „Emperor Of Chaos“ ist der fiese Bruder von SISTER SINs „Chaos Royale“. Das Finale wird mit dem FIGHT-Cover „Immortal Sin“ eingeläutet. Dort liefert sich Liv ein Duett mit Jyrki 69 von den 69 EYES, dessen gestelzte und aufgesetzt wirkende Art zu singen mir nicht wirklich gut reinläuft…besonders, wenn man für die entsprechenden Textzeilen eigentlich Rob Halford im Ohr hat. Geschmacksache eben.
Abgerundet wird „Follow Me“ von dem balladesk beginnenden „The Beast Inside“. In der zweiten Hälfte entwickelt sich die Nummer zu einem flotten Track, der das Album mehr als würdig beschließt und sofort zu einem meiner Favoriten wurde.
Mit „Follow Me“ ist Liv ein beeindruckendes Ausrufezeichen gelungen und alle Zeichen stehen auch nach SISTER SIN auf Sturm.