Lange war es ruhig um die Band aus Denver – seit 2006 war von den Herren nichts mehr zu hören. Allerdings war es auch zugegebenermaßen nicht immer ganz einfach, dem Werdegang der Amerikaner zu folgen, firmierten diese doch im Laufe der Zeit unter einer beachtlichen Vielzahl von Namen: begonnen als Caught In The Act, was wegen der Namensgleichheit mit der einschlägig bekannten Boygroup zu CITA verkürzt werden musste, über Guild Of Ages bis hin zu Relapsed. Jetzt aber sind GUILD OF AGES wieder da und mit ihnen ihr lupenreiner Melodic Rock. „Rise“ hält in dieser Hinsicht, was es verspricht und wird den Erwartungen gerecht: die Songs sind durchweg eingängig und melodisch und kommen im Großen und Ganzen locker-flockig daher. Besonders melodiös präsentiert sich „Every Road Leads Me Home“, bei „All Fall Down“ geht es dagegen ein wenig härter zur Sache und auch „Addicted“ tritt vermehrt aufs Gas. Mit „Hearts Collide“ findet sich aber auch eine klassische AOR-Ballade für Freunde sanfter Töne. Die ausgeprägten Anleihen an den Melodic Rock-Sound der 80er Jahre sind natürlich da, da sich die Band jedoch nicht ausschließlich in Richtung Vergangenheit orientiert, klingt das Ergebnis trotzdem nicht angestaubt, auch wenn GUILD OF AGES das Rad natürlich nicht neu erfinden. Fazit: alles in allem dürfte „Rise“ das Herz vieler Melodic Rock / AOR-Fans erfreuen.
FARFLUNG aus Los Angeles gelten zu Recht als Institution im Psychedelic Rock. Seit über 20 Jahren sind sie aktiv, und nie haben sie sich irgendwelchen musikalischen Konventionen unterworfen. Das tun sie auch auf ihrem neuen Album „The Capsule“ in keiner Weise. Fünf Stücke gibt es darauf zu hören, von denen die beiden kürzesten fünfeinhalb Minuten lang sind, das längste sogar über 20 Minuten dauert. Gewohnte Songstrukturen sind dabei komplett egal, auch der Gesang spielt nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen gibt es viel Raum für hypnotische Beats, schwere Riffs und allerlei sphärische Sounds.
Dabei geht es mal treibend nach vorne, wie in der ersten Hälfte des 13-minütigen, fantastisch aufgebauten Openers „Anymore Because“. Es kann aber auch durchaus nervenaufreibend und beinahe leicht verstörend zugehen wie in „Red Today“, ebenso auch hoch melodisch wie in „Flesh For A Moonless Star“ mit seiner PINK FLOYD-Atmosphäre oder dem verträumten Closer „When Dull Wolves Dream“. „Prostitute To Spacecraft“ lässt einen in seinen 20 Minuten schließlich endgültig ins All abheben, auch wenn man sagen muss, dass der meditative Schlussteil etwas zu lang geraten ist und man sich hier eine Rückkehr zum Anfangs-Riff wünscht – die dann aber ausbleibt.
Aber geschenkt – was FARFLUNG hier zwischen Psychedelic, Space, Stoner und Krautrock abliefern, ist ein echter Trip. Da wundert es einen nicht, dass sie in der Vergangenheit bereits mit einigen namhaften Gastmusikern zusammenarbeiten durften, wie etwa den Krautrock-Legenden Damo Suzuki (CAN) und Hans-Joachim Roedelius (CLUSTER, HARMONIA), Nik Turner (HAWKWIND) oder Gene Trautman (zeitweise QUEENS OF THE STONE AGE und EAGLES OF DEATH METAL). „Capsule“ bietet Musik, auf die man sich einlassen muss, die dann aber einen beinahe magischen Sog entwickelt.
Bei KERKER handelt es sich um das Ein-Mann-Projekt von Danny Starke, der hier sowohl für Gitarre, Bass, Schlagzeug und Gesang verantwortlich zeichnet, das Projekt jedoch gern als Band aufziehen möchte, inklusive Live-Auftritten. Stilistisch ist diese Vier-Song-EP aus heutiger Sicht recht gewagt, denn das Genre "Neue Deutsche Härte" ist mit "tot" noch sehr diplomatisch umschrieben. Aber vielleicht gerade deswegen klingt "Kerker" auf eine gewisse Weise schon wieder originell, wobei es sich hier lediglich um ein Demo handelt, dem man die Do-It-Yourself-Produktion zu jeder Sekunde anhört. Mit "Krank" oder dem groovigem "Herabsehen" zeigt der Protagonist, dass er durchaus in der Lage ist, knackige, eingängige Songs zu schreiben, die allerdings - und damit zum größten Kritikpunkt - definitiv einen ausdruckstärkeren Sänger verdienen. Falls aus KERKER in absehbarer Zeit doch eine komplette Band werden sollte, könnte dieses Problem schon bald und bei der nächsten Veröffentlichung behoben sein. Bis dahin sollten sich Fans von SCHWEISSER oder späteren OOMPH! diese EP ruhig mal zu Gemüte führen!
Bereits das vielfach umjubelte Debütalbum "Devoid Of Light" des Quartetts aus Portland, Oregon platzierte UADA vor rund zwei Jahren auf einen Schlag mitten in der Szene; die nicht gerade vielen Kritiker bemängeln seither, die Band sei lediglich eine Kopie der großartigen polnischen MGLA. Dieser Vorwurf greift allerdings massiv zu kurz, auch wenn natürlich einige Parallelen vorhanden sind, aber genauso gut kann man auf "Cult Of A Dying Sun", dem nicht minder starken Zweitwerk der Jungs, auch DISSECTION´s "Storm Of The Light´s Bane", DAWN´s "Slaughtersun", diverse Scheibchen von NECROPHOBIC oder INQUISITION heraushören. Vor Allem offenbart diese Erkenntnis aber Eines: UADA sind herausragende Songwriter, die es eben, ähnlich wie die genannten Referenzen, verstehen, große Hymnen vom Fass zu liefern. Hier gibt es kein Wikinger-Tralala, keine Mitschunkel-Parts und keinen Gotenbombast, sondern ausladende, epische Melodien, die mit eiskalter schwarzmetallischer Härte gepaart werden. Mit "Snakes & Vultures", dem Titelstück, dem akustischen "The Wanderer", "Sphere (Imprisonment)" (geiler MAIDEN-mäßiger Mittelteil!) oder dem überlangen, grandiosen Abschluss "Mirrors" liefert die Truppe durchgehend Erstliga-Ware ab und verheddert sich auch nicht in ermüdend langen Passagen und unnötigen Füllern. "Cult Of A Dying Sun" klingt wie aus einem Guss, dabei deutlich europäischer als es die Herkunft vermuten lässt und wartet zudem noch mit einem sehr geschmackvollen Cover-Artwork auf - Volltreffer!
Die umtriebigen und in jüngerer Vergangenheit auch kommerziell höchst erfolgreichen Spielleute von SALTATIO MORTIS melden sich mit einem neuen Album zurück – oder besser gesagt, eigentlich gleich mit zweien, denn in der Deluxe-Version ist „Brot Und Spiele“ ein Doppelalbum, dass neben dem regulären Silberling dieses Titels auch noch ein zweites Werk mit dem vielversprechenden Namen „Panem Et Circences – Ad Fontes“ enthält, letzteres geweiht den musikalischen Wurzeln der Band aus Mittelaltermarkt- Tagen. Eigentlich müssten beide separat besprochen werden, denn die Aufnahmen verhalten sich zueinander ein wenig so wie Dr. Jekyll zu Mr. Hyde, wobei es im subjektiven Auge des jeweiligen Betrachters liegt, welches Werk welcher Figur zuzuordnen ist. An dieser Stelle muss es jedoch genügen, nacheinander auf sie einzugehen. Zuerst also „Brot Und Spiele“, das ja schließlich sozusagen das „Hauptwerk“ darstellt.
Das Intro „Ein Stück Unsterblichkeit“ sorgt für ein wenig fragend hochgezogene Augenbrauen, denn das, was da aus den Boxen schallt, klingt herzlich wenig nach Mittelalter-Rock und die direkt darauf folgende erste Single „Große Träume“ untermauert diesen Eindruck: was man da hört, geht gut nach vorne und ist zweifellos eingängig, aber es könnte auch ohne weiteres von den Toten Hosen in ihrer Stadionrock-Phase stammen – große Mitsing-Refrains, die Dudelsäcke sind auf ein kaum noch hörbares Minimum reduziert. Die grobe Richtung kennt man ja bereits vom Vorgänger „Zirkus Zeitgeist“, die damit vorgegebene Marschrichtung wurde offensichtlich beibehalten. Das rotzige „Dorn Im Ohr“ macht etwas mehr Druck und tritt ordentlich aufs Gas, „Ich Werde Wind“ hingegen lässt die Sache ruhiger angehen und hält sich auch textlich mehr zurück. Im Gegensatz zu „Europa“, „Brot Und Spiele“ und „Besorgter Bürger“. Liebe Spielleute, ich weiß, ihr schätzt Ehrlichkeit und freie Meinungsäußerung, daher möge man mir die folgenden Worte hoffentlich verzeihen: Gesellschaftskritik in der Musik kann eine feine Sache sein, ein Florett an der richtigen Stelle, das – wohlformuliert – Augen öffnen und wachrütteln kann. Ihr könnt das, ihr habt es früher schon getan und zwar gut, in ins mittelalterliche Gewand gekleideten Texten, die eure Meinung zu Missständen deutlich machten, ohne dem Zuhörer dabei die Moral von der Geschicht´ mit der Brechstange ins Gesicht zu schlagen. Warum nur habt ihr damit aufgehört? Habt ihr so sehr den Glauben an die Intelligenz eurer Hörerschaft verloren, dass ihr meint, euch mitunter einer Plakativität bedienen zu müssen, die jener der von euch so verachteten Bildzeitung zum Teil erschreckend ähnelt, in der Annahme, man würde euch sonst nicht verstehen? Ihr tut dem Publikum unrecht. Doch dies nur am Rande. Mit „Nie Wieder Alkohol“ findet sich der klassische Quoten-Sauf-Titel (das muss man in der Szene wohl so machen), „Mittelalter“ haut unter feucht-fröhlicher Beteiligung der Kollegen von VERSENGOLD und MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN in eine ähnliche Kerbe. Bei „Spur Des Lebens“ hingegen wird es etwas besinnlicher, hat man doch hier ein Duett mir keiner geringeren als Marta Jandová an Land gezogen. Allerdings wäre man fast geneigt zu sagen, diese singe das Duett mit Campino von den Toten Hosen, denn Alea klingt diesem hier wirklich verblüffend ähnlich. Mit „Brunhild“ findet sich schließlich auch noch ein Exkurs ins Mythologische – das einzige, relativ klassische Mittelalter Rock-Stück auf dem Album und gleichzeitig ganz klar der beste Song der Platte. Ein umfassendes Fazit zu ziehen, ist aus den genannten Gründen eher schwierig, da das Ergebnis sehr stark davon abhängt, was man sich von diesem Werk erwartet. „Brot Und Spiele“ ist ein solides, partytaugliches und zweifelsohne massenkompatibles Stadion-Punkrock-Album, das sicherlich regen Zuspruch finden und vielleicht sogar Radio-Airplay bekommen wird. Ein gutes Mittelalter-Rock-Album ist es hingegen nicht. Strenggenommen ist es überhaupt kein Mittelalter-Rock-Album. Wer den jüngeren Sound der Toten Hosen mag, gerne mehr davon hätte, als die Hosen zu liefern vermögen und sich nicht am gelegentlichen Dudelsack als schmückendes Beiwerk stört, dem sei eine klare Kaufempfehlung ausgesprochen: „Brot Und Spiele“ zulegen und glücklich werden sollte hier problemlos funktionieren. Wer sich neues Material im Stil von „Aus Der Asche“ ,„Wer Wind Saet“ oder vielleicht auch „Sturm Aufs Paradies“ erhofft, der muss sich entweder mit den alten Alben vertrösten und auf bessere Zeiten hoffen oder sich die Deluxe-Version zulegen und sich auf „Ad Fontes“ beschränken, um zumindest Mittelalter-Flair zu bekommen, wenn schon keinen Mittelalter Rock. Was uns zum zweiten Teil dieser Rezension bringt.
„Ad Fontes“ also. Diesem Motto werden die Spielleute auf „Panem Et Circences – Ad Fontes“ auch tatsächlich gerecht, denn der zweite Silberling von „Brot Und Spiele“ bietet Mittelaltermarkt-Flair in Reinkultur. Highlights sind das der nordischen Mythologie entlehnte „Heimdall“, das SALTATIO MORTIS in Bestform zeigt und das wunderbar melodisch-melancholische „Epitaph To A Friend“, beide mit hochgradigem Ohrwurmfaktor versehen. Neben Deutsch, Englisch und Portugiesisch sind mit „Herr Holkin“ und „Mitt Hjerte Alltid Vanker“ zudem noch zwei weitere Ausflüge ins Nordische zu verzeichnen, beide auch mit Altnordischem Text (apropos, liebe Spielmänner, hier ein kleiner Vorschlag am Rande: wäre das nicht eine Überlegung wert, wenn es textlich doch mal wieder unbedingt der Papst oder die Weihnachtsmänner sein müssen? Warum das Ganze nicht mal auf Latein oder Altnordisch? Oder vielleicht auch Gälisch? Da tun sich doch ungeahnte Möglichkeiten auf, ohne die Message zu vernachlässigen…). Instrumentalstücke finden sich ebenfalls und unterstreichen die Markt-Atmosphäre. Kurzum: „Ad Fontes“ sind SALTATIO MORTIS, wie man sie von Akustik-Auftritten auf Mittelaltermärkten kennt. Das dürfte Fans des letzten Albums vermutlich weniger ansprechen, aber die dürfen nicht meckern, schließlich haben sie die reguläre „Brot Und Spiele“-Version zur Verfügung. Freunde des alten Mittelaltersounds hingegen werden sich über „Ad Fontes“ freuen.
Das jüngste Mr. Big-Album kann man mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten: einerseits ist es ein Manifest, mit dem die Band demonstriert, dass sie trotz einiger holpriger Phasen in ihrer langen Geschichte und einer mehrjährigen Komplettpause ihre Einheit wiedergefunden hat und nach wie vor große Spielfreude an den Tag legt, andererseits ist es aber gleichzeitig auch eine Art Vermächtnis: das von Schlagzeuger Pat Torpey nämlich, der Anfang 2018 - wenige Monate nach der Aufzeichnung des Konzerts in Milan - seiner Parkinson-Erkrankung erlag. Die Band hatte hier immer Geschlossenheit demonstriert und ihren Drummer nie zurückgelassen, bis zum Ende hatte Torpey immer wieder sein Scherflein beigetragen, auch wenn die Percussion-Arbeit mitunter aus gesundheitlichen Gründen von Matt Starr übernommen werden musste. Auf "Live In Milan" zeigen Mr. Big (man beachte: diesmal tatsächlich in Europa), dass sie auch mit den Jahren kein bisschen leise oder satt geworden sind. Man hört deutlich, welchen Spaß die Bandmitglieder nach wie vor an ihrer Tätigkeit haben, das Set besteht bunt gemischt aus alten und neuen Songs gleichermaßen von „To Be With You“ oder „Wild World“ bis „Everybody Needs A Little Trouble“ und auch als daheimgebliebener CD-Käufer kann m an sich wahrlich nicht beschweren, kommt das ganze doch schließlich als umfangreiches Doppelalbum plus Blu Ray daher: Live-Feeling satt, auch aus den heimischen Boxen. Fazit: für Fans auf jeden Fall ein Muss, und auch sonst für jeden empfehlenswert, der Mr. Big gerne mal live sehen möchte, es aber bis dato noch nicht geschafft hat.