Die Hamburger Death-Metal-Band ENDSEEKER lud zur Release-Session ihres 2019er-Albums „The Harvest“ in die bekannten Chameleon Studios zu Ex-Dark-Ager-Eike Freese. Anwesend waren neben den geladenen Journalisten und dem Studiobesitzer himself, die gesamte Band und Metal-Blade-Mann Bart. Eike begrüßte: „Nach einem Monat mit viel Bier und Arbeit ist das Master frisch fertig geworden, es war eine Punktlandung“, stöhnte er und adelte Gitarrist Jury zum Professor: „Er ist so detailversessen. Wer kein Jura-Studium in Schweden-Death-Metal absolviert hat, kommt schwer klar. Der Gitarrensound ist sooo stilprägend. Alle Frequenzen, die einen bei Kinderschreien stressen, sind da verzehnfacht drin. Die Gitarristen möchten jeden einzelnen Sound hören. Nach sieben Stunden Feilerei an einem Lied sagt Jury: „Jetzt sind wir ganz dicht dran, es kann aber noch mehr kratzen oben rum. Stell dir vor, du kaufst ein Auto in Bordeaux-Rot – beim Kauf super, wenn die Sonne untergeht, ändert sich die Farbe und du sagst „oje“. Aber am Ende des Tages zählt: Du hast das richtige Auto bestellt.“ HM2-Professor Jury bekräftigt: „Wir haben viel am Sound getüftelt – Amps anders aufgestellt und anders eingestellt, spielen jetzt ein HM2-Klone. Es ist bleibt Schwedentod, aber so artikuliert wie möglich.“ Vorweggenommenes Fazit: Es hat beides geklappt. Es ist Schwedentod und die richtige Karre! Sänger Lenny übernahm wie üblich die inhaltliche Beschreibung der Songs, Gitarrist Jury die musikalische - Song für Song:
Parricide:
Lenny guckte sich die Tiefseeanglerfische an und entdeckte komisches Paarungsverhalten. Sexualdimorphismus, kleines Männchen, großes Weibchen. Das angelockte Männchen beißt sich rein, wird von der Frau überwachsen. Er ist inkorporiert, die Blutströme verbinden sich und das Sperma läuft. Einfach so. „Faszinierend. Sein Leben aufzugeben, um eine kleine Spermapumpe zu werden“, staunt Lenny. Größer betrachtet geht es natürlich um zwischenmenschliche Beziehungen. Musikalisch bietet der Song einen Kontrapunkt zum Beginn des vorherigen Album. Das Gewehr ist gleich durchgeladen und es macht bumm!
Fazit: Es ballert. Es rummst. Es ist geil.
Pulse:
Ein schlauer Kopf erschafft eine tödliche Kreatur zur Zerstörung der Welt. „Ein Zerstörungssong“, sagt Lenny. „Ein typischer Song mit Einflüssen von Slayer bis Dismember“, sagt Jury.
„UUUUUäää“ sagt der Zuhörer, zitiert und übersetzt: „Eine Waffe wie eine Atombombe.“
Cure:
„Wir alle kennen es, dass wir ausgelaugt sind, wir kriegen grauen Haut-Teint, sogar Burn-Out. Netflix macht keinen Spaß mehr“, schwadroniert Lenny. Und erinnert sich an eine Spielshow: Zwei Kandidaten ließen sich vorher Fleisch entfernen und mussten die Fetzen des anderen essen. Beeindruckend widerlich. Lenny erinnert sogleich an die Eigen-Urin-Therapie. Und erfindet die „Eigen-Fleisch-Therapie“: Wem es schlecht geht, der fängt an sich selbst aufzuessen. Am Ende ist er glücklich, aber eben auch tot und ein Skelett. Musikalisch ist das der Rocker auf der Pladde. Meint Jury und sagt: „Wir entwickeln uns auch weiter, in der Band, in ihrer Dynamik. Ben und ich arbeiten perfekt zusammen. Bens Motorradfahrer-Riffs und meine rausgeschleuderten Melodien ergeben einen meiner Lieblingssongs. Unverkopft und cool.“ In einem romantischen Augenblick fanden Lenny und Ben zueinander – das führte zu Lennys „Duett“ mit Ben.
Wir meinen: Sehr abwechslungsreich!
Spiritual Euphoria:
„Der Song schlägt also in eine andere Kerbe – weiter ENDSEEKER bleiben, weiterballern HM2. Aber es soll spannend werden.“ Derweil muss Basser Eggert pinkeln und Bier holen. Lenny überbrückt die Pause: Der Song wird die erste EP-Auskoppelung und ein Video ist die Truppe im Rohschnitt – der auch sogleich vorgestellt wird (und inzwischen fertig ist: Bitte hier fürs Video klicken). Inhaltlich geht es in die Hölle mit Satanspriester Lenny.
Metal-Inside warnt: Atmosphärisch hat der sehr vielseitige Song einen leichten Black-Metal-Einschlag wegen echt düsterer Stimmung. Und mit einem irren Priester/Sänger/wasweißich...
Whores of War:
Ein Kriegssong, für die Gesellschaft und Leute, die sich an Geld aufgeilen und alles andere scheißegal ist. Jury freut sich total, mit Ben zusammengewachsen zu sein: „Anfangs waren ENESEEKER ein Brainchild, alle haben ihren Beitrag geliefert, aber jetzt stimmt es einfach noch mehr. Ben und ich haben uns zusammengesetzt, richtig akribisch. Der Song war einer des Demos „Richtig geil“, pflichtet Metal-Blade-Bart bei.
Und auch Metal Inside sagt: „Ein tolles, schweres Midtempo-Ding, ein grooviger Brecher.“
The Harvest:
„Der Song, der alles hat, der Hit, endlich ein Hit. Herbststimmung! Jetzt ist Erntezeit! Und wer hat am meisten geschafft? Der Tod! Er war am effizientesten“, lautet Lennys Zusammenfassung der Textidee. Der Text stammt von Ben und Lenny, eine absolute Premiere. Jury steigert sich weiter rein: „Absolutes Highlight, ich will den ewig im Liveset haben. Er hat alles, was ich mir erträume. Grave, Soulless, Slayer, Dismember, Entombed und ganz viel wir. Viel reingesteckt, Gemeinschaftsarbeit. Ich liebe den Song.“
MI-Fazit: Der Song rattert wie ein Trecker mit 8000 PS.
Epitomy of Decadence:
Lennys Geschichte aus der Antike: „Purpur wurde damals aus Wasserschnecken hergestellt. Eingesammelt wurden sie zu tausenden und umgebracht, ihnen die Gedärme entzogen. Und mit Urin verfeinert. Weil sich die Farbe nur so an der Kleidung hielt. Was gibt es Dekadenteres? Hunderttausende Kreaturen sterben, damit andere etwas Exklusives tragen können. Daran musste ich auch bei der Europawahl denken. Wenn Menschen komplett an der Mehrzahl der Menschen vorbei leben. Froh, dass ich ein Ventil gefunden habe, mir den Frust von der Seele zu schreiben.“ Jury findet mal wieder, dass der Groover gen Slayer wildert, zumindest im Refrain. Und sagt, dass er auf Corpsessed steht, auch, wenn der Song anders klingt: Finnen-Vibe meets Slayer „Slayer hör ich da nicht raus“, sagt Basser Eggert.
Prognose: Viele Überraschungen, Blut und Terror im Elfenbeinturm.
Immortalized:
Lenny hörte, es sei gelungen, ein isoliertes Schweinegehirn vier Stunden am Leben zu erhalten. Das fand er gut. Und ersann eine schöne Variante für das eigene Bewusstsein – Einsamkeit ohne Sinnesorgane. Und fragt: „Soll man sich darüber freuen?“ Es war der erste Song, den ENDSEEKER für das neue Album geschrieben haben, er war auch auf dem Demo. Und Barts (ihr wisst, der Metal-Blade-Mitarbeiter) Lieblingssong, auch, weil er ihn an Darkane erinnerte.
Fazit: Ein Song wie eine Kettensäge, mit einem eingängigen Refrain mit viel Melodie und ein bisschen Black-Metal-Feeling. Ganz bisschen. Macht Laune, man darf aber keine Angst im Dunkeln haben.
Vicious Devourer:
Modell gestanden hat ein Frosch im Terrarium. Der hungrige Frosch bekam zu fressen: Kleine Heuschrecken, Skorpion, Schlange, alles fraß er weg! Das erinnerte Lenny an weltlichen Konsum, der nie gestillt wird. Der Song endet damit, dass der fette Frosch nicht mehr essen kann. Und dann kommt die Hand, die ihn gefüttert hat – und er wird selbst verspeist. Für Jury ist das „Animal Death Metal“, der Song war auch auf dem Demo.
Die "Redaktion" findet: Der bunteste Song, viel Melodie und viele Einfälle und ganz schön dolle.
Symphony Of Destruction (Bonus-Track):
Die Gruppe lud Grave-Axtschwinger Mika Lagrén ein, um Marty Friedmans Solopart in ihrer Coverversion von Megadeths ‚Symphony Of Destruction‘ zu übernehmen. „Nach unserer Interpretation von Entombeds ‚Supposed To Rot‘ und ‚Powder Burns‘ von Bolt Thrower wollten wir diesmal keinen Death-Metal-Song nachspielen“, sagt Jury. Warum ein anderer Gitarrist? Ben erklärt: „Viel zu schwer, wir waren viel zu grobmotorisch.“
Metal Inside findet es eine gute Idee, Mustaines Hit zu covern. Und wie geil brummt der Bass!
Fazit: Mit „The Harvest“ machen ENDSEEKER tatsächlich den viel zitierten Schritt nach vorn, knicken dabei aber nicht um. Sie bleiben sich und ihrem vorrangig Schweden- und HM2-inspirierten Sound treu, entwickeln ihn aber vorsichtig weiter. Das Grunzen bleibt schweinisch, dennoch sind viele Textpassagen zu verstehen und Lenny überrascht sogar mit klarem Gesang. Die Gitarren braten wie eh und je, bieten aber auch enormes Melodievolumen. Kummers Drumming klingt wesentlich aufwändiger, erfüllt aber dampframmig seinen Zweck. Genau wie Eggerts Bass. Gute Jungs, gutes Album! Das kommt am 13. September in der Standardversion mit neun Songs. Im Juli macht eine EP mit Megadeths-Coverversion den Vorboten, die Digi-Pack-Version der fast 45minütigen CD enthält neben den etatmäßigen Songs ebenfalls die „Symphony of Destruction“.
Vor 20 Jahren waren TRAVIS ein hoffnungsvoller Newcomer der vor allen den Insidern auf den britischen Inseln ein Begriff war. Nach ihrem international noch unter dem Radar fliegenden Debüt (das doch noch sehr rockige „Good Feeling“, 1997) veröffentlichten TRAVIS wenige Wochen vor ihrem Live-Auftritt auf dem Glastonbury-Festival ihr zweites, ruhigeres Album „The Man Who“. Dieser Auftritt war der Startpunkt für die späteren weltweiten Erfolge der Band. Das Festival hatte an sich bestes Wetter zu bieten – nur beim Auftritt von TRAVIS regnete es stilecht zum Song „Why Does It Always Rain On Me?“ wie aus Kübeln. Nichts desto trotz – oder gerade deswegen – kam es zu einer jener magischen Verbindung zwischen Band und Publikum, welche legendäre Liveauftritte erst ermöglichen. Und TRAVIS legten an diesem Tag einen fulminanten Auftritt hin der in die Annalen des mittlerweile altehrwürdigen Festivals einging.
Wie gesagt, 20 Jahre ist das nun her – und die Band ist sich der Wichtigkeit ihres damaligen Auftrittes dermaßen bewusst, dass sie diesen nun in verschiedenen Versionen (CD, Doppel-CD, LP, …) zum Jubiläum veröffentlicht. Unter dem Titel „Live At Glastonbury ‘99” darf man jetzt offiziell nachhören was Tatzeugen seit dem verbreiten (und was es bisher nur als Bootleg gab): TRAVIS waren eine Klasse für sich – emotional, spielfreudig und mit Power lieferten sie ein Meisterstück, das der gute Sound der 16 Songs wiederspiegelt. Die aus den flotteren Stücken des Debüts und den meist bedächtigeren Songs von „The Man Who“ gut zusammen gemischte Setlist seht ihr unten. Eine Pflichtveranstaltung für die Fans.
Das war es aber zum Jubiläum noch nicht. Dann dazu gibt es mit dem „The Man Who Deluxe Box Set” (2CD & 2LP) noch ein weiteres Output – das 1999er-Chartbreaker-Album mit seinen Hits und seinen Maßstäben setzenden Stil. Dazu hat die Band dann noch 19 Bonustitel für die zweite CD zusammengestellt und ein 56-seitiges Booklet produziert. Dass sich das Album dann im Laufe der Jahre als zeitlos herausstellte rechtfertigte die Überhäufung mit Preisen die TRAVIS für „The Man Who“ in 1999 und 2000 abräumten-
Live At Glastonbury ’99
1. Blue Flashing Light
2. The Fear
3. Writing To Reach You
4. Good Feeling
5. U16 Girls
6. As You Are
7. Why Does It Always Rain On Me?
8. Coming Around
9. All I Want To Do Is Rock
10. Yeah Yeah Yeah Yeah
11. Good Day To Die
12. More Than Us
13. Driftwood
14. Slide Show
15. Turn
16. Happy
The Man Who Deluxe Box Set (2CD & 2LP)
CD Disc 1 (komplettes Album)
1. Writing To Reach You
2. The Fear
3. As You Are
4. Driftwood
5. The Last Laugh Of The Laughter
6. Turn
7. Why Does It Always Rain On Me?
8. Luv
9. She’s So Strange
10. Slide Show / Blue Flashing Light
CD Disc 2 (von der Band ausgewählte B-Seiten)
1. Green Behind The Ears
2. Only Molly Knows
3. Yeah Yeah Yeah Yeah
4. High As A Kite
5. Be My Baby
6. Where Is The Love
7. Village Man
8. Driftwood (Live at the Link Café / Glasgow / 1999)
9. The Urge For Going
10. Slide Show (Live at the Link Café / Glasgow / 1999)
Je drei Songs von RED DEAD, UNDEAD VISION und SON OF A SHOTGUN haben Great Dane auf diesen Sampler gepackt. Die Split möchte drei Bands präsentieren mit verschiedenem Ansatz. Klappt auf der Basis „Death Metal“. RED DEAD sind Franzosen, widmen sich dem DM der alten Schule und haben aufgrund eines ähnlich betitelten Videospiels sicher viele Google-Zugriffe. Das ändert aber die Musik der drei neuen Songs nicht: ranziger, sperriger Todesstahl der ruppigen Gangart. Nicht außergewöhnlich, aber solide. UNDEAD VISION fühlen sich wie die Schweizer DEICIDE. Könnte mir aber vorstellen, dass sie sich nahbarer geben. Jedenfalls zetteln sie mit "Revolt" zwar keine an, aber in Sachen Sound und Power haben sie eindeutig die Nase ganz vorn dabei. Hat schon tüchtig Wumms, diese Schweizer Kräutermischung, den lustigsten Songtitel ("Purple Pony") und schmeckt sogar authentischer als die amerikanische Vorzeigebonbonfabrik. Geil. Womit wir bei SON OF A SHOTGUN sind. Dahinter verbirgt sich Ivan “Meathook” Gujic, auch BLOOD RED THRONE, der die Chose als „Norwegian Southern Death“ bezeichnet und Grind Metal meint. Zur Verstärkung hat sich der fleischige Gitarrist „Jan Axel von HELLHAMMER” Blomberg von MAYHEM an den Drums ausgeborgt und am Bass Olivier Pinard of CRYPTOPSY. Und natürlich waren PANTERA ein großer Einfluss. Der Dreier beginnt wie das Cowboy-Spiel, doch ehe man sich am Lagerfeuer verliert, brezeln die Schießgewehr-Söhne los. Und zwar hat jeder von ihnen eine mächtige Wumme in der Hose. Große-Fresse-Vocals sind selbstverständlich, Schnaps-geschwängert sowieso. Letztlich wirkt die Super-Gruppe am Ende aber nicht so in-sich-selbst-ruhend wie UNDEAD VISION. Deswegen nur Platz zwei. Gut sind die Muttersöhne aber auch. Aber eben nicht so durchgefickt.
Die „Schwarze Ordnung“ kommt aus Timisoara, Rumänien. Natürlich existieren da Querverweise auf bekannte oder/und verblichene Bands wie DORDEDUH, SYN ZE ȘASE TRI, und natürlich NEGURA BUNGET (RIP, Negru!). Trotz aller möglichen Pauken (und keiner Trompeten) gehen ORDINUL NEGRU konventioneller und schwarzmetallischer als die Vorgenannten Formationen zu Werke. Dennoch klingen Herz und Atmosphäre der tiefen rumänischen Wälder auch bei einem Song wie dem mächtigen Opener "Approaching The Door Of Damnation" in den gut acht Minuten immer durch. Und entgegen der knurrigen Art inklusive des harschen Gesangs und Galoppel-Drums wirken die Blackies aus den Karpaten viel wärmer als die Kollegen aus dem skandinavischen Schnee. Und das schaffen die Jungs durch breite Soundteppiche, die hintergründig die Stimmung schüren, die ORDINUL NEGRU vordergründig mit jeder Menge Boshaftigkeit anschwärzen. Und so schlagen die Jungs einen Bogen von BATHORY über NEGURA BUNGET bis hin zu DISSECTION und anderen Schwarzwurzeln... Und haben mit "The Apocalypse Through A Hierophant’s Eye" einen Hit geschrieben. Also im Sinne der okkulten Black-Metal-Anhängerschaft. Toller Breitwand-Black-Metal, schwer in Ordnung, inklusive „Uh“, „Uah“ und „Aaah“! Aaaaaaah, danke allein für den krassen Groove in "Elder Magick"!
Der Name lässt auf eine südamerikanische Kapelle schließen, in der Tat gibt es Ecuadorianer gleichen Namens – und mit fast identischem Schriftzug. Dies hier sind aber Schweden. Die machen Thrash mit ein bisschen Punk, einer Melodic-Death-Schlagseite und einer Würze Black. Die Vocals sind keifig-giftig, der Sound ausgewogen, könnte aber dicker sein. Dennoch gibt’s hier vier Songs (neben dem kurzen Titelsong mit 1:56 Minuten sind das das noch kürzere "Pesten", "Exitium Vivorum Omnes", das THE HAUNTED zitiert und das abschließende "Strength & Pride". Die beiden kurzen Stücke machen auf Crustcore, crusten aber nicht wirklich und wirken so wie eine gekonnte Punkversion von kleinen Metallstücken. Das Gruppenbild des Dreiers erinnert an ein Abziehbild von BEHEMOTH, musikalisch gehen die Jungs aber wesentlich basischer zu Werke und ziemlich vielseitig. Gut: Sie bringen alles ziemlich glaubhaft herüber und mischen so ein interessantes Scheibchen zusammen, mit dem sie sich aber aufgrund der Stilvielfalt auch zwischen ziemlich viele Stühle setzen.
"Unmögliches wird sofort erledigt, Wunder dauern etwas länger." Diese humorvolle Weisheit aus der heimischen Arbeitswelt trifft auch auf manchen Tonträger zu, auf den die Fan-Gemeinde viele Jahre oder sogar Jahrzehnte wartet (zum Beispiel "Mathematics" von WATCHTOWER) oder auch nicht ("Chinese Democracy" von GUNS´N´ROSES). Im Fall der kalifornischen Death-Metal-Legende POSSESSED waren es ganze 33 Jahre, die seit dem zweiten und letzten Werk "Beyond The Gates" ins Land gezogen sind, und man darf jetzt schon feststellen, dass die bis auf Urgestein und Bandgründer Jeff Becerra neu formierte Truppe (ab 2007 stellten SADISTIC INTENT die komplette Band, heute ist von ihnen nur noch Ex-Drummer Emilio Marquez dabei) mit "Revelations Of Oblivion" ganze Arbeit geleistet hat. Das Album bewegt sich klanglich weder rumpelnd in den 80ern, noch tönt es modern-steril, sondern beide Welten sind im Studio (für Mixing und Mastering war Peter Tägtgren zuständig) brillant kombiniert worden. Wie in den frühen Jahren äußerst melodische wie brettharte Stücke wie der Opener "No More Room In Hell", das treibende "Damned", die erste Single-Auskopplung "Abandoned", das fast überlange "Omen" oder "The Word" (die hauptsächlich von Mr. Becerra selbst und Gitarrist Daniel Gonzalez geschrieben wurden) überzeugen durchgehend und lassen den Eindruck entstehen, dass POSSESSED völlig nahtlos an ihr Frühwerk anknüpfen - was sie mit "Revelations Of Oblivion" eigentlich auch tun. Ich bin davon überzeugt, dass nur die allerwenigsten Fans mit einem derart starken Comeback-Album gerechnet hatten!
Mit vorliegendem Werk "Controlled Demolition" hat die Hamburger Echtheitsmetall-Institution ihr dreckiges Dutzend in Sachen Anzahl der Studioalben erreicht und dabei - man muss es auch an dieser Stelle noch einmal erwähnen - in annähernd 30 Dienstjahren keinen einzigen Bock geschossen, was nicht viele Bands dieses Alters und dieser Anzahl an Veröffentlichungen behaupten können. PARAGON sind ihrem Stil erwartungsgemäß treu geblieben und haben inzwischen auch den kurzzeitig abtrünnigen Gitarristen und Gründungsmitglied Martin Christian seit dem letzten Album "Hell Beyond Hell" (2016) wieder in ihren Reihen (wenn auch nur im Studio) aufgenommen. Mit diesen grundsoliden Randbedingungen kann man auch das neue Scheibchen als äußerst gelungen bezeichnen, denn Hymnen wie "Abattoir", der Stampfer "Mean Machine", das schleppende, überlange "Deathlines", "Blackbell" oder "Black Widow" sind einmal mehr schnörkelloser Heavy Metal in Vollendung, der wie gewohnt teilweise von den fetten Bandchören, aber jederzeit von Andreas Babuschkins Ausnahmegesang und den Sägeriffs im besten alten ACCEPT-Stil getragen wird. Und auch wenn "Controlled Demolition" als Gesamtpaket nicht ganz an die absoluten Band-Meisterwerke "Law Of The Blade" (bis heute von PARAGON selber unerreicht; das Teil ist in den letzten 17 Jahren sogar noch mehr gewachsen), "Forgotten Prophecies" und "Force Of Destruction" heranreicht, so ist es doch ein weiterer exquisiter Baustein im Schaffen dieser hochkonstanten Band, die uns hoffentlich noch weitere 30 Jahre erhalten bleiben wird!
ROGER DALTREY ist einer der beiden noch lebenden Gründungsmitglieder der britischen Rockband THE WHO (neben Pete Townsend) – und THE WHO die Verfasser eine der ersten Rockopern überhaupt – nämlich die Geschichte des tauben, stummen und blinden Tommy Walker (VÖ 1969). Obwohl von Anfang an sehr erfolgreich, mauserte sich „Tommy“ über die Jahre zu einem der wichtigsten Konzeptalben der Rockgeschichte. Was damals vier LP-Seiten benötigte, geht heute auf eine CD; was damals Live sehr ursprünglich aufgeführt wurde kommt heute im orchestralen Gewande. Und wenn auch nicht zum ersten Male mit Orchester (bereits in den 70ern gab es diverse, unterschiedlichste Interpretationen), so hat sich DALTREY zum 50. Jubiläum mit „Tommy Orchestral“ etwas Besonderes einfallen lassen. Er tourte dafür in 2018 mit einem Symphonieorchester durch die USA und lies dies auch aufzeichnen. Für diese Tour wurde „Tommy“ durch den Komponisten und Arrangeur David Campbell (auch Adele, Radiohead, Bob Dylan, Metallica, Carole King) überarbeitet und eine neue, nach Daltreys eigenen Worten magische Orchestrierung vollzogen. Dabei kommt das Orchester Live dann eher aus dem Back. Dies lässt der Originalinstrumentierung reichlich Raum und sorgt so (auch an den Publikumsreaktionen hörbar) für einen deutlichen Widererkennungswert (um nicht zu sagen Retro). Und dass die Kompositionen für „Tommy“ größtenteils aus der Feder von ex-Kollege Townsend stammen sollte dem Genuss von ROGER DALTREYs „Tommy Orchestral“ nicht abträglich sein. Denn Familienbande bleiben - am Mikro war neben dem immer noch solide bis gut singenden Daltrey auch Petes Bruder Simon Townsend zu hören. Für Fans sicher eine Pflichtveranstaltung.
Ein buntes Potpourri haben SATAN TAKES A HOLIDAY da für ihr fünftes Studioalbum zusammengemischt. Nach ausgedehnter Tour-Tätigkeit verbarrikadierte sich die Band im Frühjahr und Sommer vergangenen Jahres im Proberaum und Studio, um an ihrem neuesten Werk zu arbeiten, herausgekommen ist dabei nun „A New Sensation“. Der das Album eröffnende Titeltrack erinnert sowohl gesanglich als auch musikalisch etwas an Muse, „Sessions And Cash“ und „Set Me On Fire“ präsentieren sich groovig-rockig, „Hell Is Here“ dagegen kommt punkig-schrammelig daher und tritt ordentlich aufs Gaspedal. Auf „Kingslayer“ wiederum werden etwas getragenere, fast schon unterschwellig melancholische Töne angeschlagen, bevor der Rausschmeißer „Blow“ einmal mehr schrammeligsten Garagen-Punkrock zelebriert und das Album nach etwas mehr als einer halben Stunde Spielzeit schließt. Kurz: „A New Sensation“ ist eine buntgemischte Wundertüte für Freunde rotzigen Garagenrocks.