Nicht wenige Fans fühlten sich 1997 von ihrer finnischen Lieblingsband auf den Arm genommen, denn die akustische Version von "My Kantele" war auch schon auf dem Album "Elegy" vertreten. Gut, das war ein Hit, den man auch seiner Mutter vorspielen konnte, gerade, wenn es auf Weihnachten zu ging. Aber für die Band und die an den Hintergründen interessierte Fans macht die EP durchaus Sinn. AMORPHIS covern hier ihre eigenen Vorbilder HAWKWIND, eine der entscheidenden frühen Spacerock-Bands aus Amerika, und KINGSTON WALL aus Helsinki, die leider bis zu dieser Würdigung international nur in absoluten Insider-Kreisen einen Namen hatten. Ganz im Stil des Spätsiebziger Spacerock sind auch die beiden Eigenkompositionen "The Brother Slayer" und "The Lost Son", bei denen sich der "neue" Sänger Pasi Koskinen nach seinem Holterdipolter-Einstieg zu "Elegy" erstmals in Ruhe als Songwriter ausprobieren konnte. Das Video zu "My Kantele" inspirierte anschließend nicht wenige Fans, sich intensiver mit finnischer Mythologie zu beschäftigen. Also alles in allem eine halbe Stunde Musik, die einen gut durchdachten Bogen um all das bildet, was für AMORPHIS wichtig war und ist.
Bereits von vielen Progies inklusive meiner Wenigkeit mit einiger Vorfreude erwartet, haben POOR GENETIC MATERIAL (PGM) jetzt den Nachfolger des bereits exquisiten "Leap Into Fall" auf den Weg gebracht: "Winter’s Edge" heißt das neue Werk und man kann die Scheibe ohne Übertreibung als konsequente Weiterentwicklung des bisherigen Bandschaffens, inklusive einiger deutlich hörbaren Erweiterungen im Klangspektrum, ansehen. Keine Angst, der scheinbar düstere Titel (die Band hat jetzt übrigends fast alle Jahreszeiten in ihren Albumtiteln durch) täuscht vielleicht auf den ersten Blick etwas aber glücklicherweise ist hier keinerlei Deprimucke zu erwarten, im Gegenteil PGM lassen es zwar spieltechnisch ziemlich locker bzw. relaxt angehen und haben trotzdem an Tiefe im Ausdruck gewonnen. Als modernen Artrock wollen die Jungs um ihren Leadsinger Phil Griffiths (u.a. auch erfolgreicher Vocalist bei ALIAS EYES) ihre Musik verstanden wissen und dies kann man durchaus so sehen, werden hier doch stets etwas melancholisch gehaltene progige Instrumental-Parts mit sehr gefühlvollen, sphärischen Elementen und typische (Neo) Prog-Rock Strukturen stilvoll miteinander verbunden. Besonders auffällig diesmal - die Gitarre ("Saitenzupfer" Stefan Glomb hat sich hier am deutlichsten weiterentwickelt) ist erfreulicherweise noch prägnanter in den Blickpunkt gerückt worden. Auf Album Nummero fünft wird erfolgreich die Metamorphose zur richtigen Band vollzogen, die Songs klingen noch gewachsener und etwas weniger konstruiert, ja stellenweise sogar mit einer gewissen Leichtigkeit - will sagen einfach weniger angestrengt. Die herausragenden Tracks sind für mich der megastarke Opener "Sharp Bends Sudden Crests" mit einem tollen Spannungsbogen bis hin zu dem fast sehnlichst erwarteten Refrain sowie die besonders akzentuierten beinahe schon punchigen Schlagzeugsound (dies könnte ruhig auch noch öfter so der Fall sein!) und natürlich das epische "Whitescape", daß durch besonders gelungene Arrangements besticht. Einzig bei "Winter’s Edge Part I" verzetteln sich die Jungs für meinen Geschmack stellenweise etwas, der Song hat zwar einige wunderbare Instrumentalparts aber irgendwie fehlt mir der mitreisende Zusammenhang und so kommt alles etwas zäh rüber. Weiterhin besonders positiv noch zu erwähnen bleibt "Nuage Bleu" eine Art Klangcollage mit Gesang und spitzenmäßiger Akustikgitarre - jawoll so muß intelligente Musik ohne zuviel Kopflastigkeit einfach klingen! Das von mir zuletzt noch bemängelte Coverartwork ist diesesmal ebenfalls wesentlich besser ausgefallen und so paßt auch die Optik zum hochwertigen Inhalt. Beinhaltete der Vorgänger "Leap Into Fall" vordergründig doch die etwas eingängigeren Kompositionen ist nun "Winter’s Edge" doch deutlich experimenteller ausgefallen freilich ohne deshalb weniger gut zu sein aber halt einfach anders. Egal, den wahren Progfans wird dies wahrscheinlich so eher noch besser gefallen wobei aber Fans ausdrucksstarker Rockmusik durchaus ebenfalls mal reinhören sollten.
GEMINI FIVE stammen aus Schweden und veröffentlichen mit "Babylon Rockets" ihr Debütalbum, mit dem sie sich stilistisch nahtlos in der Riege der HELLACOPTERS und GLUECIFERS einreihen können. Es wird von Anfang bis Ende überzeugender Rotz’n’Roll geboten, und die vier Mannen, die sich Tin Star, Snoopy, Hot Rod Teilmann und Slim Pete nennen, haben sichtlich Spaß daran, ihren Vorbildern MÖTLEY CRUE, KISS und SEX PISTOLS nachzueifern. Mit dem aufbereiteten 80’s-Hit "You Spin Me Round (Like A Record)" konnte man daheim sogar die Top-20 knacken, was man gut nachvollziehen kann, denn die neue Version kommt richtig schön knackig daher könnte auch hierzulande gut abräumen. Ebenso ohrwurmig ist der Titelsong (und Opener) gelungen, der wie das hymnische "TwentyFourSeven", das ruhig beginnende und treibende "Hardcore", das sprichwörtliche "Automaticool" und der Rausschmeißer "Suicide Tuesday" zu den Highlights des Albums gehört. Der Rest des Materials fällt gegenüber diesen etwas stärker herausragenden Songs kaum negativ ab und sollte die Band ohne Probleme in der europäischen Hartwurstszene etablieren. Auch wenn GEMINI FIVE mit "Babylon Rockets" noch nicht der ganz große Wurf gelungen ist, kann man die Scheibe durchaus als "sehr unterhaltsam" einstufen.
Nach 20 Jahren zollen also diverse schwedische Bands ihren Landsleuten THE NOMADS Tribut. Nimmt man zur Kenntnis, dass die NOMADS nicht allzu bekannt sind, dann kommt man auch schnell darauf, dass, sieht man mal von THE HELLACOPTERS ab, die hier vertretenen Bands keine Sau kennt. Diese Compilation ist also nur Fans der gehuldigten Band zu empfehlen, die sich dann über Beiträge der oben genannten HELLACOPTERS, ELECTRIC FRANKENSTEIN, THE DICTATORS, MARYSLIM, NITWITZ, SICKIDZ, THE SEWERGROOVES, SILVERMACHINE, THE DONTCARES, SUPER CRICKET, VOLADORAS, SONS OF CYRUS, THE ROBOTS, X-RAYS, YUCCA SPIDERS und BOB HUND (selten dämlicher Bandname!) freuen dürfen. Die Mucke pendelt ausgeglichen zwischen langweiligem Rotz’n’Roll und stinklangweiligem Rotz’n’Roll, denn abrupte Aggropower gemischt mit dreckigen Schweinegrooves findet man hier nicht. Ganz pauschal würde ich den Freunden solcher Klänge raten, doch lieber auf den nächsten regulären Release der HELLACOPTERS, der BACKYARD BABIES oder TURBONEGRO zu warten. Insgesamt ist diese Platte eine absolut sinnbefreite Angelegenheit!
Es gab mal eine Zeit, als die Norweger EINHERJER durch Met besäuselt lustige Sauflieder lallten. So auf "Odin Owns Ye All" von 1998. Seitdem ist viel Wasser die Fjorde herab geflossen, und die Songs sind komplexer geworden: das hier Met trunken tight nachzuspielen müsste eine Kunst sein. "Blot" ist das erste Album, bei dem Gitarrist Frode Glesnes auch den Gesang übernimmt, lange hat kein Sänger mehr so böse aus meinen Boxen gebellt. EINHERJER fusionieren ein ums andere Mal Black- mit Viking Metal, setzen also dem Black Metal die Hörner auf. Die Themen sind natürlich immer noch Mythen und Schwertträger, norwegische Riten - und vielleicht ist es ganz gut, dass man bei Songs, die "Blut" heißen und sich um nordische Sagen ranken die Texte nicht versteht. Ausgerechnet von "Ironbound", dem wirklich fiesesten und grollendsten Track auf "Blot" gibt es ein Video. Weitere Anspieltipps: "Dead Nights Rite" ist für EINHERJERs Verhältnisse schon fast eine Ballade, ein episches Stück Metal in Slow Motion mit triumphierenden Höhepunkten. Ein kreischendes "Hilfe, die Achtziger"-Riff leitet "Hammar Haus" ein, das über volle acht Minuten sämtliche Register zieht. Und mit "Wolf Age" haben auch die Mittelalter-Rollenspieler ihre Polka. Mit "Blot" übernehmen EINHERJER im Handstreich den verwaisten Wikinger-Metal-Thron.