Ernst Horn ist schon jemand Besonderes. Schillernde Gestalt bei DEINE LAKAIEN und ehemals QNTAL machte bereits der Vorgänger seines neuen Kreativitätsventils HELIUM VOLA von sich reden. Doch auch "Liod" wird zu mehr als nur anerkennendem Kopfnicken bei Musikstudenten und demütigem zu Boden blicken der Konkurrenz führen. Horn muss niemandem mehr etwas beweisen, diese Freiheit merkt man "Liod" an, auch wenn thematisch natürlich eher getragenes, dramatisches und ernstes geboten wird. Mit zig Gastsängern und Sängerinnen, Texten in verschiedenen Sprachen und unterschiedlich gewichtetem Einsatz von Elektronik fährt er ein gewaltiges Arsenal an Stilmitteln auf. Als meisterlicher Dirigent und Arrangeur versteht er es jedoch, diese Macht leichtfüßig unter Kontrolle zu halten, die Songs nicht mit Bombast zu überladen und den Hörer nicht zu überfordern. Und doch verlangt "Liod" ein aufmerksames Ohr, denn nicht vieles ist so tanzbar wie die vorab ausgekoppelte Maxi "Veni, Veni". Der Reiz von alten Texten, auf ebensolches getrimmte Melodien und modernster, wenn auch dezenter, Elektronik macht definitiv einen der Reize aus. Das Gesamtkonzept des Albums ist schwer zu erfassen, auch wenn die einzelnen Tracks durchaus nachzuvollziehen sind und sich nicht in exorbitante Gefilde aus vertrackten Strukturen verlieren. Diese Kunst beherrscht Horn wie kaum ein anderer.
Frage an die anwesenden Deather: wer mag Cannibal Corpse? Klar, fast alle. Wer hält die Werke mit Chris Barnes am Mikro für besser als die mit Corpsegrinder? Hm, nicht mehr so viele. Ich gehöre zu dieser Minderheit und für Spinner wie mich gibt’s von DEFLORATION passenden Nachschub haha. Schon nach ungefähr vier Sekunden wird klar, dass die Jungs einfach nur brutalen US-Death spielen wollen und sich nen Scheiß um irgendwelche Vorwürfe scheren dürften, dass ihre Mucke nix Neues bietet. Soll sie eben nicht, sondern einfach nur brutal sein, in die Fresse hauen und Spaß machen. DEFLORATION haben sich vor allem bei der (richtig geilen) Gitarrenarbeit viel von frühen Cannibal Corpse-Werken abgeschaut, hier wie dort wird gesägt ohne Gnade und dem Hörer so ein schönes Brett hingehauen. Drummer Försti zertrümmert sein Kit nach allen Regeln der todesmetallischen Kunst, blastet ordentlich und hat dazu noch einen sehr guten Sound abbekommen, wodurch ordentlich Druck erzeugt wird. Grunzer Uwe hat eine gnadenlos tiefe Lage, so wie gaaanz alter Chris Barnes. Respekt, so muss für mich ein DM-Shouter klingen, alles andere ist In Flames-Mucke haha. Sagte ich schon, dass neben allen technischen Fähigkeiten auch das Songwriting stimmt? Nein? Ok, dann jetzt: neben allen technischen Fähigkeiten stimmt auch das Songwriting, die fünf Tracks gehen gut ins Ohr, grooven wie Hölle und haben nen netten Wechsel zwischen erbarmungslosem Geballer und Mid-Tempo-Monstern ("Humanity Vs. Paranoia"). Alter, was für eine geile Scheibe! Da muss es doch mit dem Teufel zugehen, wenn DEFLORATION nicht bald nen Plattenvertrag an Land ziehen können. Bis dahin muss diese Scheibe immer wieder herhalten, um sich klar zu machen, dass es so viele geile Kapellen in unserem Land gibt, von denen man bisher noch nichts gehört hat und die erstklassige Mucke machen. Grind on, Garth!
Deutschlands "größte Gothic-Metal-Band" hatte sich aus Bocklosigkeit aufgelöst, mit einem Knall wiedervereinigt, wollte mit einem Knall das Reunion-Album veröffentlichen - und jetzt liegt die Vorab-Maxi schon seit vier Wochen in den Läden, das Album ist verschoben - und ich habe es fast verpasst. Genauso unspektakulär verzichte ich jetzt auf den Sermon, den ich seit der Ankündigung der Reunion vorbereitet habe. Ist das fair gegenüber den wahrscheinlich zahlreichen Leutchen unter 20, die unter Umständen die "glorreichen Zeiten" der Pfälzer Mitte der Neunziger verpasst haben? Ist es. Lieben oder Hassen, entscheidet euch selbst - "egal" werden CREMATORY wahrscheinlich auch in Zukunft nicht sein: "Greed" ist selbst für CREMATORY-Verhältnisse sehr eingängig, vielleicht sogar zu sehr: Shouter Felix beeindruckt und brüllt-grunzt tief herum wie lange nicht mehr. Gitarrist Matthias Hechler überrascht - der kann nämlich tatsächlich singen und schmettert hoch und klar den Chorus. Sind CREMATORY in ihrer besten Form seit 1997? Kann sein. Allerdings haben sie es immer noch raus, sich mit kleinen Dinge große Feinde zu machen: Das Keyboard spielt "Bontempi im Sturm" und unterscheidet sich nicht wesentlich von meinem Staubsauger, dafür hätten Billig-Keyboard-Firmen sogar in den Achtzigern Schläge bekommen. Alternativ kann man mit dem Ding sicher auch töfte Ratten oder andere geräuschempfindliche Schadnager aus gülligen Proberäumen vertreiben. Großes Wechselbad der Gefühle, von hochgeklappten Fußnägeln zurück zu schönen Stimmen, "Farewell Letter" ist eine perfekte, fast akustische Ballade mit wirklich sparsam eingesetzten Mitteln. Die Achterbahn ist noch nicht zu Ende, als Gimmick wurde DER Metallica-Song gecovert, "One". Felix, Harald und Matthias meistern dieses Herzensanliegen bravourös - bis gegen Ende das Keyboard mit einem weiteren seltsamen Sound erneut aufdreht. Die Maxi ist auf 10.000 Exemplare limitiert, vom Titeltrack gibt es ein putziges Video. Eine der letzten Fragen bleibt: Wie hat Markus Jülich die Double-Bass-Parts gegen Ende von "One" hingekriegt?
Ein kalkulierter oder besser, ein inszenierter Abschied einer Band kann auch schön sein. Nach fünf Jahren Bandgeschichte und dem theatralisch anmutenden Albumtitel ihres Zweitlings "Lebe Wohl" endet die Geschichte von HALB SO WILD. Und was die Theatralik angeht, so ist dies ein Feld, das auch musikalisch aufgegriffen wird. Bereits nach wenigen Takten und einsetzendem Gesang wird die Nähe zu einem musicalartigen Flair deutlich. Sehr deutlich im Vordergrund befindlicher cleaner Gesang, sowohl männlich wie weiblich, beschäftigt sich mit dem Thema Liebe in klar verständlichen, deutschen Texten. Abwechslungsreiche Gitarren, die manchmal fast progressive Züge annehmen, pendeln sich zwischen Rock und softem Metal ein. Ein Keyboard sorgt sowohl für teils melancholische Stimmungen und trägt auf der anderen Seite neben den Gitarren die Melodie. Textliche hätte man in meinen Augen noch tiefer gehen können, die Duette der beiden Protagonisten könnten noch um Nuancen besser aufeinander abgestimmt sein. Haarspalterei? Mag sein, aber bei dieser sonst auf Perfektion getrimmten Musik, solch enormer Kreativität und solch vielfältigen Songs, fällt selbst ein Detail ins Auge, dass sonst kaum Beachtung finden würde. Die Musik ist eigenwillig, ambitioniert umgesetzt und alles andere als alltäglich. Und alles andere als halb so wild ist die Tatsache, dass es die Band bald nicht mehr gibt. Lebe wohl!
Aus Dänemark stammt diese Formation, die sich aus ehemaligen ROYAL HUNT, - WUTHERING HEIGHTS, - ZOOL, - MANTICORA , - und SINPHONIA - Musikern zusammensetzt. Angereichert wird dieser Mix durch Gastmusiker von unter Anderem MALMSTEEN und TIME REQUIEM. Den Stil, den dieser Haufen spielt, kann man sich daher wohl leicht ableiten: Gniedel - Fiedel - Träller - Pomp - Quietsch. Einige der Songs wie das heitere "Oh Harlequin", der speedige Titelsong oder die Hymnen "Children Of The Light" und "Lucy The Evil" sind alles andere als schlechte Kost, ragen jedoch auch nicht aus der Veröffentlichungsflut heraus und nerven doch sehr mit ihren viel zu schrillen Gitarren und Keyboards. Was primär ein Herr MALMSTEEN einst für sich entdeckte und auch perfektionierte, wird von zigtausenden (meist italienischen…) Bands kopiert, geschändet und einfach nur der Lächerlichkeit preisgegeben. Kein Wunder, warum so viele "echte" Banger diesen Sound heutzutage verabscheuen. "Welcome To The Show" ist im Ganzen guter Durchschnitt und sollte Sympathisanten des kitschigen Metalls gefallen, aber ist das ein Argument, wenn man für das gleiche Geld etwa eine neue EDGUY bekommt? Ich wage die starke Bezweifelung dessen…