InterviewTitus, Nino, ihr wohnt beide in Helsinki: Ist das TUSKA so eine Art Heimspiel für euch?
Titus: Was meinst du mit Heimspiel? So wie beim Fußball oder Eishockey die Heimmannschaft ist? Nein, das würde ich jetzt nicht so sagen, dazu sind zu viele Leute aus anderen Ecken Finnlands und aus aller Welt da.
Trotzdem sind alle Ansagen in Finnisch...
Nino: Wir haben gestern und vorgestern auf Festivals an anderen Orten in Finnland gespielt, und es ist gut, ausgerechnet das letzte zu Hause zu haben, weil man dann nach dem Gig ins eigene Bett fallen kann. Wir spielen einen guten Slot um 20 Uhr am Abend, das bedeutet auch, dass die Fans genau in der richtigen Stimmung sind, auch nicht unwichtig.
Titus: Genau! Ein Finne kann nämlich nur Spaß haben, wenn er betrunken ist! (Sagt´s, und führt sich die Pulle Bier an den Hals, die er an Nino vorbei hierhin geschmuggelt hat.)
Nino: Ich meinte, wenn die in Stimmung sind, nicht du! Du musst noch spielen!
Aber er ist doch nur der Bassist...
Titus: Das sage ich auch immer! Auf vier Saiten kann man eigentlich nix verkehrt machen! (und nimmt vergnügt noch einen weiteren Schluck - von Ninos skeptischen Blicken begleitet)
Ihr habt gerade erst mit Hammerfall getourt, und mit...
Nino: Firewind und Lordi...
Nein, die zählen nicht. Ich meine...
Titus und Nino lachen: Oh, du meinst Stratovarius.
Genau. Die Tour mit Hammerfall war ziemlich kurz, ihr habt zum Beispiel viele Teile Deutschlands nicht abgedeckt. Wollt ihr "Tools..." noch weiter betouren?
Nino zieht ein Zahnschmerzen-Gesicht, Titus beginnt zu erklären: Nun ja... Wir planen noch eine Tour. Oder, (an Nino gewandt), sollte man besser sagen, haben geplant? Da hat sich gerade erst etwas anders ergeben und...
Nino: Wir würden gern auf Tour gehen und noch ein paar Gigs für "Tools" spielen, aber aktuell sieht es nicht so aus. Inzwischen sind wir sogar bereit, Geld dazuzubuttern, denn wir wollen für unsere Fans spielen. Wir werden sehen. Drückt uns die Daumen, vielleicht klappt es doch noch. Es sieht nur gerade nicht gut aus.
Ich habe beobachtet, dass es über die letzten Supportshows immer mehr Leute geworden sind, die euch kannten oder sogar extra wegen euch gekommen waren.
Beide: Ja, gerade deswegen wollen wir ja unbedingt spielen!
Das Cover von der "Tools Of Destruction" hebt sich deutlich von euren bisherigen Covern ab, ist anscheinend von einem anderen Künstler und ganz in einem anderen Stil. Steckt da ein Konzept dahinter?
Nino: Da musst du Titus fragen.
Titus: Nein, ein Konzept steckt nicht dahinter. Die Songs sind ja auch - ich will nicht sagen, zusammenhanglos, aber "Tools" ist kein Konzeptalbum und genauso wenig steckt ein Konzept hinter dem Titel. Wir haben uns wie immer erst am Ende entscheiden können, welcher Song als Pate für das Album herhalten muss, und dieses Bild erschien uns dazu passend. Einige Journalisten und Fans haben schon wunder was hinein interpretiert, dass wir uns gegen die indische Religion oder gegen Religion im Allgemeinen stellen, oder dass diese indische Göttin jetzt für uns eine besondere Bedeutung hat, aber das ist alles viel zu hoch gegriffen.
Nino: Wir wollten außerdem, dass es nicht mehr so nach Powermetal aussieht, denn das sind wir nicht mehr. Über die letzten beiden Alben haben wir die Anteile von dem "typisch finnischen Powermetal" mehr und mehr zurückgefahren, also hätte ein so typisches Powermetal-Cover nicht mehr zu "Tools" gepasst.
Genau das war der Hauptpunkt in den negativen Kritiken, die Abkehr vom Powermetal wird euch arg angekreidet.
Nino lacht: In der Tat haben einige Leute schon zu uns gesagt: "You´re going to Hell with this album." Na und? We don´t care.
Titus: Wir machen Musik, die wir machen wollen. Und wir vertrauen da ganz auf unsere Fans.
Nino, eine Frage direkt an dich: Du bist mit dem Sonic Pump Studio umgezogen und hast es größer ausgebaut. Worin besteht der Unterschied, ob du THUNDERSTONE oder eine fremde Band produzierst?
Nino: Bei THUNDERSTONE muss ich eben nicht so viel produzieren und kann mich zurücklehnen und drauf konzentrieren, was ich selbst spiele. Ich sollte es nicht zu laut sagen (Nino guckt sich noch einmal vorsichtig rechts und links über die Schulter, aber da sind nur schatten-spendende Bäume in einer abgesperrt-leere Ecke des Kaisaniemi-Parks), aber einige der Bands, die zu mir kommen, sind reichlich amateurhaft und ich muss bei denen sehr "produzieren". Also regulierend eingreifen und aufpassen, dass kein Mist auf die Platte kommt. Von diesen Jungs hier ist jeder individuell sehr gut an seinem Instrument. Alle wissen schon, wenn wir ins Studio gehen, wie es klingen soll und alle bringen sich ein. Bei anderen Bands ist das wesentlich mehr Arbeit.
In diesem Moment kommt THUNDERSTONE-Schlagzeuger Mirka Rantanen um die Ecke und will an uns dreien vorbei gehen. Titus wirft sich in der nächsten Sekunde auf den Boden, zieht sich die Hose bis unter die Arschbacken und zeigt dem Drummer die Rosette.
Titus: Entschuldigung, aber das musste gerade sein, das war ein Insider.
Während sich die Jungs über mein verdutztes Gesicht scheckig lachen, und ich um meine Fassung ringe, spielen wir unter Lachtränen weitere sinnige Wortbedeutungen des Albumtitels "Tools Of Destruction" durch:
Nino: Nun ja, das eben war eins.
Es scheint ja, als ob auf jeden Fall die Bandchemie bei euch stimmt.
Titus: Das tut sie. THUNDERSTONE ist keine Band um des Geldmachens wegen. Und ich denke, es wird diese Band so lange geben, so lange diese Jungs dabei sind. Das liegt nun nicht allein in meinen Händen, aber ich denke, dass diese Band aus genau den richtigen fünf Jungs besteht, wie eine perfekte Familie. Und wahrscheinlich würden THUNDERSTONE auch in einer anderen Konstellation nicht funktionieren. Wer weiß das schon. Trotzdem habe ich schon von anderen gehört: "Hey, warum habt ihr immer noch das gleiche Line-Up?". What the fuck? Natürlich sind wir immer noch die gleiche Band mit denselben Leuten wie am Anfang!
Nino: Warum nicht?!
Titus: Warum nicht, ganz genau.
Nino: Es funktioniert so.
Titus: Und wir wollen jetzt nicht in dem Sinne "professionell" werden, dass wir Leute für uns spielen lassen. Meiner Meinung nach sollten in einer Band die Mitglieder miteinander Musik machen (er Wortwitz zwischen "people playing for you" gegenüber "people playing with you" erschließt sich in der deutschen Übersetzung nicht wörtlich - Anm. d. laetti). Wir sind deswegen gut, weil wir nur für uns selbst spielen. Jeder von uns hat Spaß, und wir zusammen haben Spaß. So sollte es doch sein!
Was zu beweisen wäre. (Ich bekomme einen weiteren Lachkrampf...)
Titus: Du weinst ja immer noch!
Nino, tröstend: Ich kenne den Anblick, ich kann dich verstehen!
Titus: Viele Leute müssen weinen, wenn sie meinen Arsch sehen. Ich weiß, dass es kein netter Anblick ist. Aber, manchmal muss man seinen Dämonen einfach freien Lauf lassen, und das ist meine Art, ihnen ihren Auslauf zu geben.
InterviewWie fühlt man sich als authentische Punkrock/Rock ´n Roll-Band, inmitten der derzeit grassierenden Melody-/Pop-Punk-Welle?
Also "inmitten" würde ich gar nicht sagen, irgendwelche aktuellen Wellen interessieren uns nicht. Klar, man bekommt schon mit, was so passiert, aber mit dem meisten neuen Zeug, speziell aus dieser Richtung, können wir nicht so viel anfangen. Als Ausnahme sei da mal das letzte GREEN DAY-Album genannt.
Erzähl doch mal von Euren Anfängen. Wie habt Ihr Euch als Band gefunden?
Lou (voc.) und Grischa (Bass) haben sich vor zweieinhalb Jahren zufällig beim Feiern kennen gelernt, Lou war damals noch bei THE SPOOK, Grischa bei PITMEN. Da hat sich halt die Idee entwickelt, zusammen Musik zu machen. Sozusagen als Funprojekt aus ner Sauflaune heraus. Ich, Rocco (Drums) und unser damaliger Gitarrist Fuse waren zu der Zeit bei THE ROCKETBOYS tätig, bei denen Lou früher auch zeitweise gesungen hatte. Wir standen immer mit Lou in Kontakt und speziell er und ich haben immer auf die richtige Gelegenheit gewartet, wieder gemeinsame Sache zu machen. Wir haben uns dann einfach mal zu ner Probe getroffen und es hat sofort wunderbar funktioniert. Man muss dazu sagen, dass die Arbeit mit einem Kontrabass für uns absolutes Neuland war. Dann ging alles sehr schnell, Andre von People Like You wollte einen Demo-Song, daraufhin haben wir "But If I’m Too Drunk" aufgenommen, er war begeistert und wir konnten unser erstes Album aufnehmen.
Wer waren Eure musikalischen Vorbilder, als Ihr angefangen habt, Musik zu machen? Welche Bands sind es heute?
Das lässt sich eigentlich nur schwer beantworten. Grischa ist absoluter Psychobilly, also müsste man da die METEORS, DEMENTED etc. nennen. Ansonsten nenn ich einfach mal ein paar Namen, die uns musikalisch geprägt haben: MISFITS, DANZIG, AC/DC, GUNS N’ ROSES, RAMONES, FAITH NO MORE, ELVIS, teilweise das Grunge-Zeug... du siehst ja, das wird nichts! Lou hört beispielsweise auch gerne Jazz, früher haben wir gerne SLAYER gehört usw. Als "Vorbilder" kann man das aber grade im Zusammenhang mit den ENGINES nicht bezeichnen, allein schon, weil es viel zu breit gefächert ist. Im Moment steh ich persönlich ziemlich auf Stevie Ray Vaughn, diese STRAY CATS-DVD und das letzte NIN Album. Oh, und "Devil’s Playground" von Billy Idol!
Der Ruhrpott hat ja schon eine ganze Reihe überdurchschnittlich guter Bands aus den Bereichen Rock ´n Roll/Punkrock/Psychobilly etc. hervorgebracht. Glaubt Ihr, dass es außer der Tatsache, dass DAS deutsche Punkrock-Label People Like You in Dortmund sitzt, einen speziellen Grund dafür gibt?
People Like You kann sicher ein Grund sein, ansonsten glaub ich nicht, das es da eine sinnvolle Erklärung gibt.
Ist etwas dran an dem Klischee, dass der Ruhrpott auch im Bereich Musik bodenständiger ist als das schicke Hamburg, das stylische Berlin und das schnöselige München?
Da hast du dir ja selbst eine Erklärung gegeben! Ich glaube nicht, das man das so verallgemeinern kann, es gibt überall gute und schlechte Bands.
Wie muss man sich die Punkrock/Rock ´n Roll-Szene in Städten wie Essen oder Dortmund vorstellen? Kennt Ihr Euch alle untereinander?
Man kennt sich schon, sicher. Auf Konzerten unterhält man sich, trinkt ein paar Bierchen usw. Aber auch das kann man eigentlich nicht regional festmachen, wir sind beispielsweise mit Bands aus England oder Berlin besser befreundet als mit regionalen Acts.
Eure neue Platte "Love Murder Blues" ist extrem vielseitig und weit davon entfernt, lediglich eine Mischung aus Punkrock und Rock ´n Roll zu sein. Was hat Euch beeinflusst?
Dieses Album ist einfach das Ergebnis einer natürlichen Entwicklung. Als wir unser Debüt aufgenommen haben, waren wir als Band und als Einheit einfach noch nicht so aufeinander eingespielt. Die angesprochene Vielseitigkeit hat sich sozusagen von selbst entwickelt, auf "Love Murder Blues" hört ihr die 11 besten Songs, die wir zu diesem Zeitpunkt am Start hatten. Wir wiederholen uns halt nur ungern, wir wollten ein Album, das spannend und interessant ist. Unser neuer Gitarrist Dan, der viel beigesteuert hat, ist da sicherlich auch ein wichtiger Faktor.
Wie waren die Aufnahmen? Worauf habt Ihr besonderen Wert gelegt?
"Love Murder Blues" haben wir in Wuppertal bei Tim Buktu (Manufaktur) aufgenommen. Er hat uns sehr dabei geholfen, unsere Musik auf ein höheres Level zu bringen, gleichzeitig hatten wir ohne Ende Spaß bei den Aufnahmen. Es passte einfach alles zusammen. Uns ging es bei diesem Album in erster Linie darum, neue Facetten des HEARTBREAK ENGINES-Sounds zu zeigen und einfach geile Songs abzuliefern.
Auf der Platte ist es Euch gelungen, die Atmosphäre eines Live-Gigs einzufangen. War es schwierig, diesen rauen, aber trotzdem differenzierten Sound hinzubekommen?
Danke! Das fällt uns komischerweise sehr leicht. Ich weiß, dass viele Bands da Probleme haben und live um einiges besser rüberkommen als auf CD, aber ich denke, das ist uns gut gelungen. Man muss sich einfach in diese gewisse Stimmung versetzen und Gas geben! Dabei ist natürlich ein gutes Studio und ein guter Produzent sehr wichtig. Wir hatten beides.
Ihr habt schon vor berühmten Vorbildern wie DEMENTED ARE GO, den NEKROMANTIX oder den METEORS auf der Bühne gestanden. Was lernt man von diesen Bands, die schon so lange im Rock ´n Roll-Geschäft sind?
Nachdem die Arbeiten an unserem ersten Album fertiggestellt waren, gingen wir direkt fünf Wochen mit DEMENTED ARE GO auf Tour, das war natürlich unglaublich lehrreich für uns - und wild! Wir haben uns super verstanden und ständig Party gemacht, da lernt man manche Dinge eben auch auf die harte Tour. Bei der NEKROMANTIX-Tour ging alles etwas gesitteter ab, sehr professionell. Auch hier hatten wir sehr viel Spass und haben ganz andere Dinge gelernt. Das waren beides wertvolle und schöne Erfahrungen. Mit den METEORS waren wir nie auf Tour, das waren nur ein paar Einzelgigs.
Ist es hart, für solche Bands den Anheizer zu machen? Und musstet Ihr schon mal unter den üblichen Vorband-Schwierigkeiten - z. B. schlechter Sound bzw. gar kein Soundcheck, arrogante Headliner etc. - leiden?
Sowohl DEMENTED als auch die NEKROMANTIX haben uns großartig behandelt und unterstützt. Manchmal ist halt einfach keine Zeit für einen Soundcheck etc. aber das ist schon ok und auch niemals mutwillig passiert. Generell hatten wir in dieser Hinsicht eigentlich noch nie Probleme. Leute wie Sparky oder Kim haben so etwas halt einfach nicht nötig, die Jungs sind cool.
Wie erklärt Ihr Euch, dass eigentlich altmodische Musik-Stile wie Rock ´n Roll, Rockabilly oder Punkrock grade auch bei den Kids zur Zeit wieder sehr angesagt sind?
Vermutlich ist das eine natürliche Gegenbewegung zu der ganzen Plastik-Pop- und Casting-Scheiße, die den Kids seit geraumer Zeit vorgesetzt wird. Für die meisten Kids ist Musik der Soundtrack ihrer Jugend und ihres Lebens, also suchen sie nach etwas, das sie anspricht und Substanz hat. Wenn das für den einen oder anderen die HEARTBREAK ENGINES sind - großartig!
DROPKICK MURPHYS-Drummer Matt Kelly sagte mal im Interview, dass Subkulturen in Europa mehr im Leben verwurzelt sind als in den USA und dass es für Kids in den USA nur eine Phase in ihrem Leben ist, in irgendeiner Szene zu sein, wohingegen das in Europa eine Lebensart ist. Könnt Ihr das aus Eurer (europäischen) Sicht unterstreichen?
Ich glaube, da ist was dran. Das liegt wahrscheinlich an der gesamten Mentalität. So weit ich das beurteilen kann, sind europäische Fans "ihrer Band" im Allgemeinen ja auch viel treuer. Das kann man ja z.B. im Metal-Bereich ganz gut beobachten.
Könnt Ihr schon von Eurer Musik leben?
Davon sind wir noch weit entfernt. Die Leute haben da ziemlich utopische Vorstellungen und wären geschockt, welche vermeintlich großen Bands ganz normalen Jobs nachgehen müssen, um zurecht zu kommen. Ich nenne natürlich keine Namen!
Was habt Ihr für Pläne für die Zukunft? Wollt Ihr den Sprung in die USA wagen?
Das ist ein Ziel, auf jeden Fall. Da muss man halt realistisch sein und abwarten, was machbar ist. Wir wollen überall spielen, wo man uns sehen will und das Interesse in den USA ist auf jeden Fall vorhanden, aber das ist noch Zukunftsmusik.
Wann werdet Ihr wieder auf Tour sein?
Im September/Oktober startet die "Love Murder Blues"-Europa-Tour, die genauen Daten findet man in Kürze auf unserer Homepage! Wir sind schon wahnsinnig heiß darauf! See ya on tour!
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