Mittlerweile gehört auch die zweite (oder dritte?) Welle des Metalcores fast schon zum alten Eisen. WAGE WAR aus Florida treten bereits mit ihrem fünften Album ihrer Bandgeschichte an. Wie viele ihrer Genre-Kollegen wandelt das Quintett mit dem neuen Longplayer etwas abseits allzu ausgetretener Metalcore-Pfade. Vor allem hat sich ein gehöriger Schuss Industrial der Marke NINE INCH NAILS aber noch viel mehr SKINNY PUPPY in die Riffgewitter eingeschlichen. Das ergibt durchaus eine erfrischende Mischung. Dabei beginnt "Stigma" mit dem Track, der gleich am stärksten in diese Kerbe hat. "The Show´s About to Start" präsentiert dem Hörer mehr Elektronik als Rock, was jedoch keinesfalls zu Lasten der Brutalität geht. Dafür sorgt alleine das saftige Riffing und der derbe Breakdown zum Schluss. Mit ähnlichen Zutaten jedoch einen Tick melodischer geht es weiter mit "Self Sacrifice". Ein mörderischer Song, bei dem die Gitarrenarbeit alles killt. Über die gesamte Laufzeit ist es auch hauptsächlich diese, die WAGE WAR davor bewahrt als Klon neuerer BRING ME THE HORIZON abgestempelt zu werden. Zwar gehen die US-Amerikaner mit Songs wie "Magnetic" oder dem grandiosen Ohrwurm "Blur" fast schon DON BROCO-poppig vor, das tolle Songwriting und detailreiche Arrangements lassen diese Lieder jedoch nicht im Sumpf des allzu seichten Modern Rocks versinken. Tracks wie das brutale "Tombstone" stellen dagegen ohnehin ein gutes Heilmittel gegen jede Form von Melodie-Vergiftung dar. Über die gesamte Länger des Albums geben sich WAGE WAR keine Blöße und sogar der Rausschmeißer "Is This How It Ends" verwöhnt das Ohr noch mit schönen Groove und wunderbaren Melodien. Eine für diese Art von Musik perfekte Produktion rundet eine bärenstarke Platte ab, die WAGE WAR so eigentlich nicht zuzutrauen war. Aber man lässt sich vom Leben ja gerne auch positiv überraschen.
"Stigma" wird am 21.06.2024 digital veröffentlicht. Wer diesen Knaller physisch erwerben möchte, muss sich leider noch bis zum 06.09. gedulden.
Das nach „IV“ (mit vorangestelltem „BCC“) „V“ folgt ist wenig überraschend. Dass BLACK COUNTRY COMMUNION auf Grund der erfolgreichen Solokarriere ihres Gitarristen Joe Bonamassa satte sieben Jahre für ein weiteres Album brauchen würde ebenso wenig. Dass man aber abermals so stark daherkommt, war so nicht unbedingt abzusehen; ist das Verhältnis zwischen dem Blues-Gitarristen Bonamassa und Sänger Glenn Hughes (bis 2023 noch bei THE DEAD DASIES) ja nicht immer frei von Spannungen gewesen. Andererseits taugen Spannungen ja durchaus dazu den kreativen Output zu fördern. Und so geschehen bei „V“.
Unter den zehn Kompositionen finden sich keinerlei Langweiler oder schwächelnde Stücke. Der Opener „Enlighten“ haut prächtig aus den Speakern und klingt, als hätte der gute Jason im Nachlass seines Vaters (Jason Bonham, LED ZEPPELIN) verwertbares gefunden. Das folgende „Stay Free“ fügt dann den Zutaten des Opener noch Keyboards (wie immer kongenial Derek Sherinian) und Funk-Vibes dazu – und mausert sich so zu einem veritablen Hit. Auf dem Niveau geht’s es dann munter weiter – die emotionale, bluesige Powerballade „Restless“ und das Hard-Rock Stück „Love And Faith“ führe ich hier mal an. Bei diesem Track ist dann auch mal Joe Bonamassa im Duett mit Glenn Hughes zu hören. Letzterer hat sich ja bei THE DEAD DASIES auch ausgeklinkt, um mit BLACK COUNTRY COMMUNION durchzustarten. Das macht er hier gesanglich unverkennbar und mit Bravour.
Was ich bei allem Überschwang aber nicht verhehlen darf: bei mir persönlich war das letzte Werk doch schneller im Ohr. Aber welches Album im Langzeittest die Nase vorn hat ist noch nicht raus.
GRAND SLAM sind keine Neulinge – reichen die Ursprünge doch bis an den Anfang der 80er-Jahre zurück, als sich der Legendäre Phil Lynott nach dem Ende von THIN LIZZY eine neue Spielwiese suchte. Zu der damaligen Band PHIL LYNOTT’s GRAND SLAM gehörte unter anderem auch Gitarrist Laurence Archer. Songs wurde geschrieben, es gab ein paar Auftritte, aber nach einem Jahr war es schon wieder vorbai. Lynott’s Zustand und sein Tod am 04. Januar 1986 bedeutet dann auch das endgültige Ende von GRAND SLAM.
2016 trieb dann Laurence Archer zusammen mit ex-MAGNUM-Keyboarder Mark Stanway eine Reunion an, welche auch zu einem Album führte. Das ursprünglich in 2018 aufgenommene und dann 2019 erschienene Album „Hit The Ground“ enthielt alte und neue Kompositionen, welche Spaß machten und natürlich immer wieder THIN LIZZY und Phil Lynott durchscheinen ließen. Die 2-CD-Version von „Wheel Of Fortune“ enthält diese klanglich überarbeite Scheibe – Songs wie die bekannten „Military Man“ (in etwas anderer Ausführung) und „Dedication“, das kernige „Nineteen“ (letzte Single von Lynott“) sowie das melancholische „Crime Rate“ dürfte der Fan zu schätzen wissen.
Mit „Wheel Of Fortune” entfernt man sich nun (vor allem gesanglich) ein Stück weiter vom THIN LIZZY-Cosmos – liefert aber für die einschlägige Zielgruppe gut eingefahrenen Hard Rock mit etwas Pop-Affinität ab. Den Beweis dafür tritt man gleich mit dem eingängigen Opener „There Goes My Heart“ an – Gedächtnis Gitarren Licks inklusive. Das folgende „Starcrossed Lover“ hat Hitpotential und nur noch sehr wenig von Phil & Co., das fette „Trail Of Tears“ ist mein Favorit; melancholische Grundstimmung trifft harten Ohrwurm. Mike Dyer mit seiner rockigen, kräftigen Stimme ist da ganz sicher einer der Punkte auf der Habenseite. Die über die ganze Distanz zu spürende Lockerheit ein weiterer Faktor der das Album trägt. Und auch wenn GRAND SLAM nicht die Überflieger des Retro-Rock sind – es ist guter Stoff für Nostalgiker.
Melodic Death Metal-Liebhaber aufgepasst: einige prominenten Namen haben sich zusammengetan.
Gitarrist Daniel Freyberg zockte bei CHILDREN OF BODOM und deren Nachfolger-Truppe BODOM AFTER MIDNIGHT. Zudem war er, wie drei der vier CROWNSHIFT-Mitglieder, bei NORTHER aktiv. Jukka Koskinen ist Bassist von NIGHTWISH und WINTERSUN, Drummer Heikki Saari trommelt bei FINNTROLL und WINTERSUN. Komplettiert wird die Runde durch Sänger Tommy Tuovinen (MYGRAIN).
Zum Glück ist die das erste Album der neuen Band kein CHILDREN OF BODOM-Abklatsch; neben den typischen Trademarks der Band des verstorbenen Alexi Laiho, gesellen sich verschiedene weitere Einflüsse aus Nu und Progressive Metal hinzu.
Zum Opener „Stellar Halo“ reichen sich Gitarren und Keyboard die Hand. Bei „Rule The Show” blitzen Parallelen zu SOILWORK und DEVIN TOWNSEND auf. Weiter geht’s mit „A World Beyond”, einem guten eingängigen Track. „If You Dare“ und die Ballade „My Prison” kommen etwas poppig rüber. “The Devil’s Drug“ klingt zum Glück wieder härter und Koskinen darf seinen Bass mehr in den Vordergrund bringen. Das Instrumental „Mirage” überzeugt mit schöner Leadgitarrenmelodie a la AMORPHIS. Mit „To The Other” steht ein klasse Song am Ende des selbstbetitelten Debüts. CROWNSHIFT lassen sich hier zehn Minuten Zeit, die verschiedene Elemente der Platte noch einmal aufzugreifen. Produzent Rami Nykänen hat dem Album einen modernen klaren Sound gegeben. Insgesamt wurde ein gutes Album abgeliefert, dass allerding ohne die ganz großen Highlights auskommen muss.
Die Metal-Szene ist schon ein erstaunliches Soziotop. Seit über 50 Jahren versammeln sich darin die Freund*innen der Stromgitarre und feiern die Riff-Kaskaden ihrer Helden. Ein Ende ist nicht abzusehen. Ganz im Gegenteil ist die Szene so lebendig wie seit jeher. Und immer wieder kommen scheinbar aus dem Nichts junge Bands nach, die frisches Blut einbringen und den Metal am Leben halten. So auch TEZURA aus dem Großraum München. Das junge Quartett existiert erst seit 2019 und legt mit der EP "The Silent Remain Forgotten" nach einigen Singles ihr erstes Werk mit mehreren Tracks vor. Das Cover ist düster und bedrohlich gehalten, kommt aber sehr stimmungsvoll und vor allem künstlerisch hochwertig daher. Spontan lässt einen dieses Artwork zwar Black Metal vermuten, tatsächlich spielen TEZURA jedoch eine druckvolle Mischung aus Thrash Metal und Metalcore. Dabei sind die Godfather dieser Mischung - TRIVIUM - allgegenwärtig, aber auch eher thrashlastige Metalcoreler wie BLEED FROM WITHIN haben bei den Vieren nachhaltig Spuren hinterlassen. Das ist weder Schande noch Makel, wenn man erstens seine Instrumente beherrscht und zweitens ein Händchen für markante Riffs und Melodien hat. Beide Faktoren sind hier voll erfüllt und so macht die EP rundum Laune. Sei es der derbe Opener "Nothing To Me", der hitverdächtige Titelsong oder das mit ruhigen Passagen glänzende "Still Here", alle Songs sind absolut hörenswert und transportieren auf beeindruckende Weise die Energie, die solch eine junge Metal-Band ausstrahlen muss. Da sich auch die Produktion auf internationalem Niveau befindet, gibt es hier tatsächlich nichts zu meckern. Allen, die ihren Metal gerne auch mal etwas moderner hören, sei "The Silent Remain Forgotten" wärmstens empfohlen. Die Jungs haben die Aufmerksamkeit verdient und wir werden noch viel von ihnen hören, wenn sie ihren Weg konsequent weitergehen. Seid von Anfang an dabei!