Philip Santoll (Vocals, Guitars, Programming) ist NONEXISTENCE, NONEXISTENCE sind Cosmic Doom Black Metal - laut eigener Stilbeschreibung - Solo für Selbstmord sozusagen. Texte, Erscheinungsbild, CD-Titel - all das lässt auf suizidale Musik schließen. Nur leider kann die Mucke in Sachen Trauer-Rate und Melancholie-Faktor nicht ganz mithalten. Das Projekt wird verglichen mit Shining oder Katatonia. Bei allen "gut" gemeinten Versuchen: Zu Shining fehlt NONEXISTENCE unter anderem die krankhafte Genialität, zu Katatonia die würdevolle Melancholie. Letztlich aber bleibt "Nihil" ein recht gutes Album, dass sich zwischen Gothic-nahen Klänge (das beinahe belanglose "Serenity") und blackmetallischen Auswüchsen bewegt. Neben gelungenen, weicheren Melodien (inklusive Keyboard-Einsätzen) finden sich auch gegrunzte oder gekeif-knurrte Vocals wieder, die NONEXISTENCE auf den Weg in Richtung Doom- oder Black-Metal bringen. Für zusätzliche Varianz sorgen dann eben die schwarzwurzeligen, tempogesteigerten Ausbrüche. Nennt es Doom Death, Gothic Black - wie ihr wollt - irgendwie ist "Nihil" nicht - ähem - schlecht, irgendwie aber auch zuviel des Bösen. Bevor das Universum also endgültig stirbt, sollte der dunkel-solierende Zeremonienmeister dafür sorgen, dass er seinen Weg findet, bevor er sich verzettelt…
Die BItterfelder Pagan-Metaller TRIMONIUM haben sich für ihre dritte CD vier Jahre Zeit gelassen - und das hat der "Son Of A Blizzard" keinesfalls geschadet. Sohnemann ist ein echter Sturm geworden - er pustet mit der Kraft aus mehrerlei Herzen: Black-, Thrash, Viking-Metal, alles drin. Aber die Jungs verrennen sich keinesfalls, haben eine Hymne nach der anderen geschaffen - zumeist im gehobenen Tempo-Bereich, gern aber auch gebremst und dann eben episch, fast quorthonesk.... Nicht nur stimmlich liefern die Sachsen-Anhaltiner zudem eine kleine Reminiszenz an Immortal. Auch die Gitarren klingen ähnlich frostig, sägen aggressiv wie die Holzfäller am kanadischen Baum. TRIMONIUM ist meilenweit vom Party tauglichen Pagan entfernt, bringen Black-Metal-Hymnen mit viel echtem Metall-Feeling, erinnern manchmal irgendwie an eine härtere Variante Doomswords - da dominieren viel Gefühl und Räudigkeit. Eigentlich gibt es nicht viel zu meckern, sogar der trockene, beinahe minimalistische Sound passt wie der Hammer auf den Nagel zum abseits des Mainstreams gelegenen Charme TRIMONIUMs. Einziger echter Kritikpunkt: Für die verschwommenen Texte im Booklet brauchst der geneigte Leser entweder eine 3D-Brille oder einen ordentlich Rausch - vielleicht sind die buchstaben-ähnlichen Hieroglyphen dann zu entziffern. Aber das ist im Gegensatz zur Musik der Band eher zweitrangig…
Regisseur Don Letts hat den Aufstieg und Fall des Punk in London als Dub- und Reggae-DJ selbst miterlebt. 1978 hatte er die Bewegung bereits in seinem "Punk Rock Movie" festgehalten und sich danach vornehmlich Musikvideos gewidmet. Im Jahr 2005 dann drehte er die Dokumentation "Punk:Attitude", die die Entstehung, Entwicklung und den Niedergang des Punk nachzeichnet und die jetzt als DVD erstmalig auch in deutscher Version erschienen ist. Für den Film hat er Schnipsel aus Interviews mit Zeitzeugen aneinander geschnitten und mit Original-Bildmaterial von Konzerten, Fernsehshows und anderem dokumentarischen Material angereichert. Dabei konnte er nahezu alles, was im Punkrock Rang und Namen hat und noch lebt, zur Zusammenarbeit überreden. So sieht man unter anderem Henry Rollins, Jello Biafra, Tommy Ramone, Wayne Kramer von den MC5, Mick Jones und Paul Simon von THE CLASH, Steve Jones und Glen Matlock von den SEX PISTOLS, aber auch prominente Nicht-Musiker, die das Zeitgeschehen verfolgt und beeinflusst haben, wie die Erfinder des ersten Punk-Fanzines, den Besitzer des legendären New Yorker C.B.G.B.´s oder Jim Jarmush. Die diversen Beiträge sind dabei inhaltlich von verschiedener Qualität. Die meisten erzählen einfach von damals, was allerdings schon spannend genug ist. Intellektuell veranlagte Künstler wie Henry Rollins, Jello Biafra oder Jim Jarmush dagegen besitzen gleichzeitig auch einen distanzierten Blick, analysieren und schildern Zusammenhänge. Dabei kommt es durchaus vor, dass sich widersprechende Aussagen aneinandergesetzt werden. So stellt Chrissie Hynde die unsägliche Behauptung auf, die Hippies wären die wahren Punks gewesen. Doch John Holms vom Punk Magazine stellt das kurz danach zum Glück richtig, in dem er sagt, dass Punk die Hippies ausrotten wollte. Auch das Verhältnis vom amerikanischen zum englischen Punk kommt zur Sprache. Durchaus richtig wird hier beispielsweise festgestellt, dass Punk in England nicht nur, aber zum großen Teil eine Mode-Erscheinung war, wohingegen die amerikanischen Punk-Bands sich schlicht und einfach als Rock ´n Roller gesehen haben. Aber auch hierzu werden natürlich verschiedene Ansichten dargestellt. Ebenso wird berichtet, was aus dem Punkrock wurde. Etwas fragwürdig ist dabei die Kurve zum Hip Hop, dagegen macht die Entwicklung zum Hardcore, zu NIRVANA und zum inhaltsleeren Kommerz-Punk unserer Zeit absolut Sinn. Als wäre all das noch nicht genug, gibt es auch noch ohne Ende Bonus-Material, dessen Höhepunkt ein Interview mit Henry Rollins darstellt. Außerdem werden in weiteren Interview-Collagen einzelne Aspekte und Themen vertieft und ausgeführt, wie z. B. Punk-Mode, die Rolle der Frau im Punk oder die Entstehung und Rolle der Punk-Fanzines. Einige Ausschnitte wiederholen sich hier, aber es gibt auch sehr viel neues Material zu sehen. Als Booklet gibt es noch dazu einen Reprint zweier Ausgaben des Punk-Fanzines "Sniffin´ Glue" sowie einen Stammbaum der wichtigsten englischen Punkrock-Bands. Bei "Punk:Attitude" stimmt einfach alles. Dieser Film ist eine großartige Dokumentation, die einen die Stimmung der Punk-Zeit unmittelbar miterleben lässt. Er vermittelt gleichzeitig Hintergrundinformationen und Stimmungsbilder, und das auf extrem spannende, unterhaltsame und zum Teil auch witzige Art und Weise. Für Punkrock-Fans ist diese DVD ein absolutes Muss, aber auch allen, die sich für das Phänomen Punk interessieren, sei die Anschaffung wärmstens empfohlen. Besser hätte man das nicht machen können.
Ohne wieder übertriebenen Populismus bei einer berühmten Band betreiben zu wollen: die Bilanz der wichtigsten Rockband Deutschlands über die letzten 20 Jahre sieht nicht gerade rosig aus. Die zugegebenermaßen sehr gute Ballade "Wind Of Change" haben wir mittlerweile totgehört, die Roy Black-Coverversion "Du Und Ich" förderte das Frühstück wieder Richtung Tageslicht, der Versuch, mit halbgarem Elektro-Pop "Nr.1" zu werden, ging nach hinten los, und kann sich überhaupt noch ein einziger Rockfan an diese gruselige "Expo-Hymne" erinnern?! Die SCORPIONS waren fast schon zur Altherren-Karikatur verkommen, bevor man zuletzt mit "Unbreakable" wieder gut nach vorne rockte und aufhorchen ließ. Dann kamen die Hannoveraner nach Wacken… und mit ihnen eine der geilsten Shows, die man je auf der norddeutschen Kuhweide bestaunen durfte. Und nun legt die Band ihr stärkstes Album seit "Love At First Sting" vor. Kein Scheiß: "Humanity-Hour I" übertrifft nicht nur das nicht gerade üble "Crazy World", sondern kann in Sachen Hitdichte sogar an frühe Meilensteine der Marke "Lovedrive" oder "Blackout" anknüpfen, ohne diese Alben auch nur ansatzweise zu kopieren. Produzent und Co-Songwriter Desmond Child hat in Zusammenarbeit mit seinem Kollegen James Michael das Maximum aus den SCORPIONS der Gegenwart heraus geholt und lässt besonders die Gitarren grooviger und breitwandiger braten. Hinzu kommt Klaus Meines beste Gesangsleistung seit Ewigkeiten, und fertig ist eine Scheibe, die sicher die wenigsten Fans noch erwartet hätten. Mit dem famosen Ohrwurm-Opener "Hour I", der überragenden "Rock You Like A Hurricane"-Hommage "The Game Of Life", der atmosphärischen Hymne "We Were Born To Fly", dem sich steigernden "The Future Never Dies", dem genialen Gänsehaut-Einschmeichler "Love Will Keep Us Alive" oder dem treibenden "The Cross" (mit Gastvocals von Billy Corgan) hat die Band voll ins Schwarze getroffen, und lediglich "You´re Lovin´ Me To Death" (betont moderner, gewöhnungsbedürftiger Rocker) und die leicht kitschige, erste Single "Humanity" fallen gegenüber dem durchweg erstklassigen Rest einen Tick ab. Das ändert aber nix daran, dass sich die SCORPIONS endlich wieder gefangen haben und nach ihren ebenfalls neu erstarkten Kollegen JUDAS PRIEST, IRON MAIDEN und SLAYER ein echtes Karriere-Highlight abliefern. Geilomat!
BECOMING THE ARCHETYPE sind bislang unter meinem Radar geflogen, lösten bei meinem Redaktionsnamensvetter mit ihrem Debüt Begeisterungsstürme aus. "The Physics Of Fire", die neue Langrille der christlichen Band, rotiert jetzt seit einigen Wochen in meinem Player - und kann mich überhaupt nicht beeindrucken, was die Frage aufkommen lässt, ob Kollege Knackstedt und ich einen so unterschiedlichen Geschmack haben oder ob BECOMING THE ARCHETYPE ihr Pulver schon verschossen haben. Die Produktion von Andreas Magnusson (BLACK DAHLIA MURDER, SCARLET) ist etwas zu leise ausgefallen, aber dafür sehr klar, was besonders den Gitarren zugute kommt. Die werden auch vom Neuzugang Alexis bedient, der mit einigen gelungenen Passagen auf sich aufmerksam machen kann ("Fire Made Flesh") und auch in den knüppelharten Abschnitten eine anständige Figur macht. Überhaupt sind die elf Songs sehr heftig ausgefallen, irgendwelche Core-Anleihen finden sich kaum, dafür regiert die meiste Zeit die Death Metal-Keule. Der klare Gesang wirkt dabei oftmals sehr störend, ebenso die unvermittelt auftretenden ruhigen Einschübe. Das größte Problem, dass ich mit "The Physics Of Fire" habe, ist die fehlende Eingängigkeit. Kein Song hat bei mir ein Aha-Erlebnis ausgelöst, keiner hat mich berührt. An den spielerischen Qualitäten des Quartetts liegt es nicht, wir sind einfach nicht auf einer Wellenlänge. Das werden Fans der Truppe naturgemäß anders sehen, aber auch ihnen rate ich zu einem Antesten der Scheibe, bevor das Geld über den Tresen wandert.