30 Jahre schon, solange wie die Deutsche Einheit, existiert AXEL RUDI PELLs Band, und pünktlich zum Jubiläum kredenzt uns der blonde Wattenscheider ein neues Livealbum. Unter den 16 Nummern sind 5 vom letzten, knapp 1 Jahr alten, äußerst gelungenen Studiowerk "Knights Call". Naturgemäß sind Standards wie "Carousel", "The Masquerade Ball", "Oceans of Time" und "Casbah" vertreten. Aber ansonsten gibt es kaum Überschneidungen zu anderen Mitschnitten. Somit hat auch das fünfte Livewerk des Gitarristen durchaus seinen Reiz, insbesondere da es doch immer Änderungen und Improvisationen gegenüber den Studiosongs gibt. Die Liveatmosphäre ist wunderbar eingefangen, Johnny Gioeli interagiert viel und launig mit dem präsenten Publikum. Und sowohl der Sound als auch die Performance klingen authentisch und nach wenig bis keiner Studio-Nachbearbeitung. CD 1 ist eher straight und dynamisch rockend mit einem verzichtbaren Schlagzeug-Solo, während die zweite Scheibe noch mehr Atmosphäre (großartig "The Line"), lange Soli und viel Pathos im Gepäck hat.
Man bekommt hier, ab Anfang Juni, zwei kurzweilige Silberlinge mit 16 Songs, respektive 3 Vinylscheiben, inklusive eines reichhaltig bebilderten Bookletts. Zusätzlich gibt es noch eine auf 500 Stück limitierte Box mit Handtuch, Gürtelschnalle, Sticker, Fotokarte und einem doppelseitigen A1-Poster. Was will das Fan-Herz mehr?
Es wird in Bälde ein neues HAREM SCAREM-Album geben, das hat zumindest Sänger Harry Hess angekündigt. Um sich die Wartezeit bis dahin zu vertreiben, eignet sich das neue FIRST SIGNAL-Album hervorragend. Anders als bei der kanadischen Melodic Rock Institution, schreibt hier der Sänger keine Songs oder Texte, sondern er intoniert und performt nur die Nummern von externen Songwritern. Aber gerade das Songwriting ist bei "Line of Fire", dem nun schon dritten Album des Projekts, gelungener als je zuvor. Das hymnisch-melancholische "A Million Miles", das flehende, gleichwohl rockende "Tonight We Are The Only" oder das packende, dynamische "Falling" - allesamt großartige Songs mit tollen Melodien.
"Line of Fire" ist eine ganze Spur geschmeidiger und Keyboard-lastiger als man das von seiner Stammband gewohnt ist, nichtsdestotrotz wird hier hervorragender Melodic Rock/AOR geboten, der Fans von Harry Hess und HAREM SCAREM ganz sicher nicht enttäuschen wird.
1987 fand der Umbruch mit dem gleichnamigen Album bei WHITESNAKE statt. Auch wenn alle, die auf den zuvor gebotenen warmen, erdigen, mit Orgel bereicherten bluesigen Hard Rock standen, enttäuscht waren - eben dieses Album war das erfolgreichste von Coverdales Band und gab ihm damit recht. So prägte der "geföhnte" amerikanische Hair Metal von "1987" dann auch bis zum heutigen Tag die Richtung. Auch wenn die Kids, die damals noch auf Coverdales Party Rock feierten, heute längst erfahrungsreiche Erwachsene sind, bleibt der mittlerweile 68-jährige genau bei dieser Formel. Und hier liegt die Krux der Veranstaltung. Coverdale müsste sich mal fragen, wer sein Publikum ist. Denn ich bin mir sicher, der charismatische Sänger und seine stark aufspielende und hochklassisch besetzte Band wären absolut in der Lage, genau diese Klientel mit passenderer Musik zu begeistern und zu unterhalten.
"Flesh & Blood" ist aber beileibe kein schlechtes Werk, vielleicht sogar eines der besten seit 1987. "Good To See You Again" wird mit bluesigen Gitarrenläufen flankiert und eröffnet das neue Album vielversprechend. Die Vocals von Herrn Coverdale bleiben zuweilen allerdings unnötig gepresst und unentspannt; er verzichtet aber zumindest auf Screams und bleibt auch eher in den mittleren Tonlagen. Die quirlige und verspielte Gitarrenarbeit von Joel Hoekstra und Reb Beach beleben den 14. Output des Reptils und müssen neben den Vocals als prägendes Element benannt werden. Das wuchtige "Hey You" setzt als erstes ein Ausrufezeichen, wirkt aber, wie das ganze Album, überproduziert und könnte nach meinem Gusto eine Spur traditioneller und erdiger klingen. Wobei ich dieses Argument seit 1987 bei allen WHITESNAKE-Alben anführen könnte. So what! Das Ding ist genau das, was man erwarten konnte: handwerklich - mit leichter Einschränkung bei den Vocals - makellos, zeitgemäß und ambitioniert produziert, leidenschaftlich performt mit absolut wertigem und ausgearbeiteten Songwriting auf Albumlänge.
Bei aller berechtigten Kritik, eines ist klar: David Coverdale ist eine Legende, und seine Band bleibt ein deutlich gezeichnetes, unverkennbares Classic Rock-Unikat. "Flesh & Blood" belebt diesen Status und füllt ihn auch 2019 mit neuem Leben.
Die LORDS OF BLACK sah ich schon als baldigen Festival Headliner und kommende Miterben des Power Metal-Throns. Doch weit gefehlt, verloren sie doch ihren Frontman und Aushängeschild Ronnie Romero. Zurück bleibt der Hauptsongwriter und Gitarrist Tony Hernando, der nun die Scherben des zu schnellen Erfolgs des chilenischen Sängers aufkehren darf und sehen muss, wie er die Band am Leben hält.
RESTLESS SPIRITS heißt das neue Projekt, das er anführt. Ob es jetzt als Verlust-Therapie dient oder einfach nur eine typische Frontiers Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ist, lassen wir mal unbeantwortet. Zumindest unterscheidet sich das Debüt um einiges von seiner Stammband. Sechs verschiedene Gastsänger geben sich darauf die Ehre. Darunter u.a. bekannte Namen wie Johnny Gioeli (u.a. Axel Rudi Pell) und Deen Castronovo (Revolution Saints, ex-Journey), aber auch eher "unbeschriebene" wie der neue LORDS OF BLACK-Sänger Diego Valdez (Dream Child).
Der starke Opener, phantastisch intoniert von Johnny Gioeli, könnte sich so auch auf einer LORDS OF BLACK-Platte drehen. Aber bereits die zweite Nummer "Unbreakable" erinnert stark an JOURNEY und hat mit Power Metal nichts mehr am Hut. Das Songwriting ist hochwertig, ebenso die Performance der Beteiligten, und auch die Produktion zeigt keine Schwächen. Die vielen verschiedenen Stimmen halten das Album spannend und abwechslungsreich, wobei es kaum vermeidbar ist, dass sich ein gewisser Sampler-Charakter einstellt. Einzig Tony Hernandos variables und gefühlvolles Spiel und sein sicheres Händchen für potente Melodien halten das Gefüge zusammen. Gleichwohl gibt es auf RESTLESS SPIRITS einige ganz großartige Songs zu entdecken.
Natürlich soll das Artwork von "Brotherhood of Metal" an das Überalbum "Wild Dogs" (1982) erinnern. Völlig klar ist aber auch, dass es THE RODS nicht ganz gelingen kann, ein gleichwertig starkes Album einfach 37 Jahre später noch einmal einzutüten. Wer das verinnerlicht hat, wird mit einem bockstarken, spielfreudigen und vor Energie strotzenden Langeisen entlohnt. Die Underground Legende kehrt nach 8 Jahren Funkstille in Originalbesetzung um David „Rock“ Feinstein, den einstigen ELF-Gitarristen und Cousin von Ronnie James DIO, mit Album Nr. 6 zurück.
Und wie sie zurück sind! Das Album beginnt überraschenderweise mit einer pathetischen Piano-Melodie, die man vielleicht von SAVATAGE erwartet hätte, aber von THE RODS wohl eher nicht. Diese Nummer (Titelsong) mutiert dann zum ersten Hit des Albums. Unvorstellbar, dass Fans des harten Rocks diese True Metal-Hymne nicht sofort in ihr Herz schließen. Auch wenn das etwas zu dominante Keyboard irritiert, bleibt es ein imponierender Start. David „Rock“ Feinstein führt mit ungekünsteltem, etwas limitierten, aber leidenschaftlichen Gesang durchs Programm. "Tonight We Ride" ist feinster Metal in der Tradition von JUDAS PRIEST, selbstredend ohne vergleichbare Vocals, mit einem Gitarrensolo zum Niederknien. THE RODS bieten hier elf nach vorne preschende, zwischen Hard Rock und Metal schwankende, schmutzige und mit viel Herzblut gefüllte Nummern, die mitreißen und überzeugen.
Auch wenn manches textliche Klischee ("Louder Than Loud", "Party All Night") zu oft auftaucht und zu häufig wiederholt wird: "Brotherhood of Metal" ist echt von Kopf bis Fuß, macht tierisch Spaß und trägt die Klasse von "Wild Dogs" durchaus in seiner DNA.
OHRENFEINDT schaffen es wie keine andere Band, den Flair und die Attitude der frühen AC/DC in deutscher Sprache glaubhaft zu verkörpern. Knapp ein Jahr ist der Label-Wechsel der Hamburger Vollgasrocker zu Metalville her. Und das "neue" Label nutzt nun die Gunst der Stunde und bringt drei ältere Scheiben des Trios aus St. Pauli erneut auf den Markt.
"Rock'n'Roll Sexgott", ist das zweite Album und wenn man so will, der Durchbruch für die Band. Der Titelsong wurde damals in rockafinen Radiosendern rauf und runter gespielt - und das vollkommen zu Recht. Keine Nummer davor oder danach hat einen so "feinen" und abgestimmten Text wie dieser Track, und kein Artwork verkörpert das passender als eben dieses.
"Schmutzige Liebe" ist eigentlich das Debüt, wurde aber bereits 2006 (nach "Rock'n'Roll Sexgott") neu aufgelegt und durch Neuaufnahmen der Songs "Es wird Tag auf St. Pauli“, "Fluchtwagenfahrer“ und "Parasit“ aufgewertet. Diese Version gibt es heuer zusätzlich mit 3 Bonus-Tracks (2x unplugged und "Es wird Tag auf St. Pauli“ in einer skurrilen "Fischmarkt-Mischung", alle von 2003).
Letztes Werk in dem Trio ist "Mit Vollgas & Blaulicht", Original erschienen 2007. Das Album wurde von den Original-Bändern neu gemastered. Die CD-Version enthält die zudem lange gesuchte "Fernweh"-EP als Bonus. Alle drei Re-Releases gibt es auch in Vinylversionen.
Rock'n'Roll Sexgott, Schmutzige Liebe, Mit Vollgas... Re-Release
Das neue Album der MICHAEL THOMPSON BAND kommt rein visuell (Artwork) bunt, und etwas schrill daher - ganz anders als der musikalische Inhalt. Hier veredelt und prägt der Namensgeber und erfahrene Studiomusiker 18 lässig-gelöste Rocknummern mit seinem Gitarrenspiel. Album Nr. 3 bietet zeitgemäß anmutenden, leicht soulig-bluesigen Gitarrenrock und radiotauglichen AOR. Michael Thompsons Spiel bildet den Kern, die Songs mit ihren Melodien kreisen wie Planeten um das Zentralgestirn Gitarre. Das Saiteninstrument wird sowohl entspannt als auch leidenschaftlich vom Bandkopf bedient, und dazu zaubert er passende und unterhaltsame Soli in die Nummern. Die drei Sänger auf "Love & Beyond" unterscheiden sich nicht wesendlich, passen mit ihrem warmen, leicht angerauten Timbre perfekt und machen aus der Veröffentlichung ein rundum geschlossenes und gelungenes Werk. Das Album ist für entspannte Rockhörer und Gitarrenfans zu empfehlen.
Mein Kontakt zu dem kleinen Label metalloscope-music hat ein weiteres Juwel (siehe Nordwinds-Review) zu Tage gefördert: die New Yorker Metal Band PHANTOM, die hier ihr drittes Album (1993) erstmalig als Vinyl, limitiert auf insgesamt 500 Stück (blue 150, black 350) Metal Fans und Plattensammlern zum Erwerb anbietet. Das Vinyl kommt im Gatefold-Cover inkl. Texten und neuem Artwork (Photoshop Collage, aber nett gemacht) mit gefütterten schwarzen inner sleeves zum Kunden.
Das amerikanische Quartett bietet feinsten, gereizt aggressiven, zuweilen stürmischen Metal. Sänger Falcon Eddie pflegt einen ähnlichen Gesangsstil wie Oberpriester Rob Halford, besitzt indes aber eine eigene Stimmfärbung und somit genug persönliches Profil. Darüber hinaus sind gewisse Parallelen zu JUDAS PRIEST, auch in der Gitarrenarbeit, nicht von der Hand zu weisen. Aber PHANTOM hat eigene Konturen und bietet zum "British Steel" auch eine ordentliche Portion US-Metal, wie im düsteren Titelsong oder beim leicht verschachtelten "Psycho Zoo" zu hören ist.
"Cyberchrist" ist ein "Grower", der einige Durchläufe benötigt, um seine spährlich gesetzten Melodien zu offenbaren und so sein ganzes Potential zu zeigen. Das Album lebt von seiner harten Energie und der kompakten, geschlossenen Performance der Band. Bis auf das leicht in Front stehende "Last Man Standing" gibt es keinen Hit oder Übersong auf dem Langeisen, es hält aber konsequent sein Niveau und kann mit handwerklich versierten und somit überzeugenden Künstlern punkten.