Der neue Hassbrocken der Norweger URGEHAL, „Ikonoklast“, gehört zu den Scheiben, die man sich trotz aller akustischer Kälte warm hören muss. Das Quintett lässt sich nämlich nach wie vor nicht in ein bestimmtes Korsett zwängen, denn Vielschichtigkeit und Abwechselung bestimmen hier das Geschehen. Legt die Bande mit „Stesolid Self-Destruction To Damnation“ noch einigermaßen flott los, so wird bereits im zweiten Stück, „Dodelagt“, (zumindest teilweise) die schwere Midtempo-Keule ausgepackt. Speziell in diesen Momenten können Enzifer, Trondr Nefas und Co. ihre Vorliebe für Genre-Vorreiter wie VENOM, ganz alte SODOM oder HELLHAMMER nicht verbergen. Und eben genau diese Mischung aus flotter norwegischer Schwärze und stampfendem Old School-Getrümmere macht den Reiz von „Ikonoklast“ aus, das mit weiteren Stücken wie dem geilen, treibenden „The Necessity Of Total Genocide“ oder dem abermals zügigen, rotzigen „Approaching Doom“ noch einige Klassesongs mehr auffährt. Allerdings erscheint mir das Album unterm Strich eine Spur zu langatmig und trotz des durchweg sehr gelungenen Songwritings etwas dröge, was man vielleicht darauf zurückführen kann, dass die Produktion zwar ordentlich knarzig und zweckmäßig undergroundig ausgefallen ist, dabei aber einen Tick zu steril tönt. Das ändert aber nichts daran, dass URGEHAL hier eine richtig gute Scheibe für symphoniefeindliche Black Metaller abgeliefert haben, bei der die Stärken eindeutig überwiegen!
Wenn Josh Homme (QUEENS OF THE STONE AGE, DESERT SESSIONS, KYUSS), Dave Grohl (FOO FIGHTERS, NIRVANA) mit einem Basser zusammentun, der vom Schlage John Paul Jones (LED ZEPPELIN) ist, kann mit Fug und Recht von einer All-Star-Band gesprochen werden. THEM CROOKED VULTURES nennt sich das Trio, hat sich für ihr Debüt keinen Titel einfallen lassen und wird sicher völlig entspannt dem Medienhype harren, der da kommt. Zufrieden können sie mit der Scheibe sein, keine Frage – die 13 Songs, die da in mehr als einer Stunde zum Besten gegeben werden, sind feiner Alternative, der starke Stoner Rock-Schlagseite hat. „Caligulove“ ist so ein Paradebeispiel, hat seine Wurzeln im 70s Rock, dem ein fetter Bass spendiert wurde und dank Mr. Hommes Stimme gar nicht anders kann, als wie eine entspannte QUEENS OF THE STONE AGE-Aufnahme zu klingen. Bei „Mind Eraser No Chaser“ kommt Mr. Grohls Stimme im Refrain zum Einsatz, wodurch der Song etwas rauer ist, während „Gunman“ mit einem arschgeilen Riff und echter Tanzbarkeit überzeugen kann. „Dead End Friends“ ist ziemlich sicher ein Überbleibsel aus der „Songs For The Deaf“-Session, wohingegen „Bandoliers“ so auch von den FOO FIGHTERS sein könnte. Keine wirklichen Überraschungen also, an völlig neuen Sound haben sich die drei nicht gewagt, was ihnen mit etwas Böswilligkeit als Berechnung vorgeworfen werden kann, denn so ist „Them Crooked Vultures“ eine Scheibe, die sich jeder Fan ihrer Bands bedenkenlos kaufen kann. Die werden sich auch an den zwei, drei lahmen Songs im Mittelteil nicht stören (weniger wäre mehr gewesen, was die Anzahl der Songs angeht). Die Scheibe wird ein Erfolg, keine Frage, aber mutig ist sie leider nicht. Dafür solide und durchaus mit Charme.
Endlich mal ein weniger vorab penetrant angepriesenes Projekt - trotz vieler bekannter Namen müßte sich DELANY mit "Blaze & Ashes" eigentlich nicht verstecken und trotzdem ist hier promomäßig eher bescheidenes Understatement angesagt. Anders als der für mich größte Flop dieses Jahres mit dem ROSEWELL SIX Geschichte stimmt hier eigentlich so ziemlich alles. Die Geschichte wird musikalisch von allen Protagonisten solide umgesetzt ohne zu effekthascherisch und vor allem überambitioniert vermeintlich gängige Genreklischees bedienen zu wollen.
Als inhaltlicher Background zu dieser Story dient Wolfgang Hohlbein’s Fortsetzung seiner erfolgreichen Fantasy Romanreihe "Chronik der Unsterblichen". In London passieren seltsame Todesfälle, die beiden Unsterblichen Andrej Delany und Abu Dun werden dorthin verschlagen, ein Schattenwesen von den Einheimischen Phantom genannt, soll für die grausamen Morde verantwortlich sein. Dabei treffen die Beiden auf Straßenkinder, die scheinbar direkt aus Andrejs Vergangenheit kommen. Immer weiter verstricken sie sich sich in gestellten Fallen, und Andrej landet schließlich im Kerker der Polizei. Da bricht ein Feuer aus, das ganz London bedroht. Hört so schon ganz spannend an und auch die musikalische Umsetzung gelingt in einem durchaus fesselnden und emotionsgeladenen Rockalbum. Produzent Dennis Ward (PINK CREAM 69) hat dabei erneut mit einem tollen Mastering für den rechten Klang gesorgt. Auch die zuletzt sowohl Solo als auch bei ihren zahlreichen Gastbeiträgen etwas schwächelnde „Queen of Symphonic Rock LANA LANE zeigt sich hier wieder etwas erholt. Bei dem packenden „Love Tears“, dem recht gefühlvollen „Eternity Is Yours“ sowie „Shadow On Your Heart“ zeigt sie, dass sie mehr als nur zugekleisterte Balladen ihres Gatten ERIC NORLANDER singen kann, dieser darf zwar bei erstgenanntem Track auch mal mitspielen tut dies aber durchaus passend.
Die beiden Hauptsongwriter des Albums Volker Leson (WIZARD) und Davy Vain (VAIN), die außerdem noch von Gitarrist Torsti Spoof (LEVERAG) unterstützt wurden, haben ganze Arbeit abgeliefert. Ohne Ausfall, einzig das etwas zu dünnere mit zu vielen Refrainwiederholungen „Here Comes Lonely“ schwächelt ein klein wenig, paßt alles bei den 11 Tracks. Insbesondere David Readman (u.a. PINK CREAM 69, ADAGIO, VOODOO CIRCLE) beeindruckt einmal mehr mit großen stimmlichen Fähigkeiten. Egal ob Kracher wie „Dead Undead“ oder dem Stampfer „Blood and Ashes“ und dem melodramtischen Ende bei „London Bridge“ der Mann macht einen klasse Job. Dies schafft Davy Vain nicht in gleicher Brillianz aber durchaus auch mit Talent. Wie gesagt Melodic Rock/Metal mit einem Schuss Classic Rock in guter Qualität manchmal ergänzt um den ein oder anderen epischen Schlenker dafür steht DELANY.
Auch die restliche Instrumentenfraktion mit Gitarrist Jamie Scott (VAIN, VICIOUS RUMORS) sowie Tommy Rickard an den Drums liefern einen guten Job ab, schafft es unterschiedliche Stimmungen zu schaffen und so ist „Blaze And Ashes“ kein überragendes aber ein gutes Album geworden. Das haben nämlich nicht viele der zahllosen All-Star-Projekte (wie u.a. zuletzt „Voices Of Rock“) geschafft.
Die Taiwaner CHTHONIC (der Name spricht sich übrigens schlicht „Thonic“) können bereits auf fast 15 Jahre Bandgeschichte zurückblicken, gehören in ihrem Heimatland zu den metallischen Superstars (unter Anderem „Best Rock Group“) und setzen sich für demokratische Kampagnen wie „Free Tibet“ ein. Und da sich Taiwaner und Chinesen so gut auf den Pelz gucken können wie Dortmund- und Schalke- oder HSV- und St. Pauli-Fans, ist es nicht verwunderlich, dass der Haufen bereits Auftrittsverbot im Reich Der Mitte hat. Mit „Mirror Of Retribution“, dem inzwischen (oder erst) fünften Langspieleisen, hinterlässt die Band auch in unseren Breitengraden einmal mehr ihre Duftnote, nachdem der Vorgänger „Seediq Bale“ schon ein beachtliches Stück symphonischen Black Metals war. „Mirror Of Retribution“ schafft es zwar nicht ganz, den Vorgänger zu toppen, geht aber als sehr starke Platte durch, die erschlossen werden will. Wie auf den früheren Werken braucht es einige Zeit, mit dem teilweise exotischen Material warm zu werden. CHTHONIC erzeugen nach wie vor eine mächtige Breitwand, die stark an die Referenzen CRADLE OF FILTH und DIMMU BORGIR erinnert, aber glücklicherweise die (inzwischen) schwachmatischen Ergüsse von Bands wie AGATHODAIMON oder GRAVEWORM locker in den Schatten stellt. Das Problem ist aber immer noch, dass man förmlich vom Keyboard-Doublebase-Dauerfeuer nahezu erschlagen wird und die Band daraus nur sehr schwer zugängliche, uneingängige Songs strickt, die nicht so ganz zünden wollen. Auch nach mehreren Durchläufen können sich (gelungene!) Stücke wie „Hearts Condemned“, „Sing-Ling Temple“ oder „Rise Of The Shadows“ nicht so recht freischwimmen, was zwar auf der einen Seite einen längeren Hörgenuss garantiert, auf der anderen Seite aber auch quer im Magen liegt. Abgesehen davon liefern CHTHONIC hier eine außerordentlich starke Scheibe ab, die weit mehr bietet als nur Exotenbonus und „Aha-Effekt“. Am „Tipp“ ist die Band wieder haarscharf vorbeigeschrammt, aber zumindest die männliche Hörerschaft bekommt auch was fürs Auge: Bassistin und Background-Röhre Doris Yeh gehört zu den optisch sehr leckeren Damen der Schwermetallwelt und arbeitet nebenher als Schauspielerin und Model.
Mitte 2005 ging ein Aufschrei durch die Fangemeinde von GLUECIFER, als nämlich die selbst ernannten Kings of Rock ihre Auflösung verkündeten. Jetzt, mehr als vier Jahre später, veröffentlichen die Norweger noch ein Album mit bislang nicht auf Alben veröffentlichten Tracks, sprich Songs von 7- und 10-Inch-Platten, Single-B-Seiten und Compilations. Das riecht erst mal etwas nach Resteverwertung, und man kann sich zu Recht fragen, ob das wirklich sein muss. Nach dem ersten Durchhören kann ich eindeutig sagen: Ja, es muss! Denn sämtliche der 17 – von Gitarrist und Bandleader Captain Poon handverlesenen – Songs stehen dem auf den Alben veröffentlichten Material in nichts nach, und es wäre eine Schande, wenn sie nur den Hardcore-Fans zugänglich wären, die wirklich alle Veröffentlichungen von GLUECIFER ihr Eigen nennen. Man höre sich nur Songs wie „Thunder And Lightning“, „Shitty City“ oder „Ape And Essence“ an. Da geht es so dreckig, rotzig und mit so viel Druck nach vorne, dass es eine wahre Freude für jedes Rock’n’Roller-Herz ist. Einer der Höhepunkte des Albums ist dabei direkt der Opener: „Desolate City” ist nämlich der letzte Track, den GLUECIFER zusammen aufgenommen haben und war bislang nur auf der Abschiedstour im Herbst 2005 zu hören. Ein weiteres Highlight – und gleichzeitig auch ein Kuriosum – stellt der letzte Song dar: „Snyltegjesten“ ist auf Norwegisch gesungen, und das klingt wirklich abgefahren. Als ich dieses Album zum ersten Mal durchgehört hatte, wurde mir bewusst, dass ich schon viel zu lange nicht mehr GLUECIFER gehört habe und wie genial die Jungs gerockt haben. Leider wurde mir aber auch wehmütig bewusst, dass das jetzt wohl wirklich das Letzte war, was man jemals von dieser Band hören wird.
MEADOW SAFRAN kommen aus Siegen und tönen von der ersten Sekunde an richtig frisch, frech und kraftvoll aus den Boxen. Musikalisch ist die Scheibe nicht einfach einzuordnen. "Postcore gemischt mit Alternative Rock" würde ich den Musikstil umschreiben. Letztlich das aber egal, denn was die Band in "Leaving The Black Square" zusammenspielt ist einfach große Klasse. Alle Songs befinden sich auf einem sehr hohen Niveau und sind von einer melancholisch kraftvollen Stimmung getragen, für die nicht zuletzt Sänger David Post verantwortlich ist. Das Repertoire von Post reicht dabei von melodischen Refrains bis zu Schreikrämpfen, die sich in die Musik sehr gut einfassen. Dass die Band aus Deutschland kommt, hätte ich nie vermutet. Respekt. Alle Songs haben definitiv internationales Niveau und werden auch noch nach einigen Durchläufen von mir gerne gehört. Die Platte ist kraftvoll und professionell abgemischt, wobei gerade die dominanten Gitarren druckvoll aus den Boxen shreddern. Meine Anspieltipps sind "The Medical Director", "Island", "History of Dreams" und "Throwing Back Stones", die nicht nur durch einen interessanten Songaufbau, sondern auch durch einfach guten Melodien bestechen. Für mich ist "Leaving The Black Square" eine der besten Scheiben, die ich dieses Jahr gehört habe. Bevor ich mich nun weiter mit Lob besudele und sogar leicht unglaubwürdig werde, sollte sich jeder, der mit der Musikrichtung prinzipiell etwas anfangen kann, der Scheibe einige Minuten sein Ohr leihen. Daumen hoch!
Bei der Masse der Veröffentlichungen wünscht man sich, dass sich eine neue Scheibe von den zahlreichen Veröffentlichungen auf dem Musikmarkt abhebt und einen eigenen Stil besitzt. Innovativ, mitreißend und ergreifend sollen die Songs sein und nicht zuletzt zum Abtanzen einladen. Bei so vielen Wünschen auf einmal muss man oft erkennen, dass es selten ein Album schafft, in solche Sphären zu gelangen. Selten heisst allerdings nicht niemals. Mit der am 30.10.2009 veröffentlichten Scheibe der DONKEYSHOTS aus München namens "Chasing Windmills" liegt mir ein solch weiter Wurf vor. Die Musik der fünfköpfigen Band bestehend aus Gitarre/Gesang, Saxophone, Posaune, Bass und Drums ist eine ganz wilde Mischung aus Gypsy Rock, Ska, Punk und eine kleine Prise Nu Metal. Wie sich das ganze anhört, ist schwer zu beschreiben. Klassische Liebhaber des Heavy Metalls werden sicherlich nicht bedient. Trotzdem hat die CD eine Menge Pfeffer im Arsch. Die Band versteht es, mitreißende Songs zu komponieren, die von ihren Melodien und Stilwechseln außerordentlich begeistern können. Gerade der Einsatz von Posaune und Saxophone gibt der Musik ihren ganz eigenen Stil, den man in dieser Kombination nur sehr selten zu hören bekommt. Die DONKEYSHOTS haben einen unverwechselbaren Sound und grenzen sich so von den massenhaften Neuerscheinungen wohltuend ab. Als Anspieltip will ich den Song "Son Of The Sun" herauspicken, der nach einem stimmungsvollen Bläserintro in eine Art treibende Speekpolka mündet, bei der die Band das Zusammenspiel der verschiedenen Instrumente zelibriert. Sollten die DONKEYSHOTS einmal in meine Nähe kommen, werde ich es mir nicht nehmen lassen, diese wahnsinnige und einzigartige Truppe aus der Nähe anzusehen. Volle Punktzahl.