Seit MOTÖRHEAD und MÖTLEY CRÜE seinerzeit ihre Vorliebe für deutsche Umlaute entdeckt haben, hat dieser Schnörkel auch seinen Weg zu ein paar weniger bekannten Bands gefunden. Eine dieser Truppen stammt aus dem sonnigen Barcelona und hat sich nicht direkt dem Rock´n´Roll verschrieben, sondern eher nicht so wirklich sonnigem, dafür aber atmosphärischem Stoner Rock grooviger Schule. Neben den offensichtlichen Einflüssen BLACK SABBATH hört man bisweilen auch stilistische Ähnlichkeiten zu GRAND MAGUS, TROUBLE oder MONSTER MAGNET (besonders, was den melodischen, sehr guten Gesang von Ivan „Rasputin“ Arrieta betrifft) heraus, die durchweg starke Songs wie das sauflotte „Cul De Sac“, den Stampfer „Sons Of Asgard“, das treibende „Doomed Faith“ oder das relaxte „Wolfhead“ (mit dezenter Flöte im Mittelteil!) zwar nicht zu Ikonen in Sachen Eigenständigkeit aufwerten, aber in dieser qualitativ hohen Dosierung auch nicht zu reinen Plagiaten degradieren. Ein absolutes Meisterwerk ist „Wolfhead“ nicht; dazu fehlt dem erst 2008 gegründeten Quartett noch die Gabe, wirklich herausragendes Material zu schreiben, und die allzu sehr gewollte (wenn auch solide) Coverversion von PINK FLOYDs „Wish You Were Here“ hätte auch nicht Not getan, aber Fans des steinig-verrauchten Genres und der furztrockenen Breitwandriffs machen hier definitiv nichts falsch. Ein echt gutes Debüt!
Mit „Spaces In Between“ legt das junge australische Trio TRACER sein zweites Album vor. Und das geht schon vom Start weg vorzüglich ins Ohr und in die Nackenmuskulatur. Der Opener „Too Much“ gibt mit einem sägenden Riff und wuchtigen Drums die Marschrichtung vor, und auch der Rest des Albums kann da mithalten. Die Mischung aus klassischem 70s Rock, Blues und 90er Stoner klingt dermaßen abgehalftert und authentisch, dass man sich kaum vorstellen kann, dass diese Musik zwischen LED ZEPPELIN und KYUSS wirklich von den noch eher jugendlich wirkenden Typen stammen soll, die man auf der Internetseite der Band sieht. Aber ist ja völlig egal, die Jungs haben diesen Sound eben wirklich gefressen und präsentieren ihn mit ungebremster Energie, die absolut ansteckend wirkt. Das Rad erfinden sie dabei nicht neu, aber wer mit so viel Dreck und Druck zur Sache geht, hat das auch überhaupt nicht nötig. Von dieser Band wird man sicher noch einiges zu hören bekommen.
9 CHAMBERS ist das neue Kind von Ed Mundell, der bis 2010 bei MONSTER MAGNET aktiv war. Nach seinem Ausstieg hat er mit Greg Hampton (ALICE COOPER) und Vinnie Appice (ex-BLACK SABBATH) zwei nicht ganz unbekannte Herren für 9 CHAMBERS gewinnen können, außerdem ist Jorgen Carlsson (GOV’T MULE) mit dabei. Natürlich kann das 9 CHAMBERS-Debütalbum die MONSTER MAGNET-Herkunft nicht verhehlen, Gitarrenarbeit und –sound sind bekannt, aber eben auch ziemlich gut. Greg Hampton mit seiner Stimme und die richtig gute Rhythmusfraktion verhindern dann aber das Abgleiten von 9 CHAMBERS in die Welt der MONSTER MAGNET-Klone, hauptsächlich durch die starke Betonung klassischen Rocks – „Life Moves On“ klingt dann auch viel stärker nach alten BLACK SABBATH als alles andere. Überhaupt hat sich Quartett nicht auf eine Epoche festgelegt, stattdessen wird fröhlich von den guten Rockbands der letzten 40 Jahre geklaut. Herausgekommen ist ein kompaktes Album, das von entspannten Mainstream-Rocksongs („Indeed The Sun“) bis zu klassisch-erdigen Rock („Indeed The Sun“) alles abdeckt, was im Rock Rang und Namen hat. Die vier Beteiligten lassen dabei ihre ganze Erfahrung einfließen, so dass Songwritng, Technik und Sound nichts zu wünschen übrig lassen. Kurzum: solides Rockalbum mit dezenten Stoner-Einflüssen, dass das Namedropping rechtfertigt.
MUFFALO sind so eine Name-Dropping-Band: mit Derek Myers (MONDO GENERATOR), Dean Gunderson (CAT BUTT, JACK O’FIRE) und Gene Trautmann (MIRACLE WORKER, QUEENS OF THE STONE AGE) stecken da drei gestandene Musiker hinter, deren Biographien einfach aufgerufen werden müssen. „Love Songs And Battle Hymns” ist ihr erstes gemeinsames Werk, auf dem sie Stoner-lastigen Alternative Rock zelebrieren – was Wunder. Schnell wird klar, dass das Trio weiß, wo die Karre in der Wüste langfahren muss, um eine gute Rockplatte zu finden, so dass Songs wie das rockende „Battle Hymn“ oder das entspannte „Dirty Water“ nicht überraschen. Gut gemacht eben, wie es nicht anders zu erwarten ist. An ihren Instrumenten sind die Drei eh fit, trotzdem ragt Dereks Stimme noch ein wenig heraus und verleiht den MUFFALO-Songs eine eigene Note. „Love Songs And Battle Hymns” ist eine ehrliche, gut gemachte Stoner Rock-Platte, mit der Wüstensöhne und Retro-Rocker gleichermaßen zufrieden sein werden. Die drei Herren harmonieren gut, bleibt zu hoffen, dass sie das auch in Zukunft machen werden.
Die beiden MONSTER MAGNET Ableger Bob Pantella (Schlagzeug) und Jim Baglino (Bass) legen mit „Invisible Empire” ihr zweites RIOTGOD Werk vor. Konsequent wird die Stoner Rock Linie des vor gerade mal einem Jahr erschienenen guten Debüts forgeschrieben, wobei man im Vergleich die noch von alten MONSTER MAGNET Scheiben bekannten sphärischen Psychedelic Parts weiter zurückgenommen hat und noch mehr in die härtere Stonerecke schielt. Ein Song wie der fast schon lupenreine Hard Rocker „Lost” steht RIOTGOD ausgesprochen gut. Ansonsten überzeugen heavy treibende Wüstenrocker in KYUSS und FU MANCHU Manier wie „Fool“ und „Saving It Up“ und machen das Album für die Zielgruppe relevant. Die gemäßigteren Stücke wie „Gas Station Roses“ und „Loosely Bound“ muss man eher als Durchschnittware bezeichnen. Denn auch darauf, dass der Gesang bei den ruhigeren Passagen leicht schwächelt darf man hinweisen. Die Stärken von Mark Sunshine liegen in den düster-heftigen Passagen; musikalisch überzeugt „Invisible Empire” vor allem dann, wenn RIOTGOD nach vorne preschen. Hier klingt es, als wenn sich MONSTER MAGNET in ihrer End-90er Form eine70er Frischzellenkur a lá LED ZEPPELIN gegeben hätten. Mit „Invisible Empire” können Stoner-Jünger also sicher ein paar Runden drehen.
Es gibt hin und wieder Platten, die quälen sich zu einem Ohr rein und kommen ohne jegliche Reibung zum anderen wieder raus. Zu dieser Kategorie gehört auch "Avenger" von dem 1997 gegründeten Stoner Rock-Trio aus Oakland. Mit Schrammelgitarren, dumpfem Sound und dem kaum melodischen, völlig ausdruckslosen Gesang von Gitarrist Antonio "Tony" Aguilar können Stücke wie der Titelsong, das doomige "Mainline" oder das wirklich schon lahmarschige "Leaves" kaum überzeugen. Lediglich das hymnisch-melancholische "The Fool" sowie das treibende "Opus" wissen zumindest ein paar kleinere Wegmarken zu setzen, doch ansonsten zündet "Avenger" auch beim x-ten Durchlauf Nullinger. Und es ist nicht mal so, dass man dieses neueste Album der Band (in der sich am Bass mit Meg Castellanos übrigens auch eine Dame befindet, die zudem dezente Hintergrundgesänge beisteuert) bis zur Unkenntlichkeit verreißen kann, sondern das Album zischt einfach nichtssagend vorbei, ohne gut oder richtig schlecht zu sein, was ich noch am Schlimmsten finde. In dieser Form sind TOTIMOSHI für die verrauchte Stoner/Doom-Szene wahrlich keine Bereicherung, nicht mal eine herrlich schön verabscheuungswürdige Combo, sondern einfach nur "da". Charisma geht definitiv anders!
Wer (wie meinereiner, muss ich gestehen) die USA als Brutstätte für herausragende musikalische Künste bereits weitgehend abgeschrieben hat, ist stets erfreut, wenn sich im "Land Of The Free" doch noch Interessantes regt: nicht nur Black Metal feiert dort im Underground ein munteres Aufbegehren, auch die Stoner/Doom-Szene liefert hin und wieder sehr hörenswerte Bands, zu denen auch die 2008 gegründeten SONS OF TONATIUH zählen, die aber nicht unbedingt die typische BLACK SABBATH-Fraktion ansprechen, sondern eher die kauziger orientierten Stoner-Konsumenten, die es auch mal aggressiver mögen. Besonders durch den hohen Kreischgesang von Gitarrist Dan Caycedo erinnern die Jungs nicht selten an ganz alte TROUBLE mit Eric Wagner am Mikro sowie an die längst verschollenen CIRITH UNGOL, wobei SONS OF TONATIUH einen ähnlich kompromisslosen Sound wie etwa CROWBAR auffahren, der sehr dreckig herüberkommt. Lediglich im kompositorischen Bereich kann dieses selbst betitelte und produzierte Debüt nicht vollends überzeugen, denn dafür müssten nicht wirklich leicht verdauliche Stücke wie "Den Of Thieves", "Adam And Evil" oder "From Ashes" stärker mitreißen und hängen bleiben. Trotz der noch vorhandenen Defizite kann man aber ruhig mal ein Ohr auf diese Band aus Atlanta werfen.
Nach dem Album "Hour Of The Wolf" von 2009 legt das Trio aus New York nun mit "The Scorpion Savior Sessions" eine EP vor, auf der man drei recht eingängige, angenehm rotzig klingende Stoner Rocker zu hören bekommt, die ausnahmsweise mal nicht ausschließlich verrauchte 70er transportieren (obwohl sie hörbar davon inspiriert sind), sondern auch einen gewissen modernen, ganz leicht Alternative-lastigen Einschlag offenbaren. In Sachen unnötig aufgesetzter psychedelischer Atmosphäre halten sich die Herren Dementia und Co. ebenfalls zurück und setzen verstärkt auf Songdienlichkeit und Power. Fans von etwa ELECTRIC WIZARD, PENTAGRAM, aber auch MASTODON oder KYUSS machen mit dieser gelungenen EP nicht viel falsch.
Mit Texten hatten KARMA TO BURN noch nie viel am Hut. So suchte sich das 1994 in West Virginia gegründete Trio für sein Debüt-Album nur auf Druck der Plattenfirma einen Sänger. Darauf folgten jedoch zwei komplett instrumentale Alben, wozu folgender Kommentar der Band überliefert ist: „Keinen Sänger zu haben, das bedeutet ein richtiger Mann zu sein!“ So weit so gut, aber nur bis ins Jahr 2002, wo die Band auseinanderbrach. Erst 2009 rauften sich die Jungs wieder zusammen, gingen auf Tour und veröffentlichten 2010 mit „Appalachian Incantation“ schließlich auch wieder ein neues Album. Mit dem in Dave Grohls 606-Studio produzierten „V“ gibt es jetzt neuen Stoff, und der hat es in sich. Der Großteil der Songs ist guter alter Tradition gemäß instrumental gehalten, lediglich bei drei Songs – darunter das BLACK SABBATH-Cover „Never Say Die“ – hilft Daniel Davies von YEAR LONG DISASTER als Gastsänger aus. Im Mittelpunkt aber stehen hypnotische Riffs, die so böse grooven, dass Gesang wirklich überflüssig ist. Intensiver kann man Stoner Rock jenseits von KYUSS wohl kaum spielen. Die dreckige, erdige Produktion tut mit breiten Gitarren, wummernden Drums und einem drückenden Bass ihr Übriges dazu, dass man selbst im heimischen Wohnzimmer nicht anders kann, als durchgehend heftigst kopfzunicken. Die Songs mit Vocals klingen aufgrund von Davies' klassischer 70s-Hardrockstimme in Richtung Robert Plant/Andrew Stockdale fast schon nach konventionellem Heavy Rock, wobei man sich auch immer wieder an BLACK SABBATH erinnert fühlt, die sicher nicht ohne Grund gecovert werden. Mehr noch tun es einem aber Stücke wie der Opener „47“ mit seinem schweren Cowboy-Thema an, „48“ mit seiner Mischung aus Heavy Rock und psychedelischen Akkorden oder auch „51“ mit seinem stampfenden Riff. (Die Band nummeriert ihre instrumentalen Songs seit jeher einfach durch, da sie ja eh keinen Text haben.) Diese Scheibe ist ein Muss für Fans des guten alten Stoner Rock wie auch von Bands, die damit in Verbindung stehen, seien es BLACK MOUNTAIN, THE SWORD oder WOLFMOTHER.
Die Auswahl an Platten mit nur einem Track und einer Laufzeit jenseits der dreißig Minuten ist schon doch ziemlich begrenzt; wenn dieser Track dann auch noch gut sein soll ist das sogar schon zu viel verlangt. Spontan fällt einem da wohl das grandiose „Voyage 34“ von PORCUPINE TREE ein, wer etwas mehr auf Musik mit Schwebecharakter denkt wird vielleicht auch auf GROBSCHNITTs (ebenso geniales) „Solar Music“ kommen; jetzt kann ich dieser (im Übrigen komplett wirklich nur unwesentlich längeren) Liste noch eine Nummer hinzufügen: „The Local Fuzz“ vom gleichnamigen Album, gespielt von THE ATOMIC BITCHWAX.
Denn dieser einsame Track hat es verdammt in sich. Der Grundstil der Musik ist zwar Stoner Rock, das Ganze ist meiner Meinung nach aber vielmehr eine unüberschaubar komplexe Ansammlung an Riffs die trotzdem alle zusammen passen, Wiedererkennungswert und Charakter haben und keineswegs einfach nur wie viele Tracks ohne eigene Nummer sind. Instrumental – ohne Vocals. Laut der Packungsbeilage für den Journalisten von Welt sind es um das zu kompensieren übrigens mal eben über fünfzig verschiedene Riffs. Ohne das nun prüfen zu wollen, die Abwechslung ist enorm; teilweise dudelt es eher etwas psychedelisch vor sich hin, meistens hat das ganze aber verdammt viel Energie und Eier und kommt sehr abgefahren und rockig daher. Man hat einerseits das Gefühl das hier nur improvisiert wird, andererseits wirkt alles wirklich nochmals bemerkenswert homogen und spannend und hält das hohe Niveau auch über die gesamten zweiundvierzig (na, welchem Adams-Fan ist es aufgefallen?) Minuten.
Nun sei mir an dieser Stelle verziehen das ich euch nicht ein einzelnes Lied en Detail beschreiben kann und will, es sei aber gesagt das sich das selber anhören mehr als lohnt. Empfehlung weil scharf!