Der Ex-AT VANCE Fronter Oliver Hartmann beglückt den geneigten Rockfan nun schon mit seinem vierten Solostreich. Nachdem er bei so ziemlich jeder Metaloper der letzten 10 Jahre zu hören war, setzt Hartmann bei seiner Soloband weniger auf metallische, denn auf erwachsene und moderne Rockklänge. Alles auf „Balance“ tönt höchst professionell und international. Ohrenschmeichler vom Schlage „Like A River“, „You Are The One“ oder die Ballade „From A Star“ hätten eigentlich Dauerairplay im Radio verdient. Stimmlich gehört Hartmann zu den besten Rocksängern Deutschlands und muss auch international keinen Vergleich fürchten. Die Songs sind modern, ohne aufdringlich oder berechnend zu wirken. Einfach gute, ehrliche Rockmusik des Jahres 2012. Sogar das TEARS FOR FEARS Cover „Shout“ erstrahlt in der HARTMANN Adaption in neuem Glanz. Wäre dies eine gerechte Welt, dann müssten HARTMANN demnächst in der einen oder anderen großen Samstagabendshow als musikalischer Special Guest auftauchen. Leider ist diese Welt nicht gerecht.
Beim Anschauen dieser DVD wird einem erstmal bewusst, wie groß KASABIAN in ihrem Heimatland sind. Sind sie hierzulande in Clubs mit um die 1.000 Personen Fassungsvermögen zu sehen, machen sie in London die O2-Arena voll und spielen dort vor 20.000 Fans. So geschehen am 15. Dezember letzten Jahres, an dem das vorliegende Konzert aufgezeichnet wurde. Entsprechend groß ist die Bühne, auf der die Band zu sehen ist, hinter sich eine halbmondförmige Leinwand, auf die aufwändige Visuals projiziert werden, und unterstützt durch eine effektvolle, aber nie dominante Light-Show. So spielt sie sich routiniert durch ein wahres Hit-Feuerwerk, bei dem das Publikum von der ersten Sekunde an begeistert mitgeht. Der Sound ist perfekt – fast schon zu perfekt, denn stellenweise wirkt die Show etwas steril. Die Streicherinnen in „Where Did All The Love Go?“ etwa klingen gar nicht live, sondern könnten auch eingespielt sein oder vom Keyboard kommen. Dazu passend wirken die Musiker wenn auch nicht statisch, so doch etwas distanziert, was vielleicht aber auch einfach an der Größe der Halle liegt. Immerhin Gitarrist Sergio Pizzorno taucht mit der Zeit etwas auf und zieht sogar seine Jacke aus. Etwa auf der Hälfte, beim treibenden „Clubfoot“ mit seinem Mörder-Basslauf, zieht dann auch Sänger Tom Meighan nach und endlich auch die Sonnenbrille ab. Ab da gewinnt das Konzert dann noch einmal deutlich an Lockerheit und Atmosphäre, und später lässt Meighan noch das gesamte Publikum „Happy Birthday To You“ für Sergio singen, der eben wirklich an diesem Tag Geburtstag hatte. Als letzterer dann anschließend noch sämtliches Licht im Saal löschen und die Konzertbesucher ihre Handys mit leuchtenden Displays in die Luft heben lässt (Früher hat man das ja noch mit Feuerzeugen gemacht…), ist das ein atemberaubender Anblick. Am Ende versteht man dann, warum KASABIAN in England so groß sind und fragt sich eher, warum sie das nicht überall sind. Denn diese Band hat einen Haufen großartiger Songs am Start und kann sich mit Stücken wie „L.S.F.“, „Underdog“ oder der letzten Single „Days Are Forgotten“ schon einige Hymnen auf die Fahne schreiben, die durchaus einmal am Thron von OASIS kratzen könnten. Als Bonus gibt es dann noch eine halbstündige Dokumentation über die 2011-Tour durch England und Irland zu sehen. Das Konzert gibt es natürlich auch auf Blu-Ray, und ebenso ist jeweils auch noch eine Special Edition mit zusätzlicher Live-CD erhältlich.
Die Portugiesen INNER BLAST werden laut Info der Gothic-Szene zugerechnet, wogegen es auch kaum Einspruch gibt, jedoch könnten sich mit viel Toleranz auch Freunde von weiblich gefronteten Occult Rock-Bands der Marke THE DEVIL´S BLOOD, JESS AND THE ANCIENT ONES oder BLOOD CEREMONY mit dem Quintett anfreunden, da erstens das (durchweg eingängige) Songwriting sehr bodenständig ausgefallen ist und zweitens Sängerin Mónica nur ab und an (zum Beispiel in „Fixation“, dem für mich auch schwächsten Stück dieser EP) die Arien-Furie heraushängen lässt. INNER BLAST gehören zum Glück nicht zu den Nachtwischern und Lacunakeulen dieser Welt, setzen Keyboard-Pomp weitgehend gezielt und songdienlich ein und rocken sich lieber durch sehr hörenswerte Stücke wie den Opener „Better Days“, den Titelsong (mit coolem MOTÖRHEAD-artigen Anfang!), die starke Ballade „Tears“ oder das von einem durchgehenden Boller-Riff getragene „Open Minds“. Diese schon 2010 aufgenommene Mini-Scheiblette ist vielleicht noch keine Offenbarung, gehört aber eindeutig zu den besseren gotischen Erzeugnissen der letzten Zeit.
Laut Website haben COREDUST für die Aufnahmen von „Decent Death” CHILDREN OF BODOM-Drummer Jaska Raatikainen an den Fellen gehabt, was sich nicht nur in Sachen PR und Namedropping auszahlt, sondern auch beim Sound – direkt beim ersten regulären Song „Without Disguise“ legt der Mann ein sehr solides Fundament für den Death Metal der Finnen. Die anderen Musiker liefern ebenfalls eine sehr solide Leistung ab, so dass „Decent Death“ handwerklich vollkommen überzeugen kann, zumal die Produktion ebenfalls klar und druckvoll geworden ist und die Wucht der Songs unterstreicht. Beim Songwriting haben sich COREDUST sowohl bei technischen Death Metal-Bands wie auch bei Düstercombos Marke GHOST BRIGADE und INSOMNIUM bedient („Dead End“), wobei letzteres dem Klischee nach Finnen sowieso im Blut liegt. Herausgekommen ist ein vielschichtiges Album, das sich nicht auf beinharten Death Metal reduzieren lässt (auch wenn da klar die Wurzeln liegen) und so auch für Finnand-Fans, die auf die eher melancholischen Sachen stehen, interessant werden dürfte. Ein gelungener Einstand, mit dem COREDUST ihr Potential zeigen.
CONVERGE haben sich mit DROPDEAD für eine Split zusammengetan, zu der jede Band einen Song beisteuert. Den Auftakt machen CONVERGE, die „Runaway“ etwas über zwei Minuten geben, was für einen ordentlichen Abriss reicht. Mit einer starken Schlagseite Richtung technischen Death Metal zimmern sich die Bostoner durch den Song, handwerklich dabei wie immer ohne Mängel. DROPDEAD liefern in 1:37 Minuten einen knackigen, gnadenlos nach vorne gehenden Song, der zwar in der Mitte einen kurzen melodischen Part hat, sonst aber Abriss pur ist. War auch nicht anders zu erwarten. Für Fans eine lohnenswerte Angelegenheit, da beide Bands einen guten Song beigesteuert haben.
NATRON sind keine Laugenverkäufer, sondern eine der solidesten Hau-Drauf-Formationen Italiens. Sie haben seit ihrer Gründung 1992 schon fünf Alben auf dem Buckel, fristen in der Death Metal-Szene aber bislang nur ein Underground-Dasein. „Grindermeister“, dessen Titel und Cover-Artwork sicher nur rein zufällig an eine niedersächsische Kräutertinktur erinnert, wird daran wahrscheinlich leider nicht viel ändern, denn das Album ist zwar echt gelungen und haut uns einen Dampfhammer nach dem anderen um die Ohren, aber die eigenen Akzente kommen hier etwas zu kurz. Man hört deutlich Vorbilder wie CANNIBAL CORPSE, MISERY INDEX, GOD DETHRONED, NECROPHAGIST, CEPHALIC CARNAGE oder OBITUARY heraus, die alle für sich schon deutlich stärkeres Material als „Grindermeister“ herausgehauen haben. Auch wenn das Quartett einmal mehr richtig gute Arbeit abliefert, bisweilen sogar äußerst progressive, instrumentale Versatzstücke in seine Kompositionen einbaut, erlebe ich hier ein chronisches Déjà-Hör. Nicht, dass Ihr mich falsch versteht: NATRON machen nicht viel falsch, und aus rein musikalischer Sicht würden Songs wie „Morgue Feast“, „Quarantine Of Leprosy“, „Flesh Of A Sick Virgin“ oder „Undead Awake“ locker den „Tipp“ verdienen. Dass es die Band mit Originalität nicht so genau nimmt, beweist nicht zuletzt die TERRORIZER-Coverversion „Dead Shall Rise“, der die Jungs zudem keine neuen Facetten hinzufügen können. Starke Platte mit kleinem Beigeschmack.
EXPIRE ballern sich auf „The Pendulum Swings“ in gut 20 Minuten durch zwölf Songs, die irgendwo zwischen New Yorker Stil, TRAPPED UNDER ICE und alten TERROR angesiedelt. Mächtig Mosh also, mit viel Groove und haufenweise Möglichkeiten zum Mitsingen. Da kann nicht mehr viel schief gehen, oder doch? Nee, kann nicht. EXPIRE haben es geschafft, ihre ungezügelte Wut auf Platte zu bannen und das Intensitätslevel der Scheibe durchweg hoch zu halten. Spätestens mit dem zweiten Song („Just Fine“) machen sie klar, dass mit ihnen nicht zu spaßen ist, genauso wie sie catchy Songs schreiben können. Knackig, voller Aggression und mit eben dem nötigen Groove gibt es hier 20 Minuten die volle Ladung Mosh-Hardcore. So schön einfach kann das sein.
Mit ihrem letzten Album „Wormwood“ hatten MARDUK angesichts einer für ihre Verhältnisse großen Experimentierfreudigkeit überrascht und im Endergebnis überzeugt. „Serpent Semon“ knüpft da an, lässt allerdings bei der Produktion den Punch vermissen, der den Vorgänger ausgezeichnet hat. Musikalisch gibt es dagegen nichts zu meckern, Songs wie das durch das schleppende Tempo extrem brutale „Temple Of Decay“ oder das mit leichter Thrash-Kante aufwartende „Into Second Death“ machdn deutlich, dass MARDUK auch auf diesem Album weg vom Black Metal-Einheitsbrei gekommen sind (für denn Erscahffung sie ja durchaus mit verantwortlich sind). Aber keine Bange, „Serpent Semon“ klingt in jeder Sekunde nach MARDUK, dafür sorgen auch die für die Band klassischen Songs („Souls For Belial“). Aber wie schon bei „Wormwood“ sind MARDUK auch bei „Serpent Semon“ weg vom eintönigen Highspeed-Geprügel gegangen, was ihnen hörbar gut tut. Wie schon bei „Wormwodd“ schaffen sie es, Bösartigkeit, Black Metal und neue Ideen und Einflüsse zu einem überzeugenden Ganzen zu verbinden, was eine spannende Black Metal-Platte ergibt, die dem Vorgänger in nichts nachsteht. Well done!
Das polnische Ein-Mann-Projekt von PrimalOne geht auf seinem Debütalbum „Deathzone“ gleich in die Vollen. Statt gotischer Experimente und orchestraler Ausflüge findet man auf dem Album puren, ungefilterten, erstaunlich fett und voluminös produzierten, aber auch schwer verdaulichen, progressiven Black Metal. Hört man sich „Deathzone“ ohne Hintergrundwissen an, könnte man meinen, hier eine jüngere französische Band vor sich zu haben, denn PRIMAL erinnern eher an BLUT AUS NORD, MERRIMACK und Co. als an die Erzeugnisse der norwegischen oder schwedischen Szene. Speziell die hin und wieder eingestreuten, frickeligen Gitarrensoli sind zwar originell, aber auch sehr gewöhnungsbedürftig, da sie nicht wirklich zum frostigen Grundsound des Albums passen wollen. Auch kompositorisch sind Stücke wie „Wrath Of The God“, „Book Of Revelation“ oder “Liars” ordentlich gegen den Strich gebürstet und zünden nur schwerlich bis gar nicht. Auch wenn PRIMAL noch etwas Feinschliff fehlt, ist „Deathzone“ zumindest ein Anspieltipp für Black Metaller, die sich eine Scheibe auch gerne mal erarbeiten. Durchwachsen, aber beileibe nicht ohne Substanz!
Der Italiener ANAMNESI liefert mit diesem selbst betitelten Album sein Debüt ab und überrascht mit einem weitgehend unvorhersehbaren Black Metal-Werk. Aber hier findet sich auch das ganz große Problem des Ein-Mann-Projektes: der musikalische Kompass zeigt in nahezu alle Richtungen, die avantgardistische Schwarzwurzel zu bieten hat und schlägt nie einen eindeutigen Weg ein, was das Album recht wirr und unausgegoren wirken lässt. Wird mit „Anima Al Fronte“ noch räudig-basisch durchgestartet, folgt mit „Ombre“ bereits ein minimalistisches Zwischenspiel, das an Soundtracks von John Carpenter („Halloween“ oder „The Fog“) erinnert. „La Via Degri Eserciti“ vermittelt fast schon Pagan-/Mittelalter-Melodien, wonach „Ora… È Sempre (L´Immortale)“ wieder rohe Kost bietet. Es folgen eine Düster-Soundcollage („1919“), ein doomiges Stück („Orizzonte Del Pensiero“), später Lagerfeuerromantik („Le Ali Della Trascendenza“), danach Goten-Soundtrack („Accompagnato Dagli Spiriti“) und wieder ein blackmetallisches Stück („Legionari Dell´ Orsa Maggiore“). Am Ende fragt man sich, was uns der Künstler damit sagen will, obwohl das Werk, sofern man sich auf diesen stilistischen Amoklauf einlässt, nicht völlig ohne Reiz daherkommt. „Anamnesi“ ist der Versuch, sehr viele grundsätzlich nicht schlechte Ideen zu einem runden Potpourri zusammenzufügen, was zumindest hier noch nicht gelingt. Teilweise hörenswert, aber anstrengend und wenig schlüssig.