In der spanischsprachigen Welt sind SOZIEDAD ALKOHOLIKA eine ganz große Nummer und haben schon einige sich sehr gut verkaufende Alben veröffentlicht. „Mala Sangre“ soll nun auch den Rest der Welt von den Vorzügen der spanisch gesungenen Musik überzeugen – ob das gelingt, ist fraglich. Zu vorhersehbar, zu ähnlich und auf Dauer zu unspektakulär sind die Songs, die zudem am immer gleichen, gröligen Gesang leiden, der die durchaus gute Gitarrenarbeit buchstäblich in Grund und Boden gröhlt. SOZIEDAD ALKOHOLIKA gehen immer flott zu Werke, was für eine gute Live-Tauglichkeit der Songs spricht, aber auf Platte kann sowas schnell langweilig werden, mangels Abwechslungs, und genau das ist mit „Mala Sangre“ der Fall, da nützt auch die gute Produktion nichts. Ein paar Songs lassen sich am Stück anhören, danach wird es zu langweilig, um sich auch noch den Rest zu geben.
Seit vielen Jahren gehört die deutsche Gothic Rock-Institution LACRIMAS PROFUNDERE zum festen Inventar der Szene, doch einen großen Wurf konnte die Band trotz einer gewissen Beständigkeit bisher nicht landen. Das Problem, das auch „Songs For The Last View“ widerspiegelt, ist einfach, dass man sich, ähnlich wie etwa THE 69 EYES, HIM oder die stärkeren TRAIL OF TEARS, darauf spezialisiert hat, die Goten-Klientel mit recht simpler, eingängiger, aber auch mutloser Easy Listening-Kost zu bedienen. Nichts klingt wirklich schlecht, ist aber so vorhersehbar wie die Liebeleien und Kleinkriege bei „GZSZ“ oder „Marienhof“. Und wenn man weiß, dass die Pseudo-Düster-Gemeinde just auf musikalische 08/15-Soaps steht, dann erklärt es auch, warum Bands wie LACRIMAS PROFUNDERE nicht vom Kurs abrücken. Kein Klischee wird ausgelassen, kein Heulsusen-Schmalz umschifft. Die Songs des Albums sind durchweg hörenswert, auch wenn man einen echten Single-Hit (den solch ein Stil eigentlich fast zwangsläufig hervorbringen müsste…) vermisst. Wie es um Längen besser geht, zeigen Bands wie KATATONIA oder MY DYING BRIDE, die aber von vornherein eine z-Achse definiert haben und deutlich mehr Tiefgang bieten. Ich gebe unserem Chef Torben Recht, wenn er (nachzulesen im Review zum Vorgänger „Filthy Notes For Frozen Hearts“) der Band unterstellt, einen längst abgegrasten Kurs zu fahren und sich bei Vorbildern zu bedienen, die teilweise selbst schon längst in kreativen Sackgassen wühlen. Da hilft es auch nix, dass man sich für „Suicide Sun“ (das einem Hit noch am Nächsten kommt!) ausgiebig bei den verblichenen SENTENCED bedient hat. Die hatten wenigstens ein Einsehen, wann Schicht ist… „Songs For The Last View“ ist solide und objektiv gelungene Retortenkost ohne Anspruch, Eigenständigkeit und Seele und somit vermutlich ideal für die Zielgruppe.
Nach dem ersten Hördurchlauf des zweiten Albums der Bochumer Bombastkapelle DAWN OF DESTINY, „Rebellion In Heaven“, standen bei mir mal wieder Magen- und Darminhalt auf halb Acht, weil ich mich in der akustischen Gegenwart eines der zahlreichen NIGHTWISH-Klone gewähnt habe, der auch noch eine Trällerelse beschäftigt, bei der der rote Stimmbereich noch einige Umdrehungen höher liegt als bei Vorzeige-Heulboje Tarja – Ohrenkrebs voraus! Doch nach vier, fünf Durchläufen der Platte hält mich lediglich eben jenes doch etwas sehr piepsige Sangesorgan von Frontdame Tanja (ob die Ähnlichkeit im Namen Absicht ist?! Die gute Tanja nennt sich laut Homepage der Band alternativ Svenja… seltsam…) davon ab, den „Tipp“ für „Rebellion In Heaven“ zu zücken, denn das Album ist in seinem Bereich eine echte Perle geworden, die besonders in kompositorischer Hinsicht punktet. Man entdeckt bei diesem „Grower“ bei jeder Rotation mehr erstklassige Songs, von denen „Days Of Crying“, „Last Day“ (Killer!), „In Between“ (progressiver Oberhammer!) oder das mit einem ultraeingängigen Refrain gesegnete „Heaven´s Falling Down“ nur einige der Highlights dieser durchweg saustarken Scheibe darstellen. „Rebellion In Heaven“ ist das beste Genre-Album seit dem genialen aktuellen ELIS-Wunderwerk „Griefshire“ und für Fans von NIGHTWISH, WITIN TEMPTATION und Co. eine Pflichtveranstaltung. Klasse!
COLD WORLD werden sich lange Gedanken gemacht haben, wer ihr Deathwish Inc.-Debüt produzieren soll – mit Billy Graziadei (BIOHAZARD) haben sie eine gute Wahl getroffen, ist der Mann doch nicht nur ein guter Produzent (und verpasste „Dedicated To Babies Who Came Feet First“ einen hervorragenden Sound), sondern mit seiner alten Combo musikalischer Wegbereiter für den COLD WORLD-Stil gewesen. Die Platte geht, wie schon die „Ice Grillz“-EP zurück zu den alten New York-Zeiten, als HipHop und Hardcore einige Kollaborationen hatten, halt gemeinsam auf dicke Hose machten. So regieren auf „Dedicated To Babies Who Came Feet First“ die leicht prolligen Töne mit dickem Groove und immer wieder durchscheinendem HipHop-Einfluss im Gesang („Liars, Thieves“), ohne dass die nötige Härte verlorengeht. BLACKLISTED-George hat sich beim Titelsong das Mikro geschnappt und sorgt für noch mehr Szene-Credibility, die fast schon massenkompatiblen Töne einiger Songs müssen ja gekontert werden. Gerade die mit cleanem Gesang unterlegten Songs sind echte Knaller und überraschen doch sehr, wobei COLD WORLD es hinbekommen, die Songs in den Gesamtkontext der Scheibe einzubauen. Aber was soll das Geschwafel? „Dedicated To Babies Who Came Feet First“ ist eine vorzügliche Hardcore-Scheibe, die einem Sound frönt, der so heute kaum noch zu hören ist und das mit sehr guten Songs unterlegt. Danke dafür!
Mit ihrem im letzten Jahr erschienenen Debüt „Words Untold & Dreams Unlived“ landeten die österreichischen Melodic Metaller SERENITY einen Volltreffer, der vor Gänsehautmelodien, aber auch ordentlich Dampf nur so strotzte und seit Langem mal wieder einen richtig frischen Newcomer in einem stagnierenden Genre präsentierte. Mit „Fallen Sanctuary“ liegt nun der Nachfolger vor, der stilistisch dort beginnt, wo das Debüt aufgehört hat; kraftvolle Hymnen mit wohl dosiertem Bombast treffen auf die glasklare Powerröhre von Georg Neuhauser, der den zehn regulären Songs seinen unverkennbaren Stempel aufdrückt. Trotzdem kann das Album seinem Vorgänger nicht das Bier reichen, da es SERENITY hier irgendwie nicht schaffen, wirklich zwingende, mitreißende Stücke zu schreiben. Zwar kann man keineswegs von totalen Ausfällen sprechen, aber „Rust Of Coming Ages“ (eines der besten Stücke), „The Heartblood Symphony“ oder „Derelict“ erreichen längst nicht das hohe Niveau eines „Engraved Within“ oder „Dead Man Walking“ und wirken leicht uninspiriert. Zudem hat die Band mit dem überaus schmalzigen „Fairytales“ eine waschechte Rosamunde Pilcher-Vertonung auf dem Kerbholz, die nicht hätte sein müssen. So bleibt auch nach mehrfachem Genuss von „Fallen Sanctuary“ ein Gefühl der Ernüchterung und die Nachtigall, die man leise trapsen hört, dass SERENITY ihr Pulver verschossen haben. Schlecht ist das Album gewiss nicht, und Fans werden wohl auch ihre Freude daran haben, aber von der Aufbruchstimmung des überragenden Debüts ist leider nicht viel übrig geblieben.
Nach den gut durchgestarteten SERENITY steht mit DIGNITY der nächste viel versprechende Newcomer in Sachen Melodic Metal aus Österreich ins Haus, und es fällt nicht nur auf, dass beide Bands beim selben Label beheimatet sind und dem gleichen Stil frönen, sondern sie haben auch sehr ähnlich klingende Bandnamen. Aber DIGNITY, die 2006 von Drummer Roland Navratil und Keyboarder Frank Pitters gegründet worden sind, spielen ebenfalls auf hohem Niveau und beeindrucken besonders durch ihr Gefühl für sehr melodische Ohrwürmer mit dem angenehm gemäßigten, weichen Gesang des Schweden Jake E, der zum Glück auf die berüchtigte Kneifzange verzichtet. Auch der Rest der Band dudelt keine quietschfidelen Klimperorgien vor sich hin, sondern bewegt sich in Sachen Bombastdosierung auf einem ähnlichen Pegel wie etwa STRATOVARIUS zu „Visions“- oder „Destiny“-Zeiten. Das wird gestandene Krachfetischisten natürlich abschrecken, doch Freunde von Qualitätsmelodik werden durchweg starke Songs wie „Arrogance And Rapture“, „Dreams Never Die“, das geile „Inner Circle Sympathy“ oder die Chris De Burgh – Coverversion „Don´t Pay The Ferryman“ mit Genuss verschlingen. Lediglich das textlich arg kitschige „Cry In Despair“ fällt etwas negativ aus dem Rahmen, geht aber auch noch nicht als Katastrophe durch. Da „Project Destiny“ über die gesamte Spielzeit hinweg überzeugt, und die angesprochene Zielgruppe hier absolut gar nix falsch macht, gibt´s hier, heute und jetzt den „Tipp“ für ein rundum sehr gutes Debüt, auf das man einfach aufmerksam machen muss, auch wenn es nicht ganz so genial durch die Ziellinie läuft wie „Words Untold & Dreams Unlived“, der Erstling der oben genannten Landsmänner und Fast-Namensvettern. Runde Sache!
„Your Demons – Their Angels“ gab es vor Jahresfrist bereits von Rivel Records, Lifeforce haben sich jetzt die Rechte für eine Neuauflage geschnappt und bringen das MISERATION-Debüt unverändert in die Läden. Gab aber auch keinen Grund, da was zu verändern, überzeugt das Projekt von DIVINEFIRE-, SCAR SYMMETRY- und UNMOORED-Leuten mit gleichzeitig melodischen wie brutalen Death Metal-Songs, die in bester No Fashion Records-Tradition stehen und zudem mit einem fetten Sound ausgestattet sind. Tracks wie "Chain-Work Soul" oder das moderne "Thrones" sind noch immer echte Perlen und werden jeden Totmetaller zufrieden stellen. Vielleicht lässt sich ja auch das ein oder andere Core-Kid vom Schwedenhappen überzeugen, jetzt wo die Scheibe beim richtigen Label ist? Wer weiß? Zu wünschen wäre es MISERATION, dass ihr Debüt die Aufmerksamkeit bekommt, die es angesichts seiner hohen Qualität verdient hat.
Piano, Drums und Yelling bilden die Grundlagen des MY OWN PRIVATE ALASKA-Sounds. Das reicht, um eine emotional intensive Platte einzuspielen, die Genregrenzen sprengt, indem sie ein ruhiges Schlagzeug und Piano mit einem Screamo-Sänger zusammenbringt - und dabei richtig gut klingt. Standard-Balladen-Geseiere steht hier natürlich nicht auf dem Programm, das ist klar, dafür ist der Gesang allein zu heftig. Stattdessen setzen die Franzosen auf beklemmend-verzweifelte Atmosphäre, die schwer zu beschreiben, aber dafür umso intensiver ist. Das Grundgerüst, vom Piano vorgegeben, fräst sich den Weg ins Hirn, während das Schlagzeug für die nötige Härte sorgt und auch mal etwas Tempo macht. Der Sänger leidet derweil wie eine arme Sau und macht alle Chancen auf Massenkompatibilität gewollt zunichte. Die EP ist nix für den kuscheligen Abend mit Frau und Kind, sondern der Soundtrack für die Tage, an denen es gleichzeitg Regen und Sonnenschein gibt.
NORTH SIDE KINGS haben nach drei selbstveröffentlichten Alben schon ordentlich Erfahrung gesammelt und wissen, was sie wollen: heftigen Hardcore in bester BLOOD FOR BLOOD-Manier. Manchen vielleicht zu prollig, aber das dürfte die Amis nicht kümmern. Hier geht es um ganze Kerle, die mit ihrer Posse die Nächte durchsaufen, cool bei HC-Shows abhängen und sich auch mal prügeln. Und immer beweisen, dass sie die härtesten, coolsten, most evil Typen sind, die in der Stadt rumlaufen. Das wird in den Texten bewiesen, im Image gezeigt und durch die direkte Attitüde der Musik unterstrichen – dabei ist „Suburban Royalty“ abwechslungsreich genug, um die gute halbe Stunde zu unterhalten. Der Brüllwürfel am Mikro macht seine Sache ebenso gut wie die Saitenabteilung, die gemeinsam viel Druck aufbauen und die Songs gleichzeitig nach vorne zimmern. Unter den 15 Songs finden sich einige echte Ohrwürmer, die gerade Live ordentlich knallen dürften. Wer auf New Yorker Sound oder genannte BLOOD FOR BLOOD steht, kann hier ruhig ein Ohr riskieren. Und wer’s nicht mag, kann das ja den Jungs mal direkt sagen, die schätzen sich ein ehrliches Wort.
CHARING CROSS kommen aus der gemütlichen Schweiz und haben sich ähnlich ihren Kollegen von CRYSTAL BALL dem melodischen Heavy Metal mit starker 80er Schlagseite verschrieben. Weder musikalisch noch textlich („Kick Ass Rock N’ Roll, Forever Rockin’) wird mit Klischees gegeizt. Was aber bei diesem Sound einfach dazugehört und auch eher sympathisch als störend rüberkommt. Wäre die Scheibe vor 20 Jahren veröffentlicht worden, wären CHARING CROSS wahrscheinlich mit den deutschen STEELER, RENEGADE oder MAD MAX auf Tour gegangen. Innovationsgehalt dieser Scheibe ist zwar gleich null, ich bin aber versucht zu sagen: Na und?? Das Ding ist klassischer Hard Rock, rockt, macht viel Spaß und entwickelt seine volle Wirkung mit Sicherheit auf der Bühne. Als Soundtrack für die nächste 80er Metal Party auf jeden Fall zu empfehlen, es wird keiner merken.