Mit der letzten CD von JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE hatte ich so meine Probleme und wurde nicht so recht warm damit. "Deutschland von Vorne" liegt mir da schon eher. Dieses Mal haben sich die Jungs acht deutsche Songs vorgenommen und ziemlich durch den Wolf gedreht. So mussten unter anderem EISENVATER, DIE GOLDENEN ZITRONEN und sogar TOCOTRONIC einen Song hergeben und dran glauben. Was JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE aus "Ich verabscheue euch wegen eurer Kleinkunst zutiefst" gemacht haben, ist Fungrind pur, inklusive "Final Countdown"-Theme beim Keyboard. Sehr cool. Heftiger ist da schon "Der Greuel" von EISENVATER, was einen fast schon TOTENMOND-mäßigen nihilistischen Flair versprüht und zeitweise echt schleppend aus den Boxen kriecht. So arbeitet sich die Band durch die acht Songs und hat jedem ihren ganz eigenen Stempel aufgedrückt und unterm Strich ein respektables Ergebnis erzielt. Mir hat es gefallen, dass die Band nicht einfach stumpf acht Klassiker 1:1 nachgespielt hat (das kann jede Schülerband), sondern sich an für Metal-Verhältnisse ungewöhnliche Songs gewagt hat und diese ordentlich verändert haben, das spricht eindeutig für JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE. Für meinen Geschmack deutlich besser als "Hardcore aus der ersten Welt".
Schwierig, die Musik von MORPHYN, dem Quartett aus Karlsruhe, zu beschreiben. Die Jungs spielen zähen, räudigen, deutschsprachigen Metal, der (besonders durch den fiesen Brüllgesang von Volker Bruder) stellenweise wie ONKELZ in Zeitlupe klingt, aber auch in Richtung TOTENMOND schlägt, ohne deren Intensität und Dampframmenpower zu erreichen. "Vollkontakt" ist ganz sicher nichts für zart besaitete Deutschrocker, sondern tönt ordentlich "undergroundig" und ist auch nicht gerade sehr transparent produziert, was jedoch gut zur Musik passt. So ganz warm werde ich mit dieser EP aber nicht, denn die vier Stücke bleiben nicht wirklich hängen. "Nuklearer Tod" etwa fällt mit seinem leicht nervigen Refrain sogar eher negativ auf (ich verstehe immer: "Noch vier Jahre tot"), aber auch "Vergangenes Begleitet" und "Bewegung" sind nicht gerade mitreißende Ohrwürmer. Besser gefällt mir da schon das live mitgeschnittene "Erkenntnis", zwar auch kein Überflieger, aber mit seinem rotzigen, fast schon deathmetallischen Geknüppel (inklusive Growls) ein netter Stampfer. Auch der sehr kurze, ebenfalls todesbleierne Bonustrack fällt positiv ins Gewicht. Ganz schlecht ist "Vollkontakt" nicht, aber ich persönlich habe mich mit dieser EP etwas schwer getan und wirklich mein Fall ist sie nicht. Wer auf heftigen, deutschsprachigen Metal steht, sollte die Band aber ruhig mal anchecken!
Bei dem Bandnamen WOJCZECH habe ich eine plolnische Band erwartet, aber die Combo ist in Deutschland beheimatet und frönt auf "Sedimente" deutschen Texten. Jedenfalls haben die Songs deutsche Titel, beim Hören versteht man eh nix. Aber das soll bei Grindpunk so sein. Genauso wie die rauhe Produktion und die kurzen, brutalen Songs. WOJCZECH machen niemanden etwas vor, die Jungs haben offensichtlich Spass an knackigen Songs, die sich im Geiste alter NAPALM DEATH, REPULSION und alter Punkbands bewegen. Roh, direkt und voll auf die Fresse, egal welchen Song man anspielt. Abwechslung gibt es in den engen Grenzen, die sich die Band selbst auferlegt hat, auf jeden Fall, sogar etwas Groove hat sich versteckt ("Dogmafalle"). Wer kompromisslose brutale Mucke sucht, ist bei "Sedimente" auf jeden Fall gut aufgehoben.
"Remember, we can” sagt der gesampelte Mann am Ende von "Nightmare Inc.”, der neuen Scheibe von A TRAITOR LIKE JUDAS. Und wie recht er damit hat, denn die Braunschweiger können es richtig! Metalcore vom Allerfeinsten, an dem sich in Zukunft andere Bands messen lassen müssen. Nach der coolen Split mit UNDER SIEGE hab ich mit einem echten Knaller gerechnet, aber "Nightmare Inc." Hat meine Erwartungen um Einiges übertroffen. A TRAITOR LIKE JUDAS geben permanent Gas und verbreiten dermaßen viel Aggressivität, das selbst die wenigen ruhigen Parts wie ein Pitbull in Lauerstellung wirken. Sänger Björn hat in meinen Ohren den größten Satz gemacht und kreischt-keift sich ungemein wütend durch die Songs und verzichtet beinahe komplett auf das mittlerweile angesagte aggro/clean-Wechselspielchen. Dadurch bleibt der Silberling jederzeit im roten Bereich, was die Brutlität angeht. Denn trotz aller melodischen Gitarrenarbeit und Moshparts ist das Album von vorn bis hinten ein Ausbund an Brutlität, wie ich es 2005 selten gehört habe. Dabei vestehen es A TRAITOR LIKE JUDAS auch noch eingängig und abwechslungsreich ohne Ende zu sein, so dass ich gar nicht anders kann, als diesem Album meine uneingeschränkte Kaufempfehlung zu geben - wer mir nicht glaubt, sollte sich beim Händler seines Vetrauens einfach "A Good Day To Die" oder "You Rip Our Guts Out" anhören. Wer dann nicht angefixt ist, dem ist nicht mehr zu helfen.
Deutsch-Punk? Wegen allgemeiner Verständlichkeit fährt der Musiker in diesem Genre gerne die peinliche Schiene. Zudem stellt sich die Frage: Was ist eigentlich Punk heutzutage? Für DRITTE WAHL allerdings sind diese Fragen und Bemerkungen unerheblich, weil sich die Kapelle aus Rostock seit Anfang der 90er durch überzeugende Outputs ihre eigene Nische erspielt hat, viele, viele Platten (etwa 12) rausgebracht hat und energetische und umjubelte Live-Gigs spielt. Woran liegt’s? Auf dem neuen Rundling, dem ersten nach Buschn, geben die Meck-Pommesse viele Antworten. Fast hat es den Anschein, als pickten sich die Jungs das Beste der Kollegen raus. Immer wieder kippt die Stimmung in Richtung Slime (Refrain bei "Feige Helden"), mal die Onkelz ("Wo?" oder "Fortschritt") oder Hosen ("Zeit Bleib stehen!" oder "Alle Tage - Alle gleich"). Diese Mischung der Einflüsse mutiert zur eigenen Note, und zwar keinesfalls zweite oder dritte Wahl…. Im eigentlichen Sinne jetzt. Das obercoole "Plakativ" reicht allein als Anreiz zum Kauf, eine Ballade mit schottischem Spirit gibt’s auch ("Auf der Flucht"), eine plattdeutsche Verabschiedung, und vieles mehr wie Gastmusiker von Daily Terror und anderen. Schlimm ist "Wir kaufen uns ein kleines Stück" (fuck for Rap oder HipHop!") und auch das Reggae-Stück "Rastermann" nervt Reggae-Unfreunde trotz netter Text-Idee. Aber: Und das ist wichtig: Es gibt’s ganz viele Dosenbier-mitsing- und feier-kompatible Stücke, eigentlich alle! Und das eben macht DRITTE WAHL aus. In Sachen Stimmung sind die Nordlichter nämlich erste Wahl. Deutsch-Punk eben - überhaupt nicht peinlich.
Schon wieder eine neue Veröffentlichung von KEN? Wohl kaum - hatte doch das Koblenzer Projekt um BLACKMAIL-Sänger Aydo Abay grade im Mai diesen Jahres gleich zwei komplette und zu Recht viel umjubelte Alben auf den Markt gebracht. "Have A Nice Day" ist dann auch ein um zwei Bonus-Tracks erweiterter Re-Release des Debüts von 2002, das den Grundstein für das zur Zeit wohl interessanteste deutsche Musik-Projekt und für die bis jetzt wohl besten beiden deutschen Alternative-Alben des Jahres legte. Auf "Have A Nice Day" erinnern KEN noch wesentlich stärker an BLACKMAIL, was wohl daran liegt, dass die Ingredienzen dieselben sind: Treibende Drums, noisige Schrebbel-Gitarren, melancholische bis düstere, teils leicht psychedelische Harmonien und darüber Aydo Abays charismatischer und einzigartiger Gesang. KEN im Jahre 2002 sind dabei vielleicht noch ein bisschen eingängiger - wenn es nach vorne geht, dann grade und schnörkellos, wie in den Rockern "Husk" oder "Voltage Point", wenn es ruhiger wird, entstehen Songs wie die fast schon meditative Ballade "On(n)", und gelegentlich wird sich mit Stücken wie "Whirlpool Of Terror" und "Swell" auch mal leichter Ohrwurm-Pop und Country gegönnt. Mit "Artificial Movement" und "1/2 bb" kommen dann aber auch die Psycheledic-Fans auf ihre Kosten. Insgesamt ist das Debüt von KEN druckvoller und rockiger als die beiden Nachfolge-Alben, dafür aber noch weniger verspielt und eigenständig. Ganz davon abgesehen ist "Have A Nice Day" aber eine großartige Scheibe, die jede Menge geniale Songs enthält und intensive Stimmungen vermittelt, und die sich jeder BLACKMAIL-Fan, der nicht aufs nächste Album warten will, dringend zulegen sollte. Und jeder KEN-Fan - sofern er sie nicht schon besitzt - sowieso. Und überhaupt alle, die auf erstklassigen Indie-Rock stehen.
Dass bei den polnischen Death Metallern nach jedem Album traditionsgemäß eine EP folgt, dürfte sich bereits herumgesprochen haben. Somit ist "The Art Of War" (nach dem Album "The Beast") ein kurzes, aber wie gewohnt starkes Intermezzo geworden, das man von der Band erwarten durfte. Der leider kürzlich verstorbene Doc, dem diese EP auch gewidmet ist, wird an den Kesseln von Datay vertreten, der seine Arbeit wie sein Vorgänger höchst effektiv und höchst schnell erledigt. Wer die "Blitzkrieg 3" - Tour besucht hat, dürfte sogar schon in den Genuss von zweien der neuen Stücke gekommen sein, nämlich dem High Speed - Groover "This Is The War" und dem Stakkato - Massaker "Lead Us!!!". Beides sind hervorragende Songs im typischen VADER - Gewand. Weiterhin gibt es mit den Intros "Para Bellum" und "Banners On The Wind" zwei coole Synthie - Einlagen und mit "What Colour Is Your Blood" einen echten Oberhammer zu hören, der zu den besten Granaten der Band überhaupt zählt. Abwechselungsreich, mitbangwütig machend und sehr aggressiv, teilweise schon zähflüssig, geht die Post ab, bevor das ultrafixe "Death In Silence" den würdigen Schlusspunkt markiert. Als Bonus sind noch zwei Videoclips von "This Is The War" enthalten, jeweils ein toll aufgemachter Animationsfilm im besten "Mechwarrior" - Stil, die sich meiner Ansicht nach aber nur durch grafische Variationen und andere Szenen im Film unterscheiden. Eine sehr originelle Idee, die von gängigen Videoclip - Konzepten abweicht. Musikalisch und qualitativ gibt es an dieser Stelle ohne Frage den "Tipp", aber ob vier Songs plus zwei kurze Intros plus zwei Videos den Kaufpreis von vermutlich um die zehn Euro (und mehr!) rechtfertigen, steht wieder mal auf einem anderen Blatt. Zum Preis einer Maxi wäre "The Art Of War" jedenfalls ein echter Pflichtkauf!
Musiker aus Italien kämpfen im Metal- und Rockbiz schon mal mit einschlägigen Vorurteilen - das sie frickeln trifft aber zumindest auf SIMONE FIORLETTA (auch bei der Prog-Metal-Band Moonlight Comedy) schon zu. Der 23-jährige begann frühzeitig mit Klavierunterricht und den üblichen Verdächtigen: Beethoven, Mozart und Chopin. Als er seine wahre Passion begriff - die Gitarre - suchte er sich andere Vorbilder: Steve Vai, Joe Satriani, und Neil Zaza. Vor allem beide letztere haben es SIMONE FIORLETTA angetan. So wundert es nicht, dass sein Instrumental Album "Parallel Worlds" genügend Affinitäten zu jenen beiden Gitarrenvirtuosen aufweist. Dabei hat FIORLETTA seine stärkeren Momente wenn er es betont ruhig und melodiös angehen lässt. Dass die Songs meist angenehm kurz ausgefallen sind, wird den einen oder anderen stören, dient aber der Hörbarkeit. Anspieltipp: das als Song Nummer drei auflaufende, mit semiakustische Anfang versehene, sehr abwechslungsreiche und zunehmend an Fahrt gewinnende "The First Day Of Life" sowie das direkt darauf folgende, absolut entspannte "Blue Eyes". Wird auf "Parallel Worlds" mal ein Zahn zugelegt, bewundert man zwar die Spielkunst - an den Details dieser Songs lässt sich aber noch feilen. Gegen Ende des Albums geht der eine oder andere Track dann doch schon zu schnell wieder aus dem Ohr heraus. Selbst das nicht zu verleugnende Können kann die einsetzende Wiederholeffekte der einen oder anderen Parts nicht aufbrechen. Instrumentalfreaks mit einem Hang zu genannten Genregrößen dürfen das Teil trotzdem mal anchecken.
Die Polen HATE standen, zumindest hierzulande, immer im Schatten ihrer Landsmänner und Genrekollegen VADER. Auf der einen Seite nachvollziehbar, da beide Bands einen sehr ähnlichen Sound haben, aber andererseits besitzen HATE genug Klasse, nicht als zweitklassiges Plagiat durchzugehen. Und stilistisch sind HATE sogar noch eine Spur offener als ihre "Konkurrenten", fahren sie neben dem bekannten Highspeed - Gebretter eine fette Midtempo - Keule auf und streuen zudem, allerdings ganz dezent, Keyboard - Samples ein. Das Finale von "Hex" etwa erinnert ein wenig an FEAR FACTORY, und auch zeitgemäße Gitarrenfiepereien, wie in "Malediction", scheuen die Polen nicht. All diese Zutaten geben der Band sogar einen leichten Progressive, - und Industrial - Anstrich. Nur im Songwriting - Sektor sind die Jungs nicht ganz so stark wie ihre oben genannten Landsleute. Insgesamt ist "Anaclasis - A Haunting Gospel Of Malice And Hatred" ein sehr hörenswertes, kurzes, aber heftiges Album geworden, das sich Freunde des "Polen - Todes" ohne Bedenken in die Lauscher schießen können und das HATE hoffentlich einen Schub in Sachen Bekanntheit beschert. Cool!
Anaclasis - A Haunting Gospel Of Malice And Hatred
Die Brasilianer CONDOLENCIA machen auf ihrer "The Order That Shall Be"-EP keine Mätzchen, sondern legen dem Hörer einen wütenden Metalcoreklumpen vor die Füße, der vor Wut nur so strotzt. Growls, fette Gitarren, von stampfenden Moshparts bis puren Geballer, das sind die Eckdaten von CONDOLENCIA. Metalcore, wie ihn BORN FROM PAIN kaum besser machen können. Auf Screamo und den ganzen neumodischen Kram wird verzichtet, stattdessen setzen die Edger voll auf die klassische Symbiose von Hardcore-Attitude und Metalriffs, was fünf richtig heftige Songs hervorbringt. Die basslastige Produktion passt wie Arsch auf Eimer und drückt die Musik mit voller Wucht aus den Boxen. CONDOLENCIA bedienen alle Klischees, die alter Metalcore mittlerweile hat und das ist genau richtig! Bei nur fünf Songs ist es nicht verwunderlich, dass keine Langeweile aufkommt, aber ich bin mir sicher, dass CONDOLENCIA auch über längere Spielzeit einfach nur knallen würden. Kaufen!