Eine rasante emotionale Berg- und Talfahrt haben die Newcomer MINUS 45 DEGREES auf ihr Genet-Debüt "Mute" gebrannt. Dem Albumtitel kommen sie selten einmal für länger nach, die ruhigeren Passagen gehen mit tödlicher Sicherheit in den nächsten Abschnitt eruptiver musikalischer Aggression über, die den Hörer aufs Neue fordert. Wie so viele andere Band (prominentestes Beispiel sind SYSTEM OF A DOWN) scheren sich auch MINUS 45 DEGREES nicht um Genre-Grenzen, sondern basteln ihn ihren Hardcore-Basis-Sound alle möglichen anderen Sachen ein, solange das Endergebnis nur wahnsinnig und fordernd klingt. Denn das ist das Tolle an "Mute": trotz aller abgefahrenen Ideen, einem teilweise echt anstrengenden Sänger, ungewöhnlichen Songstrukturen und einer Affinität zum Noise kann man sich die Platte anhören, ohne blutende Ohren zu bekommen. Und allein dafür gebührt den Jungs mein voller Respekt. Auch wenn mir manchmal zu viele Ideen auf einmal in einen Song gepackt werden, ist "Mute" unterm berühmten Strich eine schöne Platte geworden, die man sich anhören kann, wenn einem nach Schreien und Toben zumute ist. Aber definitiv nicht, wenn man sich nach einem langen Tag entspannen will.
Mit dem Titel des neuesten Albums der Tschechen-Grinder werden viele Nicht-Eingeweihte sicherlich Probleme haben. Nicht-Eingeweihte in die Mysterien des simplen Grindcores. Aber auf deren Meinung legen ONANIZER garantiert keinen Wert. Kompromißlos wird nach dem lustigen Intro (mit dem kultigen Titel "Unsere Mutter ist halt anders") gegrindet, dass es eine Freude ist. Simpel, aber effektiv ballern die fünf Tschechen einen Song nach dem anderen herunter und setzen ganz auf altbewährte Grind-Zutaten, was zwar nicht sonderlich originell ist, aber darum geht’s bei solchen Scheiben auch nicht. Viel wichtiger ist ein guter - also möglichst psychopathisch - klingender Sänger, viele Blastbeats und dezent wahnsinnige Gitarren. Haben ONANIZER - und nach zehn Jahren im Business wissen sie auch, wie man es schafft, bei 16 Songs noch Abwechslung reinzubringen, trotz aller Limitierungen des Genres. Die paar Live-Tracks am Ende sind soundmäßig nicht so der Bringer und nur als netter Bonus anzusehen, die wahre Klasse der Sickos ist wie gesagt in den ersten 16 Songs zu finden. So passt der Albumtitel, wenn auch mit Abstrichen, da die Scheibe an Genre-Klassiker nicht ranreicht. Cool ist sie trotzdem.
LIAR sind ohne Frage eine der ersten Bands gewesen, die Metal und Hardcore zu dem verschmolzen hat, was heute unter der Bezeichnung Metalcore die Kids fasziniert. Kürzlich erschien ihr neues Album "Murder Manifesto" und dürfte niemanden enttäuschen, der auf den brutalen Core der Belgier steht. Genet Records haben beinahe zeitgleich die 97er Scheibe "Invictus" wiederveröffentlicht und mit einer Menge Bonussongs aufgewertet. Vor fast zehn Jahren waren LIAR noch deutlich metalliger als sie es heute sind, gerade bei den schnelleren Passagen wird das deutlich. Aber schon damals haben LIAR genauso stark auf fette Moshparts gesetzt und eine ziemliche Durchschlagskraft gehabt ("Falls Of Torment"). Textlich waren die Edger auf "Invictus" wohl so kontrovers wie nie und haben mit der Platte ihren endgültigen Durchbruch geschafft.
Neben den elf regulären Songs gibt es noch drei Bonustracks sowie elf Live-Tracks, wobei letztere aber soundmäßig etwas dünn ausgefallen sind und nicht voll überzeugen können. Auf der beiliegenden DVD gibt nochmal 14 Live-Tracks, die soundmäßig schon etwas besser sind und den Spirit einer LIAR-Show gut eingefangen haben.
Für Nachzügler und beinharte LIAR-Fans sollte die Scheibe eine Anschaffung wert sein, die elf regulären Songs sind auch heute noch erste Sahne und die Bonus-Tracks ein nettes Geschenk. Oder wie es so schön heißt: "value for money". Jau.
Leider handelt es sich bei dieser Doppel-CD nur um Zweitverwertung, und zwar um eine Kombination der beiden Alben "Cravallo Grande" und "Unisono Mafioso" aus dem Jahre 2002, die jetzt auf diese Weise im Vertrieb von Finest Noise/Code-X-Press noch einmal in die Läden gebracht werden. Leider - denn die Band aus dem Taunus birgt so viel Potential in sich, dass man sich direkt ein komplett neues Album gewünscht hätte. Glaubt man beim Opener mit seinen dominanten, elektronischen Sounds noch, es würde sich hier um Düster-Techno-Rock handeln, wird man direkt ab Track 2 eines Besseren belehrt: KILLING GAMESHOW frönen viel mehr einem Stil, der sich wohl am besten als Progressive Stoner Rock bezeichnen lässt. Klingt komisch, ist aber so: Fette Stoner-Riffs treffen auf ungrade Rhythmen und Keyboard-Sounds, kombiniert mit teilweise geradezu episch aufgebauten Songs. Zwangsläufig lassen dabei DREAM THEATER des öfteren grüßen, genauso aber auch KYUSS und TOOL. Den vier Hessen geht das alles locker von der Hand, und man ist immer wieder über deren spielerische Fähigkeiten erstaunt. Als erstes fallen einem die gute Gitarrenarbeit und der exzellente Gesang auf, bei genauerem Hinhören ist die Leistung des Schlagwerkers aber mindestens genauso hoch zu würdigen. Dazu entwickeln sich aus den Songs heraus immer wieder tolle Ohrwurm-Melodien, und das Ganze ist auch noch oberfett und gleichzeitig transparent produziert. Einziger Kritikpunkt sind die Keyboards, die an einigen - zum Glück aber nur wenigen - Stellen zu sehr im Vordergrund rumfiepsen und dann schnell nerven. Allerdings frage ich mich doch, warum die Jungs nicht einfach ein neues Album aufgenommen haben. Ideen scheinen mehr als ausreichend vorhanden zu sein.
Black Metal und die "harte" deutsche Sprache scheinen ja super miteinander zu harmonieren, besonders, wenn man auf reichlich destruktive Begriffe wie "Panzerfaust", "Operation Wintersturm", "Frostnacht" (das 2002er Demo der Dämonenheimer) oder eben "Schlachtfeld" zurückgreift. Wenn dann noch Black Metal Krieg ist, DARKTHRONE´s "Transylvanian Hunger" vermutlich als überproduzierte Kommerzkacke durchgeht, und man jetzt schon plant, 2007 die Harzer Sagenwelt zu vertonen, dann bleibt mir nur die Erkenntnis, dass hier konsequent am gesunden Menschenverstand vorbeigearbeitet wurde. Aber halt: ganz so übel, wie man jetzt vielleicht denken mag, ist das Trio Carcharoth, TH und Asakh dann doch nicht, denn der reichlich abgefuckte Black Metal hat durchaus seine Stärken, und die Jungs prügeln nicht hirnlos drauf los, sondern wissen schon, wie man mit geschickten Tempowechseln, Melodien und rasender Aggression umgeht. Allerdings kann man "Schlachtfeld" (das auf 666 Exemplare begrenzt ist - Kommentar überflüssig!) nur absoluten Schwarzwurzel - Maniacs empfehlen! Eine Produktion ist quasi nicht vorhanden, und das Getrümmere klingt völlig roh und geht als das durch, was in Szenekreisen gerne als "True Black Metal" gehandelt wird. Die deutschsprachigen Texte passen einerseits sehr gut zur stilistischen Ausrichtung, wirken aber auch etwas dick aufgetragen und tönen reichlich düster - klischeehaft, was wohl auch so sein soll. "Schlachtfeld" ist garantiert kein Album für die breite Masse, aber mit der nötigen Antenne macht es wirklich Laune und geht als cooler Underground - Release durch!
Mit ihrem 2004er Meisterwerk "Stab Wounds" haben die Landshuter Bläckies wohl eine der besten Schwarzmetall - Platten aufgenommen, die jemals in Deutschland erschienen sind! Düster wie die Nacht, richtig aggressiv und dabei höchst anspruchsvoll! Drei Wünsche auf einmal? Das geht nun wirklich nicht! Ha! Doch, denn DARK FORTRESS machen uns auch Anfang 2006 vor, wie echter Black Metal zu klingen hat; düster wie die Nacht, richtig aggressiv und höchst anspruchsvoll! Dabei hat sich auf "Séance", so der Name der neuen Wunderwaffe, noch ein weiteres Attribut eingeschlichen, nämlich die für Black Metal - Verhältnisse ungewöhnlich hohe Experimentierfreude. Keine Sorge, Elektronik und tanzbarer Dark Wave - Schnickschnack sind natürlich nach wie vor kein Thema, aber Fans, die ausschließlich auf pures Gehacke abfahren, könnten mit "Séance" leicht überfordert sein. Songs wie das böse, schleichende und mit Tribal - artigen Sounds und Streichern versehene "While They Sleep" oder das ebenfalls entartete "Incide" (mit coolen Schreien) sind im schwarzen Genre "business as unusual"! Natürlich gibt´s mit dem Opener "Ghastly Indoctrination", "To Harvest The Artefacts Of Mockery" oder der überragenden Abschlusskeule "Insomnia" auch Material, das größtenteils in bewährter Tradition losdonnert, trotzdem jedoch auch alles andere als leichtverdaulich ist. "Séance" ist anders als "Stab Wounds", aber doch unverkennbar DARK FORTRESS! Die Weiterentwicklung fand hier ganz klar in Richtung Weltoffenheit und Progressivität statt, und nur die Fraktionen der "pseudo - truen" Pandas und der Gehörlosen dürften sich einig sein, es hier nicht mit einer der vielleicht wegweisendsten Black Metal - Bands unserer Zeit zu tun zu haben! Ganz, ganz groß!!!
Ich gebe gerne zu, dass ich die ersten beiden Alben der finnischen Senkrechtstarter H.I.M. auch heute noch stark finde, da die Jungs früher melancholischen, knackigen und sehr eingängigen Düsterrock spielten. Doch im Laufe der Jahre verkam die Band immer mehr zur eigenen Parodie mit Mitheulgarantie. Und genau hier steigen die Kopisten von SOULRELIC ein, deren Debüt "Love Is A Lie We Both Believed" (schmalziger geht´s nimmer mehr…) sicher alle Samt und Seide tragenden Goth - Girlies im Kollektiv feucht werden lässt. Plakativer Kitsch vom Allerfeinsten, wobei die Musik an sich gar nicht mal wirklich schlecht ist. Aber Stücke wie der Opener "Hollow Craving", das fixe, durchaus gelungene "Down On My Path" ("Right Here In My Arms" lässt grüßen!) oder "Tears Are Home" (ohne Worte…) sind einfach viel zu gleichförmig und berechnet ausgefallen. Man hört hier die mittelmäßige Kopie so deutlich heraus, dass ich SOULRELIC und ihre Musik einfach nicht ernst nehmen kann. Wer das Original um Ville Valo kaum kennt oder auch heute noch genial findet, der wird mit "Love Is A Lie We Both Believed" (erwähnte ich schon, wie debil dieser Titel ist…?!) ohne Frage eine professionell aufgemachte (die gute Produktion stammt von Hiili Hiilesmaa), musikalisch okaye und auf die angepeilte Zielgruppe zugeschnittene Scheibe vorfinden. Aber ich kenne mindestens eine Person, die diese Band, inklusive ihrem nur noch lachhaften Outfit, überflüssig hoch zehn findet…
Viel erwartet haben wird kaum einer mehr etwas von CLAWFINGER. Zu wenig signifikant waren die Fußabdrücke die ihre letzten Alben hinterlassen haben. Ob ein Album wie "Hate Yourself With Style" an dieser Stelle dann wirklich noch erstaunt, bleibt fraglich. Und doch: CLAWFINGER setzen vieles auf eine Karte und eröffnen ihr neues Werk erstaunlich hart und erstaunlich sperrig. Das ist lange nicht mehr der zwanglose Crossover wie in den Neunzigern, sondern recht gitarrenlastiger und kaum zugänglicher Metal. "The Faggot In You" und dem Titelsong "Hate Yourself With Style” fehlen dabei in meinen Ohren aber die zündenden Idee, um dem lärmigen Sound eine Identität zu geben. Und genau dafür wiederum ist Sänger Tell erneut ein Garant. Unverkennbar sind seine Betonungen und der Klang seiner prägnanten Vocals - love it or hate it. CLAWFINGER haben selten dermaßen brachiale Gitarren wie bei "Hypocrite" am Start gehabt, ein beinahe thrashiges Tempo mischt sich bei "Breakout (Embrace The Child Inside You)" mit einem großartigen Chorus. Man muss die Hits auf "Hate Yourself With Style" aber schon etwas suchen, wird aber das ein ums andere Mal auch fündig. Und auch wenn sie bei "Without A Case" einen Effekt zur Hilfe nehmen müssen und der Chorus auf bewährte Melodien setzt: Der Song bleibt definitiv im Ohr und dürfte als potentielle Single rotieren. Einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt so was wie "God Is Dead", das - vom textlich eher ausgelutschten Thema abgesehen - im Chorus stark beginnt, die Chance auf echt originelles aber verspielt. Es bleibt dabei dass CLAWFINGER um Neues eher vorsichtig tänzeln als sich wild draufzustürzen - und bei Tells wenig konsensfähiger Art zu singen. Besser als die letzten Alben überzeugen CLAWFINGER dennoch nicht mehr. Vielleicht sind wir Hörer auch einfach schneller alt geworden als die Band - denn zeitlos war ihre Musik ja eigentlich nie.
HATE PROFILE ist das Kind eines einzigen Mannes mit dem griffigen Pseudonym Amon 418, der sich im italienischen Underground wohl schon einen Namen gemacht hat. "The Khaos Hatefile" ist das erste Album des Italieners, der sich für die Drums den ANCIENT-Schlagwerker ins Studio geholt hat, für den Rest aber alleinverantwortlich war. Der Mann scheint durchaus fähig zu sein, denn sowohl Gesang als auch Gitarrenarbeit auf "The Khaos Hatefile" wissen zu gefallen und sind gehobener Genre-Standard. Geboten wird flotter Black Metal mit vielen melodischen Einschüben und nur wenig Keyboard-Gedudel. Unterlegt von einer abwechslungsreichen Gitarrenarbeit, die alle Genre-Anforderungen abdeckt und voller Ideen steckt, kommt die keifende Stimme des Meisters himself gut zur Geltung und kann die Dreiviertelstunde lang problemlos überzeugen. Große Innovation sollte man zwar nicht erwarten, aber HATE PROFILE bieten soliden Black Metal, der gut produziert ist und nicht langweilt. Ist doch schon mal was - und wer weiß, was uns auf den nächsten (bereits fertigen) beiden Alben erwartet. Hoffentlich Black Metal ähnlicher Güteklasse.
Nach zwei Alben auf DIY-Label haben RIFU endlich eine "richtige” Plattenfirma gefunden und könenn ihren HC/ Punk einem größeren Publikum bieten. Im Underground ist das Norweger-Quartet schon seit langem eine feste Größe und hat bereits einige Touren durch deutsche Lande absolviert. Wer nun fürchtet, dass das Labeldebüt in irgendeiner Form glattgeschliffen oder poppig klingt, kann beruhigt aufatmen. "Bombs For Food, Mines For Freedom" ist wütend und politisch wie seine beiden famosen Vorgänger und wird jeden RIFU-Fan ganz sicher zufriedenstellen. Wie eh und je rocken die Trondheimer Jungs und schaffen einen Groove, dem sich niemand Lebendiges entziehen kann. Treibende Rocker wie das exemplarische "Sold Out World" oder das abschließende "Massacre Of Man" zeigen RIFU in Bestform und kompromißlos politisch engagiert. Der Gesang ist im Vergleich zu "Dead End Street" etwas roher geworden und ging mir an manchen Stellen echt auf die Nerven, gerade wenn sich im cleanen Schreien versucht wurde. Sobald aber die gewohnte rotzige Stimme erklingt, ist alles wieder gut und RIFU kehren zu alter Klasse zurück. Allzuoft wird beim Gesang nicht experimentiert, von dhaer ist das nur ein kleines Manko, das von den sägenden Gitarren, peitschenden Songs und dem unwiderstehlichen Groove locker wettgemacht wird. Rotzrock aus Schweden? Pah, Punkrock aus Norwegen! Viva la revolution!