Während hierzulande Mann und Maus über die geplante Rente mit 67 meckern, gibt es auf dem restlichen Kontinent noch Leute, die solche Auswüchse des nicht mehr vorhandenen Sozialstaates nur mit einem müden Grinsen kommentieren. Man nehme nur den 100 - jährigen, englischen Automechaniker, der immer noch Tag für Tag zur Arbeit geht oder eben seine Landsmänner von UFO. Die Band nähert sich ihrem 40sten Dienstjubiläum, veröffentlicht aber immer noch regelmäßig überdurchschnittlich gute Alben. Ob mit oder ohne Schenkers Michael, interessiert mittlerweile keine Sau mehr, denn auch ohne den Gitarren - "Rockstar" müssen sich UFO nicht verstecken. Vinnie Moore ist an der Sechssaitigen ebenfalls ein Meister seines Faches und präsentiert mit seiner Mannschaft erneut ein Feuerwerk aus stark bluesigem Hard Rock. "The Monkey Puzzle" ist seinem Vorgänger "You Are Here" sehr ähnlich, lebt zu großen Teilen von Phil Mogg´s verrauchter, superber Stimme und dürfte jedem Ufologen gefallen, der mittlerweile eingesehen hat, dass die ganz großen Tage dieser Legende wohl endgültig gegessen sind. Mit Andy Parker gibt auch ein neuer Drummer seinen Einstand, der John Bonham´s Sohnemann Jason gebührend ersetzt. Das Album bietet also sehr gute Hausmannskost ohne Schnörkel oder Experimente, wovon man sich beim Hören von groovigen Rockern der Marke "Hard Being Me", "Who´s Fooling Who" oder dem mit AC/DC´s "Dirty Deeds Done Dirt Cheap" kokettierenden "Black And Blue" überzeugen kann. UFO bedienen ihre Basis wieder einmal angemessen, wenig aufregend, aber immer überzeugend. Rente? Nicht in Sicht!
TILLMANN nennt sich ein bayrisches Trio aus Augsburg und München welche Abseits des deutschsprachigen Mainstreams agieren, auf ihre eigene Art Retro sind und lobenswerter Weise Anbiederungen an Radio und TV vermeiden. Der Opener "Geld, Gold & Glücklichsein" erinnert zwar fatal an Farin und seine Ärzte - bekommt aber mit der Zeit eine eigenständige Note und bleibt bös gesellschaftskritisch. Das nachfolgende "Blütenrausch" erhebt diesen Anspruch wohl auch, kann aber nicht vollends überzeugen und fällt leicht ab; der Song klingt einfach etwas zu flach. Dies allerdings wohl mit Kalkül. Denn mit neuer deutscher Härte und ähnlichem haben Tillmann nun gar nichts am Hut - stattdessen wird Punkattitüde mit (tatsächlich) NDW-mäßigen Synthiesounds gemischt. Der schon recht rockende Track "Schwimmen im Meer" hat Hitpotential und "Wachs auf die Haut" könnte fast aus alten Westernhagen-Tagen stammen. Das Ideal-Cover "Eisbär" lässt allerdings den letzten Kick vermissen (oder ist das Original doch einfach schon zu gut) und für Pogo dürfte das Ganze heutzutage einen Tick zu brav sein. Zum Schluss gibt es einen Viererpack mit "Geschichten aus dem All", schon etwas gewöhnungsbedürftig, aber dabei wird doch eine interessante und witzige Atmosphäre erzeugt ("Braunschweig, wir haben ein Problem"). Zu Gute halten muss man TILLMANN aber die durchaus gelungen alltäglichen Texte mit recht kritischen Untertönen - abseits der Plattheiten der heutigen Popmusik (oder Popbands die sich für Rockacts halten) und ohne den Besserwissereffekt mancher professionellen Studentencombo. Als Alternative zwischendurch ist "Vorsicht, Fahrstuhl!" damit schon genehmigt - ansonsten ist die Scheibe definitiv nichts für jedermann.
HARMS WAY generierten sich in 2004 aus den ehemaligen Terra Firma und übernahmen deren letzten Albumtitel kurzerhand als Bandname. Das schwedische Quartett um Gitarrist Freddie und Sänger/Bassist Dim legt nun mit "Oxytocin" ihr Debüt vor, welches schön stonermäßig fett rüber kommt, so dass Songs wie der instrumentale "Tsunami", der fetzige Opener "As Time Goes By", das auch mal phasenweise in ruhigerem Fahrwasser daherkommende "Million Ways" und der Melodiekracher "9 Out Of 10" mit kräftig Groove aus den Boxen wabern. Die beiden HARMS WAY Gitarristen lassen auch Solo nichts anbrennen und gesanglich liegt auf "Oxytocin" auch alles im grünen, sprich rauchigen und whiskeytrinkenden Bereich. Genregrößen wie Kyuss, Fu Manchu & Co. werden zwar deutlich verfehlt - HARMS WAY agieren über weite Teile auch deutlich metalischer als die Wüstenkings und lassen eine Affinität zu Monster Magnet durchscheinen - aber die Nordeuropäer haben mit ihrem Debüt "Oxytocin" ein ausbaufähiges Werk vorgelegt, das Stonerfreaks durchaus mal anchecken sollten.
Das sechste Album der TURBO A.C.´s bedeutet einen echten Einschnitt in der zehnjährigen Bandgeschichte, denn zum ersten Mal hat sich das Ur-Line-Up geändert. So sind die New Yorker Surf-Punks mit einem neuen Bassisten am Start und haben jetzt außerdem einen zweiten Gitarristen an Bord. Und tatsächlich hat sich auch der Gesamtsound etwas verändert. Klingen die Songs selbst größtenteils noch sehr typisch, unterscheidet sich die Produktion von den Vorgänger-Releases teils erheblich. Die Drums stehen sehr im Vordergrund, die Gitarren dagegen sind zurückgetreten und klingen weniger fett, sondern roher, lärmiger und oft auch etwas verwaschen. Der Bass-Sound dagegen ist an Druck und Dreck kaum zu überbieten, und überhaupt macht Basser Tim Lozada eine äußerst gute Figur und haut ein geniales Bass-Riff nach dem anderen raus. Kevin Coles Gesang hat sich ebenfalls verändert: Er klingt tiefer und dunkler, ist oft auch verfremdet, vor allem durch einen Telefonhörer-Effekt sowie eine leichte Zerre, und tritt an vielen Stellen hinter die anderen Instrumente zurück. Insgesamt klingen die neuen TURBO A.C.´s passagenweise düsterer als die alten und begeben sich immer wieder auch in fies groovende Midtempo-Gefilde, wie in "Free Ride" oder "Save Me". Was geblieben ist, sind die typischen Ohrwurm-Refrains und ebenso die Wo-ho-ho-Background-Gesänge, wobei diese aber seltsam weit im Hintergrund zu hören sind. Ebenso gibt es weiterhin die schönen Surf-Gitarren-Themen von Kevin Cole, aber auch die stehen viel weniger im Vordergrund als gewohnt. Was komplett unverändert geblieben ist, ist die schöne B-Movie-Atmosphäre, zu hören z. B. im Horrorfilm-artigen Intro von "Save Me" oder in "Nomads", das mit einer Passage beginnt, die klingt, als wäre sie einem Spaghetti-Western-Soundtrack entsprungen. Es soll hier keineswegs der Eindruck entstehen, dass "Live To Win" ein schlechtes Album sei, zumal mit Songs wie "Genuine", "Overdrive" oder "X-Ray" ein paar hammermäßige Granaten abgeliefert werden, die den Jungs niemand so schnell nachmacht. Ich persönlich bin mit dem neuen TURBO A.C.´s-Sound aber noch nicht so recht warm geworden, und der oberdreckige Brat-Sound des letzten Albums "Avenue X" sagt mir weitaus mehr zu. Vielleicht ist das lediglich Gewöhnungssache, aber ich kann mir vorstellen, dass sich viele Fans damit ebenfalls etwas schwer tun werden.
Eine Internetsuche nach TWELVE TRIBES fördet haufenweise Infos über die zwölf Stämme Israels hervor - ob der Ami-Fünfer was damit zu tun hat? Nicht nut der Bandname ist ein wenig aus der Spur, auch die Songs versuchen sich den Erwartungen an eine Platte, auf der Metalcore steht, zu entziehen. Das treibende "Televengalist" startet mit einem echten Killerriff, um dann in einen SloMo-Part zu münden, der einen unglaublichen Druck aufbaut, um dann wieder in einen treibenden, melodiösen Part mit Backing Shouts zu enden. Genre-Standards wie clean gesungene Parts ("Pagan Self Portrait") oder Moshparts finden sich natürlich auch zuhauf, insgesamt versuchen TWELVE TRIBES aber schon, eigene Wege zu gehen und aus den Grenzen auszubrechen. Das gelingt ihnen zwar nicht immer hundertprozentig, aber oft und gut genug, um "Midwest Pandemic" aus dem Metalcore-Sumpf herausragen zu lassen. Drummer Shane verleiht dem Ganzen die notwendige, kaum gezügelte Brutlität, die von Sänger Adam stimmlich ebenbürtig umgesetzt wird. Die Platte wird so zu einem Hassklumpen, der am Anfang schwer zugänglich ist und Einarbeitungszeit fordert, dann aber um so mehr zündet. Wäre eine Schande, wenn die Scheibe untergeht, nur weil das Etikett Metalcore draufklebt. Laßt das nicht passieren!
Ein ziemlich intensives Brett haben ALIENACJA mit ihrer ersten Veröffentlichung vorzuweisen. Die acht Songs auf "Blades Shall Speak" (das im schicken Digi mit sehr schönem Cover veröffentlicht wird) sind ein gnadenloses, technisch anspruchsvolles Death/ Grind-Geballer, das unbedarften Hörern die Lauscher bluten werden. Die Polen blasten was das Zeug hält, lassen die Songs in irrwitzigem Tempo vorbeirauschen und haben in ihrer Gitarrenarbeit Genie und Wahnsinn den gleichen Stellenwert gelesen. Langsame melodischere Parts kommen ziemlich unvermittelt ("Organizm") und sind durch den irren Gesang und die im Hintergrund lauernden Drums nicht wirklich zum Verschnaufen gedacht. Es ist zwar nicht sonderlich innovativ, was ALIENACJA hier vom Stapel lassen, aber Underground-Freaks mit einem Faible für Ami-Geballer können ihre Euros guten Gewissens investieren, die acht Songs sind gehobene Genre-Kost und gut produziert.
LAW FOUND GUILT sind die erste österreichische Emo-Band, die in meinem Player landet. Wieder eine Lücke geschlossen. Ob sich die EP der Band aber lange in meinem Ohr festsetzt, ist fraglich. Zu austauschbar, zu poppig ist ihr Emocore. Alles ordentlich gespielt, mit gutem Gesang und einigen guten Ideen bei den Gitarren, aber auch irgendwie belanglos. Das wäre nicht so wild, wenn LAW FOUND GUILT einen oder zwei richtig geile Songs geschrieben hätten, so richtige Hits oder "Tanzflächefeger" wie El Cheffe immer sagt. Aber nix, "Till The Water Comes" hat zwar einen netten Chorus und "Balance" einen schönen Groove, sind aber beides trotzdem keine Krachersongs. "Aspahlt And Concrete" reiht sich so in die Schar der großen, belanglosen, langweiligen Veröffentlichungen ein, die das Genre in der letzten Zeit ertragen muss. Mit einem Wort: überflüssig.
Nach der 98er Scheibe "The Only Pure Hate" haben sich A CANOROUS QUINTET getrennt, um anderen Projekten nachzugehen, u.a. GUIDANCE OF SIN und AMON AMARTH. Nach ein paar Jahren Pause, in denen eigentlich nur Drummer Fredrik mit AMON AMARTH richtig erfolgreich war (und ist), haben sich die fünf Schweden mal wieder getroffen und Bock gehabt, wieder zusammen zu zocken. Herausgekommen ist eine moderne Death Metal-Scheibe, bei der zwar oft die Vergangenheit durchscheint, die insgesamt mit Klassikern des Schwedentods wie "The Only Pure Hate" nicht mehr viel gemein hat. Da ist es nur konsequent, dass die Chose unter neuem Namen veröffentlicht wird. THIS ENDING orientieren sich stark an neueren SOILWORK oder IN FLAMES, wenn auch die Gitarren oft genug die Brücke zu alten ACQ-Zeiten schlagen. So ist "Inside The Machine" (das mit einer zum Titel passenden, klinischen Produktion aufwartet), ein gelungener Brückenschlag über beinahe eine Dekade. Über die Fähigkeiten der Mucker muss hier nicht viel gesagt werden, da sind echte Könner am Werk. Sänger Mårten hat eine etwas kraftvollere Stimme und Drummer Fredrik hat während seiner Wikinger-Zeit oft genug bewiesen, dass er seinen Job mehr als gut macht. Die Gitarren strotzen vor eingängigen Melodien, haben manchmal diesen leidenden Unterton, der ACQ so genial machte, und verstehen sich ebensogut auf gnadenlos moderne Riffs, besonders "Into Pain" strotzt davon. Bis auf das lahme "Lidless Eyes" (klingt genauso langweilig wie ARCH ENEMY) gibt es auch beim Songwriting nichts zu meckern, jeder Schwedenfreund sollte daher die Scheibe zumindest antesten. Welcome back, boys!
Was für die "Propaganda" Maxi galt, behält natürlich auch beim ersten regulären Album von DACIA AND THE WEAPONS OF MASS DESTRUCTION seine Gültigkeit: Der Song "Who’s To Say" macht gute Laune. Noch einen Happen zackiger und fetziger folgt "Rockabilly Bitch" auf dem Fuße. Ein schöner Einstieg mit rockigen Songs. Zu den flotten Sounds passt die freche Stimme Dacias wie die Faust aufs Auge. Nicht selten klingt sie, als sei sie lasziv um den Mikrophonständer gewickelt. Die Songs der "Communist"-Klasse überzeugen mich voll, genauso wie die beiden Balladen "Sorry" und "Loosing You". Bei "Loosing You" ist gar Meister Lemmy persönlich zu hören - ein schöner Kontrast der erstaunlich gut zu der nachdenklichen Melodie passt. Die modern rockige Musik klingt wirklich frisch, leider gibt es bei allen kleinen Abwechslungen auch Längen wie das sanft dahinplätschernde Elektronika-Pop Nümmerchen "Stop And Stare" oder den kaum Spuren hinterlassenden Softcrossover-Happen "Change The World" mit kraftlosen zweiten Vocals im Chorus. Das Debut der Schwabenband und der singenden Wahl-Schwäbin ist wahrscheinlich nicht griffig genug um hängen zu bleiben und sie könnte das TAPE Schicksal ereilen: Die Reduktion auf den einen oder anderen Song der es durch ein glückliches Schicksal zu etwas Airplay gelangt. Die "Limited Edition" kann mit zwei weiteren Songs ("First Time" und "The Universe") aufwarten.
THE DISTANCE sind eine der fleißigsten Bands, was Veröffentlichungen angeht, auf so viele EPs und Splits (u.a. mit WITH HONOR) wie THE DISTANCE in vier Jahren veröffentlicht haben, kommen andere Combos in zwanzig Jahren nicht. Nach sehr old schooliger Anfangsphase ist die Musik des Quartetts immer melodischer geworden und klingt COMEBACK KID und WITH HONOR sehr ähnlich, wobei THE DISTANCE etwas poppiger sind. Die Songs sind allesamt flott gespielt, mit leicht punkigem Touch, und bleiben dank der melodiösen Gitarren sehr schnell im Ohr hängen, auch wenn Gitarrist Chino gerne mal etwas heftiger zur Sache geht. Sänger Jason könnte manchen deutschen Fan an eine Hardcore-Variante von Farin Urlaub erinnern, jedenfalls in den cleanen Parts. Auf die verläßt er sich aber nicht allein, oft genug wird er aggressiver und rückt in die Nähe von COMENACK KID. Um ein ähnlicher Hit wie "Wake The Dead" zu werden, fehlen THE DISTANCE auf diesem Album die wirklichen Knaller-Songs. Das ist zwar alles ganz nett und streckenweise erstklassig, aber kein Song brennt sich wirklich in die Hirnwindungen ein und bleibt dort wochenlang, wie es etwas "False Iolds Fall" tat. Für einen Platz im oberen Drittel der melodischen HC-Liga reicht es für THE DISTANCE allemal, mit Tendenz nach oben.