Es gibt Scheiben, die die volle Aufmerksamkeit des Hörers erfordern und zum Nebenbeihören so gar nicht geeignet sind. "Others", das Drittwerk der Franzosen DISTRESS, ist so eine Scheibe. Wer sich nicht die Zeit nimmt, die zehn Songs aufmerksam zu verfolgen, wird die dunkle Atmosphäre der Musik nicht aufnehmen können und eine kleine Perle des Düstergenres übersehen. DISTRESS bedienen sich munter beim Black Metal, ("Herm-Aphrodite Bells" gemahnt an DAWN, während der Opener den Bogen zu richtig alten DIMMU BORGIR schlägt), melodischem Schwedentod und progressiven Kapellen (besonders OPETH). Das diese Teile zu einem stimmigen, atmosphärisch dichtem Gesamtbild zusammengefügt wurden, ist eine Zeugnis für die Fähigkeiten der Bands. Einzelne Songs aus dem diesem Kollektiv herauszunehmen ist kaum möglich, da sich alle auf gleich hohem Niveau bewegen und die Scheibe zudem erst im Gesamtkontext ihre Atmosphäre aufbauen kann. Wütend, melancholisch, verzweifelt, dunkel - so lassen sich die Koordinaten des DISTRESS-Sounds beschreiben, der auch produktionstechnisch keine Wünsche offenlässt. Neben dem klaren Gesang, der zwischen BORKNAGAR und OPETH liegt, können besonders die Growls und die melancholischen Gitarrenparts beeindrucken. DISTRESS verstehen es hörbar, spannend-komplexe Alben zu erschaffen, die den Hörer zu fesseln verstehen und trotz Überlange nie langweilig werden - "Others" ist dafür der erneute Beweis. Daumen hoch!
Das zwar sehr hörenswerte, aber noch nicht ganz ausgereifte Debüt "Return In Bloodred" der deutsch-rumänischen Formation POWERWOLF war bereits ein kleiner Wegweiser, was aus dieser Band werden könnte, wenn sie ihre Stärken noch besser zu guten Songs bündeln würde. Aber einen solchen Kracher wie "Lupus Dei" hätte ich den Jungs noch nicht zugetraut! POWERWOLF haben sich hier unglaublich gesteigert und liefern ein Album voller Party-Granaten ab, die man bereits nach einmaligem Hören und mit 5,7 Promille auf der Uhr fehlerfrei mitbölken kann. Klar, rein stilistisch ist ihr hymnenhafter (Power-) Metal der Marke W.A.S.P., TWISTED SISTER, LORDI oder auch Alice Cooper (gerade in Bezug auf die Horrorthematik) nix Neues, und gerade im Gitarrenbereich klaut man gerne, viel und oft bei MAIDEN, aber wenn alle Bands ihre Einflüsse so genial umsetzten, dann dürfte auch mehr geklaut werden! Wird mit dem Stampfer "We Take It From The Living" noch ein wenig unspektakulär gestartet, so entpuppen sich bis auf den abschließenden, getragenen, aber auch etwas experimentellen Titelsong alle (!) weiteren Stücke auf "Lupus Dei" als geile Hymnen, die ohne Umwege direkt ins Blut gehen. "Prayer In The Dark", "Saturday Satan", "Behind The Leathermask" oder "Tiger Of Sabrod" könnten ohne Probleme von "Crimson Idol" oder "Stay Hungry" stammen, und die oftmals eingestreuten Chöre sorgen für noch mehr Dampfhammer-Bombast. "Lupus Dei" zaubert sicher nicht nur mir ein diabolisch breites Grinsen ins Gesicht und überzeugt mit seiner unglaublich hohen Hitdichte auf ganzer Linie. Keine Ahnung, wie sich POWERWOLF da noch steigern wollen, denn normal entscheidet ja das "legendäre" dritte Album über den Werdegang einer Band. Nicht nur für Fans der oben genannten Bands ein absoluter Pflichtkauf!
Die britische Band WILDKARD ist aus dem mehr oder weniger bekannten Hard Rock-Act KICK hervorgegangen, was die beiden Macher Chris Jones und Mikey J. gleich dazu genutzt haben, altes Songmaterial aus KICK-Zeiten, sowie eigene Überreste aus den 90ern zusammenzutragen und auf "Megalomania" zu veröffentlichen. Mit Nick Workman wurde dazu noch ein sehr fähiger, kraftvoll-melodisch agierender Sänger gefunden, und fertig ist ein durchaus gelungener Einstand, der Hard Rockern und AOR-Fans gleichermaßen gefallen dürfte. Mich erinnern WILDKARD ein wenig an PRAYING MANTIS, erreichen aber nicht deren Hitdichte, was vor Allem damit zusammenhängt, dass die Band (die für "Megalomania" gleich drei (!) Keyboarder, sowie einen Gitarristen und einen Drummer als Gäste verpflichtet hat) über weite Strecken recht kitschbehaftet zur Sache geht, was man gut an Stücken wie "Whispers In The Dark", "Wake Me Up When It´s Over" oder "When Everything Has Changed" nachvollziehen kann. Schwach sind WILDKARD dabei nicht, aber deutlich besser gehen sie ab, wenn sie hymnische Stampfer der Marke "All I Have" (klasse!) oder atmosphärische Rocker wie "Something Strange" auspacken. Das macht "Megalomania" zu einem hörenswerten Album, lediglich die schon zig tausendfach in anderen Versionen gehörten "Radioballaden" sollten sie beim nächsten Mal zurückfahren und eher ihrer kernigeren Seite den Vorzug geben.
Die Italiener ELDRITCH gehören in ihrem Heimatland zum Besten, was die Szene zu bieten hat, und wir alle wissen, dass das im Falle Italien nicht allzu viel ist. Was die musikalische Ausrichtung ihres neuen Werkes "Blackenday" betrifft, kann ich mich nur dem Review meines Kollegen Knacki vom letzten Album "Neighbourhell" anschließen. Die Band reichert ihren sehr melodischen Metal mit vielen thrashigen Elementen und ordentlich Dampf an und erinnert nicht selten an METALLICA zu "… And Justice For all",- oder "Black"-Zeiten. Aber auch die Sache mit den besten Songs am Anfang trifft auf "Blackenday" leider zu, denn mit dem erstklassigen Opener "Silent Flame", dem schnellen "The Deep Sleep" und dem geilen Titelsong fährt man Material der Güteklasse 1A auf, kann auf dem Rest des Albums aber nicht mehr ganz daran anknüpfen. Zwar hat man etwa mit der nach vorne peitschenden Hymne "Black Rain", dem Stampfer "Rumors" oder dem sehr modernen Groover "The Fire" noch einige starke Songs in der Hinterhand, aber die ganz große Klasse wird leider nicht mehr erreicht. Trotz dieses anscheinend wiederkehrenden Phänomens schaffen es ELDRITCH aber immer noch, den Großteil ihrer Landsleute und Genrekollegen ganz lässig abzuhängen und untermauern ihren Status einmal mehr mit "Blackenday", einem wirklich guten Album, mit dem Fans von melodischem Metal garantiert nix verkehrt machen.
Philip Santoll (Vocals, Guitars, Programming) ist NONEXISTENCE, NONEXISTENCE sind Cosmic Doom Black Metal - laut eigener Stilbeschreibung - Solo für Selbstmord sozusagen. Texte, Erscheinungsbild, CD-Titel - all das lässt auf suizidale Musik schließen. Nur leider kann die Mucke in Sachen Trauer-Rate und Melancholie-Faktor nicht ganz mithalten. Das Projekt wird verglichen mit Shining oder Katatonia. Bei allen "gut" gemeinten Versuchen: Zu Shining fehlt NONEXISTENCE unter anderem die krankhafte Genialität, zu Katatonia die würdevolle Melancholie. Letztlich aber bleibt "Nihil" ein recht gutes Album, dass sich zwischen Gothic-nahen Klänge (das beinahe belanglose "Serenity") und blackmetallischen Auswüchsen bewegt. Neben gelungenen, weicheren Melodien (inklusive Keyboard-Einsätzen) finden sich auch gegrunzte oder gekeif-knurrte Vocals wieder, die NONEXISTENCE auf den Weg in Richtung Doom- oder Black-Metal bringen. Für zusätzliche Varianz sorgen dann eben die schwarzwurzeligen, tempogesteigerten Ausbrüche. Nennt es Doom Death, Gothic Black - wie ihr wollt - irgendwie ist "Nihil" nicht - ähem - schlecht, irgendwie aber auch zuviel des Bösen. Bevor das Universum also endgültig stirbt, sollte der dunkel-solierende Zeremonienmeister dafür sorgen, dass er seinen Weg findet, bevor er sich verzettelt…
Die BItterfelder Pagan-Metaller TRIMONIUM haben sich für ihre dritte CD vier Jahre Zeit gelassen - und das hat der "Son Of A Blizzard" keinesfalls geschadet. Sohnemann ist ein echter Sturm geworden - er pustet mit der Kraft aus mehrerlei Herzen: Black-, Thrash, Viking-Metal, alles drin. Aber die Jungs verrennen sich keinesfalls, haben eine Hymne nach der anderen geschaffen - zumeist im gehobenen Tempo-Bereich, gern aber auch gebremst und dann eben episch, fast quorthonesk.... Nicht nur stimmlich liefern die Sachsen-Anhaltiner zudem eine kleine Reminiszenz an Immortal. Auch die Gitarren klingen ähnlich frostig, sägen aggressiv wie die Holzfäller am kanadischen Baum. TRIMONIUM ist meilenweit vom Party tauglichen Pagan entfernt, bringen Black-Metal-Hymnen mit viel echtem Metall-Feeling, erinnern manchmal irgendwie an eine härtere Variante Doomswords - da dominieren viel Gefühl und Räudigkeit. Eigentlich gibt es nicht viel zu meckern, sogar der trockene, beinahe minimalistische Sound passt wie der Hammer auf den Nagel zum abseits des Mainstreams gelegenen Charme TRIMONIUMs. Einziger echter Kritikpunkt: Für die verschwommenen Texte im Booklet brauchst der geneigte Leser entweder eine 3D-Brille oder einen ordentlich Rausch - vielleicht sind die buchstaben-ähnlichen Hieroglyphen dann zu entziffern. Aber das ist im Gegensatz zur Musik der Band eher zweitrangig…
Ohne wieder übertriebenen Populismus bei einer berühmten Band betreiben zu wollen: die Bilanz der wichtigsten Rockband Deutschlands über die letzten 20 Jahre sieht nicht gerade rosig aus. Die zugegebenermaßen sehr gute Ballade "Wind Of Change" haben wir mittlerweile totgehört, die Roy Black-Coverversion "Du Und Ich" förderte das Frühstück wieder Richtung Tageslicht, der Versuch, mit halbgarem Elektro-Pop "Nr.1" zu werden, ging nach hinten los, und kann sich überhaupt noch ein einziger Rockfan an diese gruselige "Expo-Hymne" erinnern?! Die SCORPIONS waren fast schon zur Altherren-Karikatur verkommen, bevor man zuletzt mit "Unbreakable" wieder gut nach vorne rockte und aufhorchen ließ. Dann kamen die Hannoveraner nach Wacken… und mit ihnen eine der geilsten Shows, die man je auf der norddeutschen Kuhweide bestaunen durfte. Und nun legt die Band ihr stärkstes Album seit "Love At First Sting" vor. Kein Scheiß: "Humanity-Hour I" übertrifft nicht nur das nicht gerade üble "Crazy World", sondern kann in Sachen Hitdichte sogar an frühe Meilensteine der Marke "Lovedrive" oder "Blackout" anknüpfen, ohne diese Alben auch nur ansatzweise zu kopieren. Produzent und Co-Songwriter Desmond Child hat in Zusammenarbeit mit seinem Kollegen James Michael das Maximum aus den SCORPIONS der Gegenwart heraus geholt und lässt besonders die Gitarren grooviger und breitwandiger braten. Hinzu kommt Klaus Meines beste Gesangsleistung seit Ewigkeiten, und fertig ist eine Scheibe, die sicher die wenigsten Fans noch erwartet hätten. Mit dem famosen Ohrwurm-Opener "Hour I", der überragenden "Rock You Like A Hurricane"-Hommage "The Game Of Life", der atmosphärischen Hymne "We Were Born To Fly", dem sich steigernden "The Future Never Dies", dem genialen Gänsehaut-Einschmeichler "Love Will Keep Us Alive" oder dem treibenden "The Cross" (mit Gastvocals von Billy Corgan) hat die Band voll ins Schwarze getroffen, und lediglich "You´re Lovin´ Me To Death" (betont moderner, gewöhnungsbedürftiger Rocker) und die leicht kitschige, erste Single "Humanity" fallen gegenüber dem durchweg erstklassigen Rest einen Tick ab. Das ändert aber nix daran, dass sich die SCORPIONS endlich wieder gefangen haben und nach ihren ebenfalls neu erstarkten Kollegen JUDAS PRIEST, IRON MAIDEN und SLAYER ein echtes Karriere-Highlight abliefern. Geilomat!
BECOMING THE ARCHETYPE sind bislang unter meinem Radar geflogen, lösten bei meinem Redaktionsnamensvetter mit ihrem Debüt Begeisterungsstürme aus. "The Physics Of Fire", die neue Langrille der christlichen Band, rotiert jetzt seit einigen Wochen in meinem Player - und kann mich überhaupt nicht beeindrucken, was die Frage aufkommen lässt, ob Kollege Knackstedt und ich einen so unterschiedlichen Geschmack haben oder ob BECOMING THE ARCHETYPE ihr Pulver schon verschossen haben. Die Produktion von Andreas Magnusson (BLACK DAHLIA MURDER, SCARLET) ist etwas zu leise ausgefallen, aber dafür sehr klar, was besonders den Gitarren zugute kommt. Die werden auch vom Neuzugang Alexis bedient, der mit einigen gelungenen Passagen auf sich aufmerksam machen kann ("Fire Made Flesh") und auch in den knüppelharten Abschnitten eine anständige Figur macht. Überhaupt sind die elf Songs sehr heftig ausgefallen, irgendwelche Core-Anleihen finden sich kaum, dafür regiert die meiste Zeit die Death Metal-Keule. Der klare Gesang wirkt dabei oftmals sehr störend, ebenso die unvermittelt auftretenden ruhigen Einschübe. Das größte Problem, dass ich mit "The Physics Of Fire" habe, ist die fehlende Eingängigkeit. Kein Song hat bei mir ein Aha-Erlebnis ausgelöst, keiner hat mich berührt. An den spielerischen Qualitäten des Quartetts liegt es nicht, wir sind einfach nicht auf einer Wellenlänge. Das werden Fans der Truppe naturgemäß anders sehen, aber auch ihnen rate ich zu einem Antesten der Scheibe, bevor das Geld über den Tresen wandert.
Mitbegründer Judas Priests ist Al (oder auch Alan) Atkins. Bereits 1973 stieg er aus - und musikalisch blieb für ihn wohl auch noch die Zeit stehen. Denn wo Scheiben wie "Rock a Rolla" oder "Sad Wings Of Destiny" noch den eigentümlichen Charme der damaligen Ära versprühen, da wirkt die schick in ein extra Pappschuber verpackte CD einfach nur altbacken, langweilig 08/15 - OWOBHM sozusagen. Alles nicht wirklich beschissen, aber eben völlig uninspirierter Stahl für ewig Gestrige. Und daran ändern auch die beiden Neu-Einspielungen der Priest-Hits "Victim Of Changes" und "Demon Deceiver" nix. Es ist ja schön, wenn sich der Kollege aus West Brom mit seiner leidlichen rauen, recht limitierten Metal-Stimme und seine solide musizierenden Kollegen auf "The Sin Sessions" auf diese Weise noch ein paar Taler für die Rente sichern. Aber schön ist auch, dass sich der geneigte Fan entweder die alten Scheiben aus dem Vinyl-Schrank holen kann oder diese Scheibe einfach nicht kauft. Nur Priest-Fanatiker werden sogar dieser Art von monetärer Akquise noch andere positive Aspekte abgewinnen können…
Nanu, meinen es MANOS jetzt ernst? Nix mehr "Friede, Freude, Eierkuchen", jetzt geht’s um den Genozid. Die Sachsen-Anhaltiner rumpeln musikalisch aber weiter mit einer bewährten Mischung auf Metal, Thrash, Death, Punk und Grindcore - liebenswert, groovy, cool. Die Produktion aus dem Hamburger Hause Eikey ist gut, Andrew, Ratze und Eule bollern fett durch die Gegend, zeigen, dass sie ihr Löwenherz ehrlich am richtigen Fleck tragen. Und sie beweisen in jeglicher Hinsicht großen Variantenreichtum, denn sie wechseln in den genannten Stilrichtungen kinderleicht und stimmig hin und her. Dass sie trotz vieler Wetterei gegen Unrecht und Miss-Stände auf dieser Welt ihre besondere Humornote nicht verloren haben, das beweist ein Stück wie "Stop The Politess" (frei nach dem Punk-Motto: Politesse auf Fresse?), oder "Frust", das textlich lediglich aus dem Wort "Aaaaargh" besteht und eben durch die angehängten Videos, die einen ungefähren Eindruck von den Live-Qualitäten der Querfurter Death-Thrash-Entertainer vermittelt. Zudem gibt’s noch zwei Bonus-Tracks aus dem Jahre 1988, die gut demonstrieren, dass sich MANOS aktuell weiterentwickelt haben, sich aber weiterhin treu bleiben. Für echte Sound-Ästheten, selbsternannte Anspruchsdenker oder progressive Ohren ist das hier natürlich, wer sich aber über Musik aus dem Bauch mit viel Herz begeistern kann, der liegt hier richtig. Im Ernst!